Termin 28/12 am 02.11.12 Run 40/6

Welcome back omae!

Derzeit „On The Run“ sind: Average, Blackstone, Mystique, Gumshoe, Riven, Sunrise, Twinbow und Snowcat.

Datum in unserer SR-Timeline: 4.-10.April.2072

Der Spieler von Riven musste leider in H. schuften und war darum nicht anwesend. 

Weiter geht‘s mit unserer Run um Shantayas Kompass. (Achtung, enthält Spoiler für "Dawn Of The Artifacts Part 4: New Dawn" by Catalyst Game Labs.) Aus der Jagd nach dem zweiteiligen Artefakt ist eine Flucht geworden, denn nachdem unsere Runner sich das Teil geschnappt hatten, sprach ein ihnen unbekannter Drache eine Drohung gegen sie aus. Der Weg in die UCAS ist weit und wenn sie den Drachen nicht von ihrer Spur abbringen können, haben sie mehr zu verlieren, als nur die Erfolgsprämie für den Auftrag.

Die heutige Episode beginnt direkt im Anschluss an die letzte Episode in einem Safehouse in Tashkent, wo die Runner mit ihren neuen Kontakten Sal Fortuneshocker und Trouble untergekommen sind und sich ausruhen. 

Wie immer erleben wir alles aus Snowcats Perspektive mit.

Lest also wie es weiter geht und postet hinterher Eure Meinung dazu im CatPoint unter: „The Tale So Far.“


„Und? Wann geht die Reise weiter?“, Average wandte sich mit seiner Frage an Sal und Trouble. 

Sal schob sein Einwegbesteck zurecht, so dass es parallel zueinander ausgerichtet auf seinem selbst erhitzenden Essen lag, bevor er antwortete, „Morgen um den Sonnenuntergang herum wäre unser Vorschlag.“

Average überlegte kurz: „Okay. Können wir dann jetzt noch mal los und bei einem Burgerladen oder so vorbeifahren?“

Sal warf einen flüchtigen Blick auf den Stapel Fertiggerichte und meinte: „Wieso, es sind doch noch 37 Essen da?“

Average schob die drei leeren Verpackungen vor ihm leicht missmutig ein wenig hin und her: „Ja, schon, aber ich meinte was Richtiges zu essen.“

Snowcat blickte Average mit mildem Lächeln an, sie hatte den Mann wirklich ins Herz geschlossen. In seiner ihm eigenen Art konnte man sich auf ihn verlassen. Er würde egal in welcher Situation immer auf das Selbe achten, sogar wenn ein Drache hinter ihnen her war. „Wie besorgen etwas, wenn wir wieder unterwegs sind. Aber bis dahin ist es sicherer, wenn wir einfach hier bleiben.“

„Na gut.“, der dunkelhäutige, leicht übergewichtige Mann strich sich über den Bauch, „Einen Tag wird es wohl auch ohne vernünftiges Essen gehen.“

Gumshoe richtete sich zu einer geraderen Haltung auf und kündigte damit an, dass er etwas Wichtiges sagen wollte: „Und wie heißt unser nächster Zielort? Auf welcher Route bewegen wir uns weiter?“

„Lasst euch doch überraschen.“, meinte Sal darauf fröhlich.

Gumshoe schien von dieser Idee nicht begeistert zu sein, er verzog das Gesicht und wurde dann ernst, „Und warum sollten wir euch trauen?“

„Da! Das wollte ich auch gerade fragen.“, bestätigte Sunrise im ruhigen Ton.

„Sie kannten den Codesatz.“, antwortete Snowcat.

Gumshoe verdrehte leicht die Augen, „Wir kennen alle die verschiedensten Arten, wie man so etwas raus bekommen kann. Den können sie erfoltert, erpresst oder magisch aus dem Hirn gezogen haben. Den Codesatz zu kennen reicht nicht! “

Ein Schweigen entstand. „Ich vertrau ihnen.“, sagte Blackstone plötzlich völlig unerwartet. Snowcat war mehr als nur überrascht, sie hatte noch nie erlebt, dass Blackstone zu jemandem schnell Vertrauen gefasst hätte. Wenn sie ehrlich war und warum sollte sie nicht ehrlich zu sich selbst sein, hatte sie überhaupt nur selten erlebt, dass Blackstone von Vertrauen sprach. Sie selbst traute Sal und Trouble, weil sie den Codesatz von Ehran erhalten hatte und klar war, das Ehran vorsichtig sein würde und niemanden schicken würde, der nicht vertrauenswürdig war und diese beiden waren so gar so vertrauenswürdig, dass er ihnen gesagt hatte, dass Snowcat ein Drake war. Sie hielt es für unwahrscheinlich, dass jemand innerhalb von weit weniger als zwei Stunden Ehrans Kontakte aufspüren, deren Weg zurück verfolgen und dann die nötigen Information auspressen konnte. Unwahrscheinlich hieß natürlich nicht unmöglich, aber selbst wenn man all das geschafft hätte, so hätten Sal und Trouble dabei nicht erfahren, dass Snowcat ein Drake war. Für sehr fähige Metamenschen war natürlich auch das nicht unmöglich. Aber warum sollte sich jemand die Mühe machen, sie und Blackstone auf den Dachboden zu bitten, damit Trouble ihnen zeigen konnte, dass er ebenfalls ein Drake war? Ein bisschen viel Aufwand, nur um sie in Sicherheit zu wiegen. Zusammengenommen sorgte das bei Snowcat sogar dafür, dass sie mehr Gründe dazu hatte, Sal und Trouble zu vertrauen, als Sunrise und Gumshoe. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der beiden letzteren sie unter Druck oder weil er sich davon einen größeren finanziellem Vorteil versprach, an ihren Verfolger verraten würde, war nach Snowcats Meinung größer, als die, dass Sal und Trouble eine komplizierte Falle aufbauten. Sie rechnete jedoch auch mit dem ersten nicht. Zu einem ähnlichen Schluss über Sal und Trouble würde wohl auch Blackstone gekommen sein. Er war der einzige, der mehr Informationen als die anderen hatte, denn er war es, der beim Telefonat mit Ehran in ihrer Nähe gewesen war und er war auf dem Dachboden dabei gewesen. Ungewöhnlich war seine Äußerung über das Vertrauen immer noch, aber vielleicht hatte er auch nur unendliche Diskussionen im Keim ersticken wollen.

Sunrise strich sich über den Kopf, ohne dabei die Mütze zu verschieben, die er auch heute wieder trug. Sein russischer Akzent verlieh den Worten eine gewisse Schwere, als er fragte: „Warum traust du ihnen, kanntest du sie schon vorher?“

Blackstone schüttelte langsam den Kopf, seine Augen blickten dabei geradeaus, „Nein, ich kenne sie nicht. Aber ich traue ihnen.“

Snowcat öffnete den Glückskeks, der ihrem Nudelgericht beigelegen hatte und sagte schnell bevor jemand anderes etwas einwenden konnte. „Was ein riesiges Kompliment ist, Blackstone verschenkt sein Vertrauen nicht leichtfertig.“

Sunrise lehnte sich zurück: „Gut, ich vertraue Blackstones Urteil, seine Worte reichen mir. Ich habe also nichts mehr dagegen, mich bei der Route überraschen zu lassen.“ Er sah Trouble und Sal an, „Ich traue euch.“, dann trank er einen Schluck Wodka aus einer seiner letzten Flaschen und sagte, „Nastrovje!“

Niemand widersprach.

Snowcat zog den kleinen Zettel aus ihrem Glückskeks und rollte ihn ganz eng zusammen, bevor sie ihn wegwarf. Sie hatte noch nie einen dieser Zettel gelesen. Sie hielt nichts von Schicksalssprüchen. Ganz im Gegensatz zu den Keksen selbst, von denen hielt sie eine Menge und sie hatte sie schon immer gern gegessen. 

Riven gähnte und sofort fiel Twinbow mit ein. Ein Umstand, der Snowcat ein Lächeln entlockte, aber die beiden hatten Recht, es war ein langer, ereignisreicher Tag gewesen und Müdigkeit stellte sich ein. Sie stand auf, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und streckte sich, „Gut, nachdem das geklärt ist, ist jetzt erstmal Schlafenszeit!“, verkündigte sie.

Der Gedanke kam allgemein gut an. Sal und Sunrise blieben auf, um Wache zu halten.

Twinbow und Riven schäkerten miteinander, als sie die Treppe in den ersten Stock hochgingen und dann das Doppelbett-Zimmer ansteuerten. Snowcat folgte ihnen in einigem Abstand, es war irgendwie ein merkwürdiges Gefühl, den Austausch von Zärtlichkeiten innerhalb des Teams mit anzusehen.

Snowcat steuerte auf das Bad zu und beanspruchte es zuerst für sich. Niemand machte ihr diesen Anspruch streitig. Nachdem sie die Manasheet-Tasche gut sichtbar, spürbar und so in ihrer Nähe platziert hatte, dass sie sie im Sprung greifen konnte, genoss sie den Umstand warmes Wasser über ihren Körper fließen zu lassen. Die beiden französischen Zöpfe ließ sie geschlossen, sie wurden von dem Wasser schwer, aber das störte die Elfe nicht weiter. Sie seifte sich gründlich und gewissenhaft mit dem Shampoo aus ihrer Reisetasche ein und spülte dann langsam und zärtlich alles wieder ab. Linker Arm, linkes Bein, rechter Arm, rechtes Bein, Rücken, Nacken, Busen und Bauch. Das alles geschah nach einem Ritual und wenn sie dem Wasser zusah, wie es die Seife von ihrer perlweißen Haut spülte, dann verschwanden mit dem Wasser nicht nur Dreck und Seife im Abfluss, sondern auch alles, was sie belastete. Als kein Flöckcken Schaum mehr an ihrem Körper zu sehen war, hob sie den Kopf und ließ das Wasser noch eine Zeit lang über ihr Gesicht laufen. 

