Termin 24/12 am 14.09.12 Run 40/2

Die Ereignisse fügen sich nahtlos an die des vorherigen Spieltermins an und sind aus der Sicht von Snowcat beschrieben. (Achtung, enthält Spoiler für "Dawn Of The Artifacts Part 4: New Dawn" by Catalyst Game Labs) In ein paar wenigen Punkten habe ich die gespielte Story angepasst, um sie erzählen zu können. Im Spiel wurde Snowcat zum Beispiel bei ihren Gesprächen mit den Gästen des formellen Dinners, der Teamkanal ausgeschaltet, damit sie weder durch Ton noch Text ablenkt wird und damit ihr Gegenüber nichts hören kann. Sie bekam nur noch für sie relevante Informationen schriftlich aufs Commlink gesandt. In der Beschreibung hört sie jedoch die gesamte Zeit mit -  und ich kann so das Gesagte wiedergeben. Weil es so schön sind, sind diesmal auch ein paar winzige Szenen hinzugefügt, denen Snowcat nicht beigewohnt hat. Ich hatte das schon mal als stilistische Mittel genutzt, ganz am Anfang vor fünf Jahren. Das werden aber stets Szenen sein, in denen andere Spielercharaktere nicht handeln oder nicht handeln können. 

Die teilnehmenden Runner sind übrigens alle in der Runners Hall Of Fame beschrieben.

Die Runner haben den Auftrag, Shantanyas Kompass, bestehend aus zwei Teilen, einer Kette und einer in sich drehbaren Scheibe, zu stehlen. Der Kompass wird im Rahmen einer Ausstellung in Hong Kong gezeigt. Während der Eröffnung wollen sie zuschlagen.


Tick, tack, tick, tack. 

60 mal blinkt der blaue Doppelpunkt, bis eine Minute vergangen ist. Diesmal sprang die Zahl von 04 auf 05. Um genau zu sein, auf 11:05 Uhr. 60 mal sollten es jedenfalls sein, aber Snowcat war sich nicht sicher, ob dieser Punkt nicht 61 mal blinkte, nur um sie zu ärgern. Noch 7 Stunden und 55 Minuten bis zur Red Carpet Show. Fast 8 Stunden würde die Elfe kaum etwas anderes zu tun haben, als zu warten, während der Großteil ihrer Kollegen sich auf den Strassen von Hong Kong abmühen würde, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. 

Eigentlich sollte ihr das gefallen. Sie ruhte sich aus, während die anderen arbeiteten. Aber sie war wegen des bevorstehenden Diners nun mal sehr aufgeregt und diese Aufregung hatte sich auch nicht durch das genommene Bad gelegt. 

Snowcat gähnte und blätterte mit einem Fingertip eine Seite im Hong Kong-Reiseführer um, als Sunrise und Twinbow meldeten, dass sie nun ihre Position im dem gemieteten Büroraum im 4.Stock eines Hauses gegenüber des Museum Of Ancients Art bezogen hatten. Sunrise hatte zwar weiterhin den Wingsuit dabei, aber das Team hatte den Plan abgeändert, nachdem klar geworden war, dass sich auch Sunrise für ein gutes Schussfeld nicht höher als im 4. Stock befinden dürfte. Sunrise und Twinbow würden sich nun gemeinsam abseilen.

Kaum war Twinbows Stimme erklungen, hatte Riven ihn mit „Schön von Dir zu hören, Elf D‘Amour.“ begrüßt und die beiden hatten daraufhin begonnen, heftig mit einander über den Teamkanal zu flirten. Andeutungen wurden fallen gelassen. Sie hatten offenbar auch die letzte Nacht gemeinsam in einem Zimmer verbracht, natürlich wusste Snowcat nicht, ob dort etwas gelaufen war.

Eine Weile hörte Mystique sich das, aber dann schaltete sie sich ein: „Hey, macht mal einen extra Kanal auf und verlegt euer Gequatsche dahin.“ Twinbow protestierte kurz, aber dann öffneten sie einen zusätzlichen Kanal nur für sich. Sicher eine gute Idee, zumal sie darüber auch viel intimer werden konnten. 

Über den verbliebenen Teamkanal fragte Snowcat: „Sunrise, gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass man das Dach des Museums zusätzlich gesichert hat?“

„Einen Moment bitte,“ antwortete Sunrise mit dem für ihn typischen russischen Akzent, „ich bin noch nicht mit dem Aufbau fertig. Aber dann sehe ich sofort nach.“ Er blieb auf VOX, wechselte ins Russische und intonierte feierlich: „Mein flammendes Schwert und meine Hand sollen euch richten. Ich werde Rache nehmen, an meinen Feinden und Vergeltung üben an jenen, die mich hassen. Oh Vater, erhebe mich zu Deiner Rechten und mache mich zu Deinem Richter.“

Mystique verdrehte die Augen. Snowcat schaltete ihr Micro aus und fragte: „Was stört dich?“

„Ich hab ja nichts dagegen, dass er ein Ritual hat, an irgendwas muss er ja glauben. Aber dass er das so machohaft beim Aufbau seiner Waffe über den Teamkanal macht, ist überflüssig.“

Snowcat grinste. Nun, offenbar wollte er dem Team indirekt genauso etwas mitteilen, wie Riven und Twinbow zuvor. 

Wieder auf Englisch sagte Sunrise, „Auf dem Dach des Museums tut sich nichts.“ 

Twinbow ergänzte: „Stimmt und sonst ist auch alles ruhig.“


Tick, tack. Tick, tack. 

12:18 Uhr. Blackstone und Average bestiegen das gemietete Boot. Average kam mit der Steuerung nicht sofort klar. Boote fahren gehörte noch nicht zu dem, was er alles konnte. Aber er lernte schnell und schon bald meldete Blackstone, dass sie die Bucht vom Wasser aus erkundeten, Zeiten maßen und Routen endgültig festlegten. 

Drohnen und automatische Bojen kontrollierten die Fahrrinnen, die das Boot immer wieder in seine Schranken wiesen. Da der Plan aber kein Verlassen der vorgegeben Wege vorsah, war dies kein Problem. Nur das Timing musste heute Nacht perfekt stimmen. 

Derweil präparierte Gumshoe mit geschickten Fingern die von Snowcat neu erworbene Handtasche mit dem Manasheet, dem ,Blinker‘ und der Schwimmhilfe, damit der Kompass später gut darin aufgehoben sein würde. 


Tick ... tack. ... Tick ... tack. 

13.52 Uhr. Riven und Gumshoe betraten in ihrer Verkleidung als Reporter die Strassen in der Nähe des Museums. Sie machten sich ein weiteres Mal mit der Umgebung vertraut. Dabei versteckten sie an zwei Fluchtrouten nahe am Wasser Ersatzkleidung für sich und Blackstone. Die beiden hatten je vier Smoke-Cloud -Drohnen und EMP Granaten für die Ablenkung dabei, da vor dem Museum aber noch nichts los war, konnten sie das Equipment noch nicht verstecken. 


Tick ... tack. ... Tick ... tack. 

Um 15.03 meldeten Blackstone und Average, dass sich ein Patrouillen-Boot auf der Fast Lane mit Priorität eins dem Steg des Museums näherte. Nach ein paar Minuten hatten auch Sunrise und Twinbow das Boot im Blick ihrer Zielfernrohre. Ebenso wie Riven und Gumshoe, die sich an einem höher gelegen Steg in der Nähe begeben hatten, um „eine Zigarette zu rauchen“ und wie zufällig über das Wasser blickten. Der Rest von Hong Kong schien sich allerdings überhaupt nicht dafür zu interessieren wie sich das Boot dem Museum näherte. Die Transport-Kiste wurde von fünf vollgepanzerten Polizisten der Hong Kong Police begleitet und bewacht. Knight Errant hatte erst kürzlich den Kontrakt für Hong Kong erhalten, nachdem dem Vorgänger ein peinliches Missgeschickt zu viel passiert war. Die Runner würden es heute Nacht also im doppelten Sinne mit den Ares-Soldaten zu tun bekommen, als Polizisten und als Schutz für Damien Knight. Die Männer und Frauen würden besonderes aufmerksam und strebsam sein, wenn ihr aller Boss zugegen war. 

Das gute Ausstellungsstück wurde ohne jegliche Zwischenfälle in seiner notfalls schwimmfähigen Kiste ins Museum gebracht. 

„Na man, dann hätten wie ja auch jetzt zuschlagen können.“ meinte Average mit einem leicht nörgelnden Unterton, „Wäre doch easy gewesen. Ich frag mich echt, warum wir bis heute Abend warten?“

Snowcat erklärte im ruhigen, beinahe sanften Tonfall: „Wie schlagen erst heute Abend zu, damit es dauert, bis jemand überhaupt bemerkt, dass der Kompass weg ist.“

„Naaa gut, ich sehe es ein.“ meinte Average, „aber dafür muss ich jetzt hier stundenlang auf dem Wasser rumschippern, was total langweilig ist.“

Stimmt, aber dafür kann ich auf dieses Fest gehen, dachte Snowcat. Natürlich sagte sie das nicht laut.


Tick, ... ... tack. ... ... Tick, ... ... tack. 

