Episode 05/13 Intermezzo

Welcome back omae!

Schön, dass Du auch heute reinschaust!

Es ist uns wieder mal gelungen einiges an Zusatzmaterial zu besorgen. 

Snowcat betrat in der Abschlussszene der letzten Episode das „The Abyss“, Du erinnerst Dich, omae? Lies im ersten Part des Intermezzos, was dort geschah.

Twinbow wurde von Tenoch entführt. Riven möchte ihn unbedingt zurück. Doch ist das Team bereit, sich gleich auf eine Rettungsmission zu begeben? Im zweiten Teil des Intermezzos findest Du ein Gespräch zwischen Riven und Snowcat, jeweils aus der Sicht von Riven* oder Snowcat beschrieben. Snowcat beginnt den Dialog.

Part drei führt die Geschichte unserer Runner noch ein Stück weiter und bildet die Brücke zur nächsten Episode. 

Deine Meinung hier zu passt noch mal in The Tale So Far, Part II [LINK]

Wir wünschen Dir gute Unterhaltung, omae!

(*geschrieben vom Spieler von Riven)


Part I

Die ruhigen Gespräche der wenigen Gäste im „The Abyss“ wurden wieder aufgenommen. Sanftes lateinamerikanisches Gitarrenspiel klang durch die Bar. Live-Musik, also nicht vom Chip. Snowcat war von diesem Umstand überrascht, zumal es kurz vor 3.00 Uhr war. Sie sah flüchtig in Richtung der Quelle der Töne. Dort saß ein Mann, dessen Gesicht im Schatten verborgen war. Er spielte gut. Snowcat ließ ihren Blick weiter schweifen und entdeckte Agent 2 11 9 8 3 an einem kleinen Tisch, an dem drei Stühle standen. Als sie sich dem Agenten zuwandte, hatte Snowcat bereits vergessen, was der Gitarrenspieler angehabt hatte.

Blood, Blackstone, Thunderstrike und FTW nahmen an einen leeren Tisch etwas entfernt Platz. Von dort konnten sie sowohl den Eingang, als auch den Tisch, an dem sich Snowcat gerade lächelnd niederließ, im Auge behalten.

Agent 2 11 9 8 3 trug wieder Jeans, Hemd, Panzerweste und festes Schuhwerk. Er lächelte und dieses Lächeln wirkte nicht nur rein geschäftsmäßig, es schwang eine gewisse Wärme darin mit. 

Snowcat begann mit einem lockeren, „Guten Morgen. Kann man hier eigentlich auch Kaffee bekommen?“

Der Agent nickte, „Ja und der ist sogar wirklich gut. Möchten Sie eine Tasse? Vielleicht mit ein wenig Kakao?“

„Ja danke, sehr gern!“

Der Agent winkte dem Mann an der Theke. Da das AR-System des Clubs wieder mal ausgefallen war, musste die Bestellung so aufgegeben werden. 

Snowcat hätte gern die Beine hoch genommen, sich zusammengerollt und sich dem Genuss des wirklich guten Kaffees hingegeben. Aber das war nicht professionell, es musste warten, bis der Agent gegangen war. 

Freundlich und wirklich an ihrem Befinden interessiert fragte Agent 2 11 9 8 3: „Konnten sie sich denn ein wenig ausruhen?“

Ungeachtet ihrer Müdigkeit erwiderte Snowcat charmant lächelnd, „Ja, ein wenig.“ Nach zwei weiteren Schluck Kaffee kam Snowcat auf den Run zu sprechen. „Hatten Sie schon Gelegenheit, in die Daten zu sehen? Gibt es vielleicht noch irgendetwas, wo Ergänzungen wünschenswert wären?“

„Ich habe die Daten nur kurz überfliegen können, soweit ich sehen konnte, ist alles komplett.“

„Das freut mich. Vielleicht ist noch für sie interessant, dass sich zwei Elitesoldaten, ein Paar Cuachicqueh oder auch Shorn One im Lager befunden haben. Wir wissen leider nicht wieso.“ Bei der Erinnerung daran, dass Snowcat vergessen hatte, Starbuck nach dieser Frage suchen zu lassen, ärgerte sie sich innerlich immer noch. 

Agent 2 11 9 8 3 hob überrascht eine Augenbraue. „Konnten die Black Ops entkommen?“

„Einer von beiden ja. Ich gehe davon aus, dass er nun eine Vorstellung davon hat, wer für die Befreiung des Lagers verantwortlich ist, auch wenn wir alle verändert ausgesehen haben. Zumindest aber werden unsere SIN‘s aufgeflogen sein.“

Der Agent blieb ernst, „Davon gehe ich auch aus. Wenn Sie mir eine Beschreibung der Shorn One geben können, werte ich das als Bonusinformation.“

Snowcat lächelte, „Ich kann ihnen sogar Bilder der beiden geben.“

Auch die Information, dass für den gestrigen Tag ein Abtransport der Gefangenen in die Nähe von Tenochtitlán angestanden hatte, überraschte den Agenten und sie war ihm ebenfalls 7.500¥ wert. Außerdem war er so zufrieden mit der Ausführung der Mission, dass er zusätzlich einen Extra-Bonus von 50.000¥ zahlte.

„Ich bin, wir sind, wirklich begeistert, wie sie diese Mission erfüllt haben. Mit dieser Besprechung ist ihr Job für uns abgeschlossen.“ Agent 2 11 9 8 3 machte eine längere Pause, dann sah er Snowcat an, lächelte und sagte, „Sie haben da wirklich ein außerordentlich gutes Team zusammengestellt, Snowcat.“ Es folgte wieder eine Pause, „Warum gehen sie überhaupt noch mit in den Dschungel?“

Snowcat legte den Kopf ein wenig schief und überlegte kurz, bevor sie antwortete, „Mein Team kann meine Fähigkeiten überall gebrauchen.“

Der Agent hob in einer beschwichtigten Geste die Hände, „Oh ja, sicherlich. Ich wollte auch nicht damit sagen, dass sie nicht gebraucht werden. Ich meinte vielmehr, dass sie das gar nicht mehr nötig haben. Also warum tun sie sich so etwas an?“ Wieder machte er eine kurze Pause und da Snowcat diese nicht nutzte, um etwas zu sagen, fuhr er fort, „Sehen sie Snowcat, ich glaube, wir gehen einen ähnlichen Weg. Darum würde ich ihnen gerne ein Angebot machen. Ein rein persönliches Angebot. Sie bleiben hier und ich bringe ihnen bei, was ich kann. Kurz, ich würde sie gerne ausbilden.“

Snowcat war überrascht, erfreut und dankbar für dieses Angebot. Vielleicht wäre sie sogar für einen Moment in Versuchung geraten, wenn sie nicht bereits in Boston studieren und Ehran sich um ihre Ausbildung kümmern würde. Sie lächelte, „Ihr Angebot ehrt mich sehr und ich danke ihnen vielmals. Aber ich bin zufrieden mit dem, was ich tue und mit dem, wo ich bin.“

Agent 2 11 9 8 3 seufzte, „Das habe ich befürchtet, aber ich musste es dennoch versuchen.“

„Auch für diesen Versuch bin ich dankbar, denn er schmeichelt mir sehr.“

Sein nächstes Lächeln war ein wenig matt, aber es wirkte dennoch aufrichtig, „Darf ich dann alles für ihren Rückflug arrangieren oder haben sie andere Pläne?“

Die hatte Snowcat nicht, sie klärte jedoch ab, dass sie gerne sowohl Starbuck als auch zwei weitere mit in das Flugzeug zurück nach Seattle nehmen wolle. Da der Agent keine SIN‘s oder Daten verlangte, erwähnte sie nicht einmal, dass das ,Ticket‘ von Sunrise nun FTW nutzen würde. 

Agent 2 11 9 8 3 schob ihr über AR die Koordinaten für den Lift Off zu. Der Flug war für heute 18.00 Uhr angesetzt. Er erhob sich und sagte, „Passen sie gut auf sich auf und sollten sie sich das mit meinem Angebot noch einmal anderes überlegen, dann hinterlassen sie“, erneut schob der Agent Snowcat mit einer lässigen Bewegung eine Nummer auf ihr Commlink, „hier eine Nachricht für mich. Auf Wiedersehen.“

Snowcat blickte zu ihm auf. Unter einem wohl dosierten Augenaufschlag sagte sie, „Ich hoffe, dass sich unsere Wege noch einmal kreuzen und ich werde mir ihr Angebot sicher noch einmal ernsthaft durch den Kopf gehen lassen. Auf Wiedersehen.“

Snowcat erhob sich nicht gleich nachdem Agent 2 11 9 8 3 gegangen war. Blackstone und die anderen machten keine Anstalten zu drängeln. Snowcat würde gleich noch mit Riven sprechen müssen, um sie davon zu überzeugen, erstmal mit nach Seattle zu kommen. Die Elfe fühlte mit der schönen Zauberin und sie überlegte, ob es irgendwelche tröstende Worte für sie gab. Snowcat unterdrückte ein Gähnen und trank noch einen Schluck von dem starken, immer noch heißen Kaffee. Obwohl sie nicht fror, wärmte sie ihre Hände an der Tasse. In ihrem Kopf entstand eine gewisse Leere.


