Episode 23/14 (vom 10.10.) Run 56/1

Welcome back, Omae.

Schön, dass Du auch in dieser Episode wieder dabei bist.

Derzeit On The Run sind: Average, Blackstone, Bloody Guts, Chang, Metge, Shark Finn und Snowcat.

Datum in unserer SR-Timeline: 01.09.- 19.09.2073

Was bisher geschah: Bei den dramatischen Ereignissen im Rift um DeeCee kommen fünf Runner von UC und Aina Dupree ums Leben. Im Anschluss daran heißt es für alle das Geschehen zu verarbeiten oder den Job durchzuziehen, an dem sie gerade arbeiten.

Wie schalten uns an dem Tag, an dem Snowcat in Begleitung von Harlequin nach Boston zum neuen Semesterbeginn ihres Studiums zurück kehrt, wieder in das Geschehen ein. 

Die Ereignisse erleben wir, wie so oft, aus den eisblauen Augen von Snowcat mit.

Deine Kommentare zur Episode passen am Besten unter ‚A Tale So Far, Part IX‘ [LINK].

Eine Beschreibung der Runner findest Du hier [LINK].

Hat ein Wort im Text eine andere Farbe, verbirgt sich darunter wahrscheinlich ein Link und es wird im Glossar erklärt. Du kennst ein anderes Wort aus dem Shadowslang nicht? Dann schau doch einfach auf gut Glück im Glossar vorbei. [LINK]

Noch eine Kleinigkeit: die Songs zum Text sollen lediglich zur Stimmung beitragen und sind keine versteckten Hinweise- jedenfalls meistens nicht. ;-) (Ich versuche immer Videos ohne störende Werbung raus zu suchen. Ich kann allerdings nicht garantieren, dass sie auch ohne Werbung bleiben. Manchmal werden die Videos von Songs sogar schneller komplett entfernt, als ich die Episode hoch laden kann, darum nenne ich vorsichtshalber Künstler und Titel neben dem Link. Wegen Lizenzrechten muss ich bei You Tube immer öfter auf Coverversionen oder schlechte Live-Varianten zurückgreifen, oder ich finde ein anderen Anbieter. Die komplette Episoden-Playlist findest Du hier [LINK].)

Bereit für eine neue Episode, Omae?

Und los!

Shark Finn wartete am Logan Airport auf die beiden Elfen. Er grinste breit, wirkte erfreut und sah ziemlich entspannt aus.

Auch Snowcat fühlte sich entspannt und zufrieden. Sie hatte in den letzten Wochen auf der Isle Of Arran viel von Harlequin gelernt. Sie hatte gezaubert, beschworen und sich mit Geistern unterhalten, um ihre Natur besser verstehen zu lernen.

Gestern hatte sie sich und Harlequin von all dem Lernen, Üben, Natur genießen und sich um Harlequins neuen Besitz kümmern, eine Auszeit verschrieben und darauf bestanden, den gesamten Tag im Bett zu verbringen, mit allem was dazu gehörte. Dafür würde in den nächsten Tagen nämlich weit aus weniger Zeit und Gelegenheit sein. Nein, man konnte keinen Sex auf Vorrat haben, das wusste Snowcat natürlich, aber das tat dem Spaß und dem Sinn eines ganzen Tages im Bett keinen Abbruch.

Softpaw schnüffelte ein wenig missmutig an ihrem leeren Futternapf im Studentenappartement, nachdem Snowcat sie aus ihrem Reisekörbchen entlassen hatte. Seltsamerweise wartete das Tier jedes Mal, bis man ihr aufmachte, obwohl Snowcat nur all zu gut wusste, dass sie durchaus in der Lage dazu war, die Tür selber zu öffnen. 

Hausgeist Henry materialisierte sich und begann damit die Einkäufe auszupacken und in die Schränke zu räumen. Softpaws Mauzen ignorierte der schwebende Clown völlig. 

Die Katze kam zu Snowcat rüber gelaufen und strich ihr um die Beine. Für einem Moment spürte Snowcat das Verlangen, das arme, verhungerte Tier füttern zu müssen, doch dann schüttelte sie das Gefühl ab, nahm Softpaw stattdessen auf den Arme und kraulte sie. Wohl wissend, dass sie ja früher oder später eine leckere Mahlzeit bekommen würde, gab Softpaw sich gnädiger Weise mit den Streicheleinheiten zufrieden.

Zum Abendessen waren Snowcat und Harlequin mit Ehran im Fantasia verabredet. Harlequin befand sich in einer eigentümlichen Stimmung, als sie sich für den Abend fertig machte. Als er ihr den Reißverschluss des bodenlangen türkisblauen Kleides mit aufwendiger silbernen Stickerei schloss, küsste er sie auf den Nacken und murmelte etwas davon, dass er vor Monaten noch jeden als einen Spinner bezeichnet hätte, der ihm gesagt hätte, dass er jemals so viel mit dem alten Schwätzer zu tun haben würde. Das, oder irgendetwas in der Art. Snowcat fragte nicht weiter nach, wenn Harlequin gewollt hätte, dass sie nachfragte, hätte er sich anders ausgedrückt. 

Zudem hatte Harlequin kurz mit dem Gedanken gespielt in Jeans und Hard-Rock-CafeT-Shirt in das Nobel-Restaurant zu gehen, sich dann aber doch umentschieden, nachdem er Snowcat ins Kleid geholfen hatte. Nun trug er stattdessen einen schwarzen Smoking und ein dunkelblaues Hemd.

Die Schmuckwahl war für Snowcat heute keine Frage, der riesige Saphir passte ganz hervorragend zu dem Kleid und weiteren Schmuck brauchte es dann nicht.

[Song 1:The Corrs feat. Bono - When The Stars Go Blue] Ehran erhob sich, als Harlequin und Snowcat die Nische im Fantasia betraten. Wie es sich gehörte, war er einige Minuten zu früh erschienen, da er die Einladung ausgesprochen hatte und natürlich rückte er Snowcat den Stuhl zurecht.

Während der exquisiten Vorspeise unterhielten sie sich über die Isle of Arran, das Anwesen und über den berühmten Garten, der dazu gehörte.

Als Hauptgang hatte sich Snowcat, inspiriert durch das Gespräch für die ‚Vegetarischen Köstlichkeiten aus dem Paradiesgarten‘ entscheiden. Ob so ein Garten im Paradies so aussah, wie das Arrangement auf ihrem Teller, konnte sie nicht sagen, aber zumindest schmeckte es paradiesisch.

Inzwischen hatte Ehran das Thema Snowcats magischen Fortschritt angesprochen und fragte gerade, „Wie hast du dich denn deiner Meinung nach verändert?“

Sie lächelte erfreut, „Nun, immerhin kann ich jetzt zaubern und beschwören.“

Ehran zog die Stirn ein wenig in Falten, „Und wie genau hat dich das verändert?“, fragte er nach,

Snowcat überlegte kurz, „Ich habe jetzt Zugang zu etwas, was ich vorher nicht konnte. Das ist doch eine Veränderung.“

Ehran sah Snowcat intensiv an, „Meinst du? Hat es dich auch verändert, als du das Schreiben gelernt hast?“

Snowcat schmunzelte, „Interessant, dass du den Vergleich zum Lesen und Schreiben wählst, den hat Aina auch genannt, als sie meinte, ich könnte das Zaubern und Beschwöre einfach lernen. Aber so ist es doch nicht, es ist doch nicht so, dass jeder Mundäne auf der Welt beschließen kann, ‚ich möchte jetzt zaubern können‘ und dann kann er das.“

Ehran schüttelte missbilligend den Kopf, „Das natürlich nicht, aber die Möglichkeit, eine neue Fähigkeit zu erlernen verändert dich doch nicht, außer vielleicht dadurch, dass es dir einen Zugang zu neuen Dingen ermöglicht. Darum meine Frage, hast du denn irgendeine Veränderung an dir bemerkt, außer, dass du jetzt eben auch das erste Wort geschrieben hast und weitere schreiben lernen kannst.“

Snowcat dachte etwas länger nach, „Nein. Jedenfalls zeichnet sich nichts in meiner Aura ab. Glaube ich. Allerdings gehöre ich nicht zu denen, die ihre eigene Aura lange studiert haben. Ich sehe zwar gern in den Spiegel, aber ich nehme dabei selten astral wahr.“

Ehran sah Snowcat leicht tadelnd an, „Du hast deine eigne Aura nicht ausreichend studiert? Das ist etwas, was du unbedingt nachholen solltest. Jeder sollte seine eigne Aura studieren und kennen.“

Harlequin verdrehte die Augen, „Oh ja, weil das Studieren der eigenen Aura ja so unglaublich spannend ist.“

Ehrans tadelnder Blick wurde tadelnder und er sah Harlequin ernst an. 

Bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, meinte Snowcat: „Ich verstehe den Punkt mit dem Lernen. Das Ereignis im Rift hat mich irgendwie beeinflusst, wie alle besonderen Erlebnisse es tun. Ich weiß auch, dass ich noch viel lernen muss, besonders was das Zaubern und Beschwören angeht. Wie auch immer ich zu der Möglichkeit zu meinen neuen Fähigkeiten gelangt bin, ich möchte sie gerne als eine Art Vermächtnis von Aina für mich ansehen.“

Harlequin mochte diesen Gedanken immer noch, das konnte sie spüren und Ehran wandte zumindest nichts dagegen ein.

„Warum hat Ghostwalker dieses Ritual eigentlich durchgeführt?, fragte Snowcat in die Pause hinein.

Ehran erwiderte ohne zu zögern, „Ich glaube, er hat versucht Zebulon, den Geist von Denver wieder zusammen zu setzten. Ich weiß nicht, ob es ihm gelungen ist, aber ich bin fest davon überzeugt, dass Ghostwalker wieder kehrt und wir es dann erfahren werden. “

Allein die Erwähnung des Namen Ghostwalkers hatte gereicht, damit Harlequin die Hände zu Fäusten ballte. Während Ehrans Worten schwemmte eine Welle von Harlequins Zorns über Snowcat hinweg. Sie griff nach seiner Hand und er entspannte sich ein wenig.

Ehran sah Harlequin an uns meinte ruhig und beschwichtigend, „Ich verstehe deine Wut, aber lass es. Tu nicht, was du vor hast.“ Hier hatte gerade ein Freund einem Freund etwas geraten. 

Harlequin erwiderte nichts, doch er entspannte sich noch ein bisschen mehr. Mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck meinte er, „Daviar ist wieder da. Wie findest du das?“ 

Snowcat war sofort klar, dass Harlequin kein Freund von Nadja Daviar war. Der Gedanke war ihr schon zuvor gekommen, aber jetzt war sie sich sicher.