16.59 Uhr. Snowcat kontrollierte ihre Fingernägel. Zum wiederholten Mal, aber da war nichts mehr zu tun. Die Fingernägel waren sauber, relativ kurz und gepflegt. Eine halbe Stunde zuvor, während Gumshoe und Riven in ein Café gegangen waren, Twinbow und Sunrise weiter im Büro ausgeharrt hatten und Blackstone und Average mittlerweile ihre siebte Runde durch die fast schon mit Booten überfüllte Bucht gezogen hatten, war Snowcat mit Mystique in ein anderes Hotel gezogen, um ihre Spuren später einfacher verwischen zu können. Aber auch diese kurze Aktivität hatte nicht viel Zeit von der Uhr genommen. Snowcat sah erneut darauf. Immer noch 16.59 Uhr? Diese verdammte Uhr tickte noch langsamer, als die im Peninsula. Da endlich, Äonen waren vergangen, als die Ziffern auf 17:00 Uhr sprangen.

Fast gleichzeitig meldete Sunrise: „Auf der Strasse vor dem Museum tut sich was. Zwei Ares Patrol Cars fahren vor. - Sie parken links und rechts an der Blockecke. - Je vier Knight Errent Hong Kong Police steigen aus und sperren die Zufahrt zum Museum ab.“

Riven und Gumshoe zahlten und verließen das Café. Um 17:09 Uhr waren sie fertig. 

In weniger als zwei Stunden ging es los. 

Ein roter Teppich wurde ausgerollt. 


Tick, ... ... tack. ... ... Tick, ... ... tack.

17.30 Uhr. Nach den Patrol Cars waren zwei Citymaster eingetroffen, die die Zufahrtstrasse nun völlig abgeriegelt hatten. Eine Durchfahrt für die Limousinen hatten sie freigelassen. Je acht Knight Errent Polizisten waren ausgestiegen. Auf Hochglanz polierte, voll ausgerüstete und voll motivierte Ares Angestellte sorgten nun für einen reibungslosen Ablauf und kontrollierten eintreffende Journalisten. Langsam aber sicher trafen mehr Vertreter der Presse ein. Jeder wollte einen guten Platz haben und gleichzeitig mit der Zahl von Metamenschen auf der Strasse und den Übertragungswagen in den Seitenstrassen, stieg die Zahl von kleinen Drohnen, die sich in den Himmel erhoben. 

„Müssen wir SIN‘s vorzeigen, wen wir in die Strasse wollen?“, fragte Riven Sunrise. Ihr französischer Akzent war gut zu hören und er bildete einen starken Kontrast zu Sunrises russischen Akzent, als dieser antwortete: „Da! Das müsst ihr!“

„Merde! Avarage, mon amie, kannst Du auf die Schnelle etwas in unsere Commlinks zaubern?“

„Nein. Leider nicht. Ich bin hier auf dem Wasser so was von viel zu weit weg von Euch. Dazu müsste ich an Land.“  

Riven seufzte kurz, meinte dann aber beherzt: „Na gut, dann muss ich das eben mit meiner Magie machen.“ 

Snowcat rief den Kamerafeed von Gumshoes Schulterkamera auf und sah Riven dabei zu, wie sie sich mit selbstbewussten, sexy Gang dem Polizisten näherte, ihm kurz etwas vor die Nase hielt und dann von ihm durch gewunken wurde. Die schöne Zauberin bewegte sich durch die Menge der Reporter, so als verdiene sie damit ihr täglich Brot. Gelassen grüßte sie hier und da, und ihre Grüße wurden umgehend erwidert. Gumshoe rundete als Kameramann das Bild so perfekt ab, dass es gar nicht auffiel, dass die beiden sich jetzt wirklich überall umsahen, um gute Plätze für die Smoke-Cloud-Drohnen und die EMP-Granaten zu finden. 

„Wohin sollen die kleinen Teile?“, fragte Gumshoe, „und bringst du sie an Riven?“

„Was? Ich dachte eigentlich, das machst Du?“, erklärte Riven überrascht. „Ich bin nicht geschickt in so etwas.“ Eine kurze Pause entstand und mit viel kräftigerer Stimme, die von einem wehenden Wind begleitet wurde, fuhr Riven fort: „Aber mit Hilfe der Göttin wird es schon gelingen. Gib her! Wo sollen sie am besten hin?“

Mystique antwortete als erste, sie klang ein wenig barsch: „Die EMPs unter die Citymaster und den großen Übertragungswagen. Die Smoke-Clouds so, dass ihr Lärm aus unterschiedlichen Richtungen kommt, ihr markier euch die Punkte über AR.“

Nachdem Riven und Gumshoe ihre Runde beendet hatten, mischten sie sich unter die wartenden Reporter. Es dauerte nicht lange und Riven wurde angesprochen und zum Kaffee oder Essen nach dem Event eingeladen. Sie lehnte alle Einladungen gekonnt und charmant dankend ab. 

Twinbow kommentierte das mit den Worten: „Man, das nächste Mal mach ich den Kameramann.“ 

Average protestierte: „Kommt ja überhaupt nicht in Frage. Das nächste Mal mach ich den Kameramann, denn wenn ich in einem Spezialist bin, dann darin.“


Tick, tack. Tick, tack. 

Die letzte halbe Stunde war wie im Flug vergangen. Es war 18.00 Uhr und Zeit, sich umzuziehen. Aus Mystique war inzwischen eine unauffällige, asiatisch-elfische Schönheit geworden, die in ein ebenso unauffälliges, schlicht-elegantes dunkles Abendkleid gekleidet war.

Snowcat hatte sich für ihr neues dunkelblaues Abendkleid von Ami Feather entschieden. Das saphirblaue Oberteil des Kleides war hochgeschlossen, langärmlig und mit einem schmalen Stehkragen. Über den sechs goldenen Knöpfen waren goldene Verzierungen angebracht. Der mitternachtsblaue untere Teil des Kleides war Knöchellang und bestand aus sechs Schichten von 15cm breiten Seidenstreifen, die versetzt übereinander genäht einen geschlossenen, weiten Rock ergaben. Über den sechs Seidenschichten war eine siebten Streifenschicht aus luftigem Chiffon genäht worden, die dem Gesamtbild etwas Zartes verlieh. Je nach Lichteinfall und Bewegung, ließ der Rock hin und wieder etwas ihrer perlweißen Haut hindurch blitzen. Allerdings konnte man mehr erahnen was sich darunter verbarg und nichts wirklich erkennen. Xander hatte das Kleid nach den Anprobe mit einer zusätzlichen Schärpe um die Taille herum versehen. Diese Schärpe, deren Blau sanft von Saphirblau ins Mitternachtsblau überging, betone Snowcats knapp unter 51cm schmale Taille gekonnt. 

Von den sündhaft teuren Manolo-Stiefeln, die aus einer handgenähten Leder-Blüten-Bordüre gefertigt worden waren, war zwar nur wenig zu sehen, aber sie gaben Snowcat ein gutes Gefühl. 

Innerhalb weniger Sekunden steckte Mystique mit Magie Snowcats Haar hoch. Snowcat hatte heute einen simplen Knoten für ihr die Bändigung der schneeweißen Flut gewählt. Zwei perfekt gelockte Strähnen umrahmten ihr Gesicht. Das Make Up der Elfe war fast so dezent wie immer. Allerdings hatte sie von Mystique einen dunkelblauen Kajal und einen saphirblauen Eyeliner aufzaubern lassen und die Spitzen ihrer Wimpern waren mit einem leuchtenden Blau versehen. 


Um 19.00 Uhr fuhr die Mietlimousine vor, die Snowcat und Mystique zum Museum bringen sollte. Snowcats Aufregung wahr hoch wie selten zuvor. Nicht mehr lange, dann würde sie  sich zumindest in der Nähe gleich zweier Drachen und anderer prominenter Persönlichkeiten befinden. Ohne ihre Selbstbeherrschung wäre ihr Puls nun sicher viel zu hoch. 

Ebenfalls pünktlich um 19.00 Uhr erschienen auch die ersten Limousinen vor dem Museum und mit dem Ausstiegen des ersten Gastes begann vor dem roten Teppich das Positionieren. Jeder wollte Jeden interviewen, filmen oder zumindest gut ins Bild bekommen. Riven und Gumshoe ließen sich nicht beirren und behaupteten ihren Platz. 

Als gleich kurz nach 19.00 Uhr die Limousine der Wu‘s vorfuhr und die Quints Fo, Shui, Moak, Tuu, und Gum ausstiegen, war das Gekreische groß und das Gedränge noch größer. Die fünf Mädchen waren optisch nur durch die Farben zu unterscheiden, die sie trugen. Fo trug grüne, Shui rote, Moak gelbe, Tuu weiße und Gum schwarze Accessoires. Aber natürlich unterschieden sie sich durch ihre Art. Shui war offenbar der Medienstar, sie managte den Auftritt der Quints gekonnt und holte immer wieder ihre zurückhaltende Schwester Tuu vor die Kamera, die ein Pokerface aufgesetzt hatte. Freundlich und zuvorkommend gaben auch die Eltern ihre Interviews und nicht nur das, sie sorgten dafür, dass die größten Fans die Quints sie noch eine Weile entlang des roten Teppich begleiten konnten. 

Kurz nachdem die Wus Riven und Gumshoe passiert hatten, wurde Riven erneut von einem jungen Reporter angesprochen: „Entschuldigen Sie, dass ich kurz störe, aber kann es sein, dass wir Beide uns kennen?“

„Ich wüsste nicht woher.“, erwiderte Riven reserviert, aber höflich.