Mit noch feuchter Haut trat sie vor den beschlagenen Spiegel, wischte ein Stück mit der Hand frei und betrachte ihr Gesicht. An den unverschämt langen Wimpern hingen winzige Wassertropfen, die silbernen Sterne in ihren strahlenden, eisblauen Augen waren auf ein Minimum reduziert und sie tanzen kaum. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sie müde war. Sie lächelte leicht und sagte schnurrend zu ihrem Spiegelbild: „Nicht nur klug, sondern auch müde noch wunderschön!“

Katze sprang auf das Waschbecken, reckte den Hals und betrachte dann abwechselnd das Gesicht im Spiegel und das Original davor. Ebenfalls schnurrend meinte sie: „Ach Elfenmädchen, untertreib doch nicht immer so.“

Snowcat drehte den Wasserhahn ein wenig auf, so dass Katze mit dem dünnen Strahl spielen konnte, während sie sich eincremte. Nachdem sie fertig war, befestigte sie die Tasche mit dem Kompass über der Hüfte und schlüpfte dann in das silbergraue Männer-Hemd, das Kyle O‘Farrell gehört hatte. Das Hemd roch schon lange nicht mehr nach dem Sotto Capo der O‘Rilley Familie, aber dennoch hatte das Tragen des Männerhemdes immer etwas Tröstliches für die Elfe und es verlieh ihr ein Gefühl von Geborgenheit. Genau darum nahm sie sich auch von jedem ihrer Liebhaber ein Hemd als Trophäe und trug diese dann als Nachthemden. 

Sie hatte die Hand schon an den Türknauf gelegt und den Riegel zurückgeschoben, als Snowcat wieder in den Sinn kam, dass sie jetzt besonders vorsichtig sein musste. Sie zögerte und spürte nach Magie und Bewegung in ihrer Nähe. Gleich rechts neben der Tür stand jemand. Snowcat hielt den Atem an. Genau in diesem Augenblick sagte Blackstone: „Kannst rauskommen Katze, ich bin es nur.“

Sie lächelte, eigentlich war es dumm von ihr gewesen hinter der Tür einen Angriff zu erwarten, aber die Frage war nun mal nicht, ob man paranoid war. 

Blackstone brachte sie zu ihrem Zimmer, klopfte und sagte dann: „So Mystique, ich übergebe sie jetzt in deine Obhut.“

„Na endlich.“ Mystique nahm Snowcats Hand, zog sie ins Zimmer und schlug Blackstone dann mit einem Zwinkern die Tür vor der Nase zu. Sie klemmte eine Stuhl unter die Klinke und warf sich auf ihr Bett.

Snowcat grinste Mystique an: „Du bist heute aber stürmisch.“

„Was meinst du denn mit heute?“, konterte sie.

Snowcat streckte Mystique spielerisch die Zunge raus, vergewisserte sich, dass ihr Bündel mit den wichtigsten Habseligkeiten in Griffweite lag, legte sich in ihr Bett und kuschelte sich zurecht. „Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt, was für eine angenehme Zimmergenossin du bist?“, fragte sie mit einem unterdrückten Gähnen.

„Weil ich auch ordentlich bin wie du? Ja, hast du, mehrmals.“

„Na dann ist ist es ja gut.“ Snowcat wollte den ,Licht aus‘ Befehl geben, aber sie verstummte bereits nach dem ,L‘. Das Haus verfügte über gar kein dafür nötiges Home-System. Sie sah zum Schalter an der Tür und seufzte, „Eine von uns muss jetzt wohl noch mal aufstehen und das Licht ausmachen. Wollen wir darum spielen?“

Mystique schüttelte den Kopf. „Nee, lass mal, ich mach schon.“, dann zog sie aus dem Nichts ein Holdout-Pistole hervor. Snowcat erschrak leicht, Mystique wollte doch jetzt nicht etwa das Licht ausschießen? Leicht skeptisch beobachtete sie, wie Mystique eine Patrone aus der Waffe repetierte, sie aus der Luft auffing und die Patrone praktisch mit der selben Bewegung an den Lichtschalter warf. Das Licht ging aus.

„Your gun is your skilllist.“, kommentierte Snowcat grinsend. „Gute Nacht!“

„Gute Nacht.“

Snowcat verschloss ihre Gedanken und ihr Gehör dem gegenüber, was zwei Schlafzimmer weiter links vor sich ging und konzentrierte sich auf sich selbst und ihre Atmung. Sie schlug noch den Kragen des Hemdes hoch, bevor sie sich in ihre endgültige Einschlafposition zusammenrollte, ein wenig Geborgenheit mehr konnte nicht schaden. 

Sie schlief fest, jedoch nicht sonderlich lange. Snowcat war einfach viel zu unruhig, um lange Schlaf finden zu können. Also stand sie auf, zog ihren Catsuit an, lächelte Mystique zu, die bei ihrer ersten Bewegung ebenfalls wachsam die Augen aufgeschlagen hatte und teilte ihr mit, dass sie auf den Dachboden gehen würde, um zu trainieren. 

So leise sie auch war, gegen die Wachsamkeit ihrer Kollegen nützte das nichts. Trouble kam aus seinem Schlafzimmer und half ihr dabei, die Leiter runterzulassen und nur kurz darauf erschien Blackstone auf der Bildfläche, dem sie sogleich die Kompass-Tasche in die Hand drückte, da der Hüter den Dachboden nicht mit verbarg. Snowcat reduzierte ihr Training deshalb auch auf eine halbe Stunde. Es fiel ihr schwer damit Schluss zu machen, denn inzwischen vermisste sie ihr Fechttraining mit Tango schon, aber der Drang den Kompass bei sich zu tragen, war einfach größer. 

Im Anschluss nahm Riven den Dachboden für mehrere Stunden unter Beschlag und beschwörte unter den wachsamen Augen von Twinbow einen Geist.


Begleitet vom letzten orangenen Licht der untergehende Sonne fuhr das SUV aus der Garage der Safehouses in Tashkent. Niemand folgte ihnen, weder auf dieser, noch auf der astralen Ebene. Trouble lenkte den Wagen noch ein Stückchen weiter an den Stadtrand und hielt auf ein Lagerhaus zu. Drinnen stand ein blauer Truck an dem ein grüner Container befestigt war, ein Gaz-Niki Wild Nomad Pick Up und vier Off-Road Bikes. Alle Fahrzeuge sahen gebraucht aus, waren aber gut in Schuss. In dem Container gab es 6 Schlafkojen, ein chemisches WC, 4 Kanister mit Trinkwasser zu je 25 Litern und genügend Platz für das Gebäck und Equipment der Runner. Für die Motorradfahrer lagen gewachste Wetterjacken, Breezer, Helme und große Tücher bereit. Natürlich würde Snowcat ein Bike nehmen und da es sich um Offroad-Motorräder handelte und sie sich irgendwo in einer sehr kargen Gegend der Welt befanden, würde sie die Jacke, Helm und Breezer nutzen und das nicht, um ihr Äußeres zu verbergen, denn sie hatte ihr Haar bereits rot gefärbt und ihrer Haut gebräunt. 

Average fuhr den Truck, das einzige Fahrzeug mit Rigger-Adaption, Sal nahm neben ihm auf dem Beifahrersitz Platz.

Gumshoe setzte sich ans Steuer des Pick-Ups und Sunrise, Twinbow und Riven stiegen zu ihm ein. Wie selbstverständlich setzten sich Riven und Twinbow hinten nebeneinander auf die Rückbank.

Nachdem Blackstone, Trouble, Mystique und Snowcat aufgesattelt hatten, verkündete Sal in seinem so förmlich klingenden, britischen Akzent über das Teamnetzwerk: „Nun folgt bitte der Wegbeschreibung zur M32 auf euren Commlinks und dann geht es praktisch immer geradeaus, 2300 km lang Richtung Norden bis Omsk.“

Snowcat schluckte, sie fuhr wirklich gern Motorrad, aber 2300 km klang dann doch mehr nach einer anstrengenden Tour. Sie schloss das Visier ihres Helms und sagte über das Nörgeln von Average hinweg: „Copy.“ Sie zog die Bremse, gab Gas und driftete gekonnt aus dem Lager aus. Der kurze Weg bis aus der Stadt hinaus war schnell zurück gelegt. Snowcat machte einen imaginären Haken hinter Tashkent, noch ein Ort, in dem sie bereits gewesen war, immerhin hatte sie fast 24 Stunden dort verbracht. 

Die Qualität der Strasse ließ zu wünschen übrig, aber Snowcat verfügten über gut gefederte Off-Road Bike und so war die Fahrt eigentlich ganz angenehm. Die Landschaft um sie herum war karg, grober Sand, Steine und wenige Pflanzen, die daran gewöhnt waren, mir noch weniger Wasser auszukommen. Man konnte sehen so weit das Auge reichte, was gleichzeitig ein Vorteil und ein Nachteil war. Die Strecke war gering genug befahren, um gut voranzukommen, aber nicht völlig ungenutzt, so dass ihnen immer wieder kleine Kolonnen begegneten, die der ihren ähnlich waren. Sie würden also kein ungewohnter Anblick sein. 

Nach einigen Meilen hatten sich feiner Sand durch die Ritze zwischen Jackenkragen und Snowcats Helm geschlichen und verabreichte der zarten Haut der Elfe ein unwillkommenes Peeling. Snowcat ließ Halt machen und Mystique zeigte ihr schnell, wie man weiteres Eindringen von Sand durch geschicktes Binden des Tuches verhindern konnte oder zumindest so gut wie verhindern konnte. 

