Teil 9

9

Der folgende April des Jahres 2068 schien sich vorgenommen zu haben es jeden Tag wenigstens eine Stunde regnen zu lassen. In Bezug auf schlechtes Wetter wollte er wohl den vergangenen Monaten in Nichts nachstehen. Die permanente Feuchtigkeit kroch einem in jeden Knochen. 

So wurde das Motorradfahren manchmal zu einer unangenehmen Angelegenheit, fand Snowcat. Aber sie hätte sich niemals die Blöße gegeben sich etwas anmerken zu lassen. Cool und lässig wie immer saß sie auf ihrem Bike.

An einem besonders verregneten Abend verließ sie mit Neon einen Stuffