Termin 25/12 am 28.09.12 Run 40/3

Der Spieler von Blackstone/Twinbow war leider nicht dabei.

Die Ereignisse fügen sich nahtlos an die des vorherigen Spieltermins an und überschneiden sich zu Beginn mit denen der 24/12 Intermezzos.

Die Runner von UC haben den Auftrag angenommen, Shantayas Kompass zu stehen. (Achtung, enthält Spoiler für "Dawn Of The Artifacts Part 4: New Dawn" by Catalyst Game Labs.) Hierzu haben sie sich während einer Ausstellungseröffnung des Kompasses, welcher aus zwei Teilen, einer Kette und einem Anhänger besteht, bemächtigt. Zurück im Hotel mussten sie feststellen, dass die Kette des Kompasses inzwischen ausgetauscht worden war. Sie war nicht magisch. Die Spur der ,Original-Kette‘ zeigt in Richtung von Afghanistan, denn dort irgendwo hält sich derzeit die sich bewegende Stadt Karavan auf.


3/27/72, 12:01, Hong Kong, Hotel Peninsula, Konferenzraum

Snowcat grinste Mystique breit an, sie sah ausgeschlafen und zufrieden aus, natürlich hätte sie als Meisterin der Tarnung auch so ausgesehen, wenn sie es nicht gewesen wäre. Snowcat nahm sich ein wenig Obst und Rohkostsalat vom Buffet und arrangierte sie übersichtlich auf ihrem Teller. Blackstone kam herein, warf einen Blick auf Snowcat Teller, hob eine Augenbraue, sagte aber nichts. Er selbst füllte seinen Teller reichhaltig mit Rühr-Ei und anderem, aber schließlich war er auch nicht in knapp zwei Stunden mit Johnny Spinrad verabredet. Dass der Multimilliardär sich um ,alles andere‘ kümmern würde, schloss sicher auch Essen mit ein. 

Als nächstes erschienen Twinbow und Riven im Konferenzraum, sie schäkerten mit einander und sahen beide extrem zufrieden aus. Twinbow stapelte das Essen zu einem Berg auf seinem Teller, aber auch Riven schlug für ihre Verhältnisse ordentlich zu und das, obwohl sie schon auf dem Zimmer gefrühstückt hatte. Ebenso wie Snowcat, sie bezweifelte allerdings, dass Blackstone die gezuckerte Grapefruit nach dem lautlosen Schwertkampf-Übungen, als wirkliches Frühstück bezeichnet hätte. Manche Tätigkeiten sorgten eben mehr für Appetit, als andere.

Kurz danach schlurfte Average herein und er war ein wenig blas um die Nase. Seine dunkle Haut wirkte überhaupt ein wenig fahl. 

„Hey, Guten Morgen Average. Alles in Ordnung bei Dir?“, erkundigte Snowcat sich.

Average schnaufte durch und strich sich mit der Hand über den farbigen Kopf. „Nee, irgendwie nich. Ich hab schlecht geschlafen. Sag mal Riven, hast Du irgendwas mit meinem Kopf gemacht. Kann da irgendwas bei hängenbleiben!“

Riven riss die Augen auf. Ihr französischer Akzent trat in gespielter Empörung stärker hervor denn je: „Isch? Isch ´abe nischts gemacht, außer Dir eine gescheuert und Dir das Leben gerettet, mon Ami. ´ber wer weiß, vielleischt erteilt die Göttin Dir eine Lektion.“

Average zuckte mit den Schultern: „Ich habe jedenfalls schlecht geträumt. Davon, dass ich mich selber erschießen will. Und die Glieder tun mir auch alle weh. Vielleicht bin ich einfach nur einmal zu viel dem Tod Nahe gewesen.“ Im Anschluss an diese Worte trat auch er ans Buffet und nahm gleich zwei Teller voll Essen mit an seinen Platz. 

„Ist ja mal ein blöder Grund, dass Dir alles weh tut.“, verkündete Twinbow grinsend, sein Sperethiel-Akzent zog die Vokale in die Länge. „Du solltest Dir auch mal jemanden suchen, der Deinen Besen reitet.“

Mystique verdrehte die Augen, Riven lachte und Blackstone schüttelte leicht den Kopf. Bevor weitere Aussagen zu diesem Thema gemacht werden konnten, summte die Tür erneut und Sunrise und Gumshoe traten ein. 

Sunrise trug heute ebenfalls eine einfache, dunkle Mütze auf dem Kopf, die der von Twinbow nicht unähnlich war: „Hey, cooler Style.“, meinte der Elf sofort.