Der junge Mann streckte die Hand aus: „Ich bin Steve Sanders von BBC Scene-News und ich bin mir sicher, dass ich Ihr schönes Gesicht irgendwo her kenne. Haben wir vielleicht vor drei Monaten eine Reportage in Moskau zusammen gemacht?“

Riven verneinte.

Steve gab jedoch nicht so leicht auf. „Dann ist es vielleicht vier Monate her und dann war es in Paris?“

Ah, Paris. Steve hatte wahrscheinlich dort nicht mit Riven, sondern über sie berichtet. Da die schöne Hexe die Rolle der Reporterin so gut verkörperte, kam er jedoch nicht auf diesen entscheidenden Unterschied. 

Steve blieb weiter hartnäckig: „Hmm, ich bin sicher, ich habe sie schon mal gesehen. Vielleicht geben sie mir nachher bei einem späten Abendessen oder einem Cocktail eine Chance Sie ohne dunkle Brille zu sehen? Dann werde ich sicher schnell drauf kommen, woher ich sie kenne.“

Twinbow schaltete sich ein, natürlich konnte Steve ihn nicht hören: „Nein, wirst du nicht, denn mit Matschschädel kannst du nicht mehr denken!“

„Steve, zurück in Position! Dahinten kommt Knight!“ Steves Kameramann rettete ihn vor einem Kopfschuss, und Riven vor einer Antwort. 

Die Limousine von Damian Knight fuhr nicht bis zum roten Teppich vor. Sie hielt bereits direkt hinter der Absperrung. Zwei fast identische Bodyguards in Maßanzügen stiegen aus und öffneten Knight, der einen klassischen Smoking trug, die Tür. Zwei weiter Bodyguards folgten ihm. Man konnte den CEO von Ares, der sicher weitaus älter war, als Mitte dreißig, aber keinen Tag älter aussah, wirklich nur als distinguiert und gutaussehend beschreiben. Seine weißmelierten Schläfen und seine perfekte Haltung verstärkten diesen Eindruck. Als unsichtiger Chef ließ er es sich nicht nehmen, wenigstens einige seiner Männern zu begrüßen und ihnen die Hand zu schütteln. Erst dann machte es sich zum roten Teppich und den langsamen Gang darüber auf. 

Kurz nach Damien Knight traf die Limousine ein, in der Snowcat und Mystique saßen.

Sunrise empfing Snowcat mit den Worten: „Du siehst wirklich sehr schön aus.“

Snowcat hob kurz den Kopf und lächelte in seine Richtung. Das simpel ausgesprochene Kompliment tat mehr als gut. Auch wenn sich die Elfe ihres tollen Aussehens wohl bewusst war, war diese Situation so ungewohnt, dass diese ernst gemeinten Worte ihr wirklich halfen, abgesehen davon hörte sie immer wieder gerne Komplimente. 

Für wenige Sekunden schenkte man Snowcat auf dem roten Teppich keinerlei Aufmerksamkeit, aber dann entdeckte sie eines der Reporterteams und als wenn dies eine Initialzündung gewesen wäre, wollte bald darauf beinah jeder zumindest ein paar Aufnahmen von der Unbekannten. Direkten Fragen wich sich aus. Snowcat gab nur ihren Vornamen Cathrine preis und betonte immer wieder, wie unglaublich glücklich sie darüber sei, heute Abend hier sein zu dürfen. Die beiden Elfinnen brauchten 16 Minuten, bis sie den Eingang des Museums erreicht hatten. Die gesamte Zeit über hatte man nicht ein einziges Mal nach Mystique gerufen oder ihr gar eine Frage gestellt. 

„Bevor es noch jemand anderes tut, möchte ich auch sagen, dass Du heute wirklich wunderschön aussiehst Snowcat.“, verkündete Riven, bevor Snowcat endgültig das Haus betrat.

In der Vorhalle der Treppe des Museums Of Ancient Art wurde Champagner gereicht. Snowcat nahm dem livrierten Asiaten nur all zu gern ein Glas ab, so hatte sie doch wenigstens etwas, woran sie sich festhalten konnte. 

Wenige Minuten später erschein ein weiterer Stargast des heutigen Abends. Eine Limousine hielt und ein einzelner Asiat ohne jegliche Begleitung stieg aus. Es war in die klassischen, rot-goldenen Seidengewänder eines chinesischen Aristokraten gekleidet. Seine Gesichtszüge samt dunklen Spitzbart waren das Bilderbuch-Bild einen chinesischen Kaisers. Seine Haltung war zurückhaltend erhaben und zeugte von einer Macht, die jenseits der metamschenschlichen Vorstellung lag. Lung, der Drache in seiner menschlichen Gestalt. 

Von großen Teilen der Bevölkerung Chinas wurde der Drache sehr geschätzt. Lung war nicht einfach das chinesische Wort für Drache, Lung war das chinesische Wort für Drache, weil es ihn gab. Hoheitsvoll betrat er das Museum und begrüßte das eine oder andere bekannte Gesicht mit einem Blick. Snowcat konnte nicht anders, als kurz den Atem anzuhalten, als Lung an ihr vorbei in Richtung Treppe ging.

Lung hatte die erste Treppenstufe betreten und Snowcat wollte gerade wieder Atem schöpfen, als ein eigentümliches Rauschen am Himmel zu hören war. Alle blickten auf. Über den Trideoschirm am Eingang konnte Snowcat den Live Feed eines Hong Konger Anbieters sehen und dort flimmerte nun das Bild eines wundervoll silbernen, östlichen Drachen mit roten und schwarzen Dornen an Rücken und Schwanz, über den Schirm. Noch in der Landung verwandelte sich der Drache in seine menschliche Gestalt und kurz drauf schritt ein Samurai-Lord, wie er im Buche steht, über den Teppich, samt Zopf und verkniffenem Gesichtsausdruck, allerdings ohne Schwert. 

Wo Lung hoheitsvoll gewirkt hatte, wirkte Ryumyo gebieterisch. Was bei Lung bescheidene, fast schon metamenschliche Zurückhaltung war, war bei Ryumyo drakonische Angabe. Lungs Augen erschienen als normal metamenschlich, während Ryumyos Augen strahlend silbernen Scheiben glichen. 

Beeindruckend waren sie beide gleichermaßen. 

Snowcat atmete flach und bewegte sich nicht, um der Szene, der sie nun Zeuge wurde, nicht zur stören. 

Lung war bei Betreten des Gebäudes durch Ryumyo bereits an der obersten Stufe der Treppe angekommen. Dort drehte er sich um und wartete auf den anderen großen Drachen. Dieser schritt forsch die Stufen hinauf, Lung stets im Blick. Die Metamenschen ringsherum würdigte er keines Blickes, so als existierten sie nicht. 

Auf der vorletzten Stufe blieb Ryumyo stehen und verbeugte sich knapp und nicht sonderlich tief. Lung erwiderte die Verbeugung, wobei Snowcat sicher war, dass er die Tiefe der Verbeugung bis auf den Millimeter genau kopierte. Direkt auf Augenhöhe standen sie einander gegenüber und tauschten nun mehrere Minuten lang Komplimente und Höflichkeiten aus. Lung sprach japanisch und Ryumyo Mandarin, wobei letzterer aber die für Japan typisch abgehakte Sprachmelodie beibehielt. Das Gespräch ging extrem kultiviert und höflich zu. Snowcat konnte in der Körpersprache der beide Drachen nicht lesen, aber es war klar, dass sie keine Freunde, sondern zumindest mal Rivalen waren. Wie auf ein unsichtbares Zeichen, erklärten Ryumyo und Lung diese Unterhaltung für beendet und verbeugten sich simultan, um dann in die entgegen gesetzten Richtungen aufzubrechen. Snowcat empfand irgendwie Dankbarkeit dafür, dass es diese Möglichkeit gab, denn wahrscheinlich wäre kein Flur auf der Welt breit genug, als dass die beiden Drachen in ihrer menschlichen Gestalt nebeneinander gehen konnten. 

Ein altes chinesisches Sprichwort besagt, dass es eine Notwendigkeit ist, zu seinen Feinden höflich zu sein. 

Snowcat begann wieder damit, normal zu atmen. Mystique trat aus den Schatten heraus neben sie. Auch auf dem Teamkanal war es seid der Landung Ryumyos still geblieben, so glaubte Snowcat jedenfalls. Nun erhob Riven ihre wohlklingende Stimme und klang sehr bestimmt, als sie sagte: „Hört mal Chummers, wir dürfen das heute nicht versauen! Also reißt euch zusammen und ab jetzt keine dummen Sprüche mehr. Dadrin mit Snowcat sind zwei gottverdammte Drachen. Wenn heute Abend irgendetwas schief geht und wir erwischt werden, dann haben wir echt ein Problem!“

Wohl gesprochen!

Snowcat stellte gerade ihr zur Hälfte geleertes Champagnerglas auf einem Tablett ab, als Sunrise meldete, „Ein Hubschrauber nähert sich dem Museum.“ und tatsächlich war nun auch das charakteristische Geräusch dazu zu vernehmen. Erneut blickte die Menge nach oben. 