Ehran bleib neutral, „Sie hat sich nicht sonderlich verändert. Ich habe kein Problem mit ihrem Führungsstil, doch das sehen nicht alle so.“

Beide Männer am Tisch schienen es nicht überraschend zu finden dass Daviar ganze neun Jahre verschwunden gewesen war. Snowcat fragte neugierig, „Hast du ihre Aura angesehen? Es gibt da so einige Verschwörungstheorien und Gerüchte um ihr zufälliges Auftauchen. Sie könnte von einem Shedim oder Insektengeist besessen sein.“ 

Ehran schüttelte vehement den Kopf, „Das können wir ausschließen. Natürlich ist der Zeitpunkt ihrer Rückkehr schon interessant, da sie ihn doch günstig gewählt hat.“

Snowcat grinste in sich hinein. Das Gespräch hatte sich doch schon mal gelohnt. Ehran war sich sicher, was Nadja Daviar anging. Über Zebulon den Geist von Denver, hatte Snowcat in der Universität schon einmal etwas gehört. Da sie noch wusste in welchem Fach, würde sie die Legende später einfach nachlesen. „Daviar muss irgendetwas geahnt haben.“, mutmaßte  Snowcat, „Ich habe gehört, dass in letzter Zeit zahlreiche ihrer Klone getötet wurden. Da hat jemand Vorbereitungen getroffen.“

Ehran nickte, „Davon, das Klone getötet wurden, habe ich auch gehört.“

Verdammt, Snowcat hätte Ehran gerne mal etwas gesagt, was er noch nicht wusste, dieser Mann war unglaublich gut informiert.

„Ich denke, da wollte jemand verhindern, dass sie zurück kommt.“ fuhr Ehran fort, „Was dann in jedem Fall aber heißt, dass jemand von ihrer Absicht zur Rückkehr gewusst hat.“

Snowcat zögerte einen Moment, bevor sie sagte, „Ob sie wohl Kontakt zu Aina hatte und ob sie ihr was gesagt hat?“

Harlequin brauste auf, „Nein. Ich weigere mich zu glauben, dass Aina in irgendeiner Form geahnt hat, dass sie bei diesem Ritual sterben wird.“

Snowcat berührte Harlequin sanft am Arm, „Das glaube ich auch nicht. Ich dachte, Aina hätte vielleicht geglaubt, dass danach irgend etwas anderes wäre, weshalb sie Daviar zurück wissen wollte.“

Harlequin erwiderte ruhig, „Selbst wenn Aina eine Möglichkeit gehabt hätte, Daviar zu erreichen, glaube ich das nicht. Das war nicht ihrer Art. Außerdem hatte Daviar noch zu einem anderen Teilnehmer im Bunker eine Verbindung, wenn ich richtig weiß.“

„Und zu wem?“, fragte Snowcat neugierig.

Ehran sah für einen Moment gedankenversunken aus und antwortete dann, „Zu Reed.

Snowcat freute sich, noch eine neue Information. Dann kam ihr ein Gedanke, „A pro pos Reed, hast Du seit dem Ereignis eigentlich auch irgendwelche Träume von anderen die bei dem Ritual dabei waren?“ Vorsorglich griff Snowcat nach ihrem Glas und nahm einen Schluck, damit sie sich von einem direkten Blickkontakt zu ihrem Mentor abwenden konnte.

„Ja, habe ich.“, meinte Ehran nur.

Verdammt. Sie konnte das Rotwerden nur ganz knapp unterdrücken. Sie kreuzte die Finger, in dem Wunsch, er möge keine Träume von ihr und Harlequin haben. Schnell wechselte sie das Thema, „Was ist eigentlich so schlimm an Daviars Rückkehr, dass man sie durch erneute Attentate verhindern wollte?“

Wieder zögerte Ehran nicht, „Daviar besaß eine Menge Güter und Macht, die sie jetzt zurück fordert. Irgendwer wird wohl nicht aufgeben wollen, was jetzt sein ist. Macht war schon immer ein beliebtes Mord-Motiv.“

Snowcat nickte, „Stimmt. Macht wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen.“

Harlequin grinste, „Ist das so?“

Snowcat lächelte, „Außer im Fall von Magie, die bekommt man schon einfach so.“

Ehran riss beinah schon entsetzt die Augen auf, „Aber bitte, das glaubst du doch nicht wirklich. Was man da bekommt, ist allenfalls ein Funke, mit dem man ohne richtige Ausbildung sehr schnell sich oder andere vernichten kann.“

Snowcat lachte leise, „Natürlich hast du Recht Meister. Ich habe nur die Möglichkeit bekommen zu zaubern und zu beschwören, Macht daraus zu gewinnen bedeutet eine Menge Disziplin und Arbeit!“

Ehran saß Snowcat stolz an. „Genau so ist es, geschätztes Lehrmädchen.“

Harlequin rollte mit den Augen, aber zumindest grinste er dabei.

„Etwas anderes.“, wechselte Ehran das Thema, „Hast du eigentlich von dem Gespräch der Black Lodge über die Artefakte [siehe Episode 22/14, kursiver Text] gehört, das abgehört wurde?“

„Ja, das habe wirklich. Ich habe sogar die ganze Datei gesehen und zwar noch ein paar Stunden vor dem Event.“, fiel es Snowcat wieder ein.

Ehran zog die Augenbrauen zusammen, „Vor welchem Event?“

Snowcat lächelte, „Vor der Sache im Bunker.“

Ehran sah Snowcat aufmerksam an, „Und wann genau wolltest du mir die Datei zukommen lassen? Oder meintest du, sie wäre nicht von Interesse für mich?“

Verdammt, da wäre die Gelegenheit gewesen. „Doch, natürlich. Aber ehrlich gesagt, hatte ich sie vollkommen aus den Augen verloren, nachdem was alles passiert ist. - Sie ist sicher von Interesse.“

Milde trat in Ehrans Gesicht, „Schon gut. Das du es vergessen hast, ist verständlich und ich besitze inzwischen eine Kopie der Datei über die Sitzung der Black Lodge, danke.“

Snowcat grinste schief, jetzt wo sie wieder daran dachte, war die Datei wirklich extrem interessant, „Obwohl sie die Artefakte nicht mehr hatten, wäre ich schon neugierig darauf, was für ein Ritual sie vor hatten. Oder was sie aus der Bibliothek von Alexandria haben, was den Diskus entschlüsselt.“

Ehran nickte, „Ja, es wäre schon interessant zu erfahren, ob sie vielleicht die Beschwörung eines Geistes planen und ja, auch, wovon sie glauben, dass es ihnen beim Entschlüsseln hilft.“

❄❄

[Song 2: Ryan Star - Brand New Day] Snowcat und Harlequin verbrachten einen romantischen Samstag in Boston.

Für Sonntag dachte sich Snowcat, dass es gut wäre, ein paar Vergleichswerte für einen Tag im Bett zu sammeln, um irgendwann den besten Ort dafür bestimmen zu können und Harlequin hatte absolut nichts dagegen einzuwenden.

„Lass mich raten, Alibaba und die 40 Räuber gehörte ursprünglich nicht in die Sammlung von 1001 Nacht? Wolltest du mir das vorhin mit der aussergewöhnlich Einleitung sagen, MyLord?“

Harlequin zog Snowcat noch dichter in seinen Arm, leicht seufzend erwiderte er, „Genau das lag in meiner Absicht, meine wunderschöne und kluge Liebste. Irgendein unbedeutender französischer Märchenerzähler und Dichter wandelte ein europäisches Märchen ab und damit es sich besser verteilte, schrieb es dieser Sammlung zu, da es gerade so populär war, auf gesellschaftlichen Anläsen daraus zu erzählen.“

Es war bereits nach Mitternacht. Viel Zeit für Zweisamkeit blieb ihnen nicht mehr. Snowcat setzte sich ein wenig auf, was Harlequin ein kleines unzufriedenes Knurren entlockte. „Hol doch bitte mal dein Commlink.“

Er hob skeptisch eine Augenbraue hoch, sein Make Up war fast völlig verblasst und die geschwungene Form seiner Braue verlieh dem Gesicht etwas weiches. „Soll ich jetzt jemanden damit anrufen, weil dein Guthaben erschöpft ist?“

Sie nickte zunächst ernst und lachte dann, „Nein, ich wollte nur mal ein paar Funktionen mit dir durchgehen. Und überhaupt, was für ein Guthaben?“

Er zuckte mit den Schultern, angelte nach seiner Jeans vom Boden, kramte sein Commlink aus der Hosentasche hervor und sah sie erwartungsvoll an.

Snowcats Grinsen wurde breiter und sie nahm eine gerade Haltung an. Ihr Auftreten als Lehrer wurde zwar etwas geschwächt, da sie nackt und im Bett waren, aber sie ignorierte Harlequins anzüglichen Blick. „Testen wir zunächst dein Grundwissen. Was macht man, wenn man nicht gestört werden will?“

Leicht zögernd erwiderte er, „Man schaltet es aus?“

„Sehr gut und was darf man dann nicht wieder vergessen?“

„Es wieder einzuschalten?“

Snowcat applaudierte verspielt, „Sehr gut. Kommen wir nun zur Funktion der Schnellwahl-Einstellung.“

In Harlequins Augen blitzte es, er wusste, was das war, hatte aber auf dem Gerät noch nie davon Gebrauch gemacht. Sie teilten sich den Bildschirm und dann richtete Snowcat es so ein, dass er für ihre Rufnummer einem Schnellwahlbefehl hatte, den er gleich drei oder vier mal ausprobierte.

„Ich glaube, du könntest er verstanden haben. Womit ich zu einer anderen nützlichen Funktion komme, der Erinnerung.“

Harlequin grinste breit und leicht diabolisch, „Sich zu erinnern klingt nützlich, besonders, wenn man etwas vergessen hat.“

Snowcat ließ sich nicht beirren. „Heute ist der 3. September, du könntest dir also zum Beispiel für jeden 3. eines Monats einstellen, Snowcat anzurufen, in dem du das tust …“ Sie tippte auf ein paar Felder. „Damit nicht jeder weiß, dass Snowcat für Snowcat steht, verwenden wir innovativer weise ein S.“

Harlequin nickte beflissen, „Sehr raffiniert. Aber ich darf dich auch öfter anrufen?“

Snowcat schenkte ihm einen liebevollen Blick, „Du darfst mich jeder Zeit anrufen, My Knight. So eine Erinnerung soll nur helfen, etwas nicht so lange zu vergessen, bis es einem nicht wieder einfällt. Aber du hast recht, fügen wir dem ’S. anrufen’ ein Fragezeichen hinzu. Wenn du also dein Commlink nutzt, wird es dich an jedem 3. eines Monats erinnern. Und wenn du die Frage auftauchen siehst, dann überlegst du, ob wir uns innerhalb des letzen Monats gesprochen haben und wenn die Antwort ‚nein‘ lautet, dann rufst du mich an oder schickst mir eine Textnachricht oder drückst auf später erneut erinnern. So kann man sicher stellen, dass man nicht aus Versehen etwas vergisst. Das war selbstverständlich nur ein Beispiel.“ 

Dennoch speicherte sie die Erinnerung ab.

