Episode 27/14 (vom 28.11.) Run 57/3

Welcome back, Omae. 

Wir freuen uns sehr, dass Du auch heute wieder dabei bist.

Derzeit On The Run sind: Blackstone, Bloody Guts, Chang, Gunner, Metge*, Rubber Duck, Shark Finn, Snowcat und Triple S. (*Spieler war nicht anwesend.)

Datum in unserer SR-Timeline: 02.10.- 05.10.2073

Was bisher geschah: Der neue Run führt UC nach Hong Kong, wo sie zunächst einen Gegenstand von einem Teil der freien Handelszone in einen anderen transportieren sollen. Johnson, ein Geist, spricht eine Option auf zwei weitere Runs aus. Das Team plant die Reise. Snowcat kontaktiert einen Fixer in Hong Kong, Penelope Wang und schließlich kommt man im Peninsula unter. Als man überpünktlich am Meetingpoint, einem Taliskrämerladen, auftaucht, wird Chang von einer Gruppe junger Männer bemerkt, die ihn offenbar suchen. Eine Finte bringt die Männer von der Spur ab und so verläuft das Meeting mit Mr.Johnson reibungslos. Die genauen Übergabe-Daten werden bekannt begeben. Die Runner sollen um Mitternacht an bestimmten Koordinaten in den Northern Reaches sein. Um eine Landenge zu meiden, stiehlt das Team Motorboote. Letztendlich bringen Piraten das Paket, welches Johnson kontrolliert. Snowcat erkennt, dass es sich bei dem Gegenstand um ein Artefakt, genauer um einen der Coins Of Luck, handelt. Scheinbar ohne Verfolger macht man sich zu Wasser auf den Rückweg.

Wir schalten uns genau in dem Moment in das Geschehen zurück, an dem wir die Runner das letzte Mal verlassen haben. 

Deine Kommentare zur Episode passen am Besten unter ‚A Tale So Far, Part IX‘ [LINK].

Eine Beschreibung der Runner findest Du hier [LINK].

Hat ein Wort im Text eine andere Farbe, verbirgt sich darunter wahrscheinlich ein Link und es wird im Glossar erklärt. Du kennst ein anderes Wort aus dem Shadowslang nicht? Dann schau doch einfach auf gut Glück im Glossar vorbei. [LINK]

Noch eine Kleinigkeit: die Songs zum Text sollen lediglich zur Stimmung beitragen und sind keine versteckten Hinweise- jedenfalls meistens nicht. ;-) (Ich versuche immer Videos ohne störende Werbung raus zu suchen. Ich kann allerdings nicht garantieren, dass sie auch ohne Werbung bleiben. Manchmal werden die Videos von Songs sogar schneller komplett entfernt, als ich die Episode hoch laden kann, darum nenne ich vorsichtshalber Künstler und Titel neben dem Link. Wegen Lizenzrechten muss ich bei You Tube immer öfter auf Coverversionen oder schlechte Live-Varianten zurückgreifen, oder ich finde ein anderen Anbieter. Die komplette Episoden-Playlist findest Du hier [LINK].)

Bereit Omae? Na dann los!

[Song 1: The Expandables Soundtrack - Waterboard] Es juckte mich in den Fingerspitzen die sagenumwobene Münze genauer zu betrachten. Wohlstand war wohl die Münze, die mich an wenigsten reizte, aber ich wollte sie ansehen und studieren. Ich liebe Artefakte einfach. Sie sind interessant, erzählen Geschichten und sind von Geheimnissen umgeben. Ich wollte die Münze nicht behalten, aber ich hätte gerne mehr über sie gelernt, mich auf sie eingeschwungen, mit ihr eine Reise der Erinnerung angetreten. Ich seufzte. Ich war stark, also würde ich sie nicht studieren. Nicht auszudenken, wenn sie verloren ging oder Verfolger anlockte.

‹Ich an deiner Stelle, würde sie mir zumindest ein paar Minuten ansehen, Elfenmädchen. Aber du mit deiner Runnerehre machst das natürlich nicht. ›, bemerkte Katze.

‹Möchtest du mich überreden Katze?›, fragte ich.

‹Nein, das wage ich nicht. Wir sind auf einem Boot und wenn sie dann am Ende ins Wasser fällt, gibst du mir die Schuld Elfenmädchen. ›

Ich lächelte, ‹Immerhin haben wir sie schon gesehen, Katze. Das ist doch einfach wunderbar. Wie viele mächtige Gegenstände wir in den letzten Jahren zu sehen bekommen haben und wie viel wir über sie wissen. ›

Katze sprach nun leise, ‹Ja, Elfenmädchen, da stimme ich dir zu.›

Die Motoren der Boote waren hier draußen in der Einsamkeit sicher meilenweit zu hören und uns machten sie nahezu taub, jedenfalls im übertragenen Sinn. Darum mussten wir uns auf unsere anderen Sinne verlassen. Rubber Duck ließ eine Drohne vor fliegen und Bloody Guts checkte die Umgebung nach Signalen. Doch es schien uns tatsächlich niemand auf dem Schirm zu haben. Spannend blieb es dennoch.

Zunächst tauchten in einiger Entfernung Lichter auf, dann wurden es immer mehr und irgendwann waren wir zurück in der Zivilisation. Wir drosselten das Tempo, verstauten unsere Waffen in Taschen und unter Decken und gaben mögliche Tarnfunktionen der Kleidung auf. Natürlich würden wir dennoch jedem metamenschlichen Betrachter auffallen, aber hier herrschte überwiegend die Überwachung durch Drohnen auf Autopilot und wir gaben uns Mühe, nicht in deren Gefahren-Parameter zu gelangen.

In keinem Fall durften wir zu schnell auf Boote zu fahren, um nicht für Piraten gehalten zu werden. 

Zusammengefasst fuhren wir also möglichst unauffällig durchs Wasser.

Es wirkte irgendwie beängstigend auf mich zwischen den großen Containerschiffen, die in der Nacht zum Glück in weitaus geringeren Mengen als am Tag unterwegs waren, entlang zu fahren.

So war ich erleichtert, als wir diese öffentliche Fahrwasser verließen und auf unseren Anlegepunkt zufuhren.

«Ist jemand verletztä?», fragte Metge sofort, als wir mit ihm Kontakt aufgenommen hatten.

Doch dem war ja nicht so. Ich konnte es kaum glauben, wir waren nicht behelligt worden. 

Rubber Duck sandte eine seiner Drohnen voraus, konnte aber auch beim Landepunkt nichts Auffälliges entdecken. 

«Nunä,“, bestätigte auch Metge, «Erstaunerlicher Weisä, war ess hier abzolut ruhig. Ich kommä dann noch zzu den Bootän, um jedä DNA-Spur magisch zu löschän.»

Es war jetzt kurz vor 2 Uhr. Das Leben in Hong Kong tobte immer noch, jedoch nicht direkt am Hafen. Für das tobenden Leben musste man zu den Nachtclubs, Restaurants, Spielhallen und Boutiquen gehen und die lagen in anderen Strassen, als hier am Privat-Hafen ohne große Yachten.  