Sunrise grinste selbstsicher: „Ja, ich dachte, ich pass mich Dir an. Steht mir auch gut, nicht?“

Nun zuckte Twinbow mit den Schultern, nahm sich eine weitere Portion mit Essen, ließ sich wieder auf den Stuhl neben Riven fallen und sagte: „Na, den Versuch war es wert.“

Mystique ergänzte ohne zu lächeln: „Nur genützt hat es nichts.“

„Hmm,“ meinte Average, nachdem er einen Schluck seiner Coke Zero genommen hatte, „das hat natürlich auch was mit dem Bilden von einem Gruppengefühl zu tun. Ein gemeinsames Zeichen schweißt zusammen.“

„Vergiss es.“, sagten Blackstone und Mystique gleichzeitig. 

Ungeachtet dessen begann Average nun über Teambildung, Gemeinschaftsinn und Gruppenbildung zu philosophieren. Snowcat hatte Schwierigkeiten ihm zu folgen, er machte wieder einige Gedankensprünge, die sie selbst nur schwer nachvollziehen konnte und manchmal sagte er sogar etwas, was sie gar nicht verstand. 

Sunrise unterbrach Average vorsichtig, sein Ton war freundschaftlich und sein starker russischer Akzent verstärkte diesen Eindruck: „Ist alles in Ordnung? Du siehst gar nicht fit aus, mein Bester. Sind das noch die Nachwirkungen von gestern?“

„Nö. Also wenn dann indirekt. Ich hab schlecht geschlafen. Vielleicht bin ich dem Tod doch einmal zu oft nah gewesen.“, vermutete Average noch einmal.

Sunrise nickte: „Eigentlich solltest Du das ganz lassen, aber wenn es doch noch einmal dazu kommt, dann halt Dich fern vom Licht.“

Average wurde blass und schob die zwei Teller von sich weg: „Jetzt mag ich nichts mehr essen. Genau das mit dem Licht hat eine verstorbene Freundin auch mal zu mir gesagt.“

Damit Average nicht noch tiefer in Gedanken an Velvet Touch verfiel, brachte Snowcat das Thema auf die Planung ihrer Reise nach Karavan. 

Sie stellte die Frage in den Raum, ob das Team einmal versuchen sollte, einen T-Bird für Average zu besorgen, damit er so richtig zeigen konnte, was er drauf hat. Zu Snowcats Überraschung war der einzige, der nicht sofort begeistert über diese Idee war, Average. Er fing an, das Für und Wieder immer weiter abzuwägen und konnte sich nicht eindeutig entscheiden. Am Ende einigten sie sich darauf, Penelope zu sagen, dass sie versuchen sollte, entweder ein bewaffnetes, gepanzertes und riggbares, senkrecht startendes Flugzeug oder aber einen ebensolchen T-Bird zu besorgen. 

Weitere Fragen mussten auf später verschoben werden, denn für Snowcat war es an der Zeit, sich für das Treffen mit Spinrad fertig zu machen.



Gleicher Tag, selbes Konferenzzimmer, 18:00 Uhr. 

Aller waren pünktlich zum festgesetzten Termin erschienen. Nun galt es, gemeinsam Reisedetails zu bestimmen. Penelope hatte sich bereits um 17.35 Uhr bei Snowcat gemeldet, um ihr mitzuteilen, dass es ihr gelungen war, tatsächlich einen T-Bird für das Team zu besorgen. Sie würde sie morgen Mittag mit der Limousine abholen und zum Flughafen bringen, wo sie mit einem Commuter aufs Festland fliegen würden, um dort ihr Transportmittel in Empfang zu nehmen.

Snowcat teilte ihren Kollegen diese Tatsache mit. Ihr Treffen mit Spinrad fasste sie mit den wenigen Worten: „Es war schön im Park, Johnny war charmant, das Essen war reichhaltig und hervorragend und es ist alles ganz fantastisch gelaufen!“ zusammen. Dann kam sie sofort zum Thema: „Average, hast Du Dich schon mal nach Karavan umgehört?“

Der Mann schüttelte den Kopf: „Hätte ich gesollt?“ Mystiques giftiger Blick entging ihm vielleicht nicht, dennoch fuhr er gelassen fort: „Na, ich könnt das dann jetzt mal machen.“ 

Snowcat lächelte: „Das wäre sehr lieb. Und wenn Du dann noch gleich die beste T-Bird Route samt Auftank-Möglichkeiten nach Afghanistan besorgen könntest, wäre ich Dir dankbar.“ 

Average seufzte, dann wurde sein Blick glasig und er verschwand in die Matrix.

Wenige Minuten später verteilte er die gewünschten Informationen über AR an das Team.