„Da springt tatsächlich einer mit einem Fallschirm raus.“, beschrieb Gumshoe ruhig. Kurz darauf landete der Gesprungene sicher direkt auf dem roten Teppich. Er trank sein Cocktailglas aus, welches es schon beim Sprung in der Hand gehalten hatte und übergab das leere Glas einem verblüfften Reporter. Dann streifte er gekonnt die Gurte samt Flightsuit ab. Darunter trug der Mann, der aussah als wäre er Mitte dreißig, einen top modernen Smoking, der mit einer Menge Extravaganz versehen war. Nicht jeder hätte diesen Anzug tragen können, aber Johnny Spinrad, seines Zeichens Multimilliardär und Playboy sah verboten männlich darin aus. Selbstbewusst schenkte er den Menge sein strahlendes Lächeln. Seine weißen Zähne kamen in dem gebräunten Gesicht gut zur Geltung. 

Laut offiziellen Informationen war Johnny Spinrad bereits weit über 70. Jahre alt. Was man ihm dank moderner Technik weder ansah noch anmerkte. Sein rechter Arm war offensichtlich ein Cyberarm und auch sonst sollte der Multimilliardär so einiges an Cyber- und Bioware besitzen. Allerdings hatte er sich das nicht nur einsetzten lassen, weil er die entsprechenden Firmen dazu besaß. Nein, Spinrad hatte, so hieß es zumindest, zwei von Lofwyr persönlich in Auftrag gegebene Attentate überlebt. 2063 hatte man es mit eine Autobombe versucht und 2064 mit einem spektakulären Snowboard-Unfall, der eine gewaltige Lawine ausgelöst hatte. Doch das alles hatte Spinrad bei seinem Siegeszug durch Europa nicht stoppen können. Also hatte Lofwyr die Taktik gewechselt und einen seiner besten Agenten geschickt: Claudia Romanov. Die schöne Elfe hatte eine Affäre mit Johnny begonnen, später eine Vaterschaftsklage gegen ihn geführt und gewonnen. Diese Tatsache hatte für die Lösung der Verlobung mit Prinzessin, jetzt Königin von England, Caroline gesorgt, was dem Playboy nicht nur seine Beliebtheit in England völlig gekostet, sondern Spinrad Industries auch daran gehindert hatte zu der Nr 1 in Großbritannien zu werden. Lofwyr schien damit zufrieden gewesen zu sein, denn weitere Anschläge in seinem Auftrag hatte es nicht gegeben. 

Als Johnny scherzend und plaudernd seinen oft geübten Walk über den roten Teppich begann, hielt Snowcat es für den richtigen Zeitpunkt die Vorhalle zu verlassen und den anderen Gästen hoch in den Empfangssaal zu folgen. 

Hier oben hatten sich die Gäste bereits zu kleinen Grüppchen zusammengestellt. Neben dem Champagner wurden hier auch diverse Aperitife, alkoholfreie Getränke und kleine Häppchen serviert. Snowcat überlegte kurz, sich einfach frech zu einer Gruppe dazu zu stellen. Zum Bespiel zu Damien Knight, der gerade mit Dr.Dr. Benett sprach, dann entschied sie sich aber dagegen. Mystique verabschiedete sich auf die Toilette, um sich ,das Näschen zu pudern‘ und um dabei zu überprüfen, ob sich seit vorgestern irgendetwas verändert hatte. Snowcat sah sich mit dem gebotenen Erstaunen um, das vorgab, sie wäre noch nie zuvor in ihrem Leben in diesem schönen viktorianischen Gebäude gewesen.

Etwas weiter hinten entdeckte sie Lung, der sich mit Familie Wu unterhielt. Außerdem konnte sie nicht umhin, eine rothaarige Elfe zu bemerken, die in einem spektakulären FaeWeave-Kleid, hoch erhobenen Hauptes durch den Raum stolzierte und all jene mit Missachtung strafte, die keine Elfen waren. Sie wäre als wunderschön zu bezeichnen gewesen, wenn sie ihren Rassismus nicht dermaßen zur Schau getragen hätte. ,Jenna NiFaira, ehemalige Prinzessin von Tir Taingire‘ lass Snowcat vom Display ihres Commlinks ab, was ihre Vermutung bestätigte. Um nicht Gefahr zu laufen von Jenna als Elfin bemerkt zu werden, drehte Snowcat sich um, lehnte dabei jegliche Speisen und Getränke ab und betrachtete die hier an den Wänden hängenden Kunstwerke genau. Als sie als Shibuya-Mädchen hier gewesen war, hatte sie dazu keine Gelegenheit gehabt,

Beim zweiten Bild angekommen, wurde Snowcat von einer wohlklingenden, männlichen Stimme im ruhigen Ton von hinten angesprochen: „Diese extrem seltene Färbung habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Es freut mich, dass sie zu den Metamenschen zurück gekehrt ist.“

Snowcat wandte sich in einer eleganten Drehung ohne Hektik um und stand zu ihrer großen Überraschung Lung gegenüber. Es verschlug ihr den Atem, was sie mit ihrer Selbstbeherrschung schnell unter Kontrolle bekam. Den Impuls wegzulaufen, auf die Knie zu fallen oder freudig aufzukreischen, konnte sie ebenfalls unterdrücken. Allerdings half ihr all das nicht dabei, die richtigen Worte zu finden. Eigentlich waren da überhaupt keine Worte mehr in ihrem Kopf. Nicht ein einziges. Schnell überbrückte sie diesen Umstand mit einer tiefen Verbeugung, wie sie China üblich war. Snowcat verbeugte sich so tief und respektvoll, wie es möglich war, ohne kriecherisch zu wirken. Was für ein Glück, dass sie sich für ein so hoch geschlossenes Kleid entschieden hatte.

Mystique fand Worte, sie blieb zwar unsichtbar, erklärte dem Team jedoch: „Lung ist gerade an Snowcat herangetreten!“

Unterschiedliche Bemerkungen über den Äther trudelten ein, aber Riven sagte barsch: „Klappe halten, ich will hören was Snowcat sagt.“

Genau, sie musste etwas sagen. Danke, dass ihr mich bemerkt habt, war wohl nicht ganz das Richtige? Andererseits, vielleicht doch: „Es ist mir eine Ehre, Euch kennen zu lernen und ich kann für meine Unbeholfenheit einfach nur um Entschuldigung bitten.“

Snowcats Herz wollte rasen, sie konnte nur hoffen, dass ihre Selbstbeherrschung hielt. Andere Fähigkeiten funktionierten nämlich schon mal nicht. Sie konnte die Körpersprache ihres Gegenübers nicht einmal ansatzweise deuten. War das da eben die Andeutung eines Lächelns gewesen? Oder irrte sie sich? Nun, Lung ließ sie weder stehen, noch riss er ihr den Kopf ab. Sie hatte ihn zumindest nicht beleidigt. Er half ihr sogar weiter, indem er sie etwas fragte, worauf sie antworten konnte. „Hatten sie schon die Gelegenheit etwas von Hong Kong zu sehen?“

Snowcat lächelte zurückhaltend charmant, wechselte ins Mandarin und antwortete: „Ja ein wenig. Aber bei Weitem nicht genug. Schon allein der Blick über die Stadt aus dem Flugzeug beim Anflug auf den Flughafen ist eine Reise wert. Und ich möchte morgen unbedingt noch dem Garten auf dem Viktorias Peak einen Besuch abstatten. Er soll wunderschön sein.“

„Das ist er. Wenn sie das tun, dann sollten sie zur Stunde des Kranichs zugegen sein und ihren Blick dann nach Osten wenden. Der Anblick wird sie Kraft und Energie spüren lassen und ihrem Chi gut tun.“ auch er sprach nun Mandarin.

Snowcat verbeugte sich erneut, diesmal allerdings nicht ganz so tief. „Vielen Dank für den Tipp, ich werde ihn beherzigen.“ Lauter japanische Themen kamen Snowcat in den Sinn, aber in einen solchen Fettnapf würde sie nicht springen. Um das Gespräch am Laufen zu halten, fügte sie hinzu, „Zu den Dingen, die ich hier in Hong Kong unbedingt tun möchte, gehört auch, einen Markt zu besuchen, um dort Tinte und Kalligrafie-Pinsel zu erwerben, denn ich habe gehört, die Auswahl an diesen Dingen soll hier unvergleichlich groß sein.“

Lung ging auf das Thema ein und nun unterhielten sie sich über Pinsel, Pinselhaare,Tinte und Kalligrafie. Ein Parkett auf dem sich Snowcat zumindest einigermaßen auskannte und ihren Kunstverstand zeigen konnte. Sie sprachen weiter Mandarin, was für Snowcat nicht ganz einfach war, da sie die Sprache mit ihren vielen gleich klingenden Worten von unterschiedlicher Bedeutung nicht sonderlich gut beherrschte. Zumal Lung den Schwierigkeitsgrad weiter anhob, indem er wohl gewählt immer mehr dieser Worte nutzte, was zu beabsichtigten Doppeldeutigkeiten führte. 

Obwohl die Runner dem Gespräch nicht folgen konnten und selbst wenn, dann würden sie es sicher langweilig finden, quatschte Snowcat niemand dazwischen. Das war auch mehr als gut, denn sie brauchte jeden Funken Konzentration, um den Faden nicht zu verlieren. Lung schien ein gutes Gespür für Snowcats Sprachfähigkeiten zu haben, denn als sie ihre Grenze erreicht hatten, zog er den Level nicht weiter an und vermied so, sie bloßzustellen. 

„Es freu mich zu sehen, dass Sie so gar nicht dem westlichen Klischee entsprechen!“, schloss Lung das Thema.

„Und es freut mich zu hören, dass ich das nicht tue.“, erklärte Snowcat.