Kilometer um Kilometer rollte unter ihren Rädern hinweg. Blackstone fuhr stets neben ihr und wenn sie wieder einmal mehr Gas gab, um ihre verspielten Kunststück auf dem Bike  zu vollführen, nickte er Trouble zu, der ihr dann dicht folgte. Die Landschaft bot nicht sonderlich viel Abwechslung. Alle paar Stunden fuhren sie von der Strasse runter, um eine Pause zu machen. Mal nur für ein paar Minuten, mal für mehr als eine halbe Stunde. Snowcat trank Wasser und vertrat sich ein wenig die Beine. Blackstone oder Trouble waren weiter stets an ihrer Seite. Sie wechselten nicht sonderlich viele Worte mit einander, aber das war auch nicht nötig, das war zwischen Snowcat und Blackstone noch nie nötig gewesen. 

Nach einigen Hundert Kilometern machte sich langsam aber sicher in Snowcats Nacken und Schultern eine Verspannung breit. Auf der holprigen Strasse musste sie das Lenkrad des Motorrads festhalten und hinzu kam die innere Anspannung. Snowcat blickte immer wieder in den Himmel, sah sich immer wieder um, nahm immer wieder astral wahr, um sicherzustellen, dass sie nicht verfolgt wurden. Aber selbst wenn sie niemanden sah, hieß das nicht, dass sie nicht doch beobachtet wurden. Bald träumte sie von einem heißen Bad und einer Rückenmassage.

Nach 18 Stunden Fahrt und ungefähr der Hälfte der Strecke war es an der Zeit für eine richtige Ruhepause. Sie brauchten etwas ordentliches zu Essen und ein große Mütze voll Schlaf. Der nächste große Truckstop bot Gelegenheit für Beides. 

Snowcat bat Sunrise, Gumshoe und Trouble Essen und Getränke für alle im Diners zu besorgen. Beim dem letzten Run, bei dem sie den Gegenstand für den Johnson bei sich gehabt, noch ein langer Weg vor ihnen gelegen hatte und das Ganze in der Kombination mit Drakes und Drachen aufgetaucht war, waren am Ende drei von ihnen drauf gegangen, nur weil sie alle in einem Diners aufgefallen waren und man so ihre Spur hatte aufnehmen können. Einer von den dreien war Craven gewesen. Snowcat würde ein solches unnötiges Risiko kein weiteres Mal eingehen und das Diners nicht aufsuchen. 

Die sechs Runner, die die Fahrzeuge gesteuert hatten, legten sich nach dem Essen in die Kojen im Truck um richtig zu schlafen. Die anderen vier hielten Wache. 

Als Snowcat von dem sanften Zwitschern ihres Commlinks geweckt wurde, fühlte sie sich ausgeruht, aber die Anspannung und das Gefühl von Gehetzt sein war ebenso geblieben, wie die Verspannung in Schultern und Nacken. 

Twinbow, Sal, Riven und Sunrise hatten während ihrer Wache bemerkt, dass sich hier auf dem Parkplatz eine Gruppe von Männern herumtrieb, die alles in Augenschein nahm und offenbar nach geeigneter Beute für einen Strassenraub Ausschau hielt. Die Männer hatten auch ihren grün-blauen Truck in die engere Wahl gezogen, sich vor einer Stunde jedoch für ein anderes Objekt entschieden und waren diesem gefolgt. 

Erneut setzte sich die kleine Kolonne der Shadowrunner kurz nach Sonnenuntergang in Bewegung. Nachts war man zumindest aus der Entfernung schwerer zu identifizieren. Auch vom Himmel aus. Je weiter sie nach Norden kamen, desto grüner wurde die Landschaft um sie herum, ansonsten änderte sich nicht viel.

Am Nachmittag des 6. April 2072 erreichten sie den Stadtrand von Omsk in Russland. Auf dem Parkplatz einer riesigen Tankstelle stellten sie sämtliche Fahrzeuge ab und luden alles in einen Kleinbus um. Mit diesem Bus fuhren sie gemeinsam in die Innenstadt von Omsk, wo in einem Hotel der gehobenen Mittelklasse eine Suite mit mehreren Schlafzimmern für sie reserviert war. Leider würden sie hier nicht bleiben. Es lagen leere Gepäckstücke und Reisekleidung zum Wechseln für sie bereit, damit sie unauffälliger weiterreisen konnten. Snowcat warf einen sehnsüchtigen Blick ins Bad, aber dafür war jetzt keine Zeit, sie mussten bereits in einer Stunde am Bahnhof sein, um ihren Zug zu erreichen. 

Am Bahnhof war es genau so wie Sal prophezeit hatte. Es war voll und das Wort Sicherheit wurde groß geschrieben. Die Metamenschen drängelten sich durch die Stellen, an denen es Verengungen gab. Von oben betrachtet glich das alles dem undurchdringlichen Gewusel eines riesigen Ameisenhaufens. Hätte Snowcat nicht die Nummer ihres Tickets gehabt und mit dessen Hilfe den AR-Tags folgen können, sie hätte schon nach wenigen Augenblicken die Orientierung verloren. 

Vor den Bahnsteig gab es einen Security-Bereich mit Wachleuten, Waffenscannern und ID-Check. Ein solch hohes Sicherheitsniveau kannte Snowcat bisher nur von Flughäfen. Sie waren in kleinen Gruppen in vier Taxen zum Bahnhof gefahren und in genau diesen Gruppen näherten sie sich jetzt dem Secutity-Bereich. Sal hatte darauf bestanden, als erster die Kontrollen zu passieren, denn er wollte dafür sorgen, dass alle unbehelligt durch konnten. Jede Gruppe sollte nur darauf achten, dass sie auch den linken Schalter bei Gleis 10+11 nutzten.

Als Snowcat an den Sicherheitsmann trat und ihm ihr Ticket und ihre SIN reichte, beachtete er sie kaum. Der Blick, den sein Kollege auf den Scanner beim Transportband für das Gepäck warf, wirkte ebenfalls desinteressiert. Die anderen erfuhren die selbe Nicht-Behandlung und so war das Einschmuggeln der Waffen kein Problem.

Hinter der dem Security-Bereich hatte sich die Metamenschenmenge zwangsläufig verlaufen und so war der Weg zum Bahnsteig nicht mehr ganz so voll. Snowcat war nicht sonderlich geübt darin kyrillische Buchstaben zu lesen, aber die Gleisinformation war über AR in unterschiedlichen Sprachen abrufbar und so war es ein Leichtes dem Hinweiß ,TransSib nach Vladivostok, 18.00 Uhr, Gleis 11‘ zu folgen. Ihre Tickets waren alle 1. Klasse-Fahrkarten und sie würden drei nebeneinander liegende, 4-Personen Abteile für sich haben. Im Gegensatz zu ihrer Reise bis Omsk klang das nach einer bequemen Art sich fortzubewegen. Als sie sich den Wagen der ersten Klasse näherten, hatte sich die Anzahl von Metamenschen in ihrer näheren Umgebung erneut deutlich verringert. Hilfsbereites Personal eilte herbei, um ihnen beim Verladen des Gepäcks ins Abteil zu helfen. Average, der die Armadillo nun in einer Art riesigen, modernen Schrankkoffer mit sich führte, war dankbar für diese Hilfe. „Ich verstehe auch gar nicht, warum es hier keine fernsteuerbaren, schwebende Gepäckwagen gibt, sondern nur altmodische halbelektronische Teile.“, erklärte er leicht schnaufend übers Commlink.

Snowcat antwortete ihm, „Vielleicht weil der Bahnhof hier ein wirklich altes, historisches Gebäude ist, in dem es Gänge gibt, die für Hover-Carts zu schmal sind und sie bei der Menge von Metamenschen hier wohlmöglich zu klobig wären. Wobei mir gerade einfällt, Hover-Carts sind auf modernen Flughäfen sicher verbreitet, aber wo gibt es die Carts denn fernsteuerbar?“

Average atmete tief durch und wischte sich den Schweiß von der Stirn: „Wo es die fernsteuerbar gibt? Nirgends, aber es sollte sie überall geben!“

Da sie zwei Betten zu viel hatten, machte Twinbow den Vorschlag, den drei Frauen ein Abteil zu geben. Riven zog kurz einen wunderschönen Schmollmund, ein Abteil für sich und Twinbow allein zu haben, schien ihr verlockend, aber da es ihr auch zu ablenkend vorkam und sie sich nie wieder auf dem falschen Fuss erwischen lassen wollte, wurde aus dem Schmollmund ein zauberhaftes Lächeln. Außerdem galt die Aufteilung ja nur für die Nächte, tagsüber wurden aus den unteren zwei Betten bequemem Sitzbänke auf denen es bis zu sechs Metamenschen bequem hatten, jedenfalls wenn keiner von ihnen ein Troll oder Ork war. 

Die Reise auf der historischen Strecke, während der sie die über 6000 Kilometer bis Vladivostok zurück legen würden, würde gut sechs Tage dauern und während dieser Zeit würden die 1.Klasse Abteile quasi ihr Zuhause sein.  

Sunrise war sichtbar erfreut über die russische Atmosphäre, die in den Wagons herrschte. In jeden Wagen standen Samoware, denen man heißes Wasser entnehmen konnte, um sich Tee zuzubereiten, wenn man Tee und eine eigne Tasse dabei hatte. Snowcat hatte noch niemals so viele Einladungen zu Schachspielen gesehen, wie es hier gab. Sie schlugen dutzendweise auf ihrem Commlink ein, da ihr Filter nicht darauf eingestellt war. Was das Thema Schach anging, waren die Fahrgäste überaus erfinderisch, denn nicht Wenige hatten ein reales Schachbrett samt Figuren mitgebracht und bauten diese Spiele in den kleinsten Nischen auf. Sunrise nahm gleich drei Herausforderungen zu einem Schachspiel an. 