Karavan:

-alles hat seinen Preis und nichts ist umsonst!

-besteht aus hunderten von Fahrzeugen; Die Stadt lässt sich innerhalb von 3 Stunden abbauen; Alles was fahren kann, gehört zum Konvoi, vom alten Panzer, über Motorräder bis zum modernen Motorhome; zwei große Luftschiffe gehören auch dazu.

-lagert derzeit nahe der Stadt Yargul Ghara, in Afghanistan.

-Es gibt fünf Stämme. 1.Asman, der größte Stamm. 2. Kizil Kristall, der reichste Stamm. 3.Lassos, der am besten bewaffnete Stamm. (Viele Ex-Militär, jeder ist bewaffnet.) 4.Piclicostis, der erwachte Stamm. 5. Celljucoak, Stamm stolzer Krieger. (Gelten als aggressiv, werden von einem weiblichen Sultan angeführt.)

-In Karavan hat alles was zum Überleben gebraucht wird, einen hohen Wert. Medizin, Nahrung, Wasser, Waffen, Munition, Matrixzubehör, Ersatzteile, Arbeitskraft und ähnliches, hat demnach einen hohen Wert, während Schmuck, Gold und Geld eher weniger wert sind.

-Obwohl viele in Afghanistan und auch in Karavan dem islamischen Glauben angehören, nachdem Magie klar in schwarze und weiße Magie getrennt wird und wo das Zaubern den Frauen verboten ist, gibt es in Karavan selbst keine rechtlichen Einschränkungen gegenüber Frauen. (Was man an dem weiblichen Sultan sieht.)

-Route plus Tankstellen plus zwei Ausweichrouten liegen unter diesem Link vor. →

Snowcat las die Informationen durch und meinte dann: „Gute Arbeit Average. Danke Dir.“ Sie warf einen lächelnden Blick in die Runde. „Dann sollten wir uns noch mal auf den Weg machen, um uns in Karavan gültige Währung zu besorgen. Ich dachte da an Medkits und Satellite-Uplinks. Was ist mit Munition?“

Mystique schüttelte den Kopf: „Wenn wir damit erwischt werden, sind wir Waffenschmuggler. Haben wir nur Medkits und ähnliches dabei, kann uns keiner was.“

Gumshoe nickte: „Ich gehe zwar nicht davon aus, dass man uns erwischt, aber ich denke auch, das unverfängliche Waren besser sind.“

„Fein, dann lasst uns gleich aufbrechen, wir müssen ja nicht alle los.“, schloss Snowcat im charmanten Ton.

 „Ich begleite Dich auf jeden Fall.“, meinte Blackstone ruhig. 

Snowcat lächelte ihn an. „Danke, das freut mich. Da wir mit Penelope gehen werden, reichen wir beiden schon.“ Sie ließ ihren Blick über ihre Kollegen gleiten,  „Ihr anderen könnt es Euch dann ruhig noch im Hotel gemütlich machen oder auch mitkommen, wie Ihr mögt.“ 

Twinbow stupste Riven grinsend an. „Im Hotel gemütlich machen. Unser Stichwort.“

„Wir kommen lieber mit. Schließlich müssen wir noch Whisky und Wodka besorgen.“ meinte Sunrise strahlend. Mit wir meinte er Gumshoe und sich. 

„Gerne, wie ihr meint. Obwohl ich Euch auch Whisky und Wodka mitbringen würde.“, bot Snowcat an.

Gumshoe und Sunrise schüttelten synchron den Kopf und Gumshoe erklärte: „Manche Dinge müssen Männer selbst erledigen.“

Snowcat verkniff sich ein Grinsen. Wahrscheinlich hätte sie eh einfach viel zu wenig Alkohol besorgt. Sie wandte sich an Sunrise: „Kann ich Dich vielleicht noch kurz unter vier Augen sprechen? Es reicht, wenn wir uns ein etwas Abseits setzten.“ 

Sunrise schien ein wenig überrascht, aber er stand sofort auf uns begab sich zum anderen Ende des großen Konferenztisches. Snowcat folgte ihm und setzte sich ihm gegenüber hin, ein wenig gedämpfter sagte die Elfe: „Twinbow hat gestern Nacht etwas von einer Patrone, die Du zurückgelassen hast, über den Teamkanal gesagt. Hast du die versehentlich oder absichtlich zurück gelassen?“

Sunrise antwortete ohne zu Zögern: „Absichtlich. Ist so etwas, wie ein Markenzeichen..“

Snowcat seufzte leicht: „Gestern Nacht war quasi DER Polizei-Chef vor Ort. Es ist Dir schon klar, dass von dieser Patrone nun jede Knight Errant-Abteilung in der Welt weiß?“