„Wenn sie einmal die Thai Chan Region besuchen, wäre ich erfreut, ihnen dort einige Künstler vorzustellen.“

Snowcat konnte es nicht fassen, das war ja schon fast eine Einladung gewesen. Sie verbeugte sich abermals und erwiderte: „Das wäre mir ein überaus großes Vergnügen.“

Wie aus dem Nichts trat Johnny Spinrad zu ihnen heran. Er hatte zwei volle Gläser Champagner in der Hand und sagte auf Englisch, in einem lockeren Tonfall, mit dem man alte Bekannte begrüßte: „Hallo Lung!“

Zunächst glaube Snowcat, Lung würde einfach gar nicht auf den Mann reagieren, aber mit einer Zeitverzögerung wandte er sich ihm zu, deutete ein Kopfnicken an und begrüßte ihn kühl mit: „Guten Abend Mr. Spinrad!“

Spinrad strahlte Lung an „Ach, Johnny reicht. - Ich habe gehofft, Sie würden mir vielleicht ihre bezaubernde Begleitung für den heutigen Abend vorstellen, wenn ich rüber komme.“, meinte er mit der Begeisterung eines Jungen in der Stimme.

Snowcat überlegte fieberhaft, was sie nun sagen sollte. Musste sie sich vorstellen oder konnte sie Johnny trotz Lungs Gegenwart ins Abseits laufen lassen? Doch Lung antwortete bereits, bevor Snowcat mit ihren Überlegungen fertig war. „Das ist Miss Frost und ob sie meine Begleitung ist, haben wir noch nicht ausgehandelt.“, er verbeugte sich leicht in Richtung von Snowcat und verabschiedete sich so.

Snowcat verbeugte sich lange und tief. Sie benötigte die Zeit schon allein, um die Tatsache zu verarbeiten, dass Lung den Namen ihrer SIN gekannt hatte. Als sie sich wieder aufrichtete hielt ihr Spinrad ein Glas hin und begann ohne Umschweife mit einem Gespräch: „Was führt eine bezaubernde Frau, wie Sie hierher?“

Snowcat nahm das Glas, trank vorsichtig einen Schluck, aber sie schmeckte wirklich nur Champagner, worauf sie einen zweiten größeren Schluck nahm, ihre Kehle war wirklich trocken. „Ich bin natürlich wegen der Ausstellung hier.“ Sie ließ ein wenig Arroganz in der Aussage mitklingen. 

Johnny ließ das einfach abprallen. „Miss Frost, dass klingt wirklich schön.“ er legte ein Pause ein. 

Snowcat wusste vorauf er hinaus wollte und sie tat ihm den Gefallen. „Cathrine reicht.“, sagte sie schmunzelnd.

„Cathrine, ich bin natürlich auch wegen der Ausstellung hier. Wie wäre es, wenn wir sie uns gemeinsam ansehen? Und ich das Ganze mit ein wenig Klatsch und Tratsch über die Anwesenden würze.“ Er bot Snowcat den Arm an und Snowcat konnte nicht anders, als ihn anzunehmen. 

„Der beisst sich jetzt fest.“, kommentierte Mystique das Geschehen. „Ich halte dann mal Abstand!“

„Aber behalte sie im Auge!“, wies Blackstone an. 

„Copy!“, kam es zurück.

Johnny war wirklich gut darin Smaltalk zu machen. Snowcat musste höllisch aufpassen, um nicht in eine seiner Fallen zu tappen und dabei zu viel von sich preiszugeben. Eben sprach er noch von Kunst, von der er tatsächlich etwas verstand, dann wechselte er abrupt das Thema: „Wo sind Sie in Hong Kong untergekommen?“

Snowcat lächelte verschmitzt und antwortete zögerlich. „In einem Hotel.“

„In welchem?“

Snowcat verzog amüsiert das Gesicht und legte den Kopf leicht schief: „Das geht Sie eigentlich nichts an! Warum wollen Sie das überhaupt wissen?“

Johnny riss die Augen auf: „Was? Warum darf ich das nicht wissen? Trauen sie mir etwa nicht? Egal, in dem Hotel ist es niemals so schön, wie auf meiner Yacht. Meiner neuen Segelyacht. Auf die möchte ich Sie gerne einladen. Wie wäre es, wenn Sie mich im Anschluss an dem Empfang dahin begleiten?“

„Nein, ich glaube nicht.“

Johnny kniff kurz die Lippen zusammen. „Verstehe. Das geht wohl zu schnell. Dann eben morgen. Und ich bringe sie mit der Yacht auch wohin sie wollen. Sogar nach Boston! Auch wenn wir dann vielleicht zwischendurch umsteigen sollten!“ Im Geist schien Spinrad schon die Route zu planen. Snowcat hatte zuvor ihrer SIN entsprechend Boston als Antwort auf die Frage, woher sie komme, gegeben. 

Snowcat schüttelte den Kopf: „Das geht allein schon aus Zeitgründen nicht. Ich habe übermorgen bereits einen Termin in Boston.“

„Was für einen Termin? Müssen sie wieder arbeiten? Wo arbeiten Sie denn überhaupt?“

„Ich bin freischaffender Künstler!“

Johnny blickte kurz enttäuscht drein: „Schade, dann kann ich die Firma gar nicht kaufen und Sie im Anschluss in einen sehr langen bezahlten Urlaub schicken.“ Seine Enttäuschung verflog so schnell, wie sie gekommen war, „Aber wenn sie freischaffend sind, dann gibt es doch auch keine Termine, die sie nicht absagen können!“

Snowcat erwähnte nun ungeschickter Weise eine Termin bei einem Galeristen, da Johnny sich mit einem „Das geht Sie nichts an!“ einfach nicht zufrieden geben wollte. 

„Und sie wollen den Galeristen treffen, damit er eine Vernissage für sie organisiert.“ 

Snowcat lächelte zufrieden. „Genau!“

Johnny lächelte noch viel zufriedener zurück: „Na die Antwort kann ich Ihnen geben. Er sagt ja und das sagt er auch noch, wenn sie erst in ein paar Wochen nachfragen.“ 

Snowcat zog skeptisch die Stirn in Falten: „Woher wollen Sie das wissen?“

Der Multimilliardär kam Snowcat näher und nahm intensiven Augenkontakt auf, was er wirklich gut konnte, denn in Snowcat Bauch kribbelte es kurz: „Woher ich das weiß? Sie werden doch sicher gelegentlich auch an einen Spiegel vorbei kommen und ich bin sicher, sie werfen hin und wieder auch mal einen Blick hinein. Dann ist Ihnen bestimmt doch schon aufgefallen, was für ein bezauberndes Wesen sie von dort aus anblickt. Wenn dieses bezaubernde Wesen nun zu einem Galeristen geht und ihn nach einer Ausstellung fragt, dann gibt es keinen Galeristen auf der Welt, der nicht sofort ja sagt, ohne überhaupt ein Bild gesehen zu haben.“

„Hmm? Und wenn ich nun möchte, dass er meine Bilder ausstellt, weil sie gut sind und nicht, weil ich ein hübsches Gesicht habe?“, schon im Anschluss ihrer Worte merkte Snowcat, dass sie Johnny mit dieser Gegenfragen den Ball zugespielt hatte. 

„Na dann ist es doch erst Recht besser, wenn Sie gar nicht zu diesem Termin auftauchen. Am Besten ist es wohl, ich rufe selber bei dem Galeristen an und verschiebe den Termin oder noch besser, ich sage ihn ab und mache stattdessen einen Termin mit einem  Galeristen und Freund von mir in London aus. Waren sie schon mal in London?“ 

Als die Zeit für das Dinner gekommen war, ließ er sich Snowcats Platz zeigen, nahm ihren TAG ab und tauschte ihn ohne zu zögern mit dem seines Tischnachbarn aus.

So hörte Snowcat die Reden zur Eröffnung an der Seite von Johnny Spinrad, der wirklich ein angenehmer Unterhalter und charmanter Gentleman war. Die Ausstellung und die Reden schienen ihn zu interessieren. Bis nach der Vorspeise hatte Snowcat es dann endlich geschafft, Spinrad davon zu überzeugen, das Thema Vernissage und Yacht zumindest bis auf morgen zu verschieben, wo er sie zur Stunde des Kranichs um 14.00 Uhr im Park auf dem Viktorias Peak treffen würde. 

Natürlich hatte Snowcat den einen oder anderen spaßigen Kommentar ihrer Runnerkollegen über sich ergehen lassen müssen. Selbst das Wort ,Heiratsantrag‘ war das eine oder andere Mal gefallen. Johnny bot Snowcat für heute Abend eine wirklich gute Tarnung, aber es war klar, dass Mystique nun den Diebstahl und den Wasserwurf würde ausführen müssen, denn Spinrad würde so schnell nicht von Snowcats Seite weichen. 

Die Zeit verging wie im Flug und mit jedem Bissen des Nachtischs stieg Snowcat Aufregung erneut. 

Sunrise meldete: „Sie öffnen jetzt die Vorhänge. Ich kann den Kompass sehen. Macht Euch bereit.“

„Copy!“, kam es sechsfach zurück. Average passte den Kurs des Bootes an, Gumshoe und Riven zogen sich etwas zurück, Twinbow und Sunrise schnitten Schießscharten in die Fenster, Blackstone tauchte ab, Mystique suchte erneut die Toilette auf - und Snowcat lächelte Johnny Spinrad charmant an. 


Badam.  ... Badam. ... Badam. Einatmen, ausatmen. Badam. ... Badam. ... Badam.