Leiser und schnurrend fügte sie der kleinen Lektion hinzu, „Du kannst mich auch jeder Zeit besuchen kommen und musst nicht vorher anrufen.“

Er nickte und sagte ebenfalls leise, „Es sei denn, du bist nicht da, dann habe ich Pech gehabt. Du nicht, weil du ja nicht weißt, dass ich dich besuchen wollte.“

Sie grinste schief, „Stimmt, es sei denn, du wartest dann auf mich, du weißt ja, wie du in meine Wohnung kommst. Und wenn wir öfter Kontakt haben, dann wirst du wissen, wann es sich lohnt ohne Ankündigung vorbeizukommen und wann nicht.“ Snowcat machte ein Pause und fuhr besonders sanft fort, „Aber auch Textnachrichten sind praktischer, als man meinen mag, man kann damit nämlich zeigen, dass man an jemanden denkt.“ 

Snowcat schloss noch eine weitere Lektionen in Punkt Textnachrichten und Voicemails an und Harlequin beschwerte sich nicht darüber, sondern spielte das Spiel als aufmerksamer Schüler mit. 

„So, My Knight, jetzt solltest du alles wissen. Wenn du also mit mir reden möchtest oder jemanden brauchst mit dem du dich austoben kannst oder ein gutes Shadowrunnerteam engagieren möchtest, dann weißt du nun wie du dich melden kannst.“, beendete sie fröhlich ihren Unterricht.

Harlequin nickte und meinte ernsthaft, „Ja, vielen Dank.“

Snowcat kam ihm nur näher und legte ihre Arme auf seine Schultern. Sie sprach abermals leiser und sehr zart, „Eines noch, Harlequin, bei allem, was du in nächster Zeit planst und tust, vergiss trotz all dem Zorn, der Trauer und den anderen Gefühlen bitte nicht, dass ich es persönlich sehr bedauerlich finden würde, wenn es dich nicht mehr gäbe, My Knight.“ Sie sah ihm in die Augen. 

Es folgte eine Pause und dann sagte er mit leicht belegter Stimme „Manchmal ist die Dunkelheit nur so tief, damit wir das Licht besser sehen können.“ 

Harlequin sah Snowcat lange in die Augen. Sie wusste, dass er die Sterne darin tanzen sehen konnte, so wie Snowcat sie in seinen Augen tanzen sah. Nach einer Weile gab es nur diesen einen Sternenhimmel, der sein zartes Licht auf zwei Herzen und zwei Seelen warf und noch einen Augenblick später waren die Grenzen verschwommen und es gab nur noch eine Seele und ein Herz. 

❄❄

„Hast Du deinen neuen Stundenplan auch schon zusammen?“, fragte Dave neugierig.

Snowcat lächelte, „Ja, habe ich.“

Dave wartete einen Moment, dann beugte er sich auf seinem Stuhl ein Stück vor, was bei seinen langen Armen und Beinen immer ein wenig ungelenk wirkte, „Und kann ich mal sehen?“

Snowcat kam Dave ebenfalls ein Stück näher, „Ist das nicht ein bisschen zu intim für den ersten Tag?“, hauchte sie.

Dave wurde rot. Snowcat lachte perlend und schnippte ihm dann ihren Stundenplan via AR rüber.

Dave studierte ihn einen Moment. „Äh?“, es folgte eine Pause und dann ein weiteres „Äh?“

„Jaaa?“, fragte Snowcat.

Dave kratze sich am Kopf, „Du bist hier für die praktischen Seminare in Beschwören und Zaubern eingetragen. In zwei von den dreien bin ich auch. Also äh, das ist entweder ein Irrtum oder aber Verschwendung deiner Zeit, weil, äh, da geht es eben um praktische Übungen im Beschwören und Zaubern und wie man die Energie fokussiert und formt.“ Dave sah Snowcat entschuldigend an.

„Und wenn es weder Zeitverschwendung noch ein Irrtum ist, was könnte es dann sein?“, fragte Snowcat erfreut lächelnd.

Dave wog den Kopf hin und her, „Naja, ich meine du könntest meinen, das man da was lernt, aber äh? Also, da versteh ich echt nicht, warum du die Kurse gewählt hast.“ Er sah sie mit großem Fragezeichen im Gesicht an.

Snowcat lächelte breit „Nun, es hat sich herausgestellt, dass ich doch zaubern und beschwören lernen kann.“

Dave zuckte auf und stieß mit dem Knie an den Tisch, hob den Tisch damit an und verschüttete seinen Kaffee. „Echt Cat? Das ist ja unglaublich!“, rief er aus, als er bereits nach der Papierrolle in seiner Tasche griff, um das Malheur zu beseitigen. 

Da Ehran sich um die Formalitäten gekümmert hatte, war das Anpassen der Kurse ein leichtes gewesen und auch die Lizenz auf ihrer SIN war bereits angepasst worden. Ja, es war höchst ungewöhnlich, dass ein magisch Aktiver solche Fähigkeiten spät entwickelte, aber es war auch nicht so, dass es noch nie vorgekommen war. Dave brauchte ungefähr 15 Minuten, bis er diesen Freudenschreck verarbeitet hatte, dann konnte er endlich ohne abzuschweifen, von seinen Ferien berichten.

Snowcat Commlink meldete eine eigehende Nachricht von Harlequin. Das kurze Gedicht sorgte für ein Kribbeln in ihrem Unterleib und eine wohlige Wärme in ihrem Bauch.

Ein „Wow!“, von Dave riss Snowcat aus ihren Gedanken. „Was war das? Ich meine, das muss ja eine tolle Sache gewesen sein, die du gerade bekommen hast. Du bist rot oder besser lila geworden. Das sieht echt toll aus, aber ich hab dich das noch nie vorher werden sehen.“

Snowcat lächelte leicht, „Ich habe mich nur darüber gefreut, dass mein Unterricht offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen ist.“, erklärte sie gelassen. 

Verdammt, sie war einfach noch nicht daran gewöhnt, dass sie sich nun aktiver um die Kontrolle ihrer Gefühlsäußerungen kümmern musste. 

Dave sah sie aufmerksam an, „Das solltest du öfter machen, das sah echt heiß aus.“ 

Andererseits wurde solche Kontrolle vielleicht auch überbewertet.

Dave sah zu Shark Finn hoch, „Äh, keine Sorge ich, ich werde ihr nicht zu nahe treten. Ich meinte zwar heiß, aber nicht sooo heiß..“

Finn deutete ein Nicken an, das sagte, `glaub ich dir, ich hab dich aber trotzdem im Auge’ . Das hatte er echt drauf.

❄❄❄❄❄❄

Am Ende der zweiten Semesterwoche flog Snowcat zurück nach Seattle. Natürlich wurde sie von Shark Finn begleitet. Durch ihr Kampf-Training bei Tango, ihr Studium und die langen Gespräche hatte sie kaum Zeit gehabt, sich um irgendetwas in Seattle zu kümmern und so hatte sie so auch kaum Gelegenheit gehabt, Harlequin zu vermissen.

Auch in Seattle gab es einiges zu tun. Snowcat wollte einen Blick auf die Teamwagen werfen, die Thunderstrike besorgt hatte. Außerdem und viel wichtiger, wollte Snowcat Metge und Bloody Guts eine feste Aufnahme bei UC anbieten. 

Zwischen ihr und Bloody Guts bestand immer noch eine innere Bindung und da Sparky und Arcade eine Weile nicht verfügbar waren, schadete es sicher nicht, noch einen Hacker dabei zu haben. Zumal Average gelegentlich schwierig zu handhaben war und auch nicht derjenige sein sollte, der Rund um die Uhr zu tun hatte. Außerdem hatten das Team derzeit keinen Rigger und niemanden, der die Drohnen steuerte. Etwas, was ohne Rigger eben auch Average zu fiel.

Die Chance einen ausgebildeten Arzt ins Team zu holen, wollte Snowcat in keinem Fall verpassen. Gerade nach dem Tod von Sugmani waren sie auf der Heilebene deutlich schwächer besetzt und Runner verletzten sich hin und wieder nun einmal. Selbst wenn Metge also nicht direkt mit auf einen Run gehen würde, weil er im Krankenhaus zu tun hatte, wäre er ein lohnendes Mitglied für das Team, würde er sich doch immer um die Team-Patienten kümmern können. Vertrauen war hier eine wichtige Sache und als festes Teammitglied konnte er jederzeit ins Bootshaus und er durfte dann auch wissen, was genau passiert war. Abgesehen von all diesen Vorteilen, glaubte Snowcat von den Einfällen des Zwergs und dessen anderer Sicht profitieren zu können. 

Als vierter Punkt stand auf Snowcats ToDo-Liste also sich nach Feuerkraft und einem Rigger für UC umzusehen. 

Was den Rigger anging, hatte Snowcat schon mal Rogue Six auf dem Schirm. Er war mit Leib und Seele Pilot, doch zusätzlich jemanden mit mehr Bodenhaftung zu finden, würde vielleicht auch nicht schaden. Rogue Six hätte selbstverständlich doppelt gute Karten, immerhin nannte er sie Prinzessin.

Das Thema ‚zusätzliche Feuerkraft‘ war hingegen noch ziemlich unausgegoren. UC hatte eine Menge davon verloren und wenn sie weiter so oft und breitgefächert einsatzfähig sein wollten, konnte Unterstützung in diesem Punkt nicht schaden.

Doc sah das ähnlich und er hatte Snowcat in einer Email zugesagt, sich schon mal ein wenig umzuhören.

❄❄

Liam hatte irgendwie Wind davon bekommen, dass Snowcat in Seattle war und sie für Samstag Nachmittag ins Hauted Mug geladen. Wir sich herausstellte, war er extra für sie nach Seattle gekommen. Seinem schönen, jungenhaften Grinsen fehlte es an gewohnter Intensität. 

Nach dem ersten Stück Kuchen stellte Liam Snowcat wortlos eine kleine Tasche auf den Tisch. Er musste ja auch nicht viel sagen, Snowcat würde sie ohnehin sofort öffnen.

Darin befanden sich Sugmanis Tomahawks, ihre anderen Foki und das, was Mystère an Foki besessen hatte.

Snowcat hob überrascht eine ihrer zarten Augenbrauen. „Wie bist du denn an die gekommen?“

Er verzog das Gesicht kein bisschen, „Du liest wohl keine Nachrichten?“, stellte er die Gegenfrage.

Jetzt wo er es sagte, Meldungen der vergangenen Wochen hatten über Bombenanschlägen auf zwei UCAS-Militär-Lager und eine Filiale der United Bank Of Panama berichtet. Keine großen Meldungen aber, die Anschläge passten durchaus zu Liams Handschrift. Snowcat nickte nur, „Danke, die Dinge werden einen Ehrenplatz an unserer Wand finden.“

❄❄

Samstag Abend trudelten Snowcat und Shark Finn im HQ von UC ein.