Jemand stellte einen Teller vor Snowcat ab. Darauf stand ein betörend lecker aussehendes Stück Torte, welches himmlisch nach Erdbeeren duftete. „Erdbeer-Minz-Torte.“, sagte eine markante, männliche Stimme. 

Snowcat kannte diese Stimme. Es kribbelte in ihrem Bauch. Er konnte unmöglich hier sein. Sie blickte auf. 

Doch, er war tatsächlich hier. Sein weiß geschminktes Gesicht wirkte in dem gedämpften Licht ein wenig gespenstisch, aber Snowcat fand es viel zu attraktiv, als dass sie das abgeschreckt hätte. 

Harlequin lehnte eine Gitarre an den Tisch, zog den Stuhl auf dem der Agent kurz zuvor noch gesessen hatte, ein Stück dichter an Snowcat heran, nahm extrem lässig darauf Platz und legte seine Beine dann auf dem dritten Stuhl ab. Am liebsten wäre Snowcat aufgesprungen und hätte Harlequin umarmt. Gleichzeitig ärgerte sie sich ein bisschen darüber, dass ihr Haar schon wieder zu zwei Zöpfen geflochten war, diesmal war es dazu noch schwarz. Natürlich war sie so überrascht, dass es sie drängte laut, ,Was machst du denn hier?‘, zu rufen. Doch sie tat selbstverständlich nichts dergleichen.

Immerhin trug auch er sein übliches Outfit, Jeans, T-Shirt und Cowboystiefel. Sein schier unglaublich dunkelrotes Haar war wieder zu dieser eigentümlichen Mischung aus Stacheln und Zöpfen frisiert und verdammt, was roch der Mann gut. Er grinste sie an und kippelte dabei schon fast akrobatisch den Stühlen. 

Snowcat konzentrierte all ihre plötzlich aufgetauchte überschwängliche Energie auf die Erdbeer-Torte. Sie nahm die Gabel und probierte einen Bissen. Den unglaublichen Genuss ließ sie sich ansehen und erst dann sagte sie, „Ich würde jetzt ja sagen, was für ein Zufall, aber...“

Harlequin fuhr ihr dazwischen, „Ich freue mich auch, Dich zu sehen.“

Sie lächelte süß, „Das in jedem Fall.“ Lasziv nahm sie einen weiteren Bissen. Sie aß langsam und kostete den Genuss jedes einzelnen Happen aus. Normalerweise wurden Männer zumindest unruhig, wenn sie so etwas tat. Harlequin blieb locker und lässig wie zuvor. Er beobachte Snowcat einfach.

Nachdem sie aufgegessen hatte, lehnte Snowcat sich zurück, leckte sich die letzten Krümel spielerisch von den Lippen und meinte zufrieden, „Das hat einfach wundervoll geschmeckt.“

Harlequin schmunzelte amüsiert, „Das wird Henry freuen. Er hat mich förmlich angebettelt, dir das zu bringen. Doch nun die wichtigste Frage: Geht es Dir gut?“

„Ich bin nicht verletzt oder so. Müde und ein wenig erschöpft vielleicht. Denn es liegen ein paar anstrengende und aufregende Tage hinter mir. Dank der Torte geht es mir aber schon deutlich besser. Eine lange warme Dusche wäre jetzt schön, aber das muss wohl bis zu Hause warten.“

Harlequin beugte sich ruckartig vor und sagte mit dunkler Stimme, „Schau mir in die Augen.“

Snowcat lächelte, es lag kein Zwang in seinen Worten, aber es gab gerade fast nichts, was sie lieber tun würde. Sie verlor sich in seinen smaragdgrünen Augen und sie hoffte, dass es ihm mit ihren eisblauen Augen ebenso ging. Dann hatte sie auf einmal das Gefühl, als wenn sie unter einer perfekt temperierten Dusche stünde. Es war, als würde warmes Wasser ihre Haut herunterlaufen und den Schweiß und Ärger der letzten Stunden herunterspülen. Sie fuhr sich über den Kopf und seufzte leise wohlig. Harlequins Blick hielt sie jedoch fest. Als der Zauber vorbei war, blieb das Gefühl frisch und sauber zu sein. „Hmm, für diese Fähigkeit könnte ich dich glatt auf jede meiner Reisen mitnehmen.“

Harlequin fragte schnell, „Ist das ein Angebot?“

Snowcat tat, als überlege sie, wobei sie kokett den Kopf hin und her bewegte, dann sagte sie, „Ja, ist es.“

Der Elf lächelte, „Ich denke darüber nach. Vielleicht mach ich das.“

Snowcat winkte ab, „Ja, das habe ich eben zum Agenten auch gesagt.“

„Aber im Gegensatz zu dir, hab ich es auch so gemeint.“

Snowcat lachte perlend, „Na, wer es glaubt.“ 

Harlequin lehnte sich zurück und schaffte es dabei irgendwie so auszusehen, als säße er seitlich auf einer bequemen Couch. „Nun erzähl mal, was so passiert ist.“

Snowcat dachte kurz darüber nach, was sie erzählen konnte. Es gehörte sich einfach nicht an Außenstehende Details über den Run preiszugeben. „Vorgestern sind wir auf einen Wraith getroffen.“

„Nicht schön.“

„Nein, das stimmt.“ Da sie von eine Tatsache einfach fasziniert war, klang ihre Stimme einen Hauch fröhlicher, als sie sagte, „Zuvor hatte Riven versucht einen Geist um mehr Dienste zu bitten, der Entzug ging irgendwie daneben und seitdem wechseln Rivens Haare ständig die Farbe.“

Harlequin sah desinteressiert auf seine Fingernägel und bemerkte dann, „Das ist hübsch.“

Snowcat meinte begeistert ohne Neid, „Ja und ob. Obwohl ich das sicher nicht haben möchte. Es ist nicht gut, wenn einem jeder die Gefühle an den Haaren ablesen kann.“ Dann fiel Snowcat wieder ein, was sie am Meisten beschäftigte. Sie sah Harlequin ernst an, „Ich sagte ja schon, es war ereignisreich und aufregend, aber es war auch verlustreich. Sunrise, unser Scharfschütze, du hast ihn in Vladivostok gesehen, ich weiß nicht, ob du dich an ihn erinnerst?“

„Der junge Russe?“

„Genau. Er wurde bei dem Auftrag von gegnerischen Scharfschützen getötet. Sie haben ihm gleich zwei Kopfschüsse verpasst. Riven saß ganz dicht daneben, hätte sie nicht so schnell reagiert, hätte man sie sicher auch erwischt.“ 

Harlequin sah ebenfalls ernst drein, aber er sagte nichts weiter, darum fuhr Snowcat fort „Und Twinbow, der hellhaarige Elf. -Er war auch mit in Vladivostok und in Frankfurt war er ebenfalls dabei,“ Harlequin nickte, er wusste also, von wem sie sprach, „Twinbow ist vor gut zwölf Stunden von einem aztlanischen Shorn One entführt worden.“

Harlequin horchte auf, „Seit ihr sicher, dass er entführt wurde?“

„Naja, wir haben Twinbows Finger gefunden und eine Nachricht von diesem Tenoch erhalten, dass er einen von uns hat. Aber wir hatten keine Zeit das weiter zu verifizieren.“

Harlequin stellte diesbezüglich einige Fragen, lies Snowcats Antworten aber stets unkommentiert. Snowcat seufzte bevor sie ein wenig traurig sagte, „Jedenfalls triff es Riven besonders hart, da sie und Twinbow ein Paar waren und sie nun ihre große Liebe verloren hat, kurz nachdem sie sie fand.“

Harlequin hob die Augenbrauen und fragte in einem ungläubigen, aber auch leicht gelangweilten Ton, „Ach ja? Große Liebe? So lange kannten sie sich doch gar nicht, oder?“

„Vier Monate.“

„Sag ich ja! Hat Twinbow das mit der großen Liebe auch so gesehen?“

Snowcat überlegte, „Das weiß ich nicht, vielleicht hat er das nicht ganz so ernst genommen wie Riven, aber er hatte zumindest Gefühle für sie. Das Ganze hat sich jedenfalls in den letzten Wochen rasant entwickelt. Darum war es auch gar nicht schön, bei dem Wraith mit anzusehen, wie die beiden gezwungen waren, auf einander los zu gehen. Da hat Riven übrigens von großer Liebe gesprochen und davon, dass Twinbow ihre Rettung sei.“

Jetzt hob Harlequin halbwegs interessiert eine Augenbraue, „Dann war das mit dem misslungenen Entzug zuvor vielleicht ein Zeichen von Lilith, dass sie mit Rivens Wahl nicht einverstanden ist. Später beim Tod von Sunrise, hat sie dann schützend ihre Hand über ihrer Jüngerin gehalten und der Mann hat den doppelten Kopfschuss kassiert.“

So hatte Snowcat das noch gar nicht betrachtet. 