Rund 60 bis 100 mal schlägt das Herz eines durchschnittlichen Metamenschen in einer Ruhephase pro Minute. Wobei er in dieser Zeit 12 bis 15 mal einatmet. Je nach Metatypus und Ausdauer, kann die Herzfrequenz auch über oder unter dem Wert liegen. Eine trainierte Elfe wie Snowcat kam auf einen Ruhepuls von ungefähr 45 Schlägen pro Minute. 

Als sie nun am Arm von Johnny Spinrad die Treppe in den 3.Stock empor ging, wollte ihr Herz vor Aufregung schneller schlagen, als es die geringe Anstrengung erforderte. Aber Snowcat ließ das nicht zu. Sie kontrollierte ihren Puls. Sie kontrollierte ihren Atem. Einatmen, ausatmen. 

Mystique schickte Snowcat ein Signal, und unbemerkt von den Metamenschen oder Drachen in ihrer Umgebung und ebenso unbemerkt von Johnny Spinrad, wechselten zwei Handtaschen ihre Besitzerin. 

Feierlich zerschnitt Mrs. Benett unter Applaus das Band, und die geladenen Gäste strömten unter ,Ahs‘ und ,Ohs‘ in den Ausstellungsraum.  

„Ich sehe euch gut.“, meldete Sunrise.

„Ich sehe euch auch!“, bestätigte Twinbow.

Johnny wandte sich mit Snowcat einem Ausstellungsstück zu. Sunrise und Twinbow befanden sich nun quasi in ihrem Rücken. 

„Alle bereit?“, fragte Sunrise. Die ,Copys‘ trafen umgehend ein. 

Sunrise fuhr fort: „Ich sehe Mystique. Mystique, Du gibst mir das Startsignal. Alle anderen: auf mein Zeichen...“

Badam. ... Badam. .... Badam. Einatmen, ausatmen.

Wahrscheinlich würde Sunrise auch in diesem Moment seine Atmung auf die selbe Weise kontrollieren.

„Go!“

Snowcat drückte ihre wahren Emotionen in den Hintergrund, sie wusste, dass sie auf keinen Fall zu früh reagieren durfte. Zu spät ja, aber auf keinen Fall zu früh. Allerdings stand das genau im Gegensatz zu ihren Instinkten.

Ein gedämpftes ,Bum‘ war zu hören und dann brach auf der Strasse vor dem Museum die Hölle los: „EMPs gezündet, Drohnen schlagen Krach.“ lass Snowcat die Erfolgsmeldung. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte hier drinnen noch niemand etwas bemerkt. Dann zerschmetterte Sunrises erster Schuss eine Scheibe auf der Frontseite und schlug dann in die hintere Scheibe ein. Dicht gefolgt von einem zweiten Schuss, der auch die hintere Scheibe bersten ließ. Der Wurfweg war frei. 

Twinbow verkündete gelassen. „Es regnet Drohnen!“, offenbar hatte er einen seiner EMP-Bolzen benutzt.

Erste Aufschreie und erste Bewegung machte sich im Ausstellungsraum breit, einige warfen sich zu Boden. Snowcat drehte sich mit einem entsetzten Blick langsam um. 

Einatmen, ausatmen. 

Gumshoe berichtete: „Die Bodyguards von Damien Knight rennen zum Museum.“

Sunrises dritter und vierter Schuss zerstörten die Vitrine in dem der Kompass lag. „Glaskasten offen.“ sagte er ruhig. 

Ein Bolzen von Twinbow sauste ebenfalls in den Raum, er traf einen Gast mitten in der Brust und warf ihn aufstöhnend um. Rauch breitete sich aus. 

Snowcat hatte sich gerade dazu entschieden, sich nun ebenfalls fallen zu lassen, als Spinrad das gepanzerte Jackett seines Smokings auszog, es über ihrer beider Kopf legte, Snowcat aber nicht zu Boden warf, sondern sie schnell zwischen zwei Fenster schob und sie dort runter drückte. 

Average meldete sich. „Ich hab hier ein gepanzertes, bewaffnetes und mit sechs Mann besetztes Schnellboot, was auf den Steg des Museums zujagt. - Man warum ist mein Schreißboot eigentlich nicht geriggt?“  

Shit.

Sunrise zerschoss eine weitere Scheibe und eine eine weitere Vitrine. Niemand schrie getroffen auf. 

Weiter hinten im Raum trat mehr Rauch auf.

Badam, badam, badam, badam, badam, badam. Einatmen, ausatmen. 

Snowcat blieb ruhig zusammen gekauert dort, wo sie war, wobei sie versuchte möglichst zerbrechlich zu wirken. 

Mystique verkündete: „Paket ist gewassert!“

Gumshoe beschrieb: „Die Bodyguards betreten jetzt das Haus, sie sind schnell und werden bald da sein.“

Ein weiterer Schuss, ein weitere Bolzen und mehr Glas ging zu Bruch, dann sagte Sunrise: „Wir brechen hier unsere Zelte ab und machen uns vom Acker.“

Wieder bestätigte Twinbow: „Stimmt, wir packen. Aber Sunrise, hast die violette Patrone mit dem V absichtlich abgelegt oder ist dir die aus der Tasche gefallen?“ 

Sunrises Antwort kam kurz und emotionslos: „Markenzeichen!“

Einatmen, ausatmen.

„Ich hab das Päckchen!“ kam es von Blackstone.

Durchatmen.

Wieder kam eine Nachricht von Gumshoe: „Das Gebäude wird jetzt bis auf die Eingangstür komplett von einem Energiefeld umschlossen.“

Aber UC war schneller gewesen. 

Kurz darauf meldete Average sich erneut: „Zwei der Männer vom Boot haben sich rückwärts ins Wasser gelassen. Ich glaube, die verfolgen Blackstone! Ich fahr ihm mal entgegen, wenn ich das Boot ordentlich in Gang bekomme.“

Shit. 

Sprinrad blickte Snowcat ins Gesicht und sagte deutlich: „Cathrine, ich bringe sie jetzt hier raus! Lassen sie sich einfach von mir führen.“ Snowcat sah ihn dankbar an und nickte. 

Von Sunrise kam die Information: „Twinbow und ich sind unten. Verschwinden jetzt auf unseren Primärrouten!“

„Stimmt,“ bestätigte Twinbow, „Aber Du solltest auch noch die Gurte abnehmen, bevor wir und trennen!“

„Da!“, lautete die knappe Antwort.

Badam, badam, badam, badam. Einatmen, ausatmen.

Das Commlink blieb unendliche Sekunden lang still. Spinrad hatte sich wirklich geschickt verhalten. Sie verließen den Ausstellungsraum, noch bevor die allgemeine Massenflucht eingesetzt hatte. Am Treppenabsatz trafen sie auf Mystique, die an der Stirn blutete. Johnny wäre sicher einfach an ihr vorbei gegangen. Doch als Snowcat Mystique ansprach und fragte: „Lucy, geht es Dir gut?“, führte er sie zielstrebig beide die Treppe hinunter. Die fünf Bodyguards von Damien Knight stürmten an ihnen vorbei. 

Endlich meldete sich Average: „Ich bin gleich bei Blackstone, aber ich glaube, die Verfolger sind noch dran.“

Snowcat murmelte: „Bei der Göttin, irgendjemand muss da hin!“

Riven erklärte: „Ich mach mich zum Boot auf, aber nur, wenn bei Snowcat alles in Ordnung ist und sie sicher da weg kommt.“

Snowcat wandte sich Mystique zu und fasste sich an den Hals, um sicher zu gehen, dass sie auf VOX war: „Keine Sorge. Wir schaffen das. Wir kommen alle sicher hier raus.“ 

Mystique brabbelte in heilloser, perfekt gespielter Panik zurück: „Ja, genau, wir schaffen das, kommen alle raus.“

Johnny schob sie beide vor sich her, „Um ihre Verletzung kümmern wir uns bald. Jetzt müssen wir hier weg.“ 

Riven hatte verstanden: „Copy!“

Blackstone Stimme klang durch das soeben ausgespuckte Mundstück gedämpft, „Average, gibt Gas!“

Snowcats Aufregung und ihre Sorge stieg, ihr Herz wollte wie wild klopfen und sie ließ es zu. Es schadete sicher nicht, wenn Johnny ihre Aufregung spürte. Er hatte soeben den Arm um sie gelegt. Er stützte sie und sie lehnte sich dagegen, so als brauche sie seinen Schutz. 

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, - keine Erfolgsmeldung vom Blackstone und Average. Verdammt.

Snowcat hörte Bewegung auf dem Boot. Schüsse aus Averages Waffe. Mystique jammerte. Snowcat nahm Stufe um Stufe. Unten fuhr eine prächtige Limousine vor. 

Blackstone atmete schwer. Dann die Meldung, „Bin drin.“ Doch kurz darauf ein Aufschrei von Average, sein Biomonitor meldete Schaden. 

Oh nein. 

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, badambadambadam. Oh bitte, Riven, beeil Dich!

„Ach Du scheiße, ist die schnell!“ sagte Gumshoe hörbar beeindruckt. 

Johnny Spinrad drückte Snowcat sanft in die Limousine, dann bedeutete er auch Mystique einzusteigen, erst dann stieg er selber hinzu. Augenblicklich setzte sich die Limousine in Bewegung. Doch Snowcat hatte keinen Blick für den wundervollen Eurocar President übrig. Sie hatte schon beim Einsteigen Blackstones Kamerafeed aufgerufen.

Genau als er endlich durchgeroutet wurde, zeigte Averages Biomonitor eine Nulllinie. 

Oh nein, bitte nicht schon wieder.

Aber auch Blackstone hatte laut seines Monitors eine Verletzung einstecken müssen. Snowcat sah nun, wie zwei Männern in gepanzerten Taucheranzügen mit dunklen Ares-Firewatch-Amphibious-Patches auf der Brust und mit Ares Waffen im Anschlag über Blackstone standen, - offenbar lag er auf dem Boden des Bootes. Einer von ihnen sagte: „Lass Deine Waffe fallen Du Freak, sonst bist du tot!“

In dem Moment verkündete Riven: „Bin da!“

Blackstone hob langsam sein Schwert und meinte ruhig: „Okay, ich lass die Waffe fallen!“

Doch die letzte Worte gingen in einem Sturmbrausen unter, denn Riven sagte: 

„Lasssst ... den ... Zwerg ...“, hätte auch nur einer der beiden Guards die Zeit gehabt, sich umzudrehen, ihm wäre das Blut in den Adern gefroren, denn die zarte, schwebende Gestalt von Riven wurde sichtbar, ihre Kleidung und ihr Haar flatterten im Wind und auf ihrem hübschen Gesicht lag ein Ausdruck wilder Entschlossenheit und purer Macht. 

„... in...“, zwei gewaltige Strahlen magischer Energie lösten sich aus den Händen der Zauberin und ließen die Köpfe der beiden Männer wie reife Melonen, die man von einem Hochaus geworfen hatte, zerplatzen „... Frieden!!!“

Es dauerte noch einen Moment, bis die Energie, die sie umgab erlosch, dann schwebte sie zu Boden und ließ sich neben Blackstone auf dem Boden des Bootes nieder. Der dunkelhäutige Zwerg hatte bereits ein Medkit gezogen und damit begonnen, Average zu stabilisieren. „Ich hab unser Teil übrigens noch!“, meldete er dabei gelassen. 

Erleichtert ließ sich Snowcat in den Sitz der Limousine zurückfallen. Auch Spinrad zog gerade ein Medkit aus einem Schränkchen hinter einer Verkleidung hervor und versorgte die Schnittwunde an Mystiques Stirn. Dann wählte er eine Karaffe aus der reichhaltigen Bar aus und goss den beiden Damen ein. 

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt verkündete Riven, dass Average sich wieder unter den Lebenden befand: „Es sieht zwar noch schlecht aus, aber er packt das schon.“

Sunrise fragte: „Echt, er sieht schlecht aus und dann ist er auch noch verwundet. Der Arme!“

Snowcat unterdrückte ein Lachen und nahm dankbar einen Schluck aus dem dargebotenen Glas. „Ein wirklich schönes Auto haben Sie hier, Johnny.“ meinte Snowcat mit einem leichten Lächeln. „Oh, und ehe ich es vergesse.“ Sie lächelte Spinrad nun aufrichtig und warmherzig an. „Vielen Dank!“

Johnny strahlte: „Gern geschehen. Die Limousine ist übrigens nichts im Vergleich zu meiner Segelyacht. - Und wenn sie mir jetzt den Name des Hotels verraten, in dem sie untergekommen sind, dann lasse ich sie direkt bis dorthin bringen.“

Snowcat nannte ihn den Namen, jedenfalls den des Hotels in dem sie erst vor wenigen Stunden eingecheckt hatte.

Einatmen, ausatmen, - entspannen.


Nicht mal eine Stunde später trafen sie sich alle wohlbehalten in dem für sie gemieteten Konferenzraum des Peninsulas. Mystique kam als letzte und nickte Snowcat zu. Snowcat war froh ihre Freundin so wohlbehalten wieder zu sehen. Twinbow warf sich auf die Couch und meinte: „Riven Du siehst echt Scheiße aus.“

„Danke mein Schatz, du auch.“ konterte Riven und ließ sich dann neben ihm auf die Couch fallen. 

Average suchte einen der Sessel aus und ließ sich mit einem Schnaufen darin nieder. Der Rest des Teams gruppierte sich am Konferenztisch. Snowcat ließ sich von Blackstone die Handtasche geben und warf einen astralen Blick hinein. Der Kompass leuchtete strahlend hell. Sie nickte zufrieden und legte die Tasche vor sich auf dem Tisch ab.

Sunrise eröffnete die kurze Nachbesprechung mit den Worten: „Das ist alles sehr gut gelaufen. Wir waren wirklich gut.“

„Ja, bis auf das mein Scheißboot nicht geriggt war.“, erwiderte Average.

Mystique brauste ein wenig auf: „Sag mal Du Trottel, warum hast du denn kein geriggtes Boot gefordert?“

Der füllige, farbige Mann zuckte gelangweilt mit den Schultern. „Ich weiß nicht, all meine Fahrzeuge sind geriggt, ich dachte, das versteht sich von selbst.“

Mystique wollte etwas sagen, doch Snowcat hob beschwichtigen die Hand: „Lass gut sein, es wäre meine Aufgabe als Teamleader gewesen, darauf zu achten, dass Average ein geriggtes Boot bekommt. Dafür kenn ich ihn nun lange genug.“

Mystique nickte und sagte nichts weiter.

Snowcat ließ ihren Blick über die Dreiergruppe in der Sitzecke schweifen. Twinbow hatte recht, Riven sah mitgenommen aus, aber sie hatte auch kurz zuvor gleichzeitig zwei mächtige Zauber rausgelassen. Unglaublich was für eine Macht in dieser zarten Person steckte.

Sunrise und Mystique hatte sich in dem Job richtig bewährt. Natürlich hatte Snowcat bei Mystique noch ganz eigene Argumente, die dafür sprachen, sie später fest ins Team zu holen. 

Und Average? Snowcat hatte das eben nicht nur so dahin gesagt, sie hätte darauf achten müssen, ein geriggtes Boot anzufordern, aber dieser Fehler würde ihr gewiss kein zweites Mal passieren. 

Gumshoe hatte seine Stärken erneut nicht sonderlich oft zeigen können, aber ohne ihn hätten sie keine so gute Handtasche gehabt. Er war vielfältig einsetzbar und arbeitete professionell.

Snowcat wandte sich wieder laut an ihr Team: „Wir haben wirklich gute Arbeit geleistet und  eine wahre Glanzleistung hingelegt. Ich bin stolz auf uns! Wäre das Boot nicht gewesen, wäre sogar alles perfekt gelaufen.“

„Ach, zu perfekt ist gar nicht gut.“ meinte Gumshoe trocken grinsend.

Snowcat lächelte: „Jedenfalls hätte ich das mit dem Boot besser eingeschätzt, dann hätte ich gleich Anweisung gegeben, das Teil mit der Armadillo auszuschalten. Genau dafür hatte Average sie doch ursprünglich an Bord.“, aber auch ein solcher Fehler würde ihr kein zweites Mal passieren. 

Blackstone sah Snowcat ernst an: „Ich kann gar nicht glauben, dass es das diesmal schon gewesen sein soll. Bei diesen Artefakten war es doch bisher immer so, dass irgendwas nachkam.“

Mystique hob eine Augenbraue und Gumshoe meinte nur: „Nun beschrei es doch nicht!“

Snowcat erhob sich: „Ich werde mal mit unserem Auftraggeber sprechen.“ Die Elfe setzte sich an das andere Ende des Konferenztisches, wandte dem Team den Rücken zu, schaltete den Lautsprecher aus, die Verschlüsselung ein und wählte erst dann Ehrans Nummer. Er nahm bereits nach dem zweiten Ton ab und in seinem simplen ,Hallo‘ schwang eine Menge Wärme mit.

„Hey Mr. J. Ich habe tatsächlich genau die richtige Tasche gefunden und bereits gekauft!“

„Bist Du Dir sicher?“

Snowcat zögerte nur kurz: „Ja‘aa. Jedenfalls hat sie den perfekten Glanz.“

„Auch der Bügel?“, in Ehrans Stimme klang weder Besorgnis noch Ärger mit, er fragte einfach nur nach. Obwohl das stimmte nicht ganz, denn es schwang weiter Wärme in seinen Worten mit. 

„Moment mal bitte.“ Snowcat drehte sich kurz um und rief Blackstone zu, „Gibst Du mir mal bitte die Tasche!“ 

Blackstone griff danach und schubste die Tasche kräftig, so dass sie bis zu Snowcat über den Tisch schlitterte. 

Die Elfe nahm die Tasche auf ihren Schoß, öffnete sie und warf erneut ein astrales Auge über ihren Inhalt. Die Scheibe leuchtete strahlend, aber die Kette blieb dunkel und nichtsagend. 

Fragg

Snowcat seufzte und sprach ins Commlink: „Du hast leider recht. Der Bügel leuchtet gar nicht. Der ist sicher ersetzt worden.“

Auch Ehran seufzte leicht, aber Snowcat war sich nicht sicher, ob er nicht nur ihre Geste spiegelte: „Das habe ich schon befürchtet. Der Bügel ist in der Anzeige nicht mehr aufgetaucht. Ich hatte gehofft, dass das nur an der Abschirmung lag.“

„Seit wann ist er verschwunden?“, fragte Snowcat nach.