Thunderstrike hatte im Bootshaus Bilder von Blood, Steel, Sugmani, Mystère und FTW an der Gedenkwand aufgehängt. Richtige gerahmte Fotos. Den Zwerg hatte der Verlust von mehreren Kameraden besonders getroffen und dass das Hausboot von Blood und Steel nun unbewohnt neben seinem in den Gezeiten des Pudget dümpelte, machte es nicht leichter. 

Snowcat befestigte zwei Urban Hunter-Gewehre, eine Granatwerferpistole und die wieder beschafften Tomahawks von Suggi an die Wand. Natürlich hielten sie all diese Waffen in Schuss und Schuss bereit. Sie würden zum Einsatz kommen, wenn UC das Bootshaus oder sich massiv verteidigen würde müssen.

In Snowcats Hals bildete sich ein Kloss, den sie schnell runterschluckte.

Zum Gedenken an Mystère wollte Snowcat einen Zylinder an die Wand hängen, den sie mit seinen Foki schmückte. Zusätzlich besprühte sie den Zylinder, den sie in einem Spezialgeschäft erworben hatte, mit Rum und steckte einige Tabakblätter mit Nadeln darin fest. Während dieser kleinen Zeremonie erzählte sie leise auf Französisch, was sie in der Universität und bei Gesprächen mit Ehran über Zebulon heraus gefunden hatte.

[Song 3: The Canberries -Zombie] „Zebulon oder auch der Geist von Denver, ist oder besser war ein Freier Geist, der angeblich schon vor dem Erwachen 2011 existiert haben soll. Einige indianische Schamanen behaupten sogar, Denver und der Geist existierten von Anbeginn Denvers stets gemeinsam. Tatsächlich soll sich der Geist einer Legende nach um 1850 zur Zeit des Goldrausches im Raum Colorado nieder gelassen haben. Als Denver-City 1867 zur Hauptstadt des Colorado-Territoriums wurde, hatte der Geist bereist eine beträchtliche Macht und einigen Einfluss angehäuft, was er über die nächsten eineinhalb Jahrhunderte weiter tun sollte. Einige Forscher behaupten, der Geist habe die Verantwortung für die Stadt übernommen, schütze sie vor Einflüssen von außen und kümmerte sich um die wachsende Bevölkerung. 

Zur Zeit des Erwachens 2011 entdeckten einige selbsterklärte Okkultisten von Denver die Existenz des Geistes und nahmen Kontakt mit ihm auf. Der Geist von Denver war inzwischen unglaublich mächtig geworden und jeder versprach sich einen gewaltigen Vorteil davon, wenn er ihn binden oder gar beeinflussen könnte. Doch niemandrm gelang ein solches Kunststück und so einige starben bei dem Versuch.

Der Geist, der denen die von seiner Existenz wussten, inzwischen als Zebulon bekannt war, spürte die Dynamik der Indianerkriege lange bevor sie die sterblichen Bewohner der Stadt spürten.

Der Einfluss des Geistes reichte weit, doch Zebulon wurde schnell bewusst, dass er das Geschehen trotz all seiner Macht nicht aufhalten konnte und als Denver-City sich im Zentrum des Konflikts wieder fand, begann er zu verzweifeln.

Anfang 2017 änderte sich die Situation für immer. Als die Indianer-Kriege ihren Höhepunkt erreichten, gelang gleich zwei Individuen unabhängig von einander, was man zuvor für unmöglich gehalten hatte, sie erfuhren über astrale Questen den wahren Namen Zebulons. Einer von ihnen war Robert Green, ein ameriindianischer Schamane und Seelenbruder von Daniel Howling Coyote, dem berühmten Initiators des großen Geistertanzes. Die andere war Ursula Mahr, eine hermetische Magierin, die laut ihrem Kontrakt für das U.S. Militär arbeitete. 

Green wollte, dass Zebulon die NAN-Truppen gegen die Unterdrücker half, Mahr, dass Zebulon die Rebellen zügeln sollte. Beide malten ihre Kreise und begannen mit der Beschwörung unter dem wahren Namen.

Beide Zauberer schlossen die Beschwörung zu exakt dem gleichen Zeitpunkt ab und die Macht die in seinem wahren Namen lag, zwang den Geist dazu, beiden gleichermaßen zu dienen. Das Ereignis zerriss Zebulon in zwei gleich mächtige Teile und jeder neue freie Geist trug einen neuen wahren Namen. Die beiden Beschwören sahen sich einem verrückt gewordenen, wildem Freien Geist gegenüber, den sie nicht kontrollieren konnten, da sie nun nicht mehr über das Wissen seines wahren Namen verfügten. Es kam, wie es kommen musste, beide Beschwörer überlebten ihr Unterfangen nicht. Greens Leiche fand man mit angstverzerrtem Gesicht und die Überreste von Mahr passten in eine winzige Schachtel.

Zeb A und Zeb B, wie die resultierenden Geister gerne genannt wurden, besaßen beide einen Teil von Zebulons Erinnerungen und seiner Persönlichkeit. Während Zeb A eher als Beschützer auftrat, verhielt sich Zeb B wie ein Schatten. 

Mit ihrem beschränkten Möglichkeiten bezeichneten die Metamenschen Zeb A und Zeb B gerne als die Teilung in Bewusstsein und Unterbewusstsein.

Noch bevor es jemanden gelingen konnte, mehr über die Geister zu erfahren, wurde Zebulon ein weiteres Mal zerrissen. Der Vertrag von Denver von 2018 teilte die Stadt auf eine Art, wie es seit der Teilung Berlins 1961 nicht mehr vorgekommen war und so wie Denver in sechs Teile gespalten wurde, zerriss auch Zebulon in mindestens sechs Teile. Es ist unklar, ob Zebulon auch ohne die Spaltung durch die Beschwörung zerrissen worden wäre, aber geteilt konnte er dem nicht mehr standhalten. Die Macht Zebulons war groß genug gewesen, dass alle sechs Geister überlebten und frei blieben und auch wenn sich in jedem der sechs freien Geister ein Fragment von Zebulons wahren Namen befand, ergibt die Summe der sechs wahren Namen nicht die von Zebulon und man weiß nicht einmal, ob Zebulon überhaupt nur in sechs Teile gerissen wurde. 

Seit diesem Tag wandern also mindestens sechs mächtige, freie Geister durch Denver. Jeder mit seinen eignen Zielen und seinen eigenen Gedanken und Wünschen. Die Persönlichkeiten scheinen so weit von einander entfernt, wie es die Metamenschen der damaligen sechs Zonen waren. 

Vier der mächtigsten Fragmente haben sich schnell einen eignen Namen gemacht. 

Da ist Gray Sky, der Trickster, der Spaß daran hat, in den Zonen Fehlalarm auszulösen oder den einen oder anderen in der Nacht zu wecken. 

Dann gibt es Night, der sich gerne als hellhäutige, dunkelhaarige Frau manifestiert und als düsterster der Teile gilt. Night liebt es zu manipulieren und Langzeitpläne in die Tat um zu setzten.

Ferner ist da Smoke, der ein Herz für den Sioux Sektor hat und sich oft in der Gestalt einer großen grauen Katze manifestiert. 

Und als viertes Fragment gibt es Rojo, der sich als Beschützer der Bewohner Denvers fühlt und sich gerne im Zentrum des Sprawls aufhält.

Soweit die bekannte Geschichte von Zebulon, werter Mystère. So wie sich Denver veränderte, veränderten sich vielleicht auch die Fragmente, so dass man derzeit von vier oder fünf wirklich relevanten Freien Geistern von Denver ausgehen kann, die alle eigentlich ein Geist waren. Und dieses schwierige Puzzle könnte Ghostwalker nun versucht haben zusammen zu setzten und als Nebeneffekt oder vielleicht war es auch notwendig oder beabsichtigt, schloss sich der Rift in DeeCee.“

Snowcat lächelte und positionierte den Zylinder ein wenig weiter links. „Mein Mentor meinte dazu übrigens, dass man davon ausgehen kann, dass die erste Teilung von Zebulon wohl kein Zufall war und man die Information absichtlich an die beiden Gegner weiter gab. Nur so konnte man die Macht des Geistes brechen und letztendlich die Stadt vielleicht überhaupt teilen.“

Schmunzelnd fügte sie hinzu, „Ich glaube, aus dieser Geschichte lassen sich sogar Rückschlüsse darauf ziehen, warum das eine oder andere Artefakt für das Ritual nötig war. Vielleicht stimmst du mir sogar in meiner Vermutung zu, dass das, was auch immer Ghostwalker da zusammensetzten wollte oder zusammengesetzt hat, nicht das ist, was einst Zebulon war.“

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Später am Abend traf Snowcat sich mit Bloody Guts und Metge im Banshees. Blackstone begleitete sie und Shark Finn hätte sie um nichts in der Welt ohne sich da hingehen lassen. Weder Bloody Guts noch Metge zögerten lange und so wurden sie offizielle Mitglieder von UC. Sie fuhren in Bootshaus, verpassten ihnen eigene Zugangscodes und zeigten ihnen die Anlage. Snowcat warf einen Blick auf die Auren der Neuzugänge, Violet Rain nahm einen Full-Body-Scann vor und das mit den DNA-Proben würden Snowcat, Mystique oder Doc später erledigen. Natürlich hatte ein Backround-Check schon vor der Einladung zu UC stattgefunden, auch bei jemanden wie Bloody Guts.

❄❄

Als Snowcat Sonntag weit nach zwei Uhr in ihr großes luxuriöses Bett in ihrem Appartement in Downtown/Seattle schlüpfte, wünschte sie, Harlequin wäre jetzt bei ihr. Ein Teil des Vermissen kam sicher auch von ihrem Körper, aber nicht nur. Wow, sie hatte es fast ganze 14 Tage geschafft, ohne ihn zu vermissen. 

‹Na siehst du Elfenmädchen, und du hattest schon Angst, du würdest süchtig nach ihm sein. 14 Tage ist ja eine Ewigkeit.›, sagte Katze von oben herab.

Snowcat sah zu ihr auf, kicherte glücklich und zog sich dann die Decke über den Kopf.

‹Schade, Elfenmädchen.›, kommentierte Katze, ‹Jetzt bist du nach all den Jahren doch noch verrückt geworden.›

Snowcat kam wieder unter der Decke hervor und zuckte mit den Schultern, ‹Kann sein, aber vielleicht habe ich mich auch nur darüber gefreut, dass ich so verliebt bin. Glücklich verliebt, Vermissen gehört dazu, Katze.› Snowcat sprang auf, lief geschwind zum begehbaren Kleiderschrank, öffnete ihr Schatzkiste und nahm ein Kästchen heraus, mit dem sie zurück zum Bett tänzelte. Zufrieden öffnete sie das Kästchen und nahm den kleinen Stapel mit Briefen, Gedichten und Notizen heraus, die Harlequin ihr geschrieben hatte. ‹Möchtest du, dass ich sie dir vorlese, Katze?›, fragte sie im verspielten Ton.