Mitten in der Nacht waren die Strassen im Yau Tsim Mong Distrikt kaum noch mit Metamenschen gefüllt. Dafür erfüllte das Summen schier unendlicher Klimaanlagen die Luft noch stärker. Aus zahllosen Wohnungen drangen zudem gedämpfte Geräusche heraus und vereinigten sich zu einem Vibrieren, dass man nur unterbewusst wahrnehmen konnten. Die Massen der Bevölkerung waren stetig spürbar zugegen. 

Zum Glück war von Changs Verfolgern ebenso wenig zu sehen, wie von anderen Gestalten, die sich in der Näher von Shens Taliskrämerladen herum trieben. Wir fuhren zwei mal am Geschäft vorbei, um sicher zu gehen. Dann stiegen wir aus.

Oder besser gesagt, ein Teil von uns tat das. Blackstone, Shark Finn, Chang und ich betraten erneut den engen Shop. Es gab nur einen Unterschied zu vorhin. Die anderen warteten im Wagen direkt vor dem Geschäft und würden jederzeit eingreifen können, wenn nötig. 

Der Laden war schwach beleuchtet und immer noch dicht voll gestellt. Warum sollte sich das auch innerhalb von wenigen Stunden ändern? Shen erschien beflissen, gleich nachdem wir den Verkaufsraum betreten hatten und er bat uns sofort nach hinten. 

Aus Gewohnheit und da man nie vorsichtig genug sein konnte, spürte ich nach Bewegung. Doch da hinten war nichts, nicht mal eine Maus.

Was natürlich hieß, da war auch kein Johnson.

Shen sah uns erwartungsvoll an.

Ich hatte damit gerechnet, den Geist hier vor zu treffen, doch nun war ich mir nicht mehr ganz sicher, ob das so abgemacht gewesen war. Ich ging das Gespräch gedanklich durch. Nein, es war nicht explizit erwähnt worden, aber es war auch nicht abgemacht worden, dass wir das Paket Shen geben sollten.

Dieser sah mich nun also weiter erwartungsvoll und freundlich an. Ich zögerte kurz und sagte dann auf Chinesisch: „Wir haben das Paket. Unterwegs ging alles glatt.“

Shen nickte und lächelte. Dann wartete er und als ich nichts weiter sagte, merkte er auf, als sei ihm etwas eingefallen. Er trat an eine Schublade und holte zwei Gegenstände heraus. Einen Anhänger und einen entzückenden, wunderschönen Ohrstecker mit einer Seerose aus Jade. Ich nahm kurz astral wahr. Das waren eindeutig die zwei bestellten Zauberspeicher und die Seerose war für mich. Shen schob sie mir breit lächelnd zu. 

Ich strahlte ihn an und verbeugte mich tiefer als zu vor, „Das sind wirklich herausragende Arbeiten, die von einem wahren Künstler angefertigt wurden.“ Ich hatte nicht gelogen, innerlich klatschte ich in die Hände.

Shen freute sich über das Lob.

Ich nahm die Seerose und sah sie mir genauer an. Sie war sehr detailreich gearbeitet worden. Dann steckte ich beide Foki ein. Obwohl es mir immer noch nicht ganz behagte, gab es nun keinen Grund mehr zu zögern. Blackstone nickte mir bestätigend zu und ich holte das Kästchen aus dem Daypack und überreichte es an Shen. 

Der ältere Mann verbeugte sich und stellte das Kästchen auf eine Ablage oder in ein Fach unter dem Schreibtisch. Sein Lächeln sah nun sehr zufrieden aus.

„Wenn wir das Geld bekommen haben, werden wir ihre Zeit auch nicht weiter in Anspruch nehmen.“, bemerkte ich höflich. 

Wie aufs Stichwort begann es zu flimmern und Mr. Johnson materialisierte sich. Er grinste sogar ein bisschen. „Schön, dass sie hier sind.“

Ich lächelte breit, „Zum Glück gab es keinerlei Komplikationen.“

Der Geist verbeugte sich. Sein langer, chinesische Mantel schimmerte im spärlichen Licht leicht golden. Dann nickte er Shen zu, der daraufhin ein weiteres Mal unter den Tisch griff und diesmal 9 Kredsticks hervorholte. Die 10 K für jeden. 

„Vielen Dank.“, ich verbeugte mich abermals. Man gewöhnte sich schneller an die Geste, als ich gedacht hätte. Sie glitt mir schon fast wie von selbst vom Rücken.

‹Du machst das auch sehr elegant, Elfenmädchen.›, lobte Katze mit leichtem Spot in der Stimme.

„Wie verbleiben wir nun. Mr.Johnson?“, fragte ich.

„Sie melden sich hier einmal am Tag und dort erfahren sie, ob ich einen neuen Auftrag für sie habe.“ Er nickte Shen noch einmal zu und dieser gab uns 3 Kredsticks. „Das ist die vereinbarte Summe für drei Tage.“, erklärte der Geist.

Ich verbeugte mich, „Um wie viel Uhr soll ich mich melden?“, wollte ich noch wissen.

Shen erwiderte, „Ist ihnen um die Mittagszeit lecht?“

„Selbstverständlich. Ich melde mich um 12.00 Uhr.“ Bis nachher dann.“

Wir verabschiedeten uns.

Shen kam noch mit in den Verkaufsraum, wo Finn auf uns wartete. Hinter der Theke lagen die Beschwörungsmaterialen für uns. Geld und Foki hatte ich eingesteckt, das kleine Päckchen mit Material ließ ich Chang tragen. 

Zurück im Hotel verteile ich die Barsticks. Den Tages-Warte-Lohn behielt ich für mich und fügte der Sammlung den Stick von Triple-S hinzu. Damit würde ich später unsere bisherige Hotelrechnung begleichen, auf der sich ja auch meine neuen Kleider und bereits einige kleine Sonderposten der Anderen wie Massage und Extra-Trideo befanden. 

Ich zog den Fokus für Triple S aus meiner Tasche und beobachtete den Mann dabei genau. Seine Augen leuchteten. Ich hielt ihm den Anhänger vors Gesicht, gab ihm ihn aber noch nicht. Er beherrschte sich, aber es viel ihm nicht leicht. Ich lachte leise und perlend und legte ihm dann Anhänger in die Hand. Ich flüsterte verführerisch, „Das bucht dann 50.000 NuYen auf unsere Spell-Prepaid-Card. Es ist mir eine Freude mit dir Geschäfte zu machen.“ Ich konnte in seinen Augen erkennen, dass der Fokus ihm die Arbeit in der Zukunft wert und er fest davon überzeugt war, das schnell abzaubern zu können. Ich grinste leicht, „Na, ein paar Nu Yen hast du ja schon abgezaubert.“ Lauter fügte ich hinzu, „Gute Arbeit übrigens. Das gilt für alle.“

Gunner hatte bereits Bier geordert und war nun dabei, es zu verteilen. Chinesisches Bier war nicht gerade das Beste, aber ich hatte schon schlechteres getrunken. Ich hob meine Flasche, „Auf den abgeschlossenen Job. Cheers, oder ganbei, wie man hier sagt.“

„Ganbei!“, erwiderten meine Kollegen. 