Dann erzählte Snowcat von der Verwundung Blackstones.

Harlequin fragte, „Wo warst du zu diesem Zeitpunkt?“

„Ich bin da gerade ganz wo anders herumgeflogen.“

Das interessierte Harlequin nun offenbar sehr. „Bist du allein umhergeflogen oder waren da noch ,andere‘?“

Snowcat lächelte, „Ja, es gab noch einige andere Drakes dort.“ Womit sie gerade das Gesprächsthema gewechselt hatten. 

Snowcat erzählte nun von ihrer Erfahrung in der Luft, den Eisatem, den anderen Drakes, den Lindwürmer und von Cesar. Natürlich erwähnte sie nicht, was geschehen war. Sie erzählte einfach nur, wie es für sie gewesen war, mit anderen Drake in der Luft zu sein und wie stolz sie darauf war, von Cesar mit Respekt behandelt worden zu sein. 

Ein wenig später landeten sie dann irgendwie beim Thema Rache, da einige Runner bei der ersten Besprechung tatsächlich Rache an Tenoch ins Feld geführt hatten. Etwas, was Snowcat gar nicht nachempfinden konnte.  

Harlequin bestätigte Snowcats Schlussfolgerung in einem bestimmten Punkt, „Du hast sicher Recht. Rache kann nur dann funktionieren, wenn derjenige, der danach strebt, erkennt, dass das einzige war er erreichen kann ist, dass er sich danach selber besser fühlt. Denn dass man den anderen leiden lässt, wie man selbst gelitten hat, ist schon per Definition ausgeschlossen.“

Snowcat legte den Kopf ein wenig schief, „Das mit dem persönlichen Befinden ist dann auch genau der Punkt, der mir so fremd ist. Mein Befinden kann sich jedenfalls nicht verbessern, nur weil es einem anderen schlechter geht. Für mich klingt das so, als wenn jemand behauptet, er wäre satter, nur weil der andere hungert.“

Harlequin neigte ob dieser Aussage von Snowcat anerkennend den Kopf.

Irgendwann während des Gesprächs holte Harlequin eine Box unter dem Tisch hervor, in die Henry für Snowcat noch Sandwiches, frischen Salat und Schokoladenkuchen getan hatte. Snowcat schaffte es trotz der Torte noch ein Sandwich und den Salat zu essen und es schmeckte wieder köstlich. Sie bot Harlequin etwas an, worauf er ein paar Bissen von dem Salat nahm. 

Snowcat überlegte, ob es noch etwas gab, was sie berichten konnte, dann fiel ihr etwas ein und sie schmunzelte, „Du wirst ja nicht rein zufällig hier sein. Was jedoch nicht heisst, dass es keine Zufälle gibt. Ich habe tatsächlich doch zufällig jemanden wieder getroffen. Starbuck, ein Hacker, mit dem ich zu Beginn meiner Runnerkarriere zusammen gearbeitet habe, ist auf dem Flug hierher an Bord gestiegen.“

„Du meinst den Technomancer?“

Snowcat war überrascht, „Woher weißt du das schon wieder?“

„Ich hab ihn vorhin gesehen, bin gut informiert und habe einen Blick für besondere Talente. Das ist alles.“

Snowcat sah ein wenig bedripst drein. „Ach so, dann wusstest du das mit Rivens Haar eigentlich auch schon und ich hab dir gar nichts Neues erzählt?“

„Doch hast du, Riven interessiert mich nicht besonders.“ Dann wechselte er erneut das Thema, „Geht es jetzt nach Seattle zurück?“

Snowcat nickte, „Ja genau. Möchtest Du mit uns fliegen, ich könnte dich in unserer Maschine als Passagier unterbringen.“

„Da bin ich sicher! - Ich weiß aber noch nicht, ob ich mit dir komme, mal sehen. Entscheide ich, wenn ich mich entschieden habe, wohin ich von hier aus will. Und nach Seattle fliegst du aber gleich weiter nach Boston?“

Snowcat nickte vorsichtig, „Am liebsten sofort, aber das geht nicht. Da Twinbow weg ist, werde wir einiges klären müssen. Er wird sicher Details über uns verraten können, obwohl er über mich zum Bespiel nicht viel weiß.“

Harlequin grätschte ein, „Du weißt, dass man das Problem mit seinem Wissen über seinen Finger klären kann? Ich bin sicher du kennst den einen oder anderen fähigen Magier, der das bewerkstelligen kann.“

Snowcat schüttelte den Kopf, „Auch das geht nicht. Riven braucht den Finger, um Twinbow finden zu können.“ 

Als er das hörte, sah Harlequin nicht sonderlich begeistert aus, aber er sagte nichts weiter dazu.

Snowcat fuhr fort, „Zumindest unser Safehouse werden wir schon mal aufgeben müssen, dann ist da noch die Totenfeier für Sunrise. Es gibt also noch einiges zu tun, bevor ich nach Boston kann.“

„Hmm, hört sich so an. Aber stehen am MIT&T nicht bald die Semesterabschlussprüfungen an? Nicht, dass der alte Schwätzer nachher noch Grund zum Unmut hat.“

Verdammt, daran hatte Snowcat in den letzten Tagen gar nicht gedacht. Heute in zwei Wochen stand die erste Prüfung an und sie war auch noch nicht mit allen Semesterarbeiten fertig, die sie abgeben mussten. Die beiden Kunstprojekte lagen zwar in den letzten Zügen, aber einige Stunden würde sie noch daran zu tun haben. Jedenfalls bis sie selbst damit zufrieden war. Was die Prüfungen in Magietheorie oder Politik anging würde sie selber mit nichts unter einem A zufrieden sein und der Gedanke, Ehran könnte von einem Ergebnis enttäuscht sein, versetzte sie in Panik. „Stimmt, ich werde mich beeilen müssen. Keine Zeit zu trödeln. Prüfungsangst habe ich zwar nicht, aber es ist ungewohnt für mich, einen solch wichtigen Termin, der schon länger bekannt ist, einhalten zu müssen.“ Dann fiel ihr etwas anders ein und sie grinste, „Nach den Prüfungen habe ich ja Ferien. Die anderen aus meinem Semester reden schon seit Wochen darüber, was sie dann machen.“ Sie ließ ihre Gedanken kurz schweifen, dachte an die Orte, die sie derzeit gerne sehen wollte. Sie war schon an vielen Orten der Welt gewesen, aber sie war bisher so gut wie nie einfach nur so verreist, schon gar nicht, weil sie Ferien hatte, „Die Idee in den Semesterferien zu vereisen, klingt verlockend. Vielleicht mache ich das einfach mal. Ich könnte nach New York fahren.“

Harlequin lächelte sie eigentümlich an, diesmal war es nicht die Art von Lächeln, die suggerierte, dass er sie nicht ganz ernst nahm, irgendetwas anderes lag darin. „New York klingt schon mal gut.“

Sie strahlte ihn an, „Oder ich fahre ans Mittelmeer, als ich mit Spinrad bei der Modemesse in Florenz war, hat es mit da gut gefallen. Ja, das ist noch besser. Von der Mittelmeergegend würde ich gerne mehr sehen.“

Harlequin blickte leicht verträumt und meinte dann begeistert, „Ich kenne einen besonders schönen Ort am Mittelmeer, den könnte ich dir zeigen. Ja, so machen wir es. Ich hole dich dann ab.“

Snowcat sah sich den Elfen ihr gegenüber genau an und eine Welle von Emotionen schwappte über sie hinweg, „Die Idee ist sogar noch besser. Ich freue mich darauf.“

Mit samtiger Stimme fügte sie hinzu, „Danke für die Gedichte.“

Harlequin lächelte, „Gerne, ich hoffe, sie konnten die einen Moment versüßen.“

Snowcat antwortete leise. „Ja, das konnten sie. Sogar mehrmals jeden Tag. Ich hatte sogar überlegt, die Papiere, auf die du die Worte geschrieben hast, auf diesen Run hier mitzunehmen, aber ich war besorgt, sie verlieren zu können. Zum Glück, kann ich die Gedichte auswendig.“ 

Snowcat veränderte ihre Körpersprache. Sie blickte sich um, erst unauffällig und dann auffällig. Ungefähr so, wie ein Kind sich umsah, dass vorhatte, sich einen frisch gebackenen Keks zu stibitzen. Tatsächlich schaute niemand zu ihnen hinüber. Keiner schien an dem Elfenpärchen interessiert zu sein. Selbst Blackstone, Blood, FTW oder Thunderstrike blickten gerade nicht hierher.