‹Nein danke, Elfenmädchen.›, erwiderte Katze, und schloss die Augen, ‹ich kenne sie bereits auswendig.›

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Eine weitere Stunde später saß Snowcat in ihrer Badewanne und genoss das duftende Wasser auf ihrer Haut. Henry hatte ihr eine Tasse heiße Schokolade auf den kleinen Tisch neben der Wanne gestellt. Das warme Getränk inspirierte sie. Sie leckte sich die Lippen, konzentrierte sich und beschwor kurzer Hand einen Geist des Wassers. Der Undine manifestierte sich über dem hinteren Teil der Wanne. Sein dunkelblauer Wasserschlangen-Schwanz schlug zwei Mal auf dem Badewasser auf. „My Lady, ihr habt gerufen? Was kann ich für Euch tun?“

„Guten Abend Flush.“, erwiderte Snowcat lächelnd, „Ich danke dir für dein Erscheinen. Ich würde gerne das Gespräch fortsetzen, dass wir neulich begonnen haben.“

Der Undine nahm eine entspannte Haltung an, „Wie ihr wünscht, My Lady.“

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Snowcat war bis zum Morgengrauen wach geblieben, hatte ihr Morgenritual durchgeführt und sich dann schlafen gelegt. Als sie am frühen Nachmittag erwachte, duftete es nach frischen Waffeln und Kaffee. Henry hatte wieder mal zum perfekten Zeitpunkt Frühstück gemacht. 

Nach ihrem Termin in Xanders Beauty-Salon ging sie die Dossiers durch, die Doc ihr über einige Runner geschickt hatte. Der Gehalt an direkten Informationen über die Männer und Frauen war gering, aber Doc hatte wieder eine Menge daraus gemacht. Snowcats Gespür würde natürlich erst etwas über sie sagen, wenn sie ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand.


❄ 


Eine Nachricht auf Snowcats Commlink schlug ein. 

Mr Johnson sucht ein vielseitiges Team. - Hab an Euch gedacht.- Wenn ihr verfügbar seid, heute Abend 21.00 Uhr im Rubber Suit in Everett, Codewort Beowulf.-

Snowcat drückte auf Bestätigen, Informierte das Team, cancelte die Flüge nach Boston, sandte eine Nachricht an Dave und machte sich bettfertig. Den Koffer wieder auszupacken hatte bis später Zeit und wahrscheinlich würde Henry das sowieso lieber selber machen.

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Average, Blackstone, Bloody Guts, Chang, Metge, Shark Finn und Snowcat trafen sich um 19.00 Uhr am Montag, dem 18.09.2073 im Bootshaus. 

Snowcat hatte Average zwar erst darum bitten müssen, doch dann hatte er sich doch nach dem Rubber Suit in der Matrix umgehört. Da der Club zu den alteingesessenen in Seattle gehörte, war Snowcat dort sogar schon einmal gewesen, aber das war schon eine ganze Weile her und ein Update konnte nicht schaden.

Es dauerte nicht lange, dann trudelten Averages Daten im Teamnetzwerk ein. Snowcat überflog die Informationen. Nein, viel verändert hatte sich nicht.

- Das Rubber Suit war nicht nur der alteingesessenste Nachtclub in Everett, er war auch überaus groß und verdankte seinen stetigen Erfolg seiner ungewöhnlichen Thematik, die durch japanische Monsterfilme des 20.Jahrhunderts inspiriert war. Clubbesucher saßen auf oder in den Häusern der Skyline von Tokio und bewegten sich durch von Monstern zerstörten Strassen durch den Nachtclub bis zu Tanzfläche. AR-Arrangements von winzigen Metamenschen, Fahrzeugen und Bäumen, die unter einem durch auf den Strassen zu sehen waren und die man auch mal zertreten konnte, unterstrichen den Eindruck, man sei ein Riese, der sich durch eine Stadt bewegte. Die Drinks trugen Namen wie ‚Atominc Breath‘ und auf der Speisekarte fand sich ein ‚20.000 Fathoms Meeresfrüchte-Cocktail. Das Rubber Suit war immer noch und schon seit je her bei den Yakuza beliebt, obwohl der Club nicht durch sie kontrolliert wurde und sie einfach wegen der Atmosphäre her kamen. Gelegentlich kam es im Club zu Streitigkeiten mit der Mafia oder den Seoulpa Ringen, aber der Ärger hielt sich meist in Grenzen. Interessanter Weise verfügte das Rubber Suit wohl über eine Art Heim- oder Herdgeist in Form eines Trollgroßen Echsenmenschen, der den Club unter seinen Schutz gestellt hatte und immer mal wieder sein beeindruckendes Brüllen oder seinen ‚Atomaren Feueratem‘ zur Schau stellte. Besucher berichteten regelmäßig von seiner Sichtung. Jedermann, der sich mit dem Club direkt anlegte, bekam anscheinend schnell heraus, wie real diese Geist tatsächlich war.

-

Snowcat warf einen Blick in die Runde und entschied dann kurzer Hand: „Der Club ist so groß, dass wir ruhig alle hin gehen sollten. Zum Meeting mit Mr.Johnson würde ich gerne abgesehen von Shark Finn noch Blackstone und Metge mit rein nehmen. Average, Bloody Guts und Chang stellen das Back Up. Wir sollten beide Team SUV’s nehmen und den Überwachungswagen hier lassen. Ich habe noch keine Ahnung worum es geht. Irgendwelche Einwände?“

Alle Jungs schüttelten mehr oder weniger stark den Kopf. Soweit, so gut.

❄❄

Snowcat trug ein kurzes, hellblaues Clubdress mit aufwendiger Stickerei in Dunkelblau und Silber, mit Fransen am Minirock und einem V-Ausschnitt auf der Vorder- und der Rückseite des Oberteils. Dazu hatte sie sich für eine silberne Clutch, einfache hellblaue High Heels, hellblaue Lederhandschuhe und ihre hellblauen Larima-Diamantsplitter Ohrstecker entschieden. Ihr eisweißes Haar, war, bis auf drei lange Korkenzieherlocken am Rücken, hochgesteckt. Ihr Tattoo auf der Linken Schulter und Oberarm hatte sie mit Make Up abgedeckt.  

Metge hatte sein Aussehen mit einem falschem Bart und Nanopaste im Gesicht völlig verändert. Er trug ein halbwegs angesagtes Club-Outfit, bestehend aus Hemd, Hose und festen Schuhen.

Blackstone rasierte seine Glatze inzwischen regelmäßig, sein weißer Bart hob sich von seiner dunklen Gesichtshaut ab. Er hatte eine schwarze Cargohose und ein schwarzes T-Shirt angezogen. Nur seine Combatboots erinnerten an die alten Tage, denn sie waren blank geputzt wie eh und je. 

Shark Finn stellte seine verzierten Cyberarme mit Hilfe eines grün-blau gemusterten Muscle-Shirts, einer schwarzen Baggy-Hose und schwarzen Turnschuhen zu Schau.

Chang wirkte unauffällig und würde es in der dunkelblauen Jeans und dem T-Shirt auch bleiben. Snowcat hatte bereits vergessen, was für Schuhe er trug.

Bloody Guts hatte sein Haar zumindest seit gestern zu einem roten Mohawk aufgestellt. Das Schwarz seines Goth-Outfits war frisch genug, um komplett schwarz zu wirken. Wahrscheinlich nicht gerade das Outfit für diese Art von Club, aber immerhin ein Outfit mit dem er in einen Club gehen konnte. 

Ganz im Gegensatz zu Average. Mit seiner schwarzen, leicht abgetragenen Cargo-Hose unterschied er sich zwar nicht so weit von einigen anderen und auch seine weißen Turnschuhe waren kein Problem, doch sein dunkel gemustertes T-Shirt war fleckig, verwaschen und zu allem Überfluss auch noch zu kurz. Etwas von seinem aschegrauen, nicht unerheblichem Bauch war die ganze Zeit zu sehen

Blackstone nickte mit dem Kopf in Richtung von Averages Shirt und bemerkte eine Spur angewidert, eine Spur belustigt, „Gibt nur ein paar Sachen, die im Alter besser werden, ein T-Shirt gehört nicht dazu.“

Snowcat seufzte innerlich, wenn das Shirt wenigstens sauber gewesen wäre. Natürlich hatte er keine Klamotten zum Wechseln bei und selbstverständlich hätte Snowcat gedacht, dass er sich vor dem losfahren noch umziehen würde. Da sie nicht im selben Auto gefahren waren, hatte Snowcat auch nicht bemerkt, dass er das schmuddelige Shirt immer noch trug. 

Sie zuckte gedanklich mit den Schultern, dann würde sie den Raußschmeißer an der Tür wohl zulächeln müssen, damit er kein Auge auf Average warf.

[Song 3: The Enigma TNG - The Monster Killer] Die Electric-Dance-Floor-Music brandete ihnen sofort entgegen, als sie die Tür öffneten. Snowcats Lächeln hatte seine Wirkung nicht verfehlt, sie war mit ihrem kompletten Anhang hinein gekommen.

Das Rubber Suit war wirklich groß, für einen Montag gut gefüllt und die Einrichtung war tatsächlich sehenswert, wenn man sich auf das komplette AR-Angebot einließ. Snowcat schätzte, dass gut 60 Prozent der Gäste asiatischer Herkunft waren. 

Auf den überall an de Wänden verteilten Trideoscreens lief ein Mash-Up aus alten 2D Filmen und modernen Musik-Trideos. 

Die Blicke, die Snowcat zugeworfen wurden, quittierte sie mit einem Hüftschwingen und einem stolzen Gesichtsausdruck. 

Der Aufbau mit den diversen Tischen und Nischen auf verschiedenen Ebenen machte den Club ziemlich unübersichtlich.

Bloody Guts grinste zu den Zwergen runter „Wenn ihr irgendwo rauf wollt, dann sagt bescheid, dann heb ich euch hoch.“

Blackstone rollte mit den Augen, Snowcat hingegen musste lachen.

Snowcat trat an die Hauptbar über einer Strassenschlucht und lächelte den Barkeeper der laut ARO Damian hieß, an, „Hey, sagt dir Beowulf etwas?“

Der menschliche Barkeeper grinste zurück, „Ja klar, das ist ein Held. Der hat Grendel getötet.“

Snowcat legte den Kopf ein wenig schief, „So, hat er das?“

Damian zwinkerte mit den Augenbrauen, „Ja. Mit Monstern kennt man sich aus, wenn man hier arbeitet.“ Er machte eine kurze Pause, sein Grinsen wurde zu einem Lächeln und er sagte, „Das ist ein Codewort, stimmt’s?“

Sie nickte.

„Den Gang links runter.“ Er schnippte ihr via AR einen ARO zu. „Was wollt ihr trinken? Ich bringe es euch dann nach hinten.“ Sie bestellten, Snowcat bedankte sich und folgte dann den Monsterfussspuren in den privaten Teil des Clubs. Shark Finn blieb dicht hinter ihr und damit jeder von ihnen etwas sehen konnte, lies sie Blackstone und Metge den Vortritt.

Ein asiatischer Ork im Anzug hielt ihnen die Hintertür auf. 