„Da! Genau das ist der Grund. Ich wollte ein Zeichen setzten. Ist das ein Problem? Ich habe keine Fingerabdrücke hinterlassen.“

Snowcat kniff kurz die Augen zusammen, solche Markenzeichen konnten schnell mal ein Problem werden: „Du hast sicher einen guten Grund dafür. Allerdings war ich mit meinem auffälligen Äußeren vor Ort. Man kann sich mit Sicherheit an mich erinnern. Mach das ein weiteres Mal, an einem anderen Ort und die Gefahr wird groß, dass die Leute misstrauisch werden. Sie stellen Nachforschungen an, bemerken, dass ich erst nachträglich eine Einladung bekommen habe und schon fangen sie an, nach mir, nach meiner Optik, zu suchen. Ich möchte Dich bitten, von einer solchen Zeichensetzung zukünftig abzusehen! Geht das?“

Sunrise überlegte kurz, dann sagte er: „Wir wäre es damit? Ich lasse es beim nächsten Mal, sollte es ein Ereignis in dieser Zusammenstellung geben. Wenn das hier vorbei ist und wir vorhaben weiter miteinander zu arbeiten, erzähle ich Dir die lange Geschichte dazu und wir sehen, ob wir die Sache vielleicht sogar gemeinsam ein für alle Mal zu einem Ende bringen können.“

Snowcat lächelte leicht. „Gut, abgemacht.“ Sie reichten sich darauf die Hand.


3/28/72, 13:35, ein verlassenes Stück Land in der Kantonesischen Föderation.

Da stand er, Averages Traum. Ein mattschwarzer, gepanzerte Aztechnology Lobo. Mit ausfahrbaren Waffenturm in der Dachmitte und einer weiteren Kanone, die man vom Cockpit aus steuern konnte. Average schmiegte sich an das Fahrzeug und streichelte es zärtlich. Riven rümpfte ihr hübsches Näschen, als sie das sah. 

Ja, Average war wirklich anders.

Ein Satellite-Uplink war ebenfalls vorhanden und dort, wo in einem normalen Flieger ein Pilotensitz gewesen wäre, stand ein moderner, komfortabler, zusätzlich gepanzerter Rigger-Kokon.

Der gestern noch so unentschlossene Average schien im siebten Himmel. „Wer kann das Teil fliegen, wenn Average ausfällt.“, fragte Mystique reserviert. Blackstone meldete sich. „Dann ab mit Dir auf den Copilotensitz.“ Mystiques Ton duldete keinen Widerspruch, aber Blackstone hatte auch nicht vorgehabt, zu widersprechen. 

Snowcat trat noch einmal zu Average heran und flüsterte ihm zu: „Du weißt schon, dass dies hier Deine zweite und letzte Chance ist? Sollten wir damit verunglücken, dann werde ich nie wieder in eine Gefährt steigen, dass von Dir gesteuert wird.“

Average lächelte unsicher: „Das setzt mich jetzt zwar unter Druck, aber passt schon.“

Equipment und Handelsgut waren schnell verladen. Snowcat hatte die neu erworbenen Tauschgüter aus der ansehnlichen Teamkasse von UC bezahlt, wie gut, dass sie darüber verfügen konnte, ohne jemanden zu fragen oder davon zu berichten.

Riven beschwor einen Geist, ließ ihn in sich fahren und sorgte mit dessen Hilfe dafür, dass der T-Bird nun für sämtliche metamenschlichen oder elektronischen Sinne schwerer zu entdecken war.

Snowcat setzte sich auf den nächsten Platz hinter Blackstone. Auch die anderen verteilten sich auf den mehr oder weniger komfortablen Sitzen und schnallten sich an. Twinbow legte zunächst noch locker den Arm um Riven, aber kaum hatte Average unter einem wohligen Stöhnen, welches auch über das Intercom des Lobo erklang, die Maschine gestartet, unterließ der Elf das und beschränkte sich darauf, seine Hand hin und wieder auf Rivens Knie zu legen. 

Wie in jedem T-Bird dröhnten die Maschinen auch im Lobo laut. Die Beschleunigung auf Mach 1,5 drückte jeden fest in den Sessel. Warf man einen Blick auf die Außenkameras, so konnte man den Boden in schier unglaublicher Geschwindigkeit an einem vorbei fliegen sehen. Details waren kaum zu erkennen. Es war vielmehr ein schwindelerregendes Spiel aus Farben und Schlieren. Nein, man konnte all die Bodenwellen, Täler, Büsche und Pflanzen nicht sehen, über die man hinweg raste, aber man hatte das Gefühl, man konnte jede Unebenheit spüren. Jede Fahrt in einer Achterbahn war verglichen hierzu eine Spazierfahrt in einem Kinderwagen. Sunrise wurde blass und auch Twinbow nahm einen eher gepressten Gesichtsausdruck an. Sunrise fühlte sich so schlecht, dass er sogar den von Gumshoe angebotenen Alkohol ablehnte. Dankbar nahm er hingegen den Hinweiß auf die Kotztüten entgegen. 