[Song 2: Bourne Identity Supremacy Score - New Memories] Mein Blick fiel auf Chang, „Wobei mir gerade einfällt, Chang, was war das eigentlich da vorhin? Warum suchen die Männer dich?“

Bloody Guts stellte sich hinter den Sessel, auf dem Chang saß. Obwohl, stellte war nicht das richtige Wort. Er baute sich viel mehr hinter ihm auf und legte seine großen Hände auf der Rückenlehne ab. Ein durchaus bedrohliches Bild. „Genau.“, tönte der Troll, „Was wollten die eigentlich von dir?“

Chang hätte sich des Trolls sicher erwehren können, doch es war ihm anzusehen, dass er wusste, dass dies keine gute Idee gewesen wäre. Noch mehr fühlte Chang sich aber schon deshalb unwohl, weil wir ihn alle fragend ansahen. 

Der Asiate zuckte mit den Schultern, „Ich habe keine Ahnung.“ 

Das zumindest klang schon mal ehrlich.

‹Wer im Trüben fischt, fällt meistens rein.›, kommentierte Katze.

Ich unterdrückte ein Lachen.

„Ich würde selber gerne wissen, warum sie mich gesucht haben.“, gab Chang bekannt

„Haben sie denn Chang überhaupt gesucht?", fragte ich.

Bloody Guts schnippte ein Bild ins Teamnetzwerk. „Danach haben sie gesucht.“

Der Mann, der dort zu sehen war, konnte durchaus Chang sein. Er hatte zwar schulterlanges, schwarzes Haar und das wettergegerbte, gebräunte Gesicht eines Metamenschen, der Wind und Sonne ausgesetzt gewesen war, aber ansonsten passte es. Das Chang-Double stand auf einem Speed-Boot und im Hintergrund war ein Schiff zu sehen. Dieser Chang auf dem Bild war offenbar ein Pirat.

Chang erklärte ruhig und fast schon zu leise - wären meine Ohren nicht schon spitz, ich hätte sie nun wohl spitzen müssen, um ihn zu verstehen, - „Das Bild sagt mir nichts und ich kann mich nicht an eine solche Szene erinnern.“

‹Elfenmädchen, dein Spruch war etwas schwach auf der Brust.›, verkündete Katze gleichzeitig, so dass ich Chang nun wirklich fast nicht verstanden hätte. Fast.

Blackstone sah Chang ernst an, „Hattest du dein Haar mal so lang?“

Chang zuckte mit den Schultern, „Ich weiß es nicht.“

Bevor alle auf ihn einstürmten und noch mehr in die Ecke drängten, schritt ich ein, „Chang, niemand wirft dir etwas vor. Es geht hier einzig und allein darum, die Gefahr abzuschätzen. Wenn du das auf dem Bild wärest, müsste das eine Weile her sein. Denn es dauert, bis das Gesicht diese Bräune verliert.“

„Es sei denn, er schminkt sich oder benutzt Nanopatse.“, bemerkte Bloody Guts.

Blackstone merkte auf, „Genau das wollte ich auch gerade sagen. Das heißt nichts.“

Gunner fragte, „Hast du einen Zwillingsbruder oder so?“

Chang zuckte abermals mit den Schultern, „Auch das weiß ich nicht.“ Er wirkte weiterhin aufrichtig. 

Triple S bot an, „Soll ich nachsehen, ob er die Wahrheit sagt?“

Ich schüttelte den Kopf, „Das ist nicht nötig. Es gibt bisher nichts, was das rechtfertigt.“

Chang holte tief Luft, „Ich weiß nicht viel aus meiner Vergangenheit. Sie liegt im Verborgenen.“

Huups, das klang ernst, zumal weiter jede chinesische Weisheit gefehlt hatte,

Blackstone fragte, „Was ist denn das Älteste, an das du dich erinnern kannst?“

Es fiel Chang schwer, mit der Sprache herauszurücken, er zögerte. Doch schließlich sagte er, „Wie ich vor etwas mehr als zwei Jahren hier in Hong Kong aufgewacht bin.“

„Krass!“. Gunner sprach aus, was ich gerade gedacht hatte.

„Wie kann so was sein?“, fragte Bloody Guts und nun sahen alle Metge an.

„Nun Senior, dassä kann viiele Mögligkeiten habän. Ohne genauä Untersuchung, kann ich das nicht sagän.“

Ich erklärte, „Das kann magische, medizinische oder technische Ursachen haben. Das ‚wie‘ ist erstmal zweitrangig.“ Ich sah den hässlicheren von unseren beiden Trollen an. „Bloody Guts, kannst du vielleicht was darüber rausbekommen, wer der Gesuchte auf dem Bild sein soll?“

„Klar.“ Er klopfte Chang auf die Schulter, setzte sich auf den Boden, lehnte sich an die Wand und machte gleich darauf einen weggetretenen Eindruck. Er war in die Welt der Matrix eingetaucht.

Ich sag Chang noch mal an. Er war an Erinnerungen gerade mal zwei Jahre alt. Ich verstand ansatzweise, was da bedeuten konnte. Ich selbst besaß kaum Erinnerungen an meine Kindheit, einfach, weil sie nie von Verwandten oder Bildern aufgefrischt worden waren. 

‹Ich hätte ja jetzt eine Menge Fragen an ihn, Elfenmädchen.›, betonte Katze.

‹Die habe ich auch, Katze. Aber er sagt eh nicht viel über sich. Etwas, was ich nun besser verstehen kann. Da ist ja auch nicht viel zu erzählen. Da ist nur sehr viel Ungewissheit. Chang hat Probleme, sich zu öffnen. Ich will ihn nicht bedrängen, schon gar nicht in der Gegenwart aller anderer.›

Katze gähnte, ‹Na wie du meinst Elfenmädchen. Aber warte nicht zu lange. Nicht, dass er nachher wieder tot ist, bevor du seine Geheimnisse kennst.›

Ich warf Katze einen mahnenden Blick zu, ‹Das war jetzt aber gar nicht nett, Katze.›

Katze gähnte ausgiebiger, ‹Fürs nett sein, bist ja auch du zuständig, Elfenmädchen.›

Bloody Guts kehrt in die reale Welt zurück. „Der Typ auf dem Bild ist Lin oder Jin. Anführer der berüchtigten Black Dolphin Pirates. Die Marine Authority sucht nach beiden schon eine ganze Zeit lang und die Belohnung ist höher als fünf K. Man vermutet, dass das Zwillinge sind, aber wissen tut das keiner.“

Blackstone sah weiter ernst drein. „Klingelt da irgendwas bei dir?“

Chang schüttelte den Kopf.