Schelmisch grinsend sah Snowcat Harlequin tief in die Augen, dann beugte sie sich vor, um ihm ein zarten, gefühlvollen Kuss auf die Lippen zu hauchen. Harlequin lies das zu und diesmal war er es, der den Kuss danach nicht sogleich beendete. Er hielt sie fest, zog sie dichter an sich und küsste sie, erst zart und dann leidenschaftlicher. Sie schloss die Augen. Ein angenehmer Schauer nach dem anderen jagte ihr das Rückrad herunter. Sie vergas wieder alles um sich herum. 

Sanft lösten sie sich von einander. Sämtliche Müdigkeit war von Snowcat abgefallen, sie fühlte sich, wie nach einer Nacht erholsamen Schlafs. Gerne hätte sie jetzt einfach weiter geküsst. Doch sie zeigte das nicht und meinte stattdessen, „Es ist langsam an der Zeit für mich aufzubrechen. Ich nehme an, du kommst nicht mir uns nach Seattle?“

Harlequin nickte. „Du nimmst richtig an.“

Sie zuckte mit den Schultern, „Schade, ich hätte gern noch mehr Zeit mit dir verbracht. Aber naja.“

Harlequin sagte in einem merkwürdigen Ton, „Das machen wir doch sicher auch noch. Aber du hast doch vorher noch einiges zu erledigen.“

Snowcat stand auf und grinste selbstbewusst, „Selbstverständlich werden wir noch Zeit miteinander verbringen. Ich meinte eben nur das ,jetzt gleich‘. Mir ist schon klar, dass ich selber gar keine Zeit für dich haben würde.“ Jedenfalls nicht mit ausreichender Privatsphäre, fügte sie im Stillen hinzu.

Harlequin zwinkerte und das wirkte irgendwie lüstern. „Eben!“, sagte er nur. Konnte man lüstern zwinkern? Und wenn ja, bedeutete das dann, das er zumindest erahnte, woran sie soeben gedachte hatte? 


Snowcat bequatschte den Mann hinter dem Tresen des ,The Abyss‘ ihr zusätzlich zu den Flaschen, dem Kaffee und den Sandwichen, die er ihr eben verkauft hatte, noch zwei Gläser zu überlassen. Er tat alles in Papiertüten und übergab es ihr mit einem breit lächelnden, „Wohl bekommt‘s, Seniora!“ 

Harlequin hatte sich unterdes mit seiner Gitarre an einem Tisch in einer Ecke verzogen. Lateinamerikanische Gitarrenmusik erklang bereits wieder.

Snowcat schnappte sich die Tüte und ging dann an den Tisch, wo Blackstone und die anderen auf sie warteten. Zwei der Papiertüten, die mit Kaffee und Sandwichen, stellte sie vor den Jungs ab. Blood hob argwöhnisch eine Augenbraue, „Fast eine Stunde! Hatte der Agent so viel mit Dir zu besprechen oder hat er nur mit Dir geflirtet?“

Jetzt war Snowcat wirklich extrem überrascht. Hatte Blood Harlequin nicht gesehen? Sie sah Blackstone an, aber auch er schien Harlequin gar nicht bemerkt zu haben. Sie ließ sich ihre Verwunderung nicht anmerken, sondern sagte stattdessen nur, „Beides.“

Blackstone, Thunderstrike und Blood warfen FTW einen, ,Haben wir dir doch gesagt‘-Blick zu, der nickte nur und griff dann nach den beiden voll-gepackten braunen Tüten. 

Als Snowcat das ,The Abyss‘ hüftschwingend, satt und ausgeruht verließ, tönte die Bittersweet Symphonie hinter ihr er und geleitete sie und ihre Kollegen hinaus. 


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Part II

Es dämmerte bereits, als Snowcat vom The Abyss auf die Strasse trat. Fast genau in diesem Augenblick begann es heftiger zu regnen. Das erinnerte sie irgendwie an Seattle. Sie schützte die Papiertüte mit den Armen und hob dann kurz den Kopf, damit ihr die Regentropfen ins Gesicht fallen konnten. Sie liebte das, hatte es schon immer geliebt. Sie bog in die Seitengasse, wo die Wagen standen. Ihr Begleitschutz nahm sie in die Mitte. Steel stieg aus und ging zu Blood, der selber draußen blieb, um einen Zigarillo zu rauchen. FTW und Thunderstrike stiegen hingegen ein. Im Vorbeigehen beamte Snowcat Starbuck die Lift-Off Koordinaten mit der Bitte um eine Berechnung der besten Route dorthin zu. Snowcat öffnete die hintere Tür des ersten Wagens, beugte sich runter und sagte zu Riven: "Hey Süße, komm, lass uns mal in den zweiten Wagen gehen, damit wir uns in Ruhe unterhalten können."

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Riven hörte mit dem gedankenverloren, monotonen Trommeln ihrer Finger auf der kunstledernen Seitenlehne auf und schaute auf, als sie durch das Regenwasser besprenkelte Fenster die Elfe auf sich zukommen sah. Das leichte Tröpfeln der letzten paar Minuten hatte sich zunehmend zu dem prasselnden Staccato eines ordentlichen Wolkenbruchs geändert. Als ob der Himmel sich auftun würde um all ihre Sorgen wegzuspülen. Nun, sie hoffte zwar auf die ein oder andere tatkräftige Unterstützung in den kommenden schweren Zeiten, sie war sich aber verdammt sicher, dass sich ihr aus dieser Richtung kein hilfreiches Händchen entgegenstrecken würde. Keine in silberne und goldene gehüllte Engelschar würde das Firmament aufreissen und ihr Twinbow vor die Füße legen. Ein wenig musste sie bei dem absurden Gedanken grinsen, etwas was ihr innerlich sehr gut tat. Auch das Sunrise, der Mann der die letzten, sehr tapferen Minuten seines Lebens mit ihr auf der kleinen Bergklippe verbracht hatte, nun bei dem Gott untergebracht war, an der er glaubte, machte zumindest einen kleinen Teil von ihr glücklich. Jeder sollte dort verweilen, wo er sich persönlich am wohlsten fühlte. Weitere Gedankengänge wurden jäh abgebrochen, als Snowcat sie lächelnd ansprach. Nun denn, eventuell gab es ja doch so was wie intervenierende Engel, auch wenn sie selten die Erscheinungsform hatten, die man erwartete ...

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Blackstone öffnete den beiden Frauen die Tür. Er sah immer noch mitgenommen aus, nicht weiter verwunderlich, denn zu all der Hektik der vergangenen Stunden hatte er auch noch seine Verwundung zu tragen. Dennoch hatte er bei dem kurzen Gespräch eben darauf bestanden, derjenige zusein, der die Wache übernahm.

Snowcat rutschte ganz durch und wartete bis Riven ebenfalls eingestiegen war und Blackstone hinter ihnen die Tür geschlossen hatte. Der Zwerg blieb vor dem Wagen stehen.

Snowcat lächelte leicht, sie ließ sich dabei die Sorge um die schöne Frau nicht anmerken. Die Frage, wie es Riven ginge, konnte sich Snowcat sparen, selbstverständlich ging es ihr nicht gut. Stattdessen fragte sie;  "Möchtest Du was trinken? Ich hab..." sie öffnete die Papiertüte, grinste schief und zog jeweils den entsprechenden Gegenstand kurz daraus hervor, "Tequila, Orangensaft, Wasser und, tatarataa, zwei halbwegs saubere Gläser."