Als sie nach zwei Stunden irrer Fahrt den ersten Zwischenstopp in Burma einlegten, konnte Sunrise es gar nicht mehr erwarten auszusteigen, um Luft zu schnappen.

Snowcat hatte inzwischen ihre Haar- und Hautfarbe geändert und ihre Gesichtszüge angepasst. Nachdem sie eine Sonnenbrille aufgesetzt hatte, würde die elfische Schönheit immer noch bemerkt werden, aber niemand würde sie nun mit dem weißen Wesen in Verbindung bringen, welches sie sonst ihr eigen nannte.

Bevor sie ausstiegen trat Mystique an den Rigger-Kokon und verschloss ihn mit Plastik-Stripes. Average protestierte, doch sie erklärte ihm: „Du steigst nicht aus, wenn draußen wer sitz und darauf wartet, den Piloten abzuknallen, sind wir hier gestrandet.“

Average resignierte: „Na gut, dann bringt mir wenigstens eine Cola mit. Eine eiskalte, wenn es geht.“

Da sie mit ihrem Lobo zu keiner bekannten Schmuggler Crew gehörten und noch nie zuvor hier auf diesem illegalen Flugplatz in Burma gewesen waren, kamen ihnen verständlicher Weise stark bewaffnete Einheimische entgegen. Aber Snowcats Charme zog, und so waren die Kosten für die Tank- und Wartungsarbeiten schnell ausgehandelt. 

Average bekam seine eiskalte Cola und nach etwas über einer Stunde startete die zweite Flug-Etappe. 

Auch dieser Abschnitt verlief ruhig und ereignislos, soweit man in einem Lobo davon sprechen konnte. Der Magen von Sunrise hatte sich an das Ruckeln gewöhnt und so ging es allen ziemlich gut. Snowcat vertrieb sich die Flugzeit, indem sie sich mit den Grundzügen der in Afghanistan üblichen Sprachen Fasi und Paschtu vertraut machte. Average hatte ihr dafür ausreichend Sprachmaterial besorgt. 

Beim zweiten Stopp in Indien durfte Average aussteigen und dafür musste Blackstone zunächst an Bord bleiben. 

Snowcat, Riven, Gumshoe, Mystique und, nachdem Average wieder an Bord war, Blackstone, borgten sich einen Wagen und fuhren damit in eine nahe gelegene Kleinstadt, um sich mit unauffälliger, verhüllender Kleidung für alle auszustatten. 

Kurz nach Start der dritten Luft-Etappe, inzwischen war es stockdunkel geworden, drang der Lobo zwangsweise in höhere Lagen vor, was den Flug weitaus ruppiger machte. Es dauerte nicht lange und Gumshoe und Sunrise mussten von ihren Tüten Gebrauch machen. Snowcat griff nach einem Breezer und schon war die daraus resultierende Geruchsbelästigung kein Problem mehr für sie. 

Irgendwann waren die Mägen von Sunrise und Gumshoe leer und das Schlimmste war eigentlich überstanden. 

Aber eben nur eigentlich. 

Sie hatten ungefähr fünf Minuten zuvor die Grenze zu Pakistan überquert, als Average Kontakt auf den Sensoren bemerkte. Zwei Mig 63 des pakistanischen Militärs klebten, trotz Verschleierung, an ihnen dran und forderten sie in mehren Sprachen auf, die Geschwindigkeit zu reduzieren und beizudrehen. Dann wurde ein Großteil der Sensoren, wie zum Beispiel das Radar, gestört.

Fragg!

Snowcat wies zu allererst defensives Vorgehen an. Vielleicht konnte Average die Kampfjets ja einfach abschütteln. 

Da sie keinen Gunner hatten, war der Geschützturm frei. Riven suchte ihn vorsichtshalber schon mal auf, um notfalls von dort aus durch die Prismen auf die Piloten zaubern zu können, allerdings saßen diese in von außen uneinsichtigen Cockpits, es würde sicher nicht einfach werden. Snowcat machte sich jedoch darüber keine Sorgen, Riven war mächtig genug, um mit solchen Missständen fertig zu werden.