Ich lächelte, „Na, vielleicht sind das ja auch Drillinge oder mehr. Denn eigentlich glaube ich nicht, dass du ein Pirat bist. Jedenfalls sieht deine Haut nicht aus, als wärest du vor zwei Jahren noch Pirat gewesen. Natürlich hätte man chirurgisch was machen können. Egal, die Jungs haben dich also nicht für die Marine Authority gesucht. Da die Summe nicht stimmt.“

Blackstone rieb sich das Kinn, „Na, dann werden wir die Typen wohl befragen müssen, warum sie dich suchen.“

Chang nickte für seine Verhältnisse heftig, „Ich würde sehr gerne wissen, warum sie mich suchen.“

Ich hob beschwichtigend die Hand, „Das verstehe ich. Aber wir sollten das ganz hinten anstellen und keine schlafenden Hunde wecken. Sonst sagen wir ihnen noch, dass du jetzt wirklich hier bist. Lass uns das machen, bevor wir Hong Kong verlassen. Nicht dass das unseren Job behindert.“

Chang schloss kurz die Augen und nickte dann bestätigend.

Ich lächelte ihn an, „Vorsichtshalber solltest du aber nicht als du rumlaufen.“

Triple S wirkte erfreut, „Ich biete dir gern eine Körpermaske an. Du musst dir nur ein Aussehen aussuchen.“

Metge meinte, „Irgendetwas asiatisches solltä es sein.“

Rubber Duck bot an, „Wir könnten ihn wie einen meiner Brüder aussehen lassen.“

„Du hast Brüder?“, fragte Bloody Guts.

„Ja.“, bestätigte der Rigger.

„Lass mich raten, du bist der Jüngste?“, fragte Bloody Guts grinsend nach.

„Nicht ganz:“, erklärte Rubber Duck. 

Doch er hatte kurz gezögert und ich war mir ziemlich sicher, dass er gelogen hatte und doch der Jüngste der Brüder war.

Bloody Gut glaubte ihm und meinte nun, „Wir können Chang auch wie meinen Bruder aussehen lassen.“

„Du hast auch Brüder?“, wollte nun Rubber Duck seinerseits wissen.

„Nö!“, sagte Bloody Guts grinsend, „Aber ich hab ne ziemlich genaue Vorstellung davon, wie mein Bruder aussehen würde, wenn ich einen hätte.“

Gunner lachte.

Wir saßen noch eine Weile beisammen, doch dann war es an der Zeit für meinen Schönheitsschlaf und ich warf die Jungs aus meiner Suite.

Den Montag Vormittag versüßte ich mir mit einer Massage durch geschultes Hotelpersonal. 

Da Shen heute keinen Job für uns hatte, nutzten wir den Nachmittag, um mit Shark Finn surfen zu gehen. Sprich, wir begleiteten ihn. Hier in Hong Kong gab es einen der berühmtesten Surf Hot Spots von ganz Südostasien, dem sogenannten Shreck’O. Finn hatte extra sein Equipment mit gebracht, nur für den Fall, dass sich die Gelegenheit bot und heute bot sie sich nun einmal.

Während der gut aussehende Troll sich auf den Wellen tummelte, spielte ich mit den anderen Runnern unter den wachsamen Augen von Blackstone, der nun für meine Sicherheit verantwortlich war, eine Runde Beach-Volleyball. 

Gunner und Rubber Duck setzten sich zwischenzeitlich ab, um mit ein paar niedlichen Asiatinnen Frisbee zu spielen. 

❄❄

[Song 3: T.O.P.- Doom Dada] Auch am Dienstag, den 3.Oktober 2073 hieß es, «Nein heute nicht. Vielleicht molgen.»

Ein Umstand, der mir mehr als recht war. Immerhin hatte ich Penelope Wang gestern gebeten uns Karten für ein Combat Biker Spiel zu besorgen und sie hatte mir heute früh mitgeteilt, dass es ihr gelungen war, Karten für heute Abend für ein Spiel der berühmten Hong Kong Cavaliers zu bekommen. Die Sportart war in Asien sehr beliebt. Bloody Guts war ein echter Combat-Biker Fan und zu meine Lieblings-Sportarten zählte der Arena-Kampf auf Motorrädern nun mal auch. Zwar bevorzugte man in Asien im Gegensatz zu Nordamerika und Europa, die schnellen leichten Reiskocher-Maschinen, aber die Idole von Hong Kong live zu sehen, würde einen Besuch wert sein. Die Spieler der Hong Kong Cavaliers als Idole zu bezeichnen, war wirklich das passende Wort. Jeder von ihnen besaß seine eine eigene Trideo-Show oder machte Werbung für gleich mehrere Produkte. 

Ich blickte auf die Uhr. Die Zeit würde noch reichen, um meinen neuen kleinen magischen Ohrstecker an mich zu binden. Ich gab Finn bescheid und begann augenblicklich mit der Meditation.

Wie es sich für richtige Bonzenrunner gehörte, fuhren wir in einer Stetchlimousine in die Combat Biker Arena und natürlich hatten wir eine Loge reserviert.

Nein, ganz so einfach war es dann doch nicht. Wir hätten es ohne Penelope Wang wohl kaum so gut gehabt. Es war nicht gerade leicht, an Karten für ein Spiel der beliebten Cavaliers zu kommen, schon gar nicht so kurzfristig und nur mit den besten Beziehungen reservierte man gleich eine ganze Loge. Und genau diese Beziehungen hatte Penelope für uns genutzt. Nur durch sie genossen wir eine absolute VIP-Behandlung, etwas, was natürlich zu dem Bonzenrunner-Image passte. Ein bisschen mussten wir sicher darauf achten, es nicht zu übertreiben. 

Andererseits, nein! Ich bekam nur genau das, wofür ich wie geschaffen war. 

‹Richtig so, Elfenmädchen.›, stimmte Katze mir zu.

Die Geschwindigkeit ‚Fast Lane‘ in der Limousine setzte sich beim VIP-Eingang fort. Eine Rolltreppe führte uns direkt über die normalen Massen ohne VIP-Access hinweg und dennoch war die Energie unzähliger Metamenschen zu spüren. 

Ich konnte wieder mal nicht anders. Ich musste einfach astral wahrnehmen und mich dem brodelnden Farbenspiel hingeben. Vorfreude und Ausgelassenheit sprudelnden mir ebenso entgegen, wie positiver Fanatismus. 

Via AR war das Farbenspiel noch farbenfroher und beinahe erdrückend. Tonnen von Werbung schlug auf meinem Comlink ein und fast auf jeder war das Konterfei eines der Spieler zu sehen. Die Spieler der Cavaliers waren Topmodels, Modeikonen und Trideostars in einem. Hier in ihrem Heimatstadium, der Happy Valley Arena, war die Umgebung von ihren Farben beherrscht. Alles erstrahlte in Gold, Weiß und Orange. Eine Tatsache, die Weiß in Hong Kong von der Liste der NoGo-Farben strich, wie ich gerade bemerkte. 

‹Aber ich bitte dich, Elfenmädchen, doch nur in der Kombination mit Gold und Orange. Zwei Farben, die nicht zum Spektrum deine bevorzugten Farben gehören, wenn ich mich recht erinnere.›

‹Hmm, da hast du natürlich recht Katze, aber Silber und Blau schwächen Weiß ab.›

‹Na, Elfenmädchen, dann entfärbe deine Haare wieder, das steht dir eh besser.›

‹Das stimmt, dass es mir besser steht, ist keine Frage. Allerdings ist es im Moment zur Tarnung einfach besser, schwarze Haare zu haben, Katze.›

‹Was immer du meinst Elfenmädchen.›

Rubber Duck, Gunner und Bloody Guts zogen erstmal los, um eine Runde Trikots für alle zu kaufen, damit wir passend gekleidet waren, auch wenn das in der Loge - die man von außen selbstverständlich nicht einsehen konnte - keiner merkte, war im Anschluss das ganze Team passend angezogen. ‚Merkwürdigerweise‘ war mein Girlie-T-Shirt gut eine Nummer zu klein und saß ein wenig eng, während die Jungs bei allen anderen darauf geachtet hatten, weite Shirts zu bekommen. Ich grinste in mich hinein und tat den Jungs den Gefallen und zog das Shirt über. Selbstverständlich hatte ich durchschaut, dass das Absicht gewesen war. Als Bonus zog ich mich in der Loge um, denn das T-Shirt, welches ich eigentlich getragen hatte, passte nun wirklich nicht mehr drunter.

Ich sah an mir herab und hob den Daumen. Fast alle Jungs starten mich an. Shark Finn achtete mehr auf die anderen, als auf mich. Er hatte mich ja auch oft genug im Bikini gesehen, als das ihn mein Spitzen-BH noch groß ablenken konnte. Blackstone schüttelte den Kopf.

Gold war nicht meine Farbe, aber mit dem schwarzen Haar ging es und natürlich sah ich einfach umwerfend aus.

Was den Abend anging, war Bloody Guts völlig aus dem Häuschen und das lag diesmal nicht an der VIP-Behandlung sondern einzig und allein daran, dass er ein Spiel der Hong Kong Kavaliers live ansehen konnte.

Auch in mir machte sich eine höchst angenehme Form von Aufregung breit, als sich die kleinen, schnittigen Maschinen in der Arena warm fuhren. Ich mochte die Sportart und ich hatte sogar schon selbst einige Partien bestritten. Natürlich nur in der Arena, die die Ancients auf dem HQ-Gelände in Tarislar haben. Ich war sogar ziemlich gut als Combat Biker. Persönlich bevorzugte ich ja das kampfbetonte Spiel auf schweren Bikes, dass in den UCAS und Europa gezeigt wurde, aber ich musste schon nach den ersten Spielzügen zugeben, dass diese Spielart mit den Stunts und Tricks auch sehr viel Ansehnliches hatte.

Jeder gelungen Spielzug der Heimmannschaft wurde von frenetischem Jubel begleitet. Diese leichte, schnelle, akrobatische Art würde mir als Spieler sogar mehr liegen. Ich würde hier wahrscheinlich sofort zum Star avancieren und dann im Nu reich und berühmt sein.

‹Ja, das traue ich dir durchaus zu Elfenmädchen. Ich frage mich allerdings nur, welche Geheimnisse du in solchen Arenen noch finden kannst. Zu erfahren, welcher Spieler was mit wem hat, scheint mir auf Dauer nicht erstrebenswert.›

Ich lachte, ‹Das ist richtig. Da bin ich dort wo ich jetzt bin, viel besser aufgehoben. Abgesehen davon strebe ich nicht nach dieser Art von Ruhm und kreischende Massen sind viel zu anstrengend.›

‹Eben, Elfenmädchen, eben.›

Das Publikum kreischte erschrocken auf, als der Liebling Diptanshu Khan von einer Lanze eines Lanzebikes fast vom Motorrad geholt wurde. Das hatte mit Sicherheit wehgetan. Der Jubel war um so lauter, als Khan sich akrobatisch zurück auf den Sattel schwang.

Für einen Moment drifteten meine Gedanken zu Harlequin ab. Seine Lanzennarbe war sicher nicht bei einem Combat-Biker-Spiel entstanden. Die Lanzen hier waren stumpf.

„Hey Beauty, Popcorn.“, fragte Rubber Duck und riss mich aus meinen Gedanken. 

Ich lächelte, „Ja gern, ich nehme was von dem Goldenen mit dem Karamell-Geschmack.“

Da die Cavaliers am Ende gewonnen hatten, war die Stimmung ausgelassen und fröhlich, als wir auf der Fast Lane die Happy Valley Arena verließen. 

Wir nutzen die Gelegenheit und besuchten noch eine der nahegelegenen Spielhallen, wo wir bei Majong, Poker und AR-Games den einen oder anderen NuYen gewannen oder verloren. Wenn wir schon mal da waren, konnten wir auch gleich das noch mitnehmen. Wer wusste schon, wann wir wieder die Gelegenheit dazu bekamen?

Der Abend hatte sich wirklich ganz wundervoll gestaltet. Ich wusste schon, warum mir Hong Kong gefiel. 

Als ich mich spät in der Nacht in mein riesiges Bett kuschelte, verspürte ich für einem Moment große Sehnsucht nach Harlequin, doch eh ich den Gedanken recht fassen oder gar nach meinem Commlink greifen konnte, war ich auch schon eingeschlafen.

❄❄

Ich erwachte in einem zerwühlten Bett. Ich musste wohl unruhig geschlafen haben. Vielleicht hatte ich im Traum wieder mal an den Gefühlen und dem Leben eines anderen teilgehabt. Doch ich konnte mich nicht mehr daran erinnern und ich würde auch nicht versuchen, das zu ändern. 

Von Ghostwalker hatte man seit den Ereignissen im Bunker immer noch nichts gehört. Natürlich war sein Verschwinden in keiner Weise erwähnt oder gar bestätigt worden.

Ich öffnete die Vorhänge am Fenster auf der Ostseite meiner Suite und vollführte mit Blick auf die aufgehende Sonne mein Morgenritual, dass inzwischen akrobatische, magische und meditative Elemente beinhaltete.

Zum Frühstück bestellte ich chinesische Reisbälle und exotische Früchte, zusammen mit dem grünen Tee eine belebende Mahlzeit. 

Auf meinen Tablett lag neben der hier im Peninsula üblichen Vase mit einer Orchidee, eine kleine Überraschung. Ein Schmuckkästchen, dass die Prägung des Hotel zierte. 

Auf der TAG-Karte war zu lesen, ‚Ich musste meinen Spielgewinn einfach in die Aufmerksamkeit für Dich investieren. Kleine Sorge, so etwas mache ich öfter. Guten Morgen. Han - P.S.: Weißgold und kein Silber.‘

Katze begann zu schnurren, ‹Das ist doch mal ein Männchen nach meinem Geschmack, Elfenmädchen.›

Ich öffnete neugierig die kleine, längliche Schachtel. Wow. Darin lag ein zartes, weißgoldenes Armband mit einem Piraten-Totenkopf. Die Augenhöhlen waren mit schönen schwarzen Halbedelsteinen gefüllt. Ich war begeistert. Das Geschenk war geschmackvoll und vom Preis her angemessen für ein Freundschaftsgeschenk. 

‹So etwas wurde ja auch mal Zeit, Elfenmädchen. ›, betone Katze.

Wobei ich ihr nur zustimmen konnte.

«Ja, heute Albeit, bitte. Kommen bitte um 6 Uhr am Abend zu Kooldinaten.» Es dauerte einen Moment, bis die Daten bei mir eintrafen. Offenbar war Shen nicht all zu geübt im Umgang mit den Commlink. 

«Vielen Dank, werter Shen. Ich wünschen ihnen noch einen erfolgreichen Tag.»

«Danke, ich wünsche ebenfalls viel Elfolg.»

Nach Beendigung des Gesprächs rief ich die Koordinaten auf und gab sie in die Karte ein. Das lag schon wieder irgendwo draußen in den Northern Reaches. Allerdings war es diesmal nicht so dicht am Wasser. Mit einer kurzen Notiz rief ich mein Team auf meiner Suite zusammen. 

Es hatte nicht viel zu planen gegeben. Wir fuhren alle hin und hatten vorsichtshalber unser ganzes Equipment dabei. Es konnte ja durchaus sein, dass es gleich von dort aus weiter ging.

An den Zielkoordinaten erwartete uns ein kleines Bauerndorf. Genauer gesagt, mussten wir in einen kleinen Gasthof, der wohl der einzige Ort im Umkreis von 50 Meilen war, an denen man etwas zu essen oder trinken bekommen konnte, ohne ein Familienmitglied oder eingeladen zu sein.

Hätten wir nicht so gefährlich gewirkt, wir wären wohl die Attraktion in diesem Dorf gewesen. Selbstverständlich lief alles sehr höflich ab und man schien gewusst zu haben, dass wir kommen oder zumindest hatte man gewusst, dass Fremde kommen würden.

Wir konnten zwischen Suppe, Reis mit Huhn oder Gemüseeintopf wählen, allerdings kamen wir gerade aus dem Peninsula und so beließen wir es bei etwas Tee und Reiskräckern. Nachdem man uns den Tee gebracht hatte, zog sich der Wirt diskret zurück. 

Pünktlich um 18.00 Uhr materialisierte sich Johnson an unserem Tisch.

„Bei dem zweiten Wunsch meines Auftraggebers handelt es sich erneut um einen Gegenstand, den sie diesmal erst finden müssen, bevor sie ihn besorgen können. Er wurde bereits innerhalb von Hong Kong lokalisiert.“, begann er nach der Begrüßung. 

Das klang nach nichts, was wir nicht irgendwie tun konnten. Aus dem Team wandte auch niemand etwas ein. Zudem kribbelte meine rechte Ohrspitze wieder. 

‹Na denn mal auf zur fröhlichen Artefaktsuche.›, kommentierte Katze mit einem Hauch Ironie an der Stimme.

Also sagte ich, „Wie werden dem Wunsch ihres Auftraggebers gerne nachkommen und ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns auch in den Details einig werden. Also fahren sie bitte fort, Mr.Johnson.“

Er lächelte und verbeugte sich leicht, „Sie sind zu großzügig, vielen Dank. Es geht um eine alte, chinesische Bronzemünze. …“

Bingo. Ich war jetzt schon gespannt, um welchen Coin of Luck es diesmal gehen würde. Hoffentlich nicht um den von Sharon Wu, den zu stehlen würde schwierig werden.

‹Nun zumindest wüsste man bei dieser Münze schon, wo man mit dem Suchen beginnen muss, Elfenmädchen. Es sei denn natürlich, sie hat ihn verloren.›

„… mit einem viereckigen Loch in der Mitte und vier chinesischen Schriftzeichen, die eingraviert sind. Ich bin in der glücklichen Lage ihnen einen Geisterführer zu schicken, der ihnen bei der genauen Lokalisierung helfen kann. Ich biete ihnen 50.000 NuYen pro Teammitglied für diese Aufgabe. Selbstverständlich zahle ich zudem den Tagesbonus von 1000 NuYen pro Teammitglied.“

Das war ehrlich gesagt keine schlechte Bezahlung, dennoch eröffnete ich die Verhandlung mit den Worten, „'Innerhalb von Hong Kong' kann allerdings eine Vielzahl an Gegebenheiten bedeuten. Wir wissen also nicht, was uns erwartet.“

Der Geist war schließlich bereit, jedem von uns einen zusätzlichen Bonus von 10K oder den dreifachen Wert an magischen Equipment zu zahlen und ich schaffte ihn davon zu überzeugen, dass sich jedes Teammitglied einzeln entscheiden konnte.

Wir zogen uns zur Beratung zurück und ich warf ins Feld, dass die bisher gelieferten Foki wirklich hervorragende Arbeit gewesen waren.

Das Leuchten in den Augen von Triple S war deutlich zu sehen. Doch Blackstone sprach zuerst, „Ich hätte gerne einen Masking Fokus, reicht mein Anteil dafür?“

Ich lächelte, „Eine gute Wahl. Das kommt natürlich darauf an, wie potent er sein sollte. Die Gelegenheit ist günstig und du solltest dir keinen zu kleinen bestellen.“

Rubber Duck warf ein, „Kein Ding Blackstone, ich verzichte auf meine 10 K und du kannst meinen 30k Magiebonus dafür haben.“

Blackstone war überrascht, „Wirklich? Gut, danke, dann mache ich das.“

Triple S sah mich an, „Auch wenn die Summe, die ich abzaubern muss, noch größer wird, ich kann mir die Gelegenheit einfach nicht entgehen lassen und hätte gern einen Powerfokus.“

Mein Lächeln wurde zu einem Grinsen, „Ein Powerfokus? Der liegt aber am oberen Ende der Preisskala. Da werden deine 30 K nicht weit reichen.“

Gunner erklärte, „Na das hilft ja wohl uns allen. Du kannst meinen Teil haben.“

Ich sah Triple S an, die Gier in seinen Augen zeugte von dem Wunsch nach mehr Macht.

Katze bemerkte trocken, ‹Jahrelange Sklavendienste eines Magiers, Elfenmädchen, das klingt großartig. Bring noch einen dazu, seinen Anteil rauszurücken.›

‹Genau das habe ich vor, Katze.› Also blickte ich in die Runde, „Ist vielleicht noch jemand so nett, seinen Anteil herzugeben?“

Bloody Guts meinte, „Klar. Mach ich Snowcat.“ Dann sah er Triple S an, „Dann aber nicht abkratzen, bevor die Karte abgearbeitet ist.“

Ich lächelte nun fein, „Keine Sorge Bloody Guts, wenn er abkratzt, müssen wir ihm die Foki nur abnehmen und dann können wir sie verkaufen.“

„Ach so? Na umso besser.“, erwiderte der Troll.

Also bat ich um einen Masking Fokus und um einen Powerfokus und um die Sache rund zu machen, zahlte Johnson dem Team dennoch weitere 50.000 Nu Yen.

‹Gut verhandelt, Elfenmädchen!›, lobte Katze mich.