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Riven stellte schnell fest, dass das Lächeln von Snowcat ansteckend wirkte und begann ebenfalls ein klein wenig den Mundwinkel zu verziehen, so dass sich kleine Lachgrübchen in ihren Mundwinkeln zeigten. "Ich glaube, ich könnte mir die ganze Flasche hinter die Binde kippen! Tequila würde ich sagen, der passt jetzt am besten. Vielleicht mit O-Saft, ist wenigstens was bittersüßes ..." sie prustete kurz durch die Nase, als ihr das Wortspiel betreffs alten Zeiten auffiel "... und wir sollten einen Schluck auf Sunrise trinken. Danke, dass du das mit Ortis geklärt hast! Er würde damit mehr glücklich sein. Noch besser wäre es, wenn er uns jetzt klitschnass und nackig den Drink servieren würde! Na dann, nastrovje oder wie das Zeugs heisst !" Sie stieß mit ihrer Freundin an und leerte das Glas in einem Zug, ohne sich ein nachträgliches Schütteln verkneifen zu können.

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„Nastrovje." Snowcat trank nur einen Schluck aus ihrem Glas, nicht, weil sie nicht gerne Tequila trank, sondern weil sie Craven versprochen hatte, niemals in einer ungesicherten Umgebung Alkohol zu trinken. Auch die Kollegen in ihrer Nähe änderten nichts an der Tatsache, dass dies eine ungesicherte Umgebung war. Das gute Gefühl, dass ihr Harlequin gerade gegeben hatte, lud quasi dazu ein, sich immer noch wohl zu fühlen. Eine weitere Ablenkung konnte sie sich nicht leisten.

Die Elfe seufzte kurz und holte im Anschluss tief Luft, bei ihren Worten sah sie Riven direkt in die Augen und sagte ernst und sanft: "Also, wir haben keine weitere Mission zu erfüllen, der Auftrag ist abgeschlossen." Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort,  "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nun zunächst mal nach Seattle zurückkehren sollten." Sie griff nach Rivens Händen, um der zarten Frau so gut wie möglich beizustehen, "Ich sehe nämlich keine Möglichkeit, wie wir von hier aus eine Rettungsmission für Twinbow starten können. Wie haben kein Equipment, keine Connections und Blackstone braucht dringend ein paar Tage Ruhe und richtige medizinische Versorgung. Verstehst Du, was ich meine?"

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"Verstehen ja und nach ein wenig gesundem Überlegen akzeptiere ich es auch, aber ... ich will es eigentlich nicht! Ach merde, verdammt, ich selber brauch´ Beschwörungsmaterial von Rabenschrey, das bekomme ich hier nicht. Aber trotzdem, es ist so ... falsch. Mein Mann ist in den Fängen von einem beknackten Psychopathen, dem ich am liebsten sein eigenes verfraggtes Herz zum Fressen geben würde und ich sitze hier, diskutiere und soll sogar noch zurück nach Seattle fliegen! Und jede Spur die wir haben wird kalt. Oder dieser Tenoch tötet ihn. Tötet Twinbow! Einen von UC. Meinen Freund. Deinen Freund. Du weisst, er würde bis ans Ende der Welt gehen um dich zu retten."

Die Hexe seufzte auf und goss sich einen Tequila mit Orangensaft nach, nicht bevor sie auch das Glas der Elfe aufgefüllt hatte. "Ich weiss du hast Recht, aber es ist so grausam, ihn jetzt einfach so zurück zu lassen. So hilflos und verletzlich. Merde, dieser Tenoch ist dran, das kannst du mir glauben, ich krempel´ den Penner komplett auf Links. Merde!"

Sie lehnte sich in den Sitz des Wagens zurück und starrte dessen Decke an. Langsam strich sie sich durch die Haare, vor Frust hatten sich diese gänzlich stumpf schwarz gefärbt. Sie atmete tief aus, während das beruhigende Prasseln der Tropfen sie einen Teil der Rage verlieren ließ, die sie so marterte. Während der ganzen Zeit hatte Snowcat geschwiegen und sie einfach nur sanftmütig beobachtet. Riven blickte sie an, "Er ist nur,“ und sie betonte das Wort absichtlich ironisch, "ein Mann, dazu ein vorlauter Weiberheld, ein Großmaul, ein tierischer Angeber. Aber halt einer für den es sich wirklich, wirklich ganz doll lohnt. Er ist halt mein Mann. Und ,wir‘ mögen absolut nicht, das man ihm was antun will. Du verstehst, dass ich wenigstens versuchen muss ihn zu retten, oder? Ich kann und will nicht noch mehr verlieren. Der Weg ist zu Ende, von hier aus gibt es für mich nur noch die eine Richtung." Sie blickte zu Boden und begann nervös mit ihren Stiefeln auf den Fußmatten zu schaben, "Ich .. ich wäre immer liebend gerne den Weg mit dir entlang gegangen, aber ich verstehe dich vollkommen was ,meine kleine Abweichung von der Norm‘ angeht. Wir können und wir werden den Weg zusammen gehen, als gute, als beste Freundinnen, aber halt nicht so wie ich es mir vielleicht mal ausgemalt habe. Und ich bin stolz und glücklich dich als Freundin zu haben! Aber egal, no no, lass uns bitte nicht jetzt darüber reden, d´accord? Bitte! Reden wir über unseren Freund. Alors, du sagtest eben ,wir von hier aus‘. Das heisst wir werden versuchen ihn zu retten?" Ein Hoffnungsschimmer schien aus dem blau ihrer Augen.

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Snowcat hatte Riven in Ruhe ausreden lassen, sie fand es wichtig, dass die schöne Hexe die Gelegenheit bekam, ihre Gedanken zu ordnen und es war auch wichtig für sie selber zu verstehen, worum es Riven ging. Gerade eben hatte Riven von zwei völlig verschieden Dingen gesprochen, davon, dass sie Tenoch komplett auf links drehen wollte und davon, Twinbow zu retten. Snowcat nippte erneut an ihrem Tequila mit O-Saft, hätte sie Grenadine-Sirup gehabt, wäre das schon ein Tequila Sunrise gewesen, wie passend eigentlich, wo doch gerade die Sonne aufging. Sie blickte kurz in ihr Glas, aber darin war keine Sonne und so war es eigentlich noch passender. Sie sah wieder auf und schaute Riven in die schönen Augen, voller Mitgefühl sagte Snowcat: "Ich verstehe, dass Du ihn retten möchtest. Um jemanden zu retten, muss er am Leben sein, dann muss man wissen, wo er ist. Das herauszufinden allein braucht schon Zeit. Jede Rettung braucht Planung. Und die von Twinbow wird besonders viel davon brauchen. Die Gefangenen aus dem Lager zu befreien wird dagegen wie ein Kinderspiel aussehen. Also ist das nichts, wozu man nur die Koffer umpacken, ein bisschen Beschwörungsmaterial kaufen und dann nach einer Mütze voll Schlaf wieder aufbrechen kann. Zumal wir nicht mal eine kalte Spur haben. Wenn etwas überstürzt wird, könnte das schnell zu einer vertanen Chance werden." Snowcat überlegte kurz, bevor sie weiter sprach. "Wichtig ist für mich zu allererst zu erfahren, worum es dir geht?" Sie sprach ein Hauch leiser weiter, legte dafür mehr Timbre in die Stimme. "Möchtest du Twinbow retten oder möchtest du Tenoch zeigen, was es heißt, sich dich, sich dich und Lilith zum Feind zu machen?"