Average gab Gas und holte aus den Maschinen des Lobo, was sie hergaben. Er bremste, schlug Haken, presste sich in Bodenwellen, driftete die Wand des Canyons ein Stück hoch, suchte Deckung zwischen Baumreihen und jagte noch dichter am Boden entlang. Doch egal wie waghalsig die Manöver auch waren und obwohl der T-Bird verschleiert war,  konnte der Mann die Verfolger einfach nicht abschütteln. Sie klebten an ihnen wie Kletten und versuchten ihrerseits Druck aufzubauen.

Das Gelände sauste unter dem Lobo hinweg 

Die Jets holten weiter auf und versuchten immer wieder den Lobo zu Boden zu drücken oder ihn in eine Situation zu manövrieren, bei der er Geschwindigkeit verlor. 

Die wilde Hetzjagd dauerte Minuten an. 

„Dies ist unsere letzte Warnung, drehen sie bei, sonst eröffnen wir das Feuer!“, kam es über Funk. 

Das war für Snowcat das Stichwort. „Aggressive Gegenwehr. Los.“

Average flog nun unglaublicher Weise noch riskantere Manöver. Riven testete einige Zauber und setzte sogar die Unfallkraft des ihr innewohnenden Geistes ein, aber nichts half. 

Die Piloten mussten zwar gegensteuern, aber sie fingen ihre Jets sogleich wieder auf und der Abstand vergrößerte sich nicht merklich.

Im Gegenteil, die Piloten, immerhin zwei gut ausgebildete Kampfpiloten, kamen weiter näher und ... eröffneten tatsächlich das Feuer. 

Die Warnschüsse durchdrangen die Panzerung des T-Birds zwar nicht, was den Piloten von vornherein klar gewesen sein musste, aber das Knallen der auftreffenden Geschosse hämmerte beängstigend in Snowcats Ohren. Die meisten Runner an Bord waren größtenteils zur Untätigkeit verbannt. Und die pakistanische Piloten machten ihnen eindeutig klar, wie ernst es ihnen mit ihrer Drohung gewesen war. 

„Ich versuch einen zu hacken, den vorne.“, meinte Average dann.

Rivens Stimme klang imposant, aber auch ein wenig ratlos, als sie sagte: „Ich hab noch eine Idee, aber dann weiß ich nicht mehr.“

Mystique schaltete sich ein und fauchte auf hebräisch: „Übernimm endlich den Piloten, Du verdammte Hexe!“

Riven hatte verstanden und sie beschwerte sich auch nicht über Mystiques Ton, sie sagte einfach mit Sturmbrausen in der Stimme: „Verlasse gleich meinen Körper, um den Piloten zu übernehmen.“

Snowcat koordinierte den Angriff ruhig: „Riven, schnapp Dir den hinteren Piloten. Average, wenn du drin bist, nutz den Schleudersitz.“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, da war auf einem der Bildschirme auch schon zu sehen, wie die vordere Maschine abrupt die Richtung änderte und  auf den Boden des Canyons crashte. Der Pilot war zwangs-ausgestiegen worden.

Der hintere Pilot reagierte sofort und feuerte eine Rakete ab.

„Verdammt, warum hat das Scheißteil hier keine Täuschkörper?“, maulte Average.

Mystique fauchte erneut und diesmal klang sie wirklich angepisst: „Weil Du Idiot keine bestellt hast.“

Average versuchte es noch mit Ausweichen, aber da schlug die Rakete auch schon hinten in den Lobo an. 

Es krachte ohrenbetäubend und der T-Bird wurde heftig durchgeschüttelt. 

Eine Druckwelle brandete durch das Innere. 

Gegenstände lösten sich aus ihrer Verankerung und flogen ebenso umher, wie dutzende spitze Metallfragmente. 

Average fing den Lobo in letzter Sekunde ab und der finale Schlag blieb aus.

Snowcat versuchte durchzuatmen. Dann erklang die ruhige Stimme von Riven: „Der Pilot ist unter meiner Kontrolle.“, und nach einer kurzen Pause fügte sie etwas leiser hinzu, „Aua, mein Körper ist ja verletzt!“

Snowcat lächelte sanft. Sie selber hatte nichts abgekommen, stellte sie erleichtert fest, auch Blackstone und Average schienen unverletzt, alle anderen mussten medizinisch versorgt werden, aber zum Glück war keiner lebensbedrohlich verletzt. Flugtauglich war der Lobo auch noch. „Die Mig soll uns bitte bis zur Grenze nach Afghanistan als Begleitschutz folgen.“, wies Snowcat nach kurzer Rücksprache mit dem Team an.

„Copy!“, kam es umgehend von Riven. Snowcat schnallte sich ab, betrachte kurz ungläubig Blackstones Sessel, der von hinten gespickt worden war, wir ein Igel und machte sich dann daran, alle mit dem Medkit zu versorgen. Sie war kaum aufgestanden, als Twinbow schon sagte: „Sieh zuerst nach Riven!“

„Natürlich!“, beruhigte sie ihn.


Average war nach seinem Luftkampf ein wenig mitgenommen und deshalb war er sehr dankbar, dass ihm Sunrise und Blackstone bei der Navigation in Richtung Karavan helfen konnten.

An der Grenze von Pakistan, ließ Riven auch den zweiten Piloten ,aussteigen‘. 

Ein paar Minuten später erreichten sie ihr Zielgebiet nahe der Stadt Yargul Ghara.

„Wirklich gute Arbeit, Average!“, lobte Snowcat. Das Schnaufen von Mystique überhörte sie dabei geflissentlich.


3/29/72, 00:13, 10 km nordöstlich von Yargul Ghara.

Ein Funkspruch erreichte sie: „Hier spricht Karavan. Anfliegender Lobo, identifizieren sie sich. Kommen sie nicht ohne Erlaubnis näher.“ Die Worte erklangen zunächst auf Türkisch, dann auf Englisch und im Anschluss wurden sie in duzenden Sprachen als schriftliche Datei versandt. 

„Hallo Karavan. Hier spricht die Velvet Two. Wir bitten um Landeerlaubnis. Brauchen Ersatzteile und wollen Handel treiben.“

„Copy, Velvet Two, Landeerlaubnis erteilt. Landen sie and den angegeben Koordinaten und warten sie dort, bis man sie abholt. Wir senden ihnen außerdem die Yassa, denn die Yassa ist unwiderrufliches Gesetzt in Karavan.“


Yassa

Alle Stämme stehen bereit, um sich gegenseitig und die Yassa zu schützen

Religiöse Führer, Mönche, Pilger, Lehrer, Ärzte und Pfleger dürfen in keiner Weise in ihrer Arbeit behindert werden. 

Der verkündete Führer eines Stammes hält die Leben seines Stammes zu ihrem Schutz in seinen Händen.

Es ist bei Todesstrafe verboten, dass sich eine Person eines Stammes zum Herrscher über alle anderen erhebt.

Es ist bei Todesstrafe verboten, dass eine Person oder ein Stamm mit einer Person, einem Stamm, einer externen Regierung, einem Konzern oder einer Organisation einen Handel abschließt, der andere Stämme ausschließt.

Es ist einer Person oder einem Stamm bei Todesstrafe verboten, innerhalb der ersten drei Tage nach Ankunft von Karavan in einem Gebiet, einen Überfall zu starten oder zu Plündern.

Es ist bei Todesstrafe verboten, Essen zu zubereiten oder zu verteilen, welches nicht den Sicherheitsbestimmungen der World Health Organisation oder der Food Safetly entspricht.

Eine Person, die wünscht, jemanden zu heiraten, soll dem oder derjenigen Geschenke überreichen. Dieser oder diese soll gebunden sein an diese Ehe, wenn er oder sie die Geschenke annimmt. Die Zahl ihrer Gatten sei nicht begrenzt.

Es ist bei Todesstrafe verboten, ein Fahrzeug oder etwas von gleichem Wert zu stehlen. Wird ein Gegenstand von geringerem Wert gestohlen, soll die Strafe für den Dieb vom Bestohlenen festgelegt werden, aber sie soll nicht milder sein, als bis zu Bewusstlosigkeit geschlagen zu werden. 

Niemand soll für einen längeren Zeitraum als ein Jahr versklavt werden.

Es ist bei Todesstrafe verboten, Ehebruch zu begehen.

Es ist bei Todesstrafe verboten, einem anderen Stammesmitglied Hilfe zu verweigern, während sich Karavan auf dem Tagnuul  befindet.

Es ist bei Todesstrafe verboten, dass eine Person oder ein Stamm Wasser hortet.

Es ist bei Todesstrafe verboten, falsches Zeugnis abzulegen.


Average entfachte sofort eine Diskussion über Sinn und Unsinn dieser Bräuche und Gesetzte. Dabei machte er erneut Sprünge, denen Snowcat nicht ganz folgen und Bemerkungen, die Snowcat nicht ganz verstehen konnte. Offenbar war sie nicht die einzige, denn Sunrise meinte irgendwann zu ihm: „Solltest Du die Sprache verstehen, die die Leute hier sprechen, sag am Besten gar nichts mehr.“

„Genau.“, sagte Blackstone trocken, „Halt einfach generell die Klappe.“

„Mach ich. Ich glaub auch, dass das das Beste ist!“, bestätigte Average überraschend selbstkritisch.

Nicht mal fünf Minuten nach ihrer Ankunft wurden sie am Rand von Karavan von sechs bewaffneten Männern der Kizil Kristall abgeholt. 

Karavan selbst fand Snowcat faszinierend und beeindruckend zu gleich. Fahrzeuge der unterschiedlichsten Bauart und aus den unterschiedlichsten Jahrzehnten, waren zu einer Wagenburg und Stadt aufgestellt worden. Zwischen den Fahrzeugen waren Zelte aufgebaut und Planen gezogen, so dass Strassen und Plätze entstanden waren. Snowcat bewunderte die organisatorische Leistung, hier innerhalb von drei Stunden alles abbauen zu können. 

Die fahrende Stadt wurde von einem eigentümlichen Flair durchzogen, welches Snowcat noch nicht gänzlich zu erfassen vermochte. Lampen leuchteten, Generatoren knatterten, Satelliten-Antennen bewegten sich im Wind. Kaum etwas glich dem, des Nachbar und doch war alles zu einer Einheit verschmolzen. 

Und über all dem thronten zwei riesige Luftschiffe, die Kalabalik und die Aman Iki.

Hauptsächlich wurde hier wohl türkisch gesprochen. Doch kurz nach Mitternacht war auf den Strassen, durch die sie geführt wurden, nicht mehr sonderlich viel los. Man brachte die acht Runner zu einer Art Platz im Schatten eines Luftschiffes. Hier lagen einige Decken und Kissen für die Gäste bereit. In der Mitte stand ein kleiner Ofen, um die Kälte der Nacht zumindest ein wenig fern zu halten. Zwei weitere Gäste schliefen ebenfalls hier.

Ihre Führer verabschiedeten sich mit den Worten: „Morgen früh werden wir uns Ihren Schaden am Lobo ansehen und sehen, was wir tun können. Schlafen Sie gut.“ Sie hatten türkisch gesprochen. 

Nachdem die Männer sich ein paar Schritte entfernt hatten, flüsterten sie mit einander und diesmal sprachen sie zur Überraschung aller, Snowcat erkannte es relativ schnell und übersetzte, Finnisch, „Das ist ja nicht gerade eine herkömmlich T-Bird Crew. Die Captains wollen sie bestimmt kennenlernen.“


Als sich die Männer entfernt hatten, scharten sich die Runner eng zusammen und unterhielten sich über ihr Teamnetzwerk miteinander. Schnell besprachen sie noch einmal die grobe Vorgehensweise. Niemand sollte vorerst die Kette erwähnen. Sie wollten sich zunächst mehr im Allgemeinen informieren, wirklich handeln, den beschädigten Lobo reparieren und sich nach Leuten, die vor ungefähr 10 Tagen an- oder zurück gekommen waren, umhören. Außerdem wollten sie nach anstehenden Hochzeiten Ausschau halten, denn eine solche Kette stellte doch wirklich ein schönes Werbungsgeschenk dar.

Wenn sie die Kette dann gefunden hatten, würden sie sie ganz einfach unbemerkt gegen die Fälschung austauschen. Schließlich hegten sie immer noch die Hoffnung, dass der jetzige Inhaber noch nichts von dem magischen Potenzial mitbekommen hatten.

Vorsichtshalber entsprachen sie Sunrises Anregung und teilten für die Nacht Wachen ein.


3/29/72; 07:00, Karavan, Afghanistan


Blackstone weckte alle der Reihe nach. Die Sonne war bereits aufgegangen und die nächtliche Kälte verließ in Schwaden die Stadt. Kinder näherten sich, warfen neugierige Blicke auf die Fremden und versteckten sich, wenn man in ihre Richtung schaute. Snowcat winkte einige näher, faltete Figuren aus Papier und tauschte sie gegen Knöpfe, schöne Steine oder Informationen, wie die Namen ihrer Großeltern. 

Es dauerte nicht lange, dann kamen zwei Kizil Kristall zu ihnen, um sie zu ihrem Lobo zu begleiten, damit man einen Blick auf die Handelswaren und den Schaden am Fluggerät werfen konnte.


                                                            UC - UNIVERSAL CONSULTANTS - UC

                              UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See! 


Ob die Runner Probleme mit dem Einhalten der Yassa bekommen, wie sie aufgenommen werden, ob sie sich behaupten können, ob sie die Kette von Shantayas Kompass hier finden werden und ob ein Austausch gegen die Fälschung gelingt, wird schon bald hier zu lesen sein.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*