Die Züge waren modernisiert worden, soweit das gegangen war ohne, dass man neue Schienen hätte verlegen müssen. So war Breite und Höhe der Wagons begrenzt und Trolle konnten sich nur seitlich und geduckt durch den Zug bewegen. 

Noch ein Detail war hier im Zug überraschend. Es herrschte kein Rauchverbot, die Fenster ließen sich öffnen und die Klimaanlage wurde nur an heißen Sommertagen eingeschaltet. Viele Fahrgäste rauchten Zigaretten, Zigarillos oder Pfeife. In einigen Wagons war die Luft bereits rauchgeschwängert. 

Die Möbel in der 1 Klasse waren nicht neu, aber sauber und bequem. Snowcat schätzte, dass hier das letzte mal in den Fünfzigern renoviert worden war, - 2050. Das kühle Grau und Chrom hatte zwar etwas Tristes, aber der unechte Pelz an den vielen Fleecedecken, die bereitlagen, falls der Zug liegen blieb oder die Heizung ausfiel, hatte etwas heimeliges.

Als das Pfeifen erklang und der Zug sich mit seinem Da-damm, Da-damm in Bewegung setzt, stellte sich Snowcat kurz vor, wie es wohl vor 200 Jahren hier gewesen wäre. In der ersten Klasse zu fahren hätte sie zu... stopp, vor 200 Jahren wäre sie, eine Elfe, nicht hier gewesen. Dennoch hatte die Abfahrt irgendwie etwas Historisches an sich. 

Die Frauen hatten das mittlere Abteil bekommen. Im Abteil hinter ihnen schliefen Twinbow, Sunrise, Gumshoe und Average und vor ihnen, Blackstone Sal und Trouble.

Ein wenig von der Verspannung in ihren Schultern löste sich während der ersten 500 km in der Transsibirischen Eisenbahn. Sie waren ständig in Bewegung und auch Frosty hatte vor Frankfurt eine Reise im Zug gewählt, um Verfolger abzuschütteln. 

Da-damm, Da-damm, Tee. Da-damm, Da-damm Imbiss. Da-damm, Dad-damm Tee. Sunrise spielte Schach und trank in gemäßigter Menge Wodka. Gumshoe trank mehr Wodka, aber man merkte es ihm nicht an. Snowcat las in einem Buch über die Boston Tea-Party für einen ihrer Uni-Kurse. Sie trank dabei ein Tasse starken russischen Tee und schmunzelte in sich hinein. Twinbow und Riven spielten Zauberduell über Commlink und machten sich über die falschen Vorstellungen der Designer zum Thema Magie lustig. Mystique war eher selten in den Abteilen der Runner, sie mischte sich unter die Fahrgäste und spionierte sie im wahrsten Sinne des Wortes aus. 

Da-damm, Da-damm ... Average war der erste, der über die Langeweile meckerte, es half, dass Sal mit ihm ,Leute raten‘ spielte. Jemand ging vorbei und beide stellten Vermutungen über die Person an. Hinterher hackte sich Average in das Commlink und überprüfte die Äußerungen. Sal lag immer richtig und Average fast immer falsch, aber das spielte für den Unterhaltungswert keine Rolle. 

Jedes mal wenn der Zug hielt, stiegen zumindest Sal und Trouble aus, um sich ein Bild davon zu machen, wer aus- und zustieg.


Am Abend des 7.April 2072, nach über 24 Stunden Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn, saß Snowcat allein mit Trouble im mittleren Abteil. Sal spielte gerade die zehnte Partie Schach gegen Sunrise, der Russe hatte die letzten neun Partien verloren und auch alle anderen waren anderweitig unterwegs. 

Nach einigen Momenten des grinsenden Schweigens, tauschten die beiden Drakes sich über das Fliegen aus oder besser gesagt, sie schwärmten davon. Trouble schwärmte gestenreich und erklärte Flugmanöver mit seinen Händen. Sie plauderten ungezwungen darüber, wie es sich anfühlte, wenn man sich verwandelt, wie es war, nach dem Verwandeln wieder in der anderen Gestalt zu sein, wie man am Besten mit der Kleidung umging und wie praktisch Overalls waren, wenn man sich schnell wieder anziehen wollte. „Stehst du eigentlich auch unter dem Schutz der Draco Foundation?“, fragte Snowcat irgendwann.

Trouble nickte und sagte dann deutlich überrascht: „Auch? Was heißt auch? Stehst du denn unter dem Schutz der Draco Foundation?“

„Ja, das tue ich.“

Trouble schien verwirrt, „Echt? Ich hab dich da noch nie gesehen.“

Snowcat lächelte: „Nun, das liegt wahrscheinlich daran, dass ich noch nie ,da‘ war, wo immer das ,da‘ auch ist.“

Troubles Körpersprache zeugte davon, dass er seine nächste Äußerung genau überlegte, er war vorsichtig geworden, „Na alle anderen sind öfter mal da, aber du eben nicht.“

Snowcat legte den Kopf leicht schief. Sie wusste nicht, was genau Trouble an der Tatsache so verunsichert hatte, dass sie nie ,da‘ war, wo er doch zuvor so frei über alles gesprochen hatte, noch stärker lächelnd sagte sie „Nun ja, ich hab damals Asyl bei der Draco Foundation beantragt und man hat simpel geantwortet ,gewährt‘ und danach hat niemand zu mir gesagt, dass ich irgendwo ,da‘ hinkommen soll.“

Trouble zögerte weiter, „Naja, das liegt bestimmt daran, dass du was besonderes bist.“

„Was besonderes? Inwiefern?“

„Naja, weil du schon... schon vorher Runner warst.“

„Ja, daran könnte es liegen.“ Es trat ein Schweigen ein.  

Snowcat wandte sich Trouble ein bisschen dichter zu, hielt aber ausreichend Abstand, damit er sich nicht bedrängt fühlte: „Du bist plötzlich so vorsichtig geworden. Ich weiß nicht, ob es so ungewöhnlich ist, dass ich nie ,da‘ bin, aber es gibt doch jetzt keinen Grund mir zu misstrauen, du wusstest vorher, das ich ein Drake bin.“

„Ja, weil man es mir gesagt hat.“, warf Trouble dazwischen.

Snowcat sah ihrem gegenüber in die Augen, „Genau! Und dann hast du mir gezeigt, dass du ein Drake bist, als Vertrauensbeweis sozusagen und das hast du getan weil...?“ Snowcat machte ein möglichst unschuldiges Gesicht und forderte Trouble mit eine Geste auf, den Satz zu beenden.

„... weil man mich darum gebeten hat.“

„Na siehst du, Ehran hat dir vertraut und...“ Trouble war anzusehen, dass der Name ,Ehran‘ ihn erneut total überraschte. Snowcat brach ihren Satz ab und sagte stattdessen, „Ehran? Elf?“

Troubel nickte, „Ja, ich weiß wer Ehran ist, aber ich hab den Mann noch nie in meinem Leben getroffen.“

Nun war Snowcat verwirrt. Waren die beiden nicht von Ehran geschickt worden? Oder kannten sie ihn einfach unter einem anderen Namen? Aber wenn Ehran sich ihnen unter einem anderen Namen vorgestellt hatte und verraten hatte, dass Snowcat ein Drake war, warum hatte er sie dann nicht vorgewarnt? Und wenn die beiden nicht von Ehran geschickt worden waren, von wem waren sie dann geschickt worden? All die Fragen rasten durch ihren Kopf, aber sie ließ sich das nicht anmerken. „Vielleicht sollten wir das mit den Namen einfach vergessen. Wir trauen einander, aber wir müssen uns gegenseitig weder Orte noch Namen verraten. Okay?“

Trouble schien zufrieden, „Genau! Was man nicht weiß, kann man auch nicht an andere verraten.“

Sie wechselten zurück zum Thema ,praktische Details‘. Sie sprachen übers Schwimmen in Drakegestalt, über Training an sich und über nützliche Ausrüstung. 

„Wir haben ,da‘ einen Parcours.“ erklärte Trouble nicht ohne Stolz.

Snowcat grinste, „Wenn ich irgendwann mal ,da‘ hinkomme, würde ich ihn gerne ausprobieren.“

„Klar, dann stoppen wir deine Zeit.“

Es hatte Snowcat sehr viel Spaß gemacht sich so locker über ihre zweite Gestalt zu unterhalten. Sie fühlte sich im Anschluss an das Gespräch richtig gut, dennoch hatte das alles einige Fragen aufgeworfen. Als ihr Aina Dupree persönlich vor nicht mal einem halben Jahr Asyl gewährt hatte, was Snowcat überrascht gewesen, dass es sie so rein gar nichts kosten sollte, nicht mal gelegentliche Dienste. Nun schien es so, als hatte das an Ehrans Fürsprache gelegen. Der Jahrestag ihrer ersten Verwandlung näherte sich ebenso, wie der zweite Jahrestag ihrer ersten Runs mit Blackstone und dem damaligen Team. Doch sie hatte jetzt gar keine Zeit für nostalgische Gedanken, denn der Umstand, dass Trouble und Sal offenbar gar nicht von Ehran geschickt worden waren, wie sie gedacht hatte, warf die Frage mit der Paranoia erneut auf. Sie musste dringend mit Blackstone sprechen. 

Noch vor der Nachruhe bekam sie die Gelegenheit dazu. Der Rest der Gruppe war in den Speisewagen der 1. Klasse gegangen, um eine warmes, überteuertes, aber sehr leckeres Nachtmahl einzunehmen. Snowcat wollte sich mit dem Kompass um die Hüfte dort nicht sehen lassen, außerdem hatte sie nicht sonderlich viel Hunger, eine der selbsterhitzenden Mahlzeiten aus ihre Gepäck reichte ihr. Obwohl der Speisewagen nicht weit weg war, sollte sie nicht völlig allein bleiben und so setzte sich Blackstone auf den Platz ihr gegenüber. Die Vorhänge des Abteils waren nicht zugezogen, damit sie den Gang irgendwie im Auge behalten konnten und jedem der vorbeilief schenkten sie Aufmerksamkeit. Ein Gefühl von Sicherheit wollte und sollte sich nicht einstellen. 

Snowcat stand auf und glitt in einer weichen und flüssigen Bewegung auf die andere Seite des Abteils, um sich neben Blackstone zu setzten. Richtig viel Platz gab es in dem Abteil nicht und Snowcat verließ das Abteil so gut wie nie, so dass es eigentlich etwas von einer fahrenden Gefängniszelle hatte, doch vor dem Fenster waren keine Gitter und dahinter lag die Freiheit, also hinkte der Vergleich zum Glück. 

Die Elfe zog die Beine an, drehte ihre Knie Blackstone zu, ohne dabei mit ihren Stiefeln an den Sitz zu kommen. Sie rückte noch näher an den Zwerg heran und berührte mit ihrem Unterarm den seinen, den er locker auf der heruntergeklappten Lehne abgelegt hatte. Er schmunzelte und sagte: „Ja Katze, frag einfach ganz direkt.“

Snowcat legte die Kopf ein wenig schief, so dass sie ihn leicht von unten ansehen konnte und wechselte ins Deutsche: „Ich hab vorhin mit Trouble gesprochen, dabei kam raus, dass Sal und er gar nicht von unserem Auftraggeber geschickt wurden, wie ich dachte. Weißt du wer sie geschickt hat?“

Blackstone zögerte mit seiner Antwort ungewöhnlich lange, er atmete zwei mal ruhig tief ein und aus, dann blickte er aus dem Fenster, „Worte sind nicht alles, auf das man achten sollte. Die beiden sind auf meinen Wunsch hier. Und ich vertraue ihnen.“ 

Auf Blackstones Wunsch? Nun war Snowcat wirklich überrascht, erneut schoss ihr eine Flut von Fragen in den Sinn. 

Blackstone sah in Richtung des Speisewagens, er schien, als betrachte er in Gedanken ihre Kollegen, „Ich denke im Augenblick können wir jede Unterstützung gebrauchen. Erst recht, wo doch der Drache hinter uns her ist.“ Wie er die Wort „wir“ und „uns“ betont hatte, konnte bedeuten, dass er damit nur Snowcat und sich selbst gemeint hatte.

Blackstone drehte seinen Kopf, sah Snowcat an und blickte ihr tief in die Augen. „Vertrau mir! Bitte!“ Er hielt ihren Blick noch einen Moment fest, dann zwinkerte er ihr mit einem Auge zu.

Snowcat schluckte all die Fragen mit einem leisen Seufzen runter. Sie rollte sich noch kleiner zusammen und legte ihren Kopf eine Zeit lang auf Blackstones Arm. Sie musste nichts weiter sagen, der Zwerg würde auch ohne weitere Worte verstehen, dass das ein ,Ja‘ war. Ja, sie vertraute ihm und er hatte es verdient, seine Geheimnisse für sich zu behalten, auch wenn alles in ihr danach drängte ihn mit, warum?, woher? und wie? zu löchern. Irgendwann würde ihre Neugier befriedigt werden, da war sie sicher. Snowcat blieb noch einen Moment so sitzen, dann glitt sie auf ihren Sitz zurück und sagte im Plauderton: „Ich glaube rot steht mir, ich sollte mein Haar öfter rot tragen, was meinst du?“

Blackstone schüttelte den Kopf, „Dir steht alles gut, aber nichts steht dir besser, als dein Original.“

Als Snowcat Stunden später in ihrem Bett lag, hatte sie eine Menge, worüber sich nachzudenken lohnte. Trouble hatte davon berichtet, dass er ,da‘ mit vielen anderen ausgebildet wurde. Sie trainierten offenbar hauptsächlich ihrer Kampffähigkeiten und dass alle an einem Ort. Hieß dass auch, dass sie alle für die Draco Foundation kämpfen müssten, wenn es nötig war? Natürlich hatte sie dank Ehran eine Sonderstellung.Ihren Lehrmeister verband offensichtlich eine alte Freundschaft mit Aina und selbst wenn nicht, als Leiter des DIMR könnte er vielleicht auch ohne das einen Drake für sich beanspruchen und ihm jede Sonderbehandlung einräumen, die ihm lieb war. Bisher hatte Ehran sich viel mehr auf die Ausbildung Snowcats elfischen Gestalt konzentriert. Bisher. Wie das klang? Sie war gerade mal ein paar Monate seine Schülerin und sie war es mehr als gern. Sie war fleißig und tat eine Menge, um nur Bestleistungen zu erreichen, einerseits, weil sie gern die Beste war und andererseits, weil es ihr Spass macht, Ehran Stolz auf sich zu machen. Das Fechttraining bei Tango begeisterte sie sogar dermaßen, dass sie es vermisste. Beim Fliegen von Vermissen zu sprechen, wäre wirklich übertrieben gewesen, obwohl sie sicher gerne öfter geflogen wäre. Mehr Übung mit ihrem Eisatem hätte sicher auch nicht geschadet. 

Tief aus dem Hinterkopf kroch wieder die Frage hervor, ob sie überhaupt noch eine Elfe war und ob es ihr noch möglich wäre in ferner Zukunft eine mächtige Position in Tír na nÓg zu erreichen, um Liam die Rückkehr in seine Heimat zu ermöglichen? Snowcat schob den Gedanken beiseite, bevor er richtige Gestalt angenommen hatte. Herum zu grübeln war nicht ihrer Art, die wenigsten Geheimnisse wurden durch Grübeln enthüllt. Natürlich war nichts wirklich kostenlos in der 6. Welt. Aber bisher hatte sie immer einen guten Preis für sich aushandeln können und dabei würde es einfach bleiben. Und weil dem so war, würde sie nun auch nicht damit anfangen darüber nachzudenken, wie und warum Blackstone Personen wie Sal und Trouble als Beistand organisieren konnte. Im Moment reichte es, dass sie da waren. Zufrieden schloss sie die Augen und rezitierte zum Einschlafen in Gedanken Shakespeare. 


Der nächste Tag in der TransSib verlief völlig ereignislos. 

Da-damm, Da-damm, Tee!

Snowcat nutzte die freie Zeit und las ein, zwei Bücher, die sie schon lange hatte lesen wollen.

Als der Zug dann am frühen Abend in Irkutsk hielt und ein Aufenthalt von einer Dreiviertel Stunde vorgesehen war, stiegen sie alle gemeinsam aus, um sich die Füsse zu vertreten. Snowcat war nicht ganz wohl bei der Sache den Kompass spazieren zu führen, aber ein wenig frische Luft und Bewegung würde ihr gut tun. Auf dem Bahnsteig war eine Menge los, dennoch fiel dem Team eine Gruppe von drei Männern auf, die völlig in möglichst naturbelassenes, echtes Leder gekleidet waren und kein Gepäck dabei hatten. Rivens astrale Wahrnehmung verriet, dass einer von ihnen magisch aktiv war. Als Snowcat das hörte, stieg sie sofort wieder in den Zug und sie war froh zu hören, dass die drei Männer in die 2. Klasse einstiegen. 

Snowcat warf einen Blick auf die Streckenkarte und stellte fest, dass der Zug erst am Vormittag des nächsten Tages wieder halten würde und die drei Männer hatten überhaupt kein Gepäck dabei gehabt und ihre Körpersprache war auch nicht die von simplen Reisenden gewesen. Sie wandte sich an Average. „Hey mein Bester, wie wäre es denn, wenn du die Langeweile mal dadurch auflockerst, indem du versuchst, was über die drei Männer rauszufinden?“

Dass der Mann nicht nörgelte, sondern einfach mit der Suche begann, zeigte deutlich, wie langweilig ihm war. Fünf Minuten vor der Abfahrtszeit meldete sich Average mit dem Ergebnis: „Die Drei sind wahrscheinlich Evenk, so nennt man das Volk von Yakut, dass die Idee des großen Geistertanzes aufgegriffen hat, um sich endlich die Unabhängigkeit von ihrem großen Feind, Russland, zu sichern und es den NAN gleichzutun. Allerdings haben sie sich dazu mit einem freien Geist mit dem Namen Vernya zusammen getan und der hat ihnen auch geholfen, und dann haben sie viel mehr bekommen, als sie wollten. Die Unabhängigkeit gab‘s. Aber obendrauf wurden sie von dem naturliebenden Geist auch aus dem Landesinneren vertrieben und mussten jeglicher schädlichen Technologie und Raubbau am Land entsagen. Für so ein Land, was die meisten NuYen mit dem Verkauf von Bodenschätzen gemacht hat, natürlich der Ruin. Außerdem hat Vernya überall seine Shapeshifter-Spione hingeschickt, damit die auch ja ein Auge auf die Evenk haben. 

Eine Gruppe mit dem Namen Sagan Zaba hatte nun beschlossen zurück zu schlagen und hat dabei nicht näher definierte Hilfe durch ein ominöses Artefakt erhalten, dass sie am heiligen White Rock einem Areal auf der Insel Olkhon im Baykal-See gefunden haben und damit ist es ihnen gelungen, Vernya ein Stück vom Land um den Baykal See herum wieder abzutrotzen. Es gibt jetzt also Rebellen unter den Rebellen von einst und die Sagan Zaba sind auf der Suche nach weiteren Artefakte, die ihnen noch mal weiter helfen könnten. Hab ich was vergessen?“ 

Snowcat hoffte das dem nicht so war und sie schob den Kompass augenblicklich so zurecht, dass sie darauf saß, um ihre Biomasse über dessen Aura zu platzieren. Leider fuhr Average fort: „Ach ja, Varnya teilt sich das Gebiet irgendwie mit einem Drachen mit dem Namen Booryazmei, aber keine Sorge, hab schon geguckt, das ist kein östlicher Drache.“ Snowcat atmete auf. Wenigstens etwas. Sie hielt den Atem wieder an, als Average hinzufügte, „Eines hab ich aber noch vergessen. Wenn wir wieder losfahren, ist es nicht mehr weit, bis die Schienen südlich direkt an der Spitze des Baykal-See vorbeiführen.“

Snowcat rutschte auf ihrem Sitz hin und her und sagte dann: „Sehr gute Arbeit Average, danke.“, sie strich sich das rote Haar aus dem Gesicht, als der Zug sich wieder in Bewegung setzte, „Vielleicht sollte ich mich auf jemandes Schoss setzten, damit unser Artefakt schwerer zu sehen ist.“

Niemand reagierte zunächst darauf, doch dann sagte Average, „Nee, ich muss mich auf Snowcats Schoss setzten, das ist bestimmt noch besser.“

„Dass du so was sagen würdest, war ja klar. Vergiss es gleich wieder!“, fauchte Mystique sofort.

Twinbow brachte Snowcat eine Tasse heißes Wasser und tauschte sie gegen einen Beutel Swiss Miss Pulver, damit er auch für Riven eine heiße Schokolade machen konnte, er beugte sich zu Snowcat und sagte leise und irgendwie beinah zärtlich auf Sperethiel, „Wenn es hilft, kann ich mich ganz dicht neben dich setzten.“ Snowcat reichte ihm einen ihrer wertvollen Beutel mit dem Schokoladenpulver und schüttelte den Kopf, „Nein danke, wenn du aufpasst, dass mich keiner mit einem Zauber zu einem willenlosen Sklaven macht, reicht das völlig.“ 

Twinbow grinste jungenhaft, „Geht klar.“ Als er ihr die Tasse mit dem Wasser gab, berührten sich ihre Hände zufällig, was in Snowcats Bauch ein kurzes Kribbeln auslöste. Sie seufzte, in den letzten Wochen hatte sie einfach zu wenig Sex gehabt. 

Das Team hatte die Wachsamkeitsstufe eindeutig erhöht. Snowcat verließ das Abteil nur, um aufs WC zu gehen und das auch nur in Begleitung. Einige von ihnen saßen so, dass sie den Gang im Blick hatten und mindestens einer von ihnen stand vor den Abteilen auf dem Gang. Als der Schaffner kam, um die Betten zu machen, lehnten sie das ab und die gesamte Zeit über waren alle Plätze in der mittleren Kabine besetzt. 

Sie scherzten und spielten mit virtuellen Karten, aber sie blieben wachsam.

Darum schlief niemand, als die Bremsen des Zuges mitten in der Nacht plötzlich quietschten. 

Gepäck fiel von den Halterungen, Metamenschen purzelten umher und schrieen auf, Tassen gingen zu Bruch und Schachfiguren wurden auf dem Boden verteilt. Der Zug kam zum Stehen und das zum Glück ohne zu entgleisen. Snowcat entschied spontan und kommandierte über Commlink: „Licht aus, Gepäck liegen lassen, Jacken an und dann alle durch das Abteilfenster rauf aufs Dach!“

Blackstone meinte: „Gute Idee, los!“ 

Alle anderen bestätigten mit Copy, selbst Average. Gumshoe und Sunrise waren bereits ans Fenster getreten und hatten es bis zur Verriegelung aufgeschoben, was ungefähr bis zur Hälfte war.

„Ach Kacke, da pass ich nie durch.“, meinte Average. 

Gumshoe griff in eine seiner Taschen und erklärte ruhig. „Keine Panik, das ändert sich gleich.“ Mit einigen geschickten Handgriffen, hebelte er die Verriegelung auf und dann drückte er gemeinsam mit Sunrise das Fenster ganz nach unten. 

Unterdes beschrieb Trouble, der noch im Gang Wache hielt: „Aus dem Gebüsch lösen sich ne Menge Gestalten, sind überwiegend mit AK 97 bewaffnet, sind mindestens zwei Dutzend.“

Blackstone fügte hinzu, „Vom See aus nähern sich fünf Schnellboote dem Ufer, auch die Männer darauf sind bewaffnet.“

Mystique kletterte zuerst aufs Dach, dann folgte Snowcat und umgehend danach Blackstone. Twinbow half Riven, bevor er selber ging. Gumshoe und Sunrise halfen Average nach oben, dann kamen sie. Trouble und Sal landeten als letzte auf dem Dach, zuvor hatten sie noch die Abteiltür geschlossen und die Vorhänge zugezogen.

Oben auf dem Dach angekommen bewegte sich Snowcat sofort ein paar Schritte, bevor sie sich bäuchlings aufs Dach legte. Auch die anderen verteilten sich so, dass jeder von ihnen ausreichend Platzt fand. 

Der Wind pfiff eisig über die Landschaft nahe des Sees. Drei Wagons hinter ihrer Position bezogen die bewaffneten Männer vor dem Zug Stellung und verschwanden kurz darauf in den Wagons der zweiten Klasse. Wenig später zerrten sie zusammen mit den Gepäcklosen vom Vorabend 13 Metamenschen vor den Wagon und zwangen sie auf die Knie. Es sah aus, als würde es gleich zu einer Hinrichtung kommen. Snowcats Puls beschleunigte sich. Zum Glück befanden sich keine Kinder unter den Gefangenen. Auch ihre Kollegen auf dem Dach wurden unruhig. „Tun wir was?“, fragte Sunrise. 

„Ich wüsste noch nicht was.“, antwortete Snowcat, „Ich weiß ja noch nicht mal, was da abgeht.“

Blackstone schlich ein Wagondach weiter und zoomte das Bild näher, den Feed ließ er von Average auf die Commlinks senden. 

„Was da geschieht ist in jedem Fall widerlich!“, kommentierte Riven.

Die Angreifer, Snowcat zählte knapp dreißig, schienen deutlich Respekt vor ihren Gefangen zu haben. Sie hielten Abstand und hatten die Waffen in Anschlag gebracht. Dann holte der magisch Aktive einen silbernen Pflock aus seiner Tasche. Zwei der Zugstopper traten an einen Knieenden heran, hielten ihn fest und dann presste ihm ein dritter den silbernen Pflock an den Hals.

„Was machen die den da?“, fragte Gumshoe.

„Sie suchen nach Gestaltwandlern.“ erklärte Snowcat ruhig.

Sal lag neben Snowcat und nickte: „Ja, das würde ich auch sagen.“

Sunrise sprach gedämpft, „Und greifen wir ein?“

„Negativ. Wir wissen ja nicht mal, wer von denen da auf der ,richtigen Seite‘ steht.“

Bevor jemand Zweifel äußern konnte, sage Blackstone, . „Sehe ich auch so, das ist ein Konflikt über den wir nicht entscheiden können, außerdem haben wir einen Auftrag und wir sollten uns nicht mehr als nötig zeigen.“

In diesem Moment wurde einer zweiten Person der Pflock an den Hals gehalten. Der kräftig gebaute Mann schrie, bäumte sich auf und verwandelte sich in einen Bären. Die Initialzündung sorgte für weitere Verwandlungen. Sieben der dreizehn Gefangenen waren tatsächlich Gestaltwandler. Vier Wölfe, zwei Bären und ein sibirischer Tiger nahmen den Kampf mit den knapp dreißig Sagan Zaba auf, die sogleich das Feuer eröffneten. Rein emotional war Snowcat für die Wandler, aber wenn sie tatsächlich Spione der Varnya waren, dann waren sie nicht unbedingt die Guten.

Leichtes Spiel hatten die Sagan Zaba nicht, obwohl sie vorbereitet und zumindest mit Silbermuntion bewaffnet waren. Snowcat wollte den Kampf gar nicht im Details sehen. Am Ende waren die Sagan Zaba siegreich und sie brachten ihre Verletzten, ihre Toten, die gefangenen und gefallenen Gestaltwandler an Bord der Boote. Zumindest der Tiger schien entkommen zu sein. 

Als der Spuk vorbei war, kletterten die Runner zurück in ihr Abteil. Vorne am Zug machte man sich daran, das Hindernis auf den Schienen zu beseitigen. Beflissenes Personal bot den Reisenden Hilfe an und erkundigte sich nach dem Befinden.

Gut 35 Minuten nach dem überraschenden Stopp setzte sich die TransSib Richtung Vladivostok wieder in Bewegung. 

Da-Damm, Da-damm. 

Am Vormittag des dritten Reisetages hatte sich sämtliche Aufregung im Zug gelegt und an seine Stelle war der übliche Ruhe getreten. Snowcat hatte beschlossen, die Zeit nicht völlig ungenutzt zu lassen und darum bat sie Sunrise zu einem Gespräch unter vier Augen in das mittlere Abteil. Sunrise zögerte nicht und nahm ihr gegenüber Platz. Er hatte sich Tee und eine kleine Flasche Wodka mitgebracht. Freundschaftlich hielt er ihr die Flasche mit dem klaren Schnaps hin. „Möchtest du probieren? Er ist ganz mild.“

Snowcat schüttelte den Kopf, „Nein danke, ich vertrage nicht besonders viel Alkohol und in Anbetracht der Situation würde ich gern nüchtern bleiben.“

„Das verstehe ich, aber du hast nichts dagegen wenn ich...?“, der junge Russe hielt die Flasche hoch. Snowcat schüttelte erneut den Kopf, sie wusste ja, worüber sie gleich gerne mit ihm sprechen würde. 

Sunrise goss sich einen Schluck in ein Glas, trank davon und seufze wohlig, „Ach ja, das ist guter russischer Wodka. - Was kann ich für dich tun Snowcat?“

„Wenn es dir nichts ausmacht, dann würde ich jetzt schon gerne über deine Vergangenheit und die Patrone sprechen.“ Snowcat beäugte Sunrises Reaktion, offenbar hatte er schon mit so etwas gerechnet. Sie fuhr fort, „Wir haben gerade nichts zu tun und da wäre es doch eine gute Gelegenheit, das Gespräch vorzuziehen.“

In Sunrises Gesicht zeichnete sich ein inneres Zwiegespräch ab, dann wappnete er sich mit einem weiteren Schluck Wodka und sagte zögerlich, „Da! Ich glaube du hast Recht. Wir haben genug Zeit für die lange Geschichte.“ Er sah aus dem Fenster und betrachtete die russische Landschaft, die dahinter hinweg zog. „Es ist auch ein guter Ort, um darüber zu sprechen. Die Gedanken an meine Vergangenheit sind hier all gegenwärtig. Wo soll ich beginnen?“

Snowcat sagte mit viel Gefühl in der Stimme, „Am Besten am Anfang.“

Sunrise nickte, „Also gut, am Anfang. Meine Geschichte beginnt mit meiner Geburt am 2. Dezember 2048...“

Er begann wirklich ganz am Anfang,- gut. Er erzählte ruhig, konzentriert und der Reihe nach. Er berichte von seiner frühen Kindheit, wie er behütet und zufrieden aufgewachsen war. Er erzählte von den Jagdausflügen mit seinem Vater und davon, dass sein Vater Scharfschütze beim SPEZNAS gewesen war und wie sein Vater ihn persönlich in die Hohe Kunst eingeführt hatte. Sunrise erzählte von seiner Schulzeit, dem Verhältnis zu seiner Mutter, darüber, wie er das erste Mal getötet hatte und wie eng die Beziehung zu seinem Vater geworden war. Seiner Geschichte war zu entnehmen, wie gerne er sich an die schöne Zeit erinnerte und wie tief er mit seiner Familie und seinem Heimatland verwurzelt war. Als Sunrise zu seiner eignen Zeit beim russischen Militär kam, dem er bereits im Alter von 14 Jahren beigetreten war, schwang Stolz in seiner Stimme mit. Er berichte voll von Liebe über die Geburt seiner beiden kleinen Schwestern und wie schön es für ihn gewesen war, ein großer Bruder zu sein. Als er erzählte, dass er mit 20 Jahren als jüngstes Mitglied aller Zeiten beim SPEZNAS aufgenommen worden war, war ihm der Stolz sogar anzusehen. 

Snowcat war sich ziemlich sicher, dass der Umstand, dass er magisch aktiv war, zu seinem frühen Erfolg beigetragen hatte, aber sie unterbrach ihn auch deshalb nicht. Zumal er ja nicht wissen musste, dass sie es wusste.

Sunrise machte bei seiner Erzählung eine lange Pause, leerte sein Wodkaglas vollständig und goss sich nach. Sein Gesicht sah ernst aus, als er davon erzählte, wie die Yakuza versucht hatte in seiner Heimat Fuss zu fassen und wie sein Vater und die lila Kugeln mit dem eingravierten V Angst und Schrecken unter den Yakuza verbreitet hatte, weil sein Vater Mann um Mann des Feindes getötet hatte. Sein Vater hatte auch im Auftrag der Vory getötet, weil laut ihm alles getan werden musste, um den Frieden in den Strassen Russlands zu wahren. Der Sohn war dem Vater gefolgt und so waren sie gemeinsam gegen die Yakuza vorgegangen. 

Erneut machte Sunrise eine lange Pause, dann begann er von der Nacht zu berichten, in der sein Vater und er, seine Mutter und seine unschuldigen kleinen Schwestern tot im Haus vorgefunden hatten. Brutal ermordet. Sunrises Stimme brach beinah, als er erzählte, wie sein Vater rausgerannt war, um Rache an einem Verräter zu nehmen, wie der Mann in den Wagen gestiegen und der Wagen anschließend in Flammen aufgegangen war. Sunrise hatte seinem Vater beim Sterben zusehen müssen. 

Die Erinnerung daran schmerzte ihn sichtbar, es tat ihm so weh daran zu denken, dass Snowcat sein Leid fast greifen konnte. Er trank noch ein Glas und berichtete dann mit tränenbelegter Stimme wie er den Verräter zur Strecke gebracht hatte und wie er sich dann erfolglos auf die Suche nach der Drahtziehern bei Yakuza begeben hatte, „Die Familie ist heilig und ich muss die finden, die Schuld am Tod meiner Familie sind. Darum lege ich die Kugeln aus. Ich will die Täter anlocken und dann will ich Rache an den Schuldigen nehmen.“

Snowcat musste die traurige Geschichte kurz verarbeiten, sie sah Sunrise mitfühlend an und sagte nach einer angemessenen Pause, „Ich verstehe deinen Schmerz, was dir passiert ist, ist furchtbar und es tut mir sehr leid.“

(Die komplette Geschichte die Sunrise erzählt, ist unter X-Files; File 72401; Subject Sunrise nachzulesen)

„Danke. - Ich möchte euch bitten, mir im Anschluss an diesen Job hier bei der Suche nach den Verantwortlichen zu helfen, damit ich Rache nehmen kann.“ 

Rache, da war das Wort wieder. Blackstone hatte an seinem Vater Rache nehmen wollen, Orange Crush an ihrem Onkel, Blood und Steel gleich an ganz Aztechnology und Aztlan, Sparky und Arcade hatten Rache an Puck nehmen wollen und sie alle hatten zunächst den Tod ihres Feindes gewünscht. 

Snowcat hatte den Gedanken an Rache noch nie nachvollziehen können und darum begann sie mit den Worten, mit denen sie in einem solchen Fall immer begann, „Zunächst einmal möchte ich vorausschicken, dass ich von Rache nichts halte. Meiner Erfahrung nach zieht Töten immer nur weiteren Tod nach sich. Doch hier geht es nicht um mich, sondern um dich und darum frage ich jetzt: warum willst du Rache nehmen? Der Tod der Verantwortlichen macht deine Schwestern nicht wieder lebendig.“

Sunrise schien ein wenig verwirrt, mit einer solche Frage hatte er wohl nicht gerechnet: „Ich will, dass man das nie wieder jemanden antut, was man mir angetan hat.“

„Aber derjenige wird nicht der einzige sein, der so etwas tut, es wird viele geben, dass kannst du also nicht erreichen.“

Sunrise nickte, „Stimmt, aber ich kann dann besser schlafen, wenn ich weiß, dass der Verantwortliche tot ist. Ich hab jede nacht Albträume, darum trinke ich so viel, ich brauche das auch für mich.“

Snowcat lächelte milde, Frieden für die eigne Seele erhofften sich die meisten von Rache, „Ich glaube nicht, dass es dir helfen wird, aber vielleicht irre ich mich. Wenn ich richtig verstanden habe, hast du dich an dem Verräter bereits gerächt. Wer muss sterben, um deine Rache komplett zu machen? Wer ist noch Schuld?“

„Derjenige, der den Verräter zu dem Verrat gebracht hat.“

„Aber der Verräter hatte doch die Wahl. Er hätte doch auch ,Nein‘ sagen können.“

„Vielleicht konnte er das ja nicht. Ich will den Auftraggeber für die Tat finden und ihn tot sehen. Der verdammte Yak muss sterben.“

„Der Auftraggeber oder der, der den Verräter überzeugt hat?“

„Der Auftraggeber.“

Snowcat überlegte, „Wenn das wirklich die Yakuza war, wird der Auftraggeber wohl der Oyabun der zuständigen Rengo sein. Also muss er sterben?“

„Da!“

„Aber der könnte nur gesagt haben. ,Regle das mit der lila Kugel.‘ Und ein anderer könnte entschieden haben, dass es nur über die Familie geht. Also wer muss nun sterben, der Oyabun oder der Mann der den Plan weiter gab?“

„Dann der Mann mit dem Plan.“

Snowcat lächelte innerlich. Sunrises Rachedurst war nicht zielorientiert. Sie erhöhte das Gesprächstempo, „Aber warum ist der Yakuza-Mann Schuld? Er war doch gezwungen zu handeln, weil sein Boss von ihm verlangt hat, dass er das Problem löst.“

„Die Yakuza hat in Russland nichts zu suchen, die Familie ist heilig und er gab den Auftrag, meine Familie zu töten. Ich will ihn dafür töten.“

„Meinst du die Vory töten nicht?“

„Doch, sie tun es, wenn es nötig ist, um unser Land zu schützen, aber sie töten nie die  Familie.“

„Das stimmt nicht. Ich kann dir Vory in Seattle zeigen, die sehr wohl Familien töten und töten lassen.“

„Vielleicht in Seattle, aber nicht in Russland!“

Snowcat konnte es nicht fassen, dass was Sunrise da von sich gab, war die Ansicht eines indoktrinierten Patrioten, vielleicht sogar Rassisten, doch darüber streiten wollte sie wirklich nicht, also sagte sie nur, „Ich kann nicht glauben, dass du so naiv bist, auch in Russland töten die Vory Russen, aber verlassen wir das Thema. Der Untergebene des Oyabun, der den Auftrag gab deinen Vater auszuschalten, muss also sterben?“

„Da!“

„Du willst ihn töten oder muss er nur dafür sterben?“

„Ich will ihn töten.“

„Aber der Mann könnte bereits wieder in Japan sein, weil die Yakuza ja keinen Fuss in Russland fassen konnte. Es wäre einfacher und sicherer für uns und dich, wenn wir ihn finden und ihn von jemandem töten lassen könnten, der in Japan nicht auffällt.“

„Okay es reicht mir, wenn der Verantwortliche tot ist.“

„Und verantwortlich ist der, der den Auftrag gab, deinen Vater zu eliminieren und dafür die Familie zu nehmen?“

„Da!“

„Was ist denn, wenn das gar nicht präzisiert wurde, wenn es nur einen Auftrag gab, deinen Vater über die Familie zu kriegen?“

Sunrise trank noch ein Glas Wodka, „Ich will den töten, der Schuld am Tod meiner Familie ist.“

„Ich weiß! Aber wer ist Schuld, der Auftraggeber oder der, der es getan hat?“

Nun geschah das, was Snowcat beabsichtigt hatte, sie führten ein ähnliches Gespräch ein weiteres Mal, streiften dabei das Thema Doppelmoral und landeten dann erneut genau bei der selben Frage. 

Seufzend antwortete Sunrise diesmal, „Der, der es getan hat.“

„Alle die dabei waren oder nur der, der es ausgeführt hat?“

„Alle!“

„Auch der, der im Wagen gewartet hat oder der Hacker, der Informationen besorgt hat?“

Sunrise strich sich in einer schon beinah verzweifelten Geste mit den Händen über den Kopf. „Da! Niet. Ich ... Es muss der sterben, der meine kleinen unschuldigen Schwestern getötet hat. Den will ich töten.“

„Selber oder reicht es, wenn derjenige stirbt?“

„Na gut, wenn der Mörder meiner Schwestern nicht mehr auf Erden wandelt, dann bin ich zufrieden.“

Snowcat blickte Sunrise mitfühlend an, „Gut, wir werden uns umhören und den Mörder deiner Schwestern ausfindig machen. Es könnte ein wenig dauern. Aber wir werden es herausfinden. Dafür hörst du auf, lila Kugeln zu hinterlassen, denn für deine Rache ist das nicht mehr nötig, einverstanden?“

„Einverstanden.“

Snowcat ging eigentlich davon aus, dass Runner die Täter waren, was sie ihm jetzt aber nicht sagte. Außerdem verschwieg sie ihm, dass sie sich auf keinen Fall daran beteiligen würde, einen anderen Runner zu töten, weil er seinen Job gemacht hatte, wie grausam und unnötig der Job auch immer gewesen sein mochte. 

Da-Damm, Da-damm.

Am Nachmittag des selben Tages, dem 10.April 2072, saßen die Runner in zwei ihrer Abteile. Über das Teamnetzwerk zusammen geschaltet konnten sie unabhängig von ihrer Sitzposition miteinander sprechen. Mittlerweile hatte sie fast 4000 Kilometer Schienen zwischen sich und Omsk gebracht, weit über die Hälfte der Stecke lag hinter ihnen. 

Snowcat ließ ihren Blick über die Anwesenden in ihrem Abteil gleiten. Riven saß ihr schräg gegenüber, neben Snowcat saßen Blackstone und Mystique. Auch Trouble und Sal hielten sich derzeit hier auf. So entspannt sie alle beim Lesen, einer Unterhaltung mit dem Nachbarn oder beim Teetrinken wirken mochten, richtig locker drauf waren sie mit Sicherheit nicht. Snowcat nahm an, dass das im Abteil hinter ihnen, mit Twinbow, Sunrise, Average und Gumshoe, zumindest ähnlich war. 

Gumshoe sprach Snowcat über den Teamkanal offen für alle an, „Sag mal, wie wäre es denn, wenn wir unseren Auftraggeber nach Vladivostok beordern und ihm das Teil da übergeben?“

Snowcat hob eine Augenbraue, was Gumshoe natürlich nicht sehen konnte, „Das halte ich für keine gute Idee.“ Gumshoe wollte mit seiner nächsten Frage beginnen, doch Snowcat ließ ihn nicht zu Wort kommen und fuhr fort, „Noch wissen wir nicht, ob wir verfolgt werden. Wenn wir unseren Auftraggeber irgendwo hin beordern, lassen wir mal die Frage aus, ob das überhaupt in unserer Macht liegt, könnte das der letzte Hinweis sein, den unsere Häscher benötigen, um uns zu finden. Dann fangen sie uns vorher ab und wir haben nichts.“

Gumshoe klang unzufrieden, als er weiterfragte, „Aber wir waren uns doch einig, dass es für unseren Auftraggeber auch nur gut sein kann, wenn er uns entgegen kommt und wir nicht bis direkt zu ihm gehen? Mit Chicago zum Beispiel warst du einverstanden.“

„Ich bin damit einverstanden, dass wir nicht zum Auftraggeber direkt gehen. Ob Chicago nun der beste Ort ist, weiß ich noch nicht. Wir wissen nichts über unseren Jäger und somit können wir auch nicht sagen, welchen Einfluss er in Chicago hat. Da er ein östlicher Drache ist, hoffe ich mal, das sein Einfluss abnimmt, wenn wir Asien verlassen, aber wenn es zum Beispiel der Drache ist, der starke Yakuza-Beziehungen hat, dann reicht das nicht.  Je später wir uns für einen Übergabeort entscheiden, desto besser ist es jedenfalls. Darum werde ich mich nicht auf Chicago festlegen.“ Erneut ließ Snowcat keine Einwände von Gumshoe zu, sie sprach einfach weiter. „Vielleicht weiß unser Jäger ja, welche Handvoll Auftraggeber in dem Fall in Frage kommt? Und wenn er uns nicht finden kann, lässt er vielleicht mögliche Wege potenzieller Auftraggeber überwachen, in der Hoffnung, dass wir uns dadurch verraten. Du darfst nicht vergessen, durch den Tod Masaakis ist die Sache für ihn persönlich geworden, er will nicht nur den Kompass, er will auch uns. Und nun stell dir mal vor, unser Auftraggeber ist wirklich ein anderer Drache oder sonst jemand, den unser Jäger respektiert. Vielleicht ist der Kompass dann in dem Moment aus seiner Reichweite, wenn wir ihn übergeben und nein, bevor du wieder damit kommst, aus den vorher genannten Gründen ist es nicht besser, wenn wir das Teil so schnell wie möglich los werden. Der Jäger wird alles daran setzten, uns vor einer Übergabe zu bekommen. Schafft er das nicht, könnte er uns weiter jagen wollen, obwohl ich hoffe, dass er ein wenig japanisches Ehrgefühl hat und die Sache auf sich beruhen lässt, wenn wir entkommen sind. Wie dem auch sei, je kurzfristiger wir uns entscheiden, desto besser ist es. Die Katze schnappt die Maus meist kurz vor dem Mauseloch, weil ihr früh genug klar ist, durch welches Loch Maus fliehen will.“

Snowcat hoffte inständig, dass Gumshoe nicht weitere Einwände vorbringen würde und sie war froh, dass Sunrise ihm nicht sofort mit Zwischenfragen zur Seite gesprungen war. Heute war der zweiter Jahrestag ihres ersten Runs mit Blackstone, sie wollte sich daran erfreuen, an die glorreichen Momente denken und nicht Rechenschaft für ihre Entscheidungen ablegen, auch wenn jeder natürlich das Recht hatte, eigene Ideen einzubringen, Vorschläge zu machen und Fragen zu stellen.

Ob Gumshoe noch etwas sagen wollte, erfuhr Snowcat nicht, denn Average lenkte vom Thema ab, indem er sagte, „Du Twinbow, wollen wir vielleicht mal die Plätze tauschen? Wenn man die Zwischenhalte, unseren Ausflug aufs Dach und meine Bewegungen in den Wagons abzieht, fahre ich nun schon seit 89 Stunden, 14 Minuten und 21 Sekunden rückwärts durch Russland. Ich habe jedem Pixel von der Wand gegenüber einen Namen gegeben und ich bin kurz davor zu beweisen, dass man an Langeweile sterben kann.“

Snowcat musste schmunzeln und allen in ihrem Abteil ging es genauso.

Auch Twinbows Stimme war die Belustigung anzuhören. „Klar! Tauschen wir.“

„Aber mach dich nicht so breit Average.“, meinte Gumshoe sofort.

„Nö, ich mach mich nicht breiter, als ich bin. Aber wir können ja die Lehne hochklappen, dann haben wir beide mehr Platz. Guck.“ 

Ein Fenster im Commlink blendete auf, denn Average sendete ihnen allen einen Kamerafeed. Offenbar filmte er durch das Fenster die vorbeiziehende Landschaft.

„Na vorwärts ist doch gleich total anderes.“, sagte Average überraschend zufrieden. 

Plötzlich schlug etwas schweres auf dem Wagondach ein, Metall kreischte, der Zug ächzte und das Abteil wurde heftig durchgeschüttelt, als der Wagen zumindest kurz die Schienenhaftung verlor. Ein weiterer Schlag traf den Wagon, Glas zersplitterte ohrenbetäubend. 

Über Averages wackelnden Kamerafeed war zu sehen, wie ein riesiger brauner, schuppiger Schwanz mit einem großen Stachel am Ende, durch das zerborstene Fenster direkt auf Average und Gumshoe zupeitschte.

Average kommentierte genervt: „Ach Kacke!“


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Wen der Stachel trifft, ob der Zug entgleist, ob, wann und wo die Runner den Kompass an ihren Auftraggeber übergeben und ob alle heil aus dieser Story rauskommen, wird demnächst hier zu lesen sein.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*