„Seit ungefähr einer Woche.“

Snowcat überlegte kurz, dann sagte sie: „Gut, ich werde mal sehen, was ich, was wir rausbekommen können. Vor einer Woche war der Gegenstand zumindest mal hier in der Stadt. Vielleicht lässt sich ja auch magisch etwas rausfinden. Schließlich sind die beiden Gegenstände ja mit einander verbunden. Ich ruf gleich noch mal an.“

„In Ordnung. Ich bin zuversichtlich, dass Du etwas findest, ich weiß, dass Du ein sehr feines Gespür dafür hast. Pass aber trotzdem gut auf Dich auf! Bis gleich.“ 

Snowcat kappte die Verbindung, stand dann auf und kehrte die paar Meter zu ihren Kollegen zurück. 

„Und?“, fragte Sunrise erwartungsvoll.

Snowcat holte tief Luft: „Die Scheibe ist echt, aber anscheinend wurde vor ungefähr einer Woche die Kette ausgetauscht.“

Gumshoe trank seinen Scotch aus und zeigte auf Blackstone: „Dein Stichwort!“

Blackstone blickte auf: „Ach so. Ja. - Wusst ich‘s doch!“

„Okay und jetzt?“, fragte Sunrise.

„Na jetzt werden wir rauszubekommen, wo das Ding hin ist und dann besorgen wir die echte Kette.“ erklärte Snowcat ruhig.

Twinbow räkelte sich zurecht und legte dabei den Arm um Riven: „Aber dann verhandeln wir neu, oder? Schließlich haben wir den Job doch bereits erledigt.“

Snowcat schüttelte den Kopf: „Nein, haben wir nicht, unser Auftrag ist es beide Teile des Kompass zu besorgen. Wo und wie spielt dabei keine Rolle.“

Twinbow zog einen Schmollmund: „Schade. Naja, dann lassen wir hier im Hotel noch ordentlich was abgehen. Nicht wahr Riven? Ich hab schon mal für heute Nacht einen kompletten Wellsnessbereich samt Massage für Dich reservieren lassen.“

Nun zog Riven einen leichten Schmollmund: „Ach was? Na wenn du neuerdings Hilfe mit mir brauchst!“

Nein, brauchte Twinbow nicht, denn Snowcat hatte auf der Rechnung, die sie genehmigen musste, gesehen, dass Twinbow den Bereich ohne Angestellte reserviert hatte, aber sie würde den Teufel tun und ihm die Überraschung verderben.

Stattdessen wandte sie sich mit dem eigentlichen Thema direkt an die Zauberin: „Riven, ich würde es zunächst gerne mal mit Psychometrie versuchen. Fühlst Du Dich stark genug, mich mit Deiner Magie zu unterstützen?“

„Natürlich.“ jeglicher französischer Akzent war aus ihrer Stimme verschwunden, ein sicheres Zeichen dafür, wie angestrengt sie war. „Aber es wäre schön, wenn Du nicht die Maximaldröhnung brauchst.“

Snowcat lächelte. „Ein kleiner Schub reicht völlig.“ Sie konzentrierte sich und umschloss den Anhänger fest mit beiden Händen.

Gut 15 Minuten später war Snowcat um die Erfahrung einer wundervollen Reise in Bildern reicher. Sie war mit Stolz erfüllt über ihr völlig unbekannte und sogar fremdartige Landschaften geflogen und war gegen Ende bei Gefechten zwischen Engländern und Indern gelandet, die weniger schön anzusehen gewesen waren. 

Wissen um den Verbleib der Kette hatte ihr das jedoch nicht gebracht.

Also versuchte sie es im Anschluss mit der Kraft der Vorhersage: „Wo erlebt die Kette die nächsten Sonnenaufgang?“, hatte sie gefragt und tatsächlich war der Link zwischen Kette und Scheibe stark genug gewesen und sie hatte zu falten begonnen.

Neugierig blickte sie auf ihr Werk. Auf dem Tisch lagen eine Bergkette, LKWs, Zelte, Mohnblumen und die stilisierten Fahnen von Grossbritannien, Russland und den inzwischen nicht mehr existierenden USA.

„Opium!“, warf Average in den Raum

„Afghanistan.“, meinte Blackstone.

„Und eine Karawane!“, ergänzte Gumshoe.

Nach diesen Stichworten setzte sich das Puzzle in Snowcats Kopf zusammen. „Genau, wir müssen die fahrende Stadt Karavan suchen, die offenbar morgen in Afghanistan den nächsten Sonnenaufgang erlebt.“

Sunrise nickte: „Na das sollte doch machbar sein.“

Snowcat setzte Ehran ins Bild. „Na dann auf nach Karavan.“, meinte er freundlich und ohne zu drängen. „Penelope wird Euch bei den Reisevorbereitungen behilflich sein. Und Snowcat, morgen früh damit zu beginnen ist früh genug. Schlaf Dich erstmal aus.“

Bevor sie alle den Konferenzraum verließen, fragte Snowcat: „Sagt mal, was meint ihr, kann ich mich morgen noch mit Spinrad treffen?“

„Klar, warum nicht?,“ sagte Twinbow sofort. „Wir kriegen doch kein extra Geld, da sollte wir die Zeit hier nutzen.“

Auch Blackstone nickte: „Wir werden eh mindestens einen Tag für die Vorbereitungen brauchen, wenn nicht sogar länger. Also geh ruhig hin. Aber wir nehmen den Kerl auf keinen Fall mit und lassen uns auch nicht von ihm bringen.“

„Copy!“, Snowcat lächelte.

Sunrise fügte noch hinzu: „Aber Du solltest nicht ganz alleine hingehen.“

Snowcat lächelte auch ihn an, „Mach ich nicht, aber die Details besprechen wir morgen Früh, wenn wie alle ausgeschlafen sind.“

         

                                                                                           ***

Mitten in der Nacht wachte Average plötzlich auf. Irgendetwas stimmte nicht. Da war doch der Lauf einer Waffe an seiner Schläfe und er konnte sich nicht rühren. Er öffnete die Augen und blickte in sein eignes Gesicht. Doch da war kein Spiegel, das war Real 3D. Seine eigne Stimme sprach zu ihm: „Wenn Du noch mal die Sicherheit des Auftrags und des gesamten Teams gefährdest, nur, weil du zu blöd dazu bist, zu sagen, was du brauchst. Dann überlebst Du das nicht.“

Bevor er etwas erwidern konnte, spürte er einen kleinen Stich und war augenblicklich wieder eingeschlafen.


                                                                                             ***

„ ... nur dem beherzten und hervorragend koordinierten Eingreifen der Knight Errant Police Force ist es zu verdanken, dass bei dem feigen Anschlag keine größeren Schäden entstanden sind. So können wir Ihnen zu Ihrer Beruhigung mitteilen, dass es insgesamt nur einen Verletzen zu beklagen gibt, der bereits morgen das Krankenhaus wieder verlassen kann. 

Von den Terroristen fehlt bisher offenbar jede Spur, aber die Ermittler sind zuversichtlich, dass sich das bald ändert. Auch über das Motiv für den Anschlag ist nichts bekannt, es wird jedoch davon ausgegangen, dass es den Terroristen nur um den Aufruhr an sich ging und es sich um keinen Attentatsversuch....“ 

Snowcat wechselte auf den Musikkanal und steckte die letzte Himbeere in den Mund. Es war kurz nach 3.00 Uhr. Sie warf sich in die weichen Kissen und blickte glücklich grinsend an die verzierte Decke ihrer Suite. 

Sie war Damien Knight ganz nahe gewesen. Sie war zwei Drachen ganz nahe gewesen Lung hatte sie angesprochen. Ein leibhaftiger Drache hatte mit ihr gesprochen und der Schutz der Draco Foundation hatte gehalten.

In wenigen Stunden würde sie sich mit einem Multimilliardär treffen, der sie bereits nach London und Mailand eingeladen hatte. Eine Ausstellung ihrer Bilder in London konnte sie sogar wagen, denn London war weit genug weg von Boston oder Seattle. Sie könnte in Europa eine tolle Zeit haben, verschaffte ihrer SIN damit mehr Profil und sie konnte gleichzeitig hilfreiche Kontakte knüpfen. Und als Bonus obendrauf würde sie mit einer solche Reise von der Verbindung zwischen ihr und Ehran ablenken.

Doch zunächst einmal würden sie mit UC nach Afghanistan reisen, um sich die Kette von Shantayas Kompass zu schnappen. 

Snowcat schwang sich hoch in den Handstand und hielt diese Position für gut drei Sekunden. Dann viel sie lachend auf das Bett zurück.

Bei allen Drachen, ja! UC war das coolste Runnerteam der 6. Welt!

Snowcat erhob sich und hüpfte im Takt der Musik wie ein kleines Kind wild auf dem großen Bett herum. 


                                                                                           ***

Als Sunrise am Morgen in seinem Hotelzimmer aufwachte und in den Spiegel sah, entdeckte er, dass man ihn in der Nacht eine violette Patrone mit Sekundenkleber an die Stirn geklebt hatte. In die Patrone war ein V eingebrannt. An der Spitze der Patrone befand sich ein TAG, der in kyrillischen Buchstaben behauptete: „Mertvo idiota!“

                                                           

                                                                                           ***

                                                  UC - UNIVERSAL CONSULTANTS - UC

                        UC - Unknown Consequences -das TOP-Runnerteam aus Seattle- You See! 


Ob Snowcat sich wirklich mit Johnny Spinrad trifft, ob und wo die Runner die Kette des Kompasses finden und was sonst noch so alles geschieht, wird demnächst hier zu lesen sein. 

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*