Johnson zeigte uns noch, wie man den Geisterführer, der interessanter Weise wie ein kleiner roter Drache aussah, rufen konnte und dann machten wir uns auch schon auf den Weg zurück ins Hotel. 

❄❄

Nach dem Abendessen besprachen wir auf der Suite unser weiteres Vorgehen. Uns war klar, dass es um einen weiteren Coin Of Luck ging. Allerdings half uns das nur bedingt weiter. Klar war auch, dass wir in der Matrix diesbezüglich kaum Neuigkeiten finden würden. Natürlich könnten wir den Geisterführer rufen und ihn auf die Suche schicken, doch je größer das Gebiet war das dieser durchsuchen musste, desto geringer waren seinen Chancen und wenn er immer wieder ergebnislos zurückkehrte, konnte es tagelang dauern. Also stellte sich uns die Frage, wie wir das Gebiet eingrenzen konnten.

„Hast du nicht genau für einen solchen Fall eine magische Spezialfähigkeit?“, fragte Blackstone.

Ich überlegte kurz und nickte dann, „Ja, eigentlich ist die Weissagung genau für den Fall gedacht, dass man einen kleinen Hinweis braucht.“

„Du kannst die Zukunft vorhersagen?“, fragte Bloody Guts überrascht. 

Ich schmunzelte, „Ja, das kann ich, aber das ist immer so eine Sache wie jeder wieß. Schaden tut ein Versuch aber sicher nicht.“

Da ich keinen materiellen Link zur Münze hatte, blieb mir nur, eine Frage über meine Zukunft zu wählen. Ich holte das Origami-Papier aus meinem Koffer setzte mich umringt von meinen Kollegen im Schneidersitz auf den Fussboden im Wohnzimmer und begann eine leise Weise summend, mit der Mediation. Es dauerte einen Moment, doch dann war meine Umgebung zu einer entfernten Masse verblasst und ich hatte mich auf den Augenblick der Zukunft eingeschwungen, an dem sie sich mit der der Münze traf. Ohne dass ich wirklich darüber nachdachte, entstanden Formen in meinem Kopf, die ich zu falten begann. 

Ich hörte nur dumpf, wie die anderen sich unterhielten und ich nahm kein Wort davon wirklich wahr. Vor mir leuchtete Falz um Falz auf und wenn ein Objekt fertig war stellte ich es an seinen Platz vor mir auf den Boden.

Erst als sich mir keine Falz mehr zeigte, kehrte ich auch geistig in das Hier und Jetzt zurück. 

Ich blickte auf das Ergebnis herab und sah mich einer Mauer aus gefalteten Rechtecken unterschiedlichen Größe gegenüber, die ich in einem wüsten Kreis zusammengestellt hatte. Auch im Kreis standen einige Papierwürfel umher und in einer Ecke wankte ein Sechs-Würfel-Turm. Keine Frage, ich hatte Kowloon Walled City gefaltet. 

Das war dann der gewünschte Anhaltspunkt, bei dem wir mit unsere Suche beginnen konnten, wenn auch kein Schöner.

Was einst als Zeltstadt von Obdachlosen in einem Park begonnen hatte, war zu einem der härtesten, gefährlichsten Slums der sechsten Welt abgestiegen. Aus Zelten waren Blechhütten geworden und diese hatten sich bis zu den Gebäuden ausgebreitet. Die Gewalt war auf Grund der Enge schnell eingezogen. Neue Häuser waren gebaut wurden, um Abhilfe zu schaffen. Mehr Metamenschen waren gekommen und je voller es dort geworden war, desto stärker nahm die Gewalt zu und irgendwann hatte man einfach Häuser um das Gebiet gebaut, Lücken wurden geschlossen und so war nach und nach eingekesselt worden, was sich in der Mitte befand. Eingepfercht und ohne Hoffnung auf ein Entkommen, wurde das Leben dort weiter härter. Für alle anderen hatte sich das Problem erledigt und man kehrte dem schwelenden Übel den Rücken. Die Metamenschen sind gut darin, solche Dinge zu ignorieren. 

Genau dort sollte sich der Weissagung nach nun der Coin Of Luck befinden. Wir riefen die Hong Kong Karte auf und mussten zunächst feststellen, dass es keinerlei Karten von Kowloon Walled City gab. Da war nur ein weißer Fleck. Zumindest konnten wir die Form nachvollziehen und mit der Falzstadt in Einklang bringen und so eine grobe Position des sechststöckigen Gebäudes finden.

Rubber Duck meinte, „Na. Die Zeit eilt ja nicht. Ich werde eine Flugdrohne rüber schicken und die Gegend erstmal von oben vermessen, dann bekommen wir zumindest irgend einen Plan von der Gegend.“

„Das ist eine sehr gute Idee.“, lobte ich.

Rubber Duck lächelte, nickte, holte eine kleine Überwachungsdrohne, ließ sie über den Balkon heraus und machte es sich dann in einem Sessel bequem. Er steuerte die Drohne selbst und blieb einen großen Teil der Zeit in der Drohne, um auf mehr Details eingehen zu können, und während er über dem Chaos seine Bahnen zog, entstand langsam aber sicher ein trostloses Bild in unserem Netzwerk.

Von richtigen Strassen konnte man nicht sprechen. Das war mehr ein Labyrinth, in dem man sich nur schwer zurecht finden würde. Grünflächen oder Bäume gab es schon lange nicht mehr. Müll lag auf den Wegen herum. Die Metamenschen, die zu erkennen waren, schlurften mit hängenden Schultern umher oder bewegten sich in einer gewaltbereiten Gruppe. Nein, dass war kein Ort an dem man sein wollte. 

Dennoch planten wir, wie wir genau dort hinkommen würden.

Nach gut sechs Stunden musste die Drohne zum Aufladen heim und wir hatten genügend Daten beisammen, aus denen Bloody Guts tatsächlich so etwas wie eine aktuelle Karte erstellte, auf der wir dann auch problemlos ein Ziel-Gebäude aus meiner Vision ausmachen konnten. 

Gunner wandte sich an Triple S, „Wie wäre es, wenn du dir die Gegend um das Haus mal magisch ansiehst? Diese Sache mit dem Körper verlassen hast du doch drauf oder?“

Triple S nickte, „Ja das kann ich. Ich muss nur mit der Orientierung aufpassen.“

Ich lächelte in die Runde, „Was haltet ihr davon, wenn wir einfach mal an die Mauer fahren? Von dort aus kann Triple-S seinen Weg leichter ins Zielgebiet und vor allem wieder zurück finden und wir können uns ein Bild von der Lage vor Ort machen. Weit ist es ja nicht gerade.“

Da es noch früher Morgen war, war auf den Strassen noch nicht all zu viel los und so kamen wir gut voran. Wir hielten an der Seite der Mauer aus Häusern, hinter der wir in der Nähe das sechsstöckige Gebäude vermuteten, das ich gefaltet hatte und an dem meine Zukunft irgendwie den Weg der Münze kreuzen würde.