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"Er IST am Leben, naturalement! Ich WEISS es! Solange ich nicht seinen Leichnam in den Händen halte, werde ich genau daran glauben. Ich SPÜRE es, verstehst du mich, cherie ? Und Zeit ist etwas, das er nicht hat. Es sei denn ... ihr habt ihn schon abgeschrieben ! Nein, no, daran werde ich nicht glauben. Will ich nicht! Nein, ihr habt ihn nicht abgeschrieben! Niemals!", sie schüttele vehement den Kopf, ungläubig an dieses Gespinst auch nur noch einen Gedanken zu verlieren. Schnell fuhr sie fort, bevor der Gedanke weitere Samen des Entsetzens und der Verzweiflung in ihr pflanzen konnte "Wenn du mich so fragst ... ganz einfach. Oder auch nicht. Wenn mein Mann tot ist, dann macht ihn der Tod von Tenoch nicht wieder lebendig. Aber er hat mir etwas genommen, das mir sehr, sehr viel wert ist. Dann soll er leiden, er soll den Moment seiner Geburt verfluchen. Er wird das, was er Twinbow angetan hat, nachempfinden, zehnfach so intensiv. Aber Twinbow IST ja nicht tot !!! Und wenn ich wählen darf, dann will ich ihn einfach nur wiederhaben, dann merde auf Tenoch. Einfach wieder nur mit ihm zusammen sein. Ich weiß nicht was mit mir und ihm in Zukunft passiert, aber wir leben im Jetzt und genau jetzt sind wir ein Paar! Er ist trotz seiner Art oder gerade deswegen ein so ungemein liebenswerter Kerl. Er ist die feine Schicht zwischen bitter and sweet, die Brücke, die den Riss in Riven überspannt. Er ist der genaue Gegenpol zu mir und genau deswegen macht er mich komplett und glücklich! Er hat aufgehört, als ich nein gesagt habe! Selbst die Göttin scheint ihn zu akzeptieren, sonst hätte sie mich es spüren lassen. Nein, mir ist wichtig, dass er wieder bei uns ist. Nur das zählt! Ich hab's bei der Wyvern getan und ich würde es wieder tun. Ich habe die Schnauze voll, Menschen die ich liebe zu verlieren, damit ist jetzt Schluss!"

Sanft lächelte sie Snowcat an. Sanft aber auch bittend.

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Snowcat rieb sich mit beiden Händen den Nasenrücken, in Riven war so viel Schmerz, Verzweiflung uns Sorge, aber auch Wut und Ungeduld. Einiges davon konnte einem leicht zum Verhängnis werden. Sie musste die Frau bremsen, damit diese sich nicht selbst in den Abgrund stürzte. Nun gut, einen Schritt nach dem anderen. Snowcat lächelte nicht mehr, sie sah Riven mit ernsten Gesicht an, "Ich habe verstanden, Twinbow zurück zu holen hat eine höhere Priorität, als deine Rache. Gut zu wissen, denn das sind zwei völlig verschiedene Missionen. Abgeschrieben habe ich Twinbow nicht. Ich erahne wie sehr du leidest, mir war bisher nicht bewusst, wie ungemein stark deine Gefühle für Twinbow in dieser kurzen Zeit geworden sind. Leider habe ich nicht mal eine Ahnung, wo mit einer Suche nach ihm begonnen werden kann. Es ist gut, dass du dir sicher bist, dass er noch lebt, halte dich daran fest.“ Die nächsten Wort kamen fast als Murmeln und sie waren völlig frei von Spot oder Hohn, „Wie schön wäre es, wenn du auch spüren könntest, wo er ist." Snowcat lächelte kurz schief, dann wurde sie sofort wieder ernst und sagte wieder etwas lauter weiter,  "Du hast ja selber schon gesagt, dass du verstehst, dass wir nach Seattle müssen. Damit sollten wir anfangen." Nun sah Snowcat Riven noch einmal direkt in die Augen. "Ich befürchte aber, dass du noch sehr viel Geduld aufbringen werden musst, was Twinbows Rettung angeht. Deine Intuition hat dir davon abgeraten, dich Tenoch in der Nordbaracke zu stellen, weil du befürchtest hast, dass du nichts gegen ihn ausrichten kannst, nicht wahr? Dort war er nah, er hatte keinen Heimvorteil. Twinbow befindet sich wahrscheinlich schon längst auf Tenochs Hometurf. Für dich ist das mitten im feindlichen Gebiet. Was hat sich geändert, dass Du ihm oder anderen seiner Art nun gewachsen bist? Meiner Meinung nach, kann eine Rettung nur gelingen, wenn die Chancen auf einen Sieg besser stehen, als vor ein paar Stunden in der Nordbaracke. Dafür braucht es Zeit. Oder weißt Du bereits, wie der nächste Schritt in Seattle aussehen soll? Wenn ja, dann sag mir bitte wie."

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Riven seufzte laut als die Realität sie erneut einholte. "Mir ist klar das es ein fast unmögliches Unterfangen ist. Aber ich bin nicht bereit aufzugeben, ohne es zumindest probiert zu haben. Ich denke, ich werde in Seattle versuchen ein paar Leute zu fragen, ob sie an einem Ritual teilnehmen wollen. Mit dem Finger sollte ich rausfinden können, wo sich Twinbow befindet. Wenn keiner mitmacht, dann kaufe ich mir Hilfe oder erbitte sie. Ich glaube das ist der richtige Weg." Sie machte eine kurze Pause. "Intuition sagst du? Ich weiß nicht. Ich denke nicht. Twinbow und ich haben uns an den Plan gehalten, das ist alles. Niemand der Befehlsgewalt hatte, hat etwas gesagt und uns dort hinbeordert. Bloods Ansicht, dass ich die Schlampe und Tenoch hätte besiegen können in allen Ehren, aber ich glaube dann hättet ihr mich, FTW, Twinbow und die zwanzig Gefangenen auch gleich abschreiben können. Der Plan war gut und Punkt. Tut mir leid um den Gestaltwandler, aber kann ich auch nichts für. Und Llamé redet ja schon lange von Rache gegen Tenoch. Vom Plan abweichen und alles in die Binsen gehen lassen, um ihn dabei zu unterstützen? Vielleicht hätte der Ausbruch dann nicht funktioniert und wir alle und die Gefangenen wären jetzt tot. No, ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass alles so lief wie es sollte."

"Snowcat, meine Gute, ich weiß was du kannst und du bist die allerallerbeste darin. Bitte sei ehrlich zu mir, bitte tue mir den Gefallen. Das sind jetzt nicht nur alles Worte um mich einzulullen, oder? Es gibt doch wenigstens den Drang, Twinbow zu befreien, oder? Das sind jetzt alles nicht nur Worte, die mich darauf vorbereiten sollen, mir klarzumachen das es gar keine Rettungsbemühungen gibt, oder? Bitte sei ehrlich zu mir!"

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Snowcat ließ Rivens Worte einen Moment auf sich wirken. Sie saß beinah bewegungslos da. Ihre langen dichten Wimpern warfen dunkle Schatten über ihre eisblauen Augen. Die silbernen Sterne darin tanzten nicht, sie funkelten nur vor sich hin. Sie sprach nun ein wenig langsamer, ihre Stimme klang warm und schwer, "Wir können nicht sagen, was wie geschehen wäre, hätten wir andere Entscheidungen getroffen. Llamé war jedoch nicht wegen seine Rache bei Tenoch. Er traf zufällig auf Tenochs Partnerin und dann kam Tenoch hinzu. Es ist mir wichtig festzuhalten, dass Llamé nicht aus Rache dort war." Sie sah Riven noch einmal direkt in die Augen, hielt den Blick fest und fuhr dann fort, "Ich versuche dich keinen Falls darauf vorzubereiten, dir zu sagen, dass es von meiner Seite aus keinen Rettungsversuch geben wird." Sie holte tief Luft, "doch jetzt kommt ein aber. Aber ich glaube nicht, dass wir unter den jetzigen Voraussetzungen in der Lage sind, Twinbow zu befreien. Das versuche ich schon die ganze Zeit zu sagen. Du hast selber eben noch einmal zusammengefasst, dass du auch jetzt nicht glaubst, dass du mit FTW, den 20 Mann und Llamé hättest Tenoch und seine Partnerin aufhalten können. Dort wo man Twinbow hinbringt, wird nicht nur Tenoch sein und bisher werden wir nicht mal die zwanzig Mann haben. Stell Du nur einmal vor, Tenoch bringt Twinbow sofort nach Tenochtitlán," die Elfe schloss kurz die Augen, um die Fassung bei dieser Vorstellung zu bewahren, das aufkommende Schaudern unterdrückte sie, "dann könnte es meiner Einschätzung nach Monate dauern, bis wir einen Versuch zu Rettung starten können." Sie schluckte schwer, "und ehrlich gesagt, ist mein Wunsch Twinbow zu retten, sicher nicht so stark wie deiner. Ich bin in Sorge um Dich und habe Angst, dass du denkst, dass es bald gelingen kann, deine Liebe zurückzuholen und, dass du dann erneut schmerzlich feststellen musst, dass es nicht gelingt. Das würde sich dann sicher anfühlen wie ein weiterer Verlust." Snowcat trank noch einen Schluck aus ihrem Glas, der Alkohol brannte in ihrer Kehle und gerade empfand sie das als angenehm, "Riven, du hast zuvor gesagt, es gibt für dich von hier aus nur eine Richtung. Ich nehme an, du meinst damit Twinbows Rettung. Was ist nun, wenn andere Dinge anstehen? Geld verdient werden muss, sprich Runs gemacht werden? Kommst Du dann mit oder wirst du deinen eignen Weg gehen?" Snowcat unterdrückte den Impuls einer Verlegenheitsgeste, stattdessen blieb sie weiter ruhig sitzen. 

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"Tenoch muss ja nicht da sein, er ist ein zweitrangig. Twinbow rausholen ist mir wichtiger als Rache an diesem Wurm. Vielleicht ist er ja ,nur‘ von ein paar Soldaten bewacht, vielleicht haben wir ja ein richtige Chance!"

Sie seufzte erneut und schluckte den Alkohol lieblos und verbittert runter. "Wird Twinbow, wenn er lebt, jemals wieder der gleiche sein? Nein, das wird er leider nicht. Wenn ich sehe, was die Azzies mit Steel und Blood gemacht haben, wird mir ganz mulmig. Und das bei Twinbow ... Aber das werden wir sehen, wenn wir ihn wiederhaben sollten. Dann kümmere ich mich um dieses Problem. Was den Weg angeht ... einer muss es ja versuchen, nicht wahr. Aber ich werde es nicht alleine schaffen. Ich werde Hilfe benötigen. Wenn man mir die nicht gibt ... naja, ich bin auch nicht todessehnsüchtig, dennoch ist es mein Wunsch ihn wieder bei mir, bei uns zu haben! Das ist der Weg, den mein Herz vorgibt. Runs? Für Geld? Schatz, ich schwimme im Geld, die Zeiten sind vorbei. Ich habe dieses Selbstmordkommando nicht für Geld mitgemacht und das weißt du nur zu gut. Es gibt etwas wichtigeres als Geld. Ich bin nicht umsonst aus Paris zurück gekommen. Es gibt ... Sachen ... die erledigt werden müssen, die ... wichtiger ... als ALLES anders sind, Dinge, die nicht einfach zu verstehen sind. Ich WILL auf jeden Fall dem Weg meines Herzens folgen, aber es kann sein, dass mir das verwehrt wird. Ich will ... ich kann nicht auch noch SIE verlieren. Es kommt also auf euch ... auf dich drauf an. Aber...", sie hob schnell den Finger und legte ihn der Elfe sanft auf den Mund um Snowcat die Chance auf eine eventuelle Antwort zu nehmen, "lass uns erst einmal sehen, was bei dem Ritual rauskommt, dann wissen wir mehr. Ich möchte diese Entscheidung nicht jetzt, nicht hier treffen, wo wir noch gar nichts über sein Schicksal wissen! Oui? Es ist nämlich total merde um die Zukunft zu kämpfen, wenn man im Regen fernab der Heimat steht und das Opfer für diese Zukunft der Mann ist, den man liebt ..."

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Snowcat blieb weiter völlig regungslos, sie ließ sich einen langsamen Augenaufschlag für ihre Gedanken. Riven war stets so leidenschaftlich und intensiv in ihrem Handeln, in ihrem Fühlen. Die Elfe reflektierte. Es war nicht einmal vier Monate her, dass Riven und Twinbow sich zum Spass und aus Lebensfreude in Vladivostok geküsst hatten. Vor zwei Monaten hatte die beiden die Nacht im Peninsula zusammen verbracht, da war es schon viel mehr daraus geworden, als nur Spass. Auf dem Run um den Kompass war zumindest für Riven daraus, wie sie selbst sagte, die große Liebe ihres Lebens geworden. Snowcat empfand das Tempo als rasend, aber vielleicht lag es daran, dass sie selber eine Elfe war. 

Snowcat sagte in ihrem sanftesten Ton, "Einen Schritt nach dem anderen. Erstmal nach Seattle. Wenn es mehr Informationen gibt, sehen wir weiter. Gut, dass du viel Geld hast, ich denke du wirst jeden NuYen davon brauchen, schon allein Treibstoff und Flugzeuge sind teuer." Die Bilder der Folterungen aus dem Lager, die Riven nicht kannte, schoben sich ihn Snowcats Bewusstsein und dann die, die sie auf der Hazienda von Ding gesehen hatte, sie schauderte innerlich. Der Twinbow, den sie kannte, war sicher bereits tot. Sie sagte nichts davon, sie wollte der schönen Frau neben sich nicht noch mehr Angst machen. Snowcat hatte nicht verstanden, ob Riven nun auf den nächsten Run mitkommen würde oder nicht und es würde zwangsweise neue Runs geben, denn die anderen aus dem Team brauchten sicher bald wieder Geld, sie schloss sich da selber nicht aus. Doch diese Frage würde sich klären, wenn es soweit wahr. 

"Ich nehme an, du wirst nicht in Twinbows Wohnung schlafen wollen. Weisst du schon, wo du in Seattle unterkommst?" 


Der Regen hatte aufgehört, die Sonne war aufgegangen, die Wolken völlig abgezogen und das Licht der Morgensonne durchflutete den Wagen. Das Wetter hatte sich schnell verändert, so wie es in Bogotá üblich war.

Riven erklärte, dass sie bei Rabenschey, ihrem Taliskrämer unterkommen würde, bis sie etwas Neues gefunden habe. Damit war das Dringendste geklärt, es war an der Zeit, aufzubrechen.

Snowcat umarmte Riven und sagte ihr leise ins Ohr, „Dein Verlust tut mir wirklich leid. Wenn irgendetwas ist, dann kannst du mich jederzeit anrufen.“ Snowcat lehnte sich zurück und grinste ein wenig, „Und nun werde ich Blackstone erlösen. Er sieht wirklich müde aus. Wir sollten zusehen, dass wir hier wegkommen. Abgesehen davon haben wir einen Flug zu erwischen und zwischen uns und dem Abflugpunkt liegt noch eine ganze Strecke Dschungel.“


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Part III

Nachdem Snowcat im Flugzeug zurück nach Seattle die offiziellen, finanziellen Dinge geklärt, das Geld verteilt, FTW einen kleinen Anteil von 5000¥ aufgedrängt und zwei Commcalls geführt hatte, setzte sie sich neben Riven und sagte sanft, „Es geht dir sicherlich nicht gut, du brauchst dringend Schlaf und zwar erholsamen, traumlosen Schlaf. Ich würde dir darum gerne einen kleinen Cocktail aus milden Drogen verabreichen, damit du den Flug über auch im Sitzen richtig schlafen und daraus neue Kraft schöpfen kannst. Darf ich das für dich tun?“

Riven zögerte kurz, aber dann nickte sie müde. Sie sah so traurig und verloren aus, Tränen zeichneten sich jedoch immer noch nicht ihn ihren Augen ab. Snowcat ging an Twinbows Tasche, zog ein paar Sachen daraus hervor, nahm für sich eine seiner Mützen weg, damit sie für später etwas aus seinem Besitz hatte, rollte ein paar seiner getragenen T-Shirts zusammen und schob sie als Kissenersatz und Rivens Kopf. Erst dann verabreichte sie ihr das Schlaf- und Beruhigungsmittel. Snowcats blieb an Rivens Seite, bis diese eingeschlafen war. 

Als nächstes setzte sie sich zu Blackstone. Der Zwerg hatte die Augen bereits geschlossen und saß mit vor dem Bauch gefalteten Händen und geradem Rücken da, sein Kopf schaukelte unter den Bewegungen des Flugzeugs leicht hin und her. Doch im Gegensatz zu Blood, Thunderstrike und FTW war er noch nicht eingeschlafen. Er hob ein Augenlid und blickte sie durch den Schlitz an, „Na Katze, was gibt es?“, fragte er leise auf Deutsch, dann schloss er das Auge wieder.

Sie lächelte, denn sie hatte ebenfalls vorgehabt auf Deutsch mit Blackstone zu sprechen. „Ich hab bei Liam schon mal ein Krankenbett für dich reserviert. Schließlich ist er der beste Arzt, den ich kenne.“ Blackstones eines Augenlid hob sich wieder, doch Snowcat sagte ungeachtet dessen weiter, „Keine Sorge, du musst dich auch nicht alleine mit Sparky und Arcade rumschlagen, Blood und Steel werden dich begleiten, denn sie brauchen beide dringend mal einen vollen Wartungszyklus aus professioneller Hand.“

Snowcat erhielt als Antwort ein nickendes Brummen. 

„Ich wollte dich aber noch etwas fragen. Es geht um unseren wiedergefundenen Freund, der ja nun mit nach Seattle kommen wird. Was hältst du davon, wenn er die erste Zeit bei dir unterkommt?“

Es dauerte einen Moment, bis Blackstone fragte, „Warum?“

„Nun, ich dachte, das wäre einfach sicherer für ihn.“

Blackstone nickte abermals, „Ja, geht klar. Können wie so machen.“

Blackstone hatte zwar in dem für ihn normalen Ton und in seiner ruhigen Art zugestimmt, aber da war dieses winzige Zucken in seinem Mundwinkel gewesen, welches anzeigte, dass er nicht begeistert von dieser Idee war. Es würde keine Freude daran haben, darum sagte Snowcat nun, „Andererseits hat er bereits eine Wohnung in Seattle und er ist in den letzten zwei Jahren auch ohne Schutz ausgekommen, also vergiss es.“

Blackstone schmunzelte ein winziges bisschen, „Genau!“

Snowcat drückte kurz seinen Unterarm, „Na dann, schlaf gut.“

Steel grinste Snowcat an, als sie sich im Anschluss neben Starbuck setzte. „Hey Du,“ ,begann sie, „Ich finds wirklich schön, dass du wieder mit nach Seattle kommst.“

Er grinste niedlich, „Ich auch.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu, „Jetzt hätte ich mal wieder richtig Lust, selbst Musik zu machen und aufzulegen. Was hältst Du davon, wenn wir in Seattle eine Party feiern?“

„Eine Menge. Um ehrlich zu sein, möchte ich sogar unbedingt eine Party feiern, auch wenn die Situation wegen Twinbow angespannt ist. Sunrise hat eine Gedenkfeier verdient, Blood und Steel, die fest zu UC, unserer Runnercompany gehören und ne Weile weg waren, sind wieder da, was noch ein Grund zum Feiern ist. Du bist auch wieder da und immerhin haben eine Menge von uns einen heftigen Run überlebt, was bei allen Abstrichen definitiv ein Grund zum Feiern ist. Also ist eine baldige Party eine außerordentlich gute Idee. - Du machst Musik? Was für welche denn?“

„Club Music. Wenn ich in Clubs spiele, ist auf dem Dancefloor richtig was los.

Ich erschaffe die Musik im Kopf und steure dann Synthiziser und E-Drums per Synthlink. Auch wenn ich heute als Runner selten dazu komme, so mixe ich mir gerne selber ein paar Sounds. Wenn Du willst, kann ich Dir ein paar Sachen von mir auf Dein Commlink schicken?“

„Gerne, mach mal.“ Snowcat hielt ihr rechtes Handgelenk hoch an dem sich ihr Commlink befand.“

„Darf ich ein paar Einstellungen ändern?“ Starbuck deutete auf Snowcats Commlink. Sie nickte. Er griff sanft nach ihrer Hand und drehte den Unterarm ein Stück zu sich hin, dann veränderte er via AR ein paar Einstellungen in ihrem Musikplayer und fragte leicht spöttisch, „Du hörst die Wild Cards, Grim Aurora und Crimetime. Das ist aber eine ganz üble Mischung.“

„Hey, Crimetime? Ich hör überhaupt kein Crimetime. Und die Wild Cards und Grim Aurora sind cool!“

Starbuck grinste jungenhaft, „Stimmt alles, ich wollte nur testen, ob du weißt, was du auf deinem Commlink hast.“

Snowcat knuffte ihn in den Oberarm und lachte, „Das war nicht nett.“

Starbuck lachte ebenfalls, dann schob er ihr die Musik zu, schaltete gleich den Ohrhörer an und spielte eine Datei seiner eigenen Musik ab, erst dann ließ er ihre Hand los. 

Auch wenn Snowcat mehr auf Rockmusik stand, gefiel ihr, was sie da hörte und man konnte definitiv dazu tanzen. Das ganze begann etwas ruhiger und steigerte sich dann im Tempo. Starbuck wartete leicht ungeduldig auf Snowcats Kritik, „Ist wirklich gut. Ich hab da auch schon ein oder zwei Clubs im Kopf, die für die Party passen würden. Ich werde dort mal anfragen, was so möglich ist.“

Starbuck strahlte, „Prima. Ich will nicht den ganzen Abend Musik machen. Ungefähr zwei Stunden, so in der Mitte des Abends. Zum Gedenken an Sunrise kann ich einen Videoclip basteln, in dem er mehr oder weniger zu erkennen ist. Unterlegt mit einem satten Sound, so könnte man bei der Party seiner gesondert denken.“

Snowcat lächelte Starbuck an, „Die Idee finde ich ebenfalls auch richtig gut.“ 

Dann sprach Starbuck Snowcat übers Commlink an und fragte sie über einen Direktkanal, „Wann bist du eigentlich erwacht? Als Drake meine ich.“

Snowcat lächelte und schaltete ihr Subvocal Mic ein, „Vor etwas über einem Jahr, genauer gesagt, vor vierzehn Monaten.“ Starbuck war wirklich attraktiv für einen Menschen, die letzten beiden Jahre hatte ihn noch ansehnlicher gemacht. Seine Züge waren ein wenig härter geworden, die Augen eine Spur dunkler. 

Starbuck nahm Augenkontakt mit Snowcat auf und fragte dann weiter über Commlink, „Hast Du deswegen Feinde?“

Snowcat schüttelte den Kopf, „Deswegen speziell sicher nicht. Allerdings sind Drakes begehrte Studienobjekte für einige Forscher. Das ist also nichts, was man an die große Glocke hängen sollte. Bei den Großen Drachen ist man ebenfalls begehrt. Aber keine Sorge, ich hab Asyl bei der Draco Foundation und damit bin ich quasi aus dem Rennen und vor den Klauen andere Drachen sicher.“

Es folgte gleich die nächste Frage, „Und wie kannst du nun in dieser Gestalt kommunizieren.“

„Eine schwierige Frage. Ich kann jedenfalls -wie alle Drachen -nicht einfach in ein Commlink sprechen. Das nennt sich Dragonspeech und ist am ehesten mit einer Art Telepathie vergleichbar, die ich auf die wirken kann, die sich in meinem Blickfeld befinden und keine Angst, ich kann dabei keine Gedanken lesen.“

Dieser Umstand schien Starbuck zu erfreuen, „Wie fühlt es sich an, dich als Drake zu berühren?“

Snowcat zwinkerte ihm zu, „Na das kannst du ja vielleicht eines Tages noch selber herausfinden.“

Starbuck trat eine Spur von Röte ins Gesicht. 

Steel schob sich ins Bild, „Spielt ihr da was oder turtelt ihr?“

Snowcat grinste, „Wir turteln, aber wenn du magst, dann können wir auch alle drei gemeinsam was spielen.“

Steel war die Freude über den Vorschlag wie immer anzusehen, „Ich dachte schon, Du fragst nie.“

Und schon erklang in Snowcats Commlink die Musik von Dawn of Atlantis III.


Viele Stunden später schloss Snowcat die Tür ihres Appartements im Elfenviertel von Downtown Seattle auf. Die Tür war noch nicht einmal ganz zurück ins Schloss gefallen, als dutzende von winzigen bunten Luftballons um sie herum zu Boden schwebten. Ein Tusch erklang. Die Gestalt von Henry in seinem besten Clownskostüm materialisierte sich im Flur. Seine Haare waren frisch aufgewuschelt und er grinste fröhlich. Überall schwebten Banner umher auf denen die unterschiedlichsten Willkommen-Sprüche standen. Im Durchgang zum Wohnzimmer explodierte ein kleines, wunderschönes, magisches Feuerwerk, dass selbst Liam alle Ehre gemacht hätte. 

Snowcat war gerührt und umarmte Henry herzlich. Der kleine Geist wurde ganz verlegen und schnappte sich schnell die Koffer, um das zu überspielen.

Als Snowcat sich zwei Stunden später in ihr frisch aufgeschütteltes Bett kuschelte, hatte sie bereits Champagner und Erdbeeren bei einem ausgiebigen wundervoll duftendenden Bad genossen. In diesem Augenblick waren jegliche Gedanken um Riven, Twinbow, ein neues Safehouse und anstehende Prüfungen vergessen.

Sie dachte an den tollen, bunten Empfang, den Henry ihr bereitet hatte und dessen Farben ein gutes Gegengewicht zu den Bildern von Folter und Tod der vergangene Tage darstellten. Sie dachte an Harlequin und als sie die Augen schloss, war ihr bereits klar, dass sie heute keine Alpträume haben würde. 

Katze sprang aufs Bett, suchte sich den besten Platz am Kopfende und begann zufrieden zu schnurren. 


Wie all die Geschichten weitergehen, wird demnächst hier zu lesen sein. Schau also bald mal wieder rein, omae. 

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*