Sie folgten den Spuren zu einem Hinterzimmer. 

Blackstone klopfte, wartete einen Moment und da niemand etwas sagte, öffnete er die Tür,

Die Hinterzimmer wurden sicher auch als Spielzimmer genutzt. Der Tisch war groß und rund, die Sitzmöbel waren rot gepolstert und so etwas wie eine Mischung aus Stuhl und Sessel. Allerdings gab es keine meta-amgepassten Sitzmöbel. Die Zwerge würden auf ihre Stühle klettern müssen und Shark Finn würde wohl stehen bleiben.

Am Tisch saß ein menschlicher Mann im Anthrazitfarbenen Actioneer-Anzug. Er trug zudem ein weißes Hemd ohne Krawatte und zum Anzug farblich passende Handschuhe. Seine Haare waren kurz und dunkelblond. Snowcat schätzte ihn auf Mitte, Ende 20.

Mr. Johnson erhob sich intuitiv und mit beinah ausdruckslosem Gesicht, als Snowcat den Raum betrat. Die 1,80 Marke an Körpergröße würde er wohl gerade schaffen. Er wirkte fit, war aber nicht muskulös. Wo er schon mal aufgestanden war, blieb er stehen, bis Snowcat sich gesetzt hatte.

Es klopfte und Damian brachte die Getränke. Vor Mr. Johnson stand bereits ein Glas mit einer Bernsteinfarbenen Flüssigkeit.

Als Damian die Tür hinter sich geschlossen hatte, begann Mr.Johnson ohne Umschweife, „Ich habe nur das Beste von ihnen gehört.“

Snowcat lächelte, „Und das war wahrscheinlich noch untertrieben.“

Mr.Johnson hob eine Augenbraue. Er wirkte konzentriert und schien sich Mühe zu geben, seine Gesichtszüge möglichst neutral zu halten. Snowcat schaffte es, dass er ein Lächeln zeigte, dann fuhr er fort, „Die Gruppe, die ich repräsentiere, wäre durchaus an einer längerfristigen Geschäftsbeziehung interessiert, wenn sich ihr Ruf im praktischen Einsatz bestätig.“

Mr. Johnson legte einen extrem professionellen Konzern-Ton an den Tag. Snowcat spürte vorsichtig nach Magie, konnte aber nur die entdecken, die sie selbst mitgebracht hatten.

„Zunächst einmal möchten wir, dass sie uns kurzfristig eine Ladung beschaffen.“

Snowcat hob in einer zarten Geste die Hand und fragte dazwischen, „Innerhalb der Stadt?“

Mr. Johnson nickte knapp, „Dieser Job ja. Zukünftige Aufträge könnten durchaus Reisetätigkeiten beinhalten.“ 

Er machte eine kurze Pause, die Snowcat nutze, „Das klingt machbar, fahren sie bitte fort.“

Mr.Johnson räusperte sich, „Ich möchte ihnen die Gefährlichkeit des Auftrages nicht verschweigen. Sie sollen die Ladung einem anderem Team abnehmen, das 8 bis 10 Personen stark ist. …“

Snowcat pfiff gedanklich durch die Zähne. Es gab nicht sonderlich viele Teams, die so groß waren. „… Es sind Fanatiker, die Erwachte und Taliskrämer ermorden, sie sogar foltern, um ihnen Reagenzien zu stehlen. Genau diese eingesammelte Ladung Reagenzien sollen sie beschaffen.“ Er sah Snowcat an.

„Gibt es eine Deadline?“, fragte sie. 

Mr. Johnson holte hörbar Luft, „Nun, das Team kam vor fünf Tagen hier in Seattle an. Seitdem haben sie bereits 2 Magier und eine Taliskrämer überfallen und sogar eine Familie getötet. Zuvor waren sie in Sacramento und Reno. Sie suchen bestimmte Reagenzien, die soweit wir wissen, alle von Drachen stammen. Irgendwann werden sie haben, was sie wollen und dann weiter ziehen.“

Snowcat nickte, „Ich bin sicher, dass wir uns über die Bezahlung einigen können, wir sind also im Geschäft.“ 

Mr.Johnson nahm das mit neutralem Gesicht zu Kenntnis, „Wir sind bereit Ihnen 50.000 NuYen für das Beschaffen der Ladung zu bezahlen. Wenn sie das andere Team auslöschen, zahlen wir weitere 150.000 NuYen.“

„Muss die Ladung ein bestimmtes Volumen haben?“, fragte Snowcat nach.

Mr. Johnson zog die Stirn in Falten. „Was meinen Sie?“

„Müssen wir noch warten, bis ein bestimmter Teil bei der Ladung ist? Oder haben Sie eine Liste, was dabei sein muss?“

Johnson schüttelte den Kopf. „Nein nein! Sie bringen, was da ist.“

„Das Team auszulöschen ist optional!“, vergewisserte Snowcat sich.

Mr. Johnson nickte, doch er wirkte, als wäre ihm ein Auslöschen mehr als recht. Snowcat verhandelte sehr vorsichtig. Mr. Johnson war leicht verkrampft und sie wollte ihn in keinem Fall übervorteilen oder ihn dazu bringen, höher zu gehen, als er konnte. Am Ende landeten sie bei 70.000 für die Ladung und 250.000 ¥ für die Eliminierung des Teams.

„Haben sie noch irgendwelche Informationen für uns?“, fragte Snowcat, nachdem sie sich einig waren.

„Ich gebe ihnen einen Chip mit den Informationen über die drei Anschläge, der Ausgeburten…“

Ausgeburten? War da etwa irgendeine Form von Hass oder Rassissmus im Spiel?

„… mit. Soweit wir wissen, arbeitet das Team für Alamais. …“

Fragg. Für einen großen Drachen. 

„ … und in dem Team sind mindestens vier Drakes.“

Noch mal Fragg. Das klang auf einmal gar nicht nett. Aber sie waren ja auch selbst nicht hier, um nette Sachen zu machen. Die 250 K für das Auslöschen waren gerade noch ein Stück weiter nach hinten geraten, aber wenn sie wirklich gefoltert und Kinder getötet hatten, dann musste man sie vielleicht aufhalten. 

„Sie sagten ja bereits, dass es gefährlich werden würde. Wie genau können wir sie erreichen?“, wollte Snowcat noch wissen.

Mr.Johnson trank sein Glas leer. Öffnete übertrieben vorsichtig sein Jackett und zog ein ausgeschaltetes Wegwerf-Commlink aus der Innentasche. „Damit. Dort ist eine Nummer hinterlegt. Außerdem befindet sich darauf auch die Datei mit dem Informationen, die uns über die Überfälle bekannt sind.“

Metge schickte ein neutrales, ‹Anzahlung?›, in Netzwerk.

Blackstone setzte das sofort um und fragte, „Die Anzahlung ist da nicht drauf, nehme ich an?“

Snowcat nutzte die Gelegenheit und nahm, während Mr.Johnson wieder übertrieben langsam einen Kredstick aus eine Jackentasche zog, astral wahr.

Angespannt, mundän, unvercybert. Snowcat konnte gar nicht glauben, dass das stimmen sollte.

Sie prüften die Summe nicht.

Mr. Johnson wartete noch einen Moment, dann zog er einen Plastik-Zipplock-Beutel aus seiner Jackett-Tasche, verstaute sein Glas darin, steckte das Paket ein und wandte sich zum Gehen. „Der Raum steht ihnen noch eine Zeit lang zur Verfügung. Die Getränke gehen auf mich. Viel Erfolg.“

„Danke, Mr Johnson. Bis bald.“, sagte Snowcat zuckersüß. 

[Song 4: Linkin Park- Papercut] Was für ein paranoider und irgendwie auch unangenehmer Zeitgenosse. Sie warf Blackstone einen Blick zu und er sah das offenbar ziemlich ähnlich.

«Der ist völlig tot. », meldete Bloody Guts, «Nicht ein Futzelschen von Signal. Kein Commlink nix. Sollen wir gucken, wo der hingeht?»

Blackstone erwiderte, «Find ich gut. Aber passt auf, der ist paranoid wie sonst was.»

Dann kam von Bloody Guts, «Average, Chang, was ist? Geht ihm nach. Oder glaub ihr, ich könnte das unbemerkt?»

Average erwiderte sofort, «Na also ich nicht, oder sehe ich aus, als könnte ich was heimlich?»

«Keine Ahnung! Ich dachte du kannst alles.», kam es da von Bloody Guts.

Snowcat blendete Averages Antwort aus, «Chang, folgst du Mr. Johnson bitte und guckst nach, wohin er geht?»

«Copy.»

Unterdes meinte Blackstone, «Der war komisch. Ich traue ihm nicht. Wir sollten auch vorsichtig sein.»

Metge wandte ein, «Vielleicht ist es besser, wenn wir das Commlink hier schon einschalten und sehen, was darauf ist?»

Snowcat zögerte, «Die Job-Besprechung würde ich aber lieber zu Hause und nicht hier durchführen.»

Metge nickte, «Si senora.»

Chang meldete sich, «Er hat draußen kurz ein Commlink angeschaltet, eine Nachricht versandt, das Commlink wieder aus gemacht und ist dann in einen Mietwagen gestiegen.»

«Danke. Dann komm bitte zurück in den Club.», wies Snowcat an. 

Blackstone fragte, «Wenn wir das Ding anmachen,», er wies auf das Commlink auf dem Tisch, « kann das dann irgendwie ein Signal absenden, das unsere Position verrät?»

«Rein theoretisch in jedem Fall.», antwortete Snowcat.

«Dann lasst uns das erst hier anschalten und dann gehen, um uns zu besprechen.», meinte Blackstone nun.

So was in der Art war auch Metges Wunsch gewesen. «Gut, ich kann das mit dem Signal aber nicht bemerken. Average, kommst du bitte nach hinten und checkst das Commlink.»

Average nörgelte, «Lasst uns das doch nicht hier machen. Der kann doch irgendwo was angebracht haben.»

Bloody Guts meinte sofort, «Was sollte der angebracht haben? Der war signal-mäßig tot. Der empfängt nichts. »

Snowcat seufzte, «Average, kommst du bitte einfach nach hinten, um das Commlink zu checken.»

Average machte nur langsam Anstalten sich in Bewegung zu setzten, «Oh man, ihr seid so gut Jungs, paranoid wie sonst was, aber von nichts ne Ahnung und wenn der da Kameras hat und die jetzt alles aufzeichnen, dann bekommt er alles mit.»

Blackstone erklärte, «Das ist mir doch egal, ich will nur nicht, dass wir das Ding mit zum Safehouse nehmen und er dann von dort ein Signal bekommt.»

Average erwiderte, «Ja, aber dann sieht er doch, dass ich hinten bin und außerdem könnte er doch eine Kamera angebracht haben.»

Snowcat fuhr scharf, laut und hörbar aufgeregt dazwischen «Bei allen Göttern Average, so geht das nicht. Hör auf rumzunörgeln und mach einfach, worum ich dich gebeten habe. Komm hierher und schalte das Commlink ein und checke es.»

Im Hinterzimmer wurde der kleine Disput weitergeführt. Wer was, wann, wie gemeint hatte und was er nicht gemeint hatte und warum Blackstone das gewollt hatte und… Es war zum aus der Haut fahren und Snowcat hatte Schwierigkeiten, sich zu beruhigen. Alle Anfragen landeten berechtigter Weise bei ihr, was auch gut so war. Womit sie aber nicht klar kam war, dass wenn sie eine Entscheidung getroffen hatte, dann jemand kam -und dies war nicht selten Average- und etwas einwarf, warum das jetzt keine gute Idee war. Noch immer viel zu aufgebracht fragte sie, «Sind hier Kameras, Average? »

«Nicht so weit ich weiß, aber die könnten ja auch aufzeichnen und das später verschicken. »

Snowcat seufze abermals, diesmal jedoch nur innerlich, «Was nicht weiter schlimm ist, weil wir ja nichts Relevantes besprochen haben und das einzig Neue jetzt für Mr. Johnson wäre, dass du zum Team gehörst und wir ihm jemanden hinterher geschickt haben. Wofür er Verständnis haben würde, schließlich ist er selber paranoid.“ 

Abgesehen davon würde er wissen, dass man ihren Anweisungen keine Folge leistete, dachte sie bei sich und schluckte es runter. Zu Average sagte sie, „Kopier bitte die Daten auf dem Commlink und setzt sie ins Teamnetzwerk und dann machen wir das Ding hier wieder aus.»

Auf der Fahrt ins Bootshaus ließ Snowcat Shark Finn ans Steuer und gab ihr geringes Wissen über Alamais ins Commlink ein, dass sie es später ins Teamnetzwerk verteilen würde.

Alamais, Großer Westlicher Drache, männlich, Skandinavische Union, goldene Schuppen, die zum Rücken rot werden. Er gilt als sehr alter Drache und sein Körper weißt zahlreiche Narben auf. Er ist der Bruder von Lofwyr und liegt im Clinch mit ihm. Wichtigster Hort ist in Spitzbergen. Er scheint noch weniger ein Freund von Metamenschen, als andere Drachen. Bedient sich gern der Dienste von Terroristen und Policlubbern. Wurde man mit Winternight in Verbindung gebracht und soll jetzt den Widerstand von Tir Na n’Og unterstützen. 

Katze sprang auf Snowcats Schoß, ‹Von allen Großen Drachen der 6.Welt, klingt Alamais wie einer, der höchst unsympathisch ist, du solltest vorsichtig sein, was ihn angeht, Elfenmädchen.›

Snowcat kraulte Katze hinter den Ohren, ‹Das sehe ich ganz genauso Katze.›

Im Bootshaus brüteten sie einen Moment über die spärlichen Informationen, die sie über die drei Tatorte hatten. In Snohomish war ein Schamane ermordet worden, dessen Körper Spuren von massiven Folterungen aufwies. Der Taliskrämer aus Redmond war brutal ermordet worden und mit ihm seine Frau und seine drei Kinder. In Downtown hatte man ebenfalls eine Magier und dessen Lebensgefährten ermordet. Überall war definitiv viel Gewalt im Einsatz gewesen. Sie hatten alle drei genauen Adressen und die Informationen aus den Newsfeeds, die noch nicht einmal von zusammenhängenden Ereignissen sprachen. Einzig und allein die Ermordung der Familie hatte es zu einer richtigen Schlagzeile geschafft. 

„Wo und wie legen wir los?“, fragte Blackstone.

„Ich denke, wir sollten uns zunächst mal alle Tatorte ansehen, auch wenn da keine Signaturen oder ähnliches mehr zu finden sein werden. Die Leichen der Opfer wären gut, aber an die werden wir nicht gelangen.“

Metge lächelte freundlich, „Vielleicht kann ich ihnen da behilflich sein. Ich habe zufällig einige Kontakte zu Krankenhäusern und eeh, ich könnte mich umhören, vielleicht haben wir ja Glück und einer weiß etwas über die Opfer.“ Sein katalanischer Akzent begann Snowcat zu gefallen.

„Danke Metge, mach das bitte.“

Bloody Guts warf ein, „Wenn das nicht geht, dann kann Average noch die Autopsie-Berichte besorgen.»

Average sah hoch, „Klar kann ich mich bei Lone Star einhacken.“ erwiderte er ein wenig störrisch.

Bloody Guts zog eine Grimasse, „Äh, warum bei Lone Star?“

Jetzt war Average verwundert, dann fiel ihm wohl ein, wer den Kontrakt für Seattle hatte, „Na weil die sicher eine Hintertür zu Knight Errant haben und die kann ich nutzen.“, redete er sich raus.

„Ach so.“, meinte Bloody Guts nur, „Na dann mach doch.“

„Kann ich gerne tun.“

Bevor der Streit richtig losging, gab Chang in einem für seiner Verhältnisse relativ genervten Ton eine seiner Weisheiten zum Besten, die Average spontan mit einer anderen chinesischen Weisheit konterte. Beide lächelten. Auf die Art hob sich die Stimmung dann wieder.

Metge hatte sich für seine Gespräche ein Stück zurück gezogen, jetzt kam er wieder zu ihnen an den Tisch. „Einer Meiner Kontakte in einem Leichenschauhaus kann mit tatsächlich Zugang zu den  toten Körpern der Familie in Redmond verschaffen, allerdings müsste wir bald aufbrechen, da die Leichen in einigen Stunden zu Einäscherung kommen.“

„Dann lasst uns gleich aufbrechen. Ich zieh mich nur noch um.“

Nur 10 Minuten später hatte Snowcat das Club-Dress gegen ein dunkelgrünes Kostüm getauscht. Bevor sie losfuhren, bat sie kurz Average beiseite, um sich für ihren Ausfall vorhin im Rubber Suit zu entschuldigen. Es war nicht richtig gewesen, ihn so anzufahren. Allerdings ging es auch nicht, dass er ihre Anweisungen nörgelnd in Frage stellte, nachdem sie sich entschieden hatte. 

Average nickte, wand jedoch ein, „Also erst soll ich nichts sagen, damit nicht alles in die Länge gezogen wird und sag ich erst am Ende einer Diskussion was, soll ich auch nichts sagen, weil dann eine Entscheidung getroffen wurde. Irgendwann muss ich doch aber was sagen.“

Snowcat lächelte, „Das sollst du ja auch. Ich überlege mir da was, wir wir das besser abhandeln können.“

Sie fuhren auf den Parkplatz der Klinik in Redmond. Metges vermittelter Kontakt, ein untersetzter, menschlicher Mann mit Geheimratsecken und einer technisch voll ausgestatteten Nickelbrille, kam um Metge selbst abzuholen. Die Überraschung war für beide groß, als sich herausstellte, dass Butters und Metge sich aus Studienzeiten kannten. „Könnte die Seniora uns vielleicht begleiten?“, fragte Metge nach.

Butters schob seine Brille zurück auf die Nase, „Oh ja, .. äh ja, aber sicher. Das wird schon gehen. Nur nicht noch mehr Personen.“

Shark Finn stimmte zu, aber es behagte ihm selbstverständlich nicht sonderlich.

Natürlich lag das Leichenschauhaus unten im Keller und natürlich hatte es etwas befremdliches, als ihre Schritte durch die Flure halten, besonders da Snowcat, wie sie inzwischen wusste, nicht mehr so leichtfüssig über eine Fläche zu laufen vermochte, wie noch vor einigen Wochen. 

Metge verstrickte Butters geschickt in ein Gespräch und der kleine, freundlich wirkende Mensch war sofort bei der Sache. Er zog alle fünf Kühlkammern auf und wies mit Begeisterung auf die aussergewöhnlichen Spuren hin. Er hatte Dieseltreibstoff in Wunden gefunden. Die Zahnabdrücke waren riesig und einigen Wunden waren eindeutig durch eine Elektrische Verbrennung entstanden, allerdings konnte Butters nun beileibe nicht sagen, welche Waffe das gewesen sein konnte. Hinzukamen noch Stellen, an denen die Haut nahe der Bisswunde stark verhärtet war.

Snowcat nickte Metge zu und dieser bat Butters, ihm doch an der einen Leichen noch einmal genau zu zeigen, was er herausgefunden hatte. 

[Song 5: Brian Tyler & Klaus Badelt - Constantine/ Destiny] Die Ablenkung funktionierte. 

Snowcat zog ihren rechten Handschuh aus, atmete tief durch und berührte dann die Leiche des Vaters.

Ein Strudel von Angst zog sie in die Perspektive des Opfers hinein. Da waren Blitz, Donner und starker Regen. Es war dunkel und nur das Licht der Blitze tauchte alles in gespenstige Schatten. Die Tür wird eingetreten. Drei oder vier Gestalten preschen herein. „Wo ist das Zeug?“ brüllen sie. Sie werfen sich auf ihn. Er - ich habe Angst. Es riecht nach Alkohol und Tabak. Ein Ork mit vernarbtem Gesicht und Chrom-Cyberauen tritt hinter den Mann - mich. Der Elf vor mir hat lange weiße Haare, die reichen ihm bis zur Mitte des Arms. Er trägt zwei Schwerter über dem Rücken und wirkt etwas schlaksig für einen Elfen. Hinten rumpelt es. Schreie. Meine Frau, meine Kinder. Sie schlagen den Mann. Ein fürchterliches Fauchen erklingt von hinten. Gefolgt von einer knisternde Entladung von Elektrizität. Sie haben, was sie gesucht haben. Eine männliche Stimme ruft: Jetzt brauchen wir dich nicht mehr. Die Sporne des Orks dringen von hinten ins Fleisch, in mein Fleisch und schneiden es auf. Der Elf zischt, „Ihr habt mit eurer Leichenfledderei ein angenehmes Leben geführt. Ab jetzt werdet ihr euch nicht mehr an ihnen ergötzen.“ Der letzte Gedanke gilt seinen Kindern.

Snowcat brauchte einen Moment um die heftigen Ereignisse abzuschütteln. Sie lenkte sich mit dem Durchsuchen ihres Wissen über dragonische Lebensformen ab. „Mr. Butters,“ klinkte sie sich schließlich in das Gespräch ein, „Könnten die Wunden zu denen passen, die ihrer Meinung nach von Gorgonen verursacht werden?“

Butters riss die Augen auf, dann suchte er offenbar etwas über AR in seinem Commlink und dann rief er, „Aber ja. Natürlich, das würde passen.“

Eine Gorgone war natürlich überhaupt keine gute Nachricht. Die flügellosen Drachenwesen waren selten und galten als extrem gefährlich. Sie wurden bis zu acht Metern lang und lebten eigentlich in mediterranen Gewässern, konnten sich aber auch an Land bewegen. Ihre Größe und ihr gewaltiges Gebiss mit zweireihigen Zähnen waren hier nicht die einzigen schlechten Nachrichten. Gorgonen verfügten angeblich über die Kraft der Wetterbeeinflussung, etwas, was zu dem Regen und dem Blitzen passte, die Snowcat in der Vision gesehen hatte. Gorgonen besassen zudem einen Elektroschock-Angriff und ihr Biss setzte ein versteinerndes Gift frei. Einige von ihnen konnten durchaus intelligent sein und dann noch zusätzlich über Adeptenkräfte oder Zauber verfügen. 

Vier Drakes und eine Gorgone? Die Gefahrenstufe stieg weiter.

Die Hacker von UC waren in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen. Average hatte Bilder aus den Grid-Guide-Überwachungskameras beim Wohnort der Familie geholt und darauf zumindest einen schwer zu sehenden Roasmaster entdeckt, der das Gelände umkreist hatte. 

Bloody Guts war dabei, die Wetterforen nach Gewittern und heftigem Regen in den letzten Tagen zu durchsuchen und zumindest in der Nähe des ermordeten Magiers und seines Lebensgefährten war es ebenfalls zu unerwartet heftigem Regen gekommen.

Sie waren einen ganzen Schritt weiter.

Das Team von Alamais musste ja auch irgendwo untergekommen sein und da eine Gorgone Petroleum oder Dieseltreibstoff für ihre Ernährung brauchte, lag die Vermutung nahe, dass man an den Tacoma Dock untergetaucht war. So eine Gorgone konnte ja nicht einfach in die nächste Kneipe gehen. 

Während sie nach Snohomisch fuhren, fertigte Snowcat mit ihrem Zeichenprogramm auf dem Commlink Bilder von dem Ork und dem Elfen an. 

[Song 6: Jamiroquai - Deeper Underground (Godzilla)] Das Gebiet um die schamanistische Hütte war mit einem virtuellem Band versperrt. Hier in der ländlichen Gegend von Seattle war so wenig los, dass sie das Band und den Sensorstab leicht umgehen konnten und hinterher immer noch ein Stück durch den Wald laufen mussten, bis sie direkt am Tatort waren.

Die Hütte sah mitgenommen aus. Es gab Brandspuren an den Wänden und die Tür hing halb zerstört in den Angeln. Während die anderen aus dem Team sich genauestens umsahen, zog Snowcat ihren Handschuh aus, hockte sich hin und berührte die Wand neben der Eingangstür des kleinen Gebäudes. Die Eindrücke würden sicher nicht ganz so klar werden, wie bei der Leiche, aber einen Versuch war es sicher wert.

Gewalt, vier Wesen, Drakes, fliegen über der Hütte hinweg. Das Ruhe wird gestört. Zwei, nein vier Männer foltern den Schamanen. - Die Bilder waren auch in der fremden Wahrnehmung so grausam, dass Snowcat eine Welle der Übelkeit hinunter schlucken musste. - Da waren der Ork, der Elf und menschliche Zwillinge im Haus, die Snowcat beinahe für ein und die selbe Person gehalten hätte. Der Schatz liegt im Garten vergraben. Die Störenfriede gehen, als sie haben, was sie suchen und der Schamane tot ist.

Snowcat war hart genug, um die Bilder verarbeiten zu können. Die Eindrücke über das Zwillingspaar waren sogar gut genug, dass sie auch diese beiden Menschen zeichnen können würde. 

Das Team hatte draußen noch die Verpackung eines Three Shadowrunner Bars gefunden. Die Jungs gingen also raus, um im Stuffer Shack Lebensmittel einzukaufen und sie tranken Alkohol und rauchten. Laster, bei denen man ansetzten konnte.

UC fuhr erstmal zurück ins Bootshaus.

Das gegnerische Team war erstaunlich zusammengesetzt. Sie waren viele und sie würden ein großes Versteck, wie ein Lagerhaus brauchen, dass ganz in der Nähe des Wassers lag und zwar in einer Gegend in der nicht zu viel los war. Immerhin hatte man eine Gorgone dabei. Zudem wäre der Zugang zu einem großen Stuffer Shack in der Nähe hilfreich, damit auch die Nicht-Gorgonen unauffällig ans Essen gelangen konnten. 

Soweit waren sie mit ihren Erkenntnissen gekommen. 

Spaßig diskutierten sie die Möglichkeiten, sich einzeln in den Dutzenden Bars und Kneipen am den Tacoma Docks umzuhören und dabei die Bilder von den auffälligen Metamenschen zu zeigen, die Snowcat gezeichnet hatte. So würden sie die anderen sicher irgendwann finden.

„Jetzt aber mal ernsthaft.“, meinte Bloody Guts irgendwann., „wenn wir einen Rigger hätten, dann könnte der doch die Gegend um die Tacoma Docs beobachten, die wir ausgemacht haben.“ Er machte eine kurze Pause und sah in die Runde, „Weil irgendeine Drohne habt ihr, ich mein, haben wir doch sicher in der Garage zu stehen.“

Snowcat nickte und legte den Kopf leicht schief, „Stimmt haben wir. Einen Rigger haben wir nicht, aber dafür jemanden, der alles kann, außer Magie.“

Average stieß laut die Luft aus, beschwerte sich aber nicht weiter und schickte eine Überwachungsdrohne auf den Weg.

Snowcat hatte den neuen Tag im Kräutergarten beim Bootshaus begrüßt. 

Sugmani hatte den Garten angelegt. Jetzt schlenderte sie mit einer Tasse Tee in der Hand zu Blackstone rüber, „Sag mal,“ begann sie leise, um nicht die zu stören, die sich ein wenig ausruhten, „wie denkst du darüber, das generische Team, doch komplett auszuschalten?“

Blackstone sah sie an und erwiderte ruhig, „Erst dachte ich, da sind vier Drakes bei, das kommt gar nicht in Frage. Für wen auch immer sie arbeiten, dass sind welche von ‚uns‘. Aber irgendwo ist die Grenze. Und mit dem Töten der Kinder haben sie die überschritten.“

Snowcat lächelte warm, „Genau das mit den Kindern ging mir auch durch den Kopf. Dass sie beim Foltern nicht gerade zimperlich waren, ist eben so, aber die Kinder zu töten, ging zu weit. Wenn wir ihre Ladung haben und sie weiter ziehen und dort irgendwer Kinder hat, werden die sie auch töten.“ Snowcat seufzte hörbar, „Abgesehen davon, werden sie sich wahrscheinlich eh nicht damit zufrieden geben, dass jemand ihre Ladung, die sie seit Wochen zusammen gesucht haben, gestohlen hat. Sie könnten uns suchen und da ist besser, wir schlagen zu, bevor sie es tun.“

Blackstone nickte und sagte bestimmt, „Es reicht auch nicht, nur einige zu töten, wenn wir es tun, müssen alle sterben.“

Später beim Brunch weite Snowcat die anderen in das ein, was sie mit Blackstone besprochen hatte. „Wir sollten also an einem Plan arbeiten, der sie alle auslöscht. Was in der jetzigen Besetzung wahrscheinlich nur mit einer Falle geht, in die wir sie locken und dort mit Sprengstoff hochjagen. Es sei denn natürlich, jemand hat eine andere Idee, wie wir sie aufhalten können?“, schloss sie ihre Ausführungen.

Das Metge die Idee nicht behagte, war voraus sehbar gewesen. Dass Shark Finn gleich aus mehreren Gründen dafür war, auch. Chang und Bloody Guts überlegte nicht lange und stimmten der Sache zu. 

Einzig Average riss entsetzt die Augen auf, „Ohne dass sie uns angreifen.? Das ist ja Massenmord, damit habe ich ein moralisches Problem!“

Nun, für Massenmord hielt Snowcat es sicher nicht. Aber natürlich war es eine moralische Frage, ob man bereit war, fast ein Dutzend Wesen zu töten, um Kinder zu retten.

„Habe ich es richtig verstanden, wenn sie uns jagen, würdest du nicht zögern, aber wenn wir sie sprengen, dann geht es nicht?“, fragte Snowcat in völlig neutralen Ton nach.

Average nickte, „Genau so ist es. Wenn sie uns hinterher rennen und dann in den Raum kommen und wir den sprengen, dann gehts.“, erklärte er. 

„Wir müssen also nur einen Plan finden, bei dem sie sauer auf uns oder dich sind?“, fragte sie noch.

Er nickte mehrmals, „Wenn wir uns verteidigen ist es kein Ding. Aber einen Massenmord zu begehen, um irgendwelche Kinder zu retten, die sie vielleicht töten, den will ich nicht begehen. Ich bin eigentlich dafür, nur das Zeug zu nehmen.“

Blackstone gab zu bedenken, „Noch wissen wir ja nicht wie sie aufgestellt sind.“ Er sah Average an, „Wenn wir uns dafür entscheiden, sie zu töten, kannst du ohne Probleme aussteigen. Du weißt, dass das eine unserer Regeln ist.“

Das behagte Average nun auch nicht. Er wollte seine Leute nicht alleine lassen, dann merkte er auf, „Hey, aber ich glaub, ich habe sie gefunden. Guckt mal, da auf dem Bild, ist das nicht der Elf?“

Genau so war es. Average folgte ihm und dem Ork vom Stuffer Shack bis zu einem Lagerhaus mit Wasserzugang an den Docs. 

Die UC’ler stiegen in die Wagen, um sich das Lagerhaus aus der Nähe anzusehen. 

Snowcat spürte nach Geistern, doch Schutzgeister schien es nicht zu geben. 

Sie hatten außerhalb des Geländes geparkt und nun ließ Average eine kleine Mini-Drohne zum Lagerhaus fliegen. Er fand einen Eingang ins Innere. Die Bilder erschienen in ihren Sichtfenstern und Snowcat blieb die Spucke weg. 

Auf acht Liegen schliefen der Ork, der Elf, die Zwillinge und vier männliche Menschen, also mit ziemlicher Sicherheit die Drakes in ihren menschlicher Gestalt. Ein neuntes Bett war leer. Gleich zwei Gorgonen schlummerten nahe des Wassers vor sich hin und um einen großen Tisch mitten in der Lagerhalle standen drei Kisten und um den Tisch drum rum schlängelte sich ein Lindwurm. Ein Elder Lindworm sogar.

Fragg, gerade war die Möglichkeit die Kisten unbemerkt zu klauen, noch kleiner geworden und wenn sie sich für eliminieren entschieden, dann würde sie tatsächlich hinterhältig vorgehen müssen. Sonst waren sie der Gruppe nicht gewachsen.

Metge schien gerade einen ähnlichen Gedanken gehabt zu haben, „Nun Snowcat, ihre Idee das Lagerhaus sprengen zu lassen, klingt plötzlich viel interessanter.“ Er lachte ein wenig seltsam. Ihm behagte nicht, was er soeben gesagt hatte.

                                              UC - UNIVERSAL CONSULTANTS - UC

               UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See!

Ob die Runner die Ladung erbeuten, wie die moralische Frage geklärt wird und wer am Ende alles mitmacht, wird demnächst hier zu lesen sein. 

Schau also bald wieder vorbei, omae.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*