[Song 4: Danny Elfmann/Sleepy Hollow Soundtrack - The Story] Triple S machte sich bereit, seinen Körper zu verlassen, um einen astralen Rundgang zu wagen. Ich sandte derweil schon einmal mein Gespür für den magischen Fluss der Umgebung aus. 

Mein Haut wurde augenblicklich von einem unangenehmen Brennen überzogen. Meine Nackenhaare stellten sich auf und von dem wilden Brodeln magischer Energie wurde mir übel. Bei allen Drachen der sechsten Welt, was war denn da los?

«Triple S, warte noch einen Moment bevor du gehst!», bat ich unsern Magier for hire gerade noch rechtzeitig.

Ich fühlte genauer hin. Die Verzweiflung und die Trostlosigkeit des Gebietes hinter der Mauer konnte ich förmlich schmecken, aber das war es nicht, was mich so schockiert hatte. Kowloon Walled City war ein Ort, an dem die unterschiedlichsten magischen Hintergrundstrahlungen herrschten und sie alle würden jeden Magiebegabten in unserem Team schwächen. Teilweise war die Hintergrundstrahlung durch einen Aspekt der Magie beeinflusst und teilweise war sie so stark, dass dort keiner von uns magische Handlungen vollführen konnte.

Ich schluckte schwer und sagte ernst «Geh nicht raus, Triple S. Das ist zu gefährlich. Eineige Gegenden werden deine Magie so stark behindern, dass nur noch die Häfte davon übrig ist und Geister, die wie beschworen haben, werden augenblicklich vernichtet oder auf die Macht eines Watchers degradiert. Zudem sind einige Zone einem bestimmten Aspekt unterzogen, was mich vermuten lässt, dass es dort Zauberer oder gar mächtige Geister gibt, die dort Einfluss genommen haben.»

Triple S war zwar selbstbewusst, doch er war nicht dumm, «Gut, dann bleibe ich hier. »

Ich holte tief Luft, «Ich werde versuchen, die Gegenden mit Hintergrundstrahlung mit unserer Karte in Einklang zu bringen und sie im einzelnen eintragen. Vielleicht können wir die schlimmsten Gegenden dann bei unserem Fussmarsch durch Kowloon Walled City umgehen.»

Chang schaltete sich ein, «Snowcat, du hast eben Geister erwähnt. Über Geister in Kowloon Walled City gibt es eine Legende. Vielleicht ist es hilfreich, wenn ich diese einmal erzähle?»

Ich grinste in mich hinein, keine chinesische Weisheit, sondern eine Legende,«Ja, gerne. mach das. An vielen Legenden ist etwas dran.»

«Wie du sagtest, ist Kowloon Walled City der verfluchteste, verlassenste Slum der östlichen Hemisphäre. Doch es soll Wesen geben, die genau das als ihren perfektes Lebensraum empfinden. In Kowloon City soll es auf den ‚Court of the Yama Kings‘ zutreffen. Niemand weiß, woher die Yama Kings kamen, doch es heißt, sie sind mächtige Dämonen. Es ist möglich, dass sie einst dort von verdrehten Wujen beschworen wurden, aber es ist auch möglich, dass die chaotische Magie von Downtown Hong Kong sie frei ließ. Jedenfalls fanden sie ihren Weg nach Kowloon Walled City. Die verschmutzen und verdorbenen Damonen ernähren sich von der Verzweiflung und der Gewalt der Sterblichen. Jeder fand seine bevorzugte Art, sein Leibgericht zu ernten. Sie senden mindere Geister aus oder zwingen Metamenschen durch Überzeugung in ihren Bann und machen sie zu Sklaven. Jeder Court hat nur eine Aufgabe, nämlich seinen König zu füttern. Wenige Details sind über jeden einzelnen Hof bekannt, denn nur Wenige kommen einem Court nah und bleiben bei klarem Verstand und nur die Allerwenigsten überleben. Es heißt zum Beispiel, dass der Yama König Chih-Shiang seinen Hof wie ein Richter über die Seelen abhält und seine Opfer mit Karma und Geschichten über schlechte Taten im letzten Leben, in seinen Dienst zwingt. Wenn er alle Sünden von den Seelen gewaschen hat, können die Metamenschen sterben und sind dann von dem schlechten Karma befreit, verspricht er. Unglücklicher Weise glauben viele der verzweifelten Existenzen in Kowloon Walled City an das und unterwerfen sich freiwillig dem Richterspruch des Yama Königs. Von der Ebenholz-Königin Lam Yv heißt es, sie lehrt die Bewohner von Kowloon Walled City so lange, sich vor den anderen Yama Kings in den dunkelsten Ecken der Stadt zu verstecken, bis sie selbst zu Kakerlaken an den Wänden geworden sind. Ein anderer Yama König, Fu Mang, die Schlange der untergehenden Sonne, verdreht das Konzept von Gesicht und Einfluss. Jede seiner Diener soll ihm 44 Herzen bringen und so Macht und Einfluss innerhalb der Mauern und auch darüber hinaus erlangen. Allerdings müssen es die Herzen von Metamenschen sein, zu denen sie eine Beziehung haben, die Herzen Unbekannter zählen nicht. Es heißt, einige seiner Diener haben es tatsächlich geschafft und Kowloon Walled City als reiche und einflussreiche Personen verlassen, aber Fu Mang flüstert ihnen immer noch ein, was sie tun sollen. Soweit drei Beispiele. Es ist unklar, wie viele Yama Kings es geben soll, einige sprechen von 10, andere von 12 und wieder andere sagen, dass sie alle nur Legenden sind.»

Obwohl Chang in einem neutralen Tonfall erzählt hatte, war mir ein gruseliger Schauer nach dem anderen über den Rücken gelaufen. So etwas wie Furcht kam in mir auf. 

‹Schattengeister oder Dämonen, die Sterbliche in ihren Bann ziehen und das Unglück vermehren, sind ja auch zum Fürchten Elfenmädchen. Besonders aber sind sie sehr gefährlich. Dennoch darf der Gedanke an sie dich nicht lähmen!›, bestätigte Katze.

Als Chang seine Ausführungen nun beendet hatte, fasste ich einen Entschluss, «Okay Team, vergesst das mit dem über die Mauer klettern und dem Fussmarsch. Wir besorgen uns einen Hubschrauber und Rubber Duck seilt uns direkt über dem Gebäude ab. Wir verlassen Kowloon Walled City auf die selbe Art und auch wenn wir uns dort bewegen, werden wir uns erst wieder an Bord holen lassen. Die Dämonen oder auch Geister werden real sein und ich habe keine Lust, dass wir uns mehr als absolut nötig geschwächt in ihren Domänen bewegen.»

Niemand widersprach. 

Nun blieb die Frage, wo wir einen Hubschrauber herbekommen würden?

                                              UC - UNIVERSAL CONSULTANTS - UC

               UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See!

Wo die Runner den Hubschrauber her bekommen, ob sie bei ihrer Suche nach der Münze auf einen Yama König treffen und was sonst noch so alles geschieht, wird demnächst hier zu lesen sein. Schau also bald wieder vorbei, Omae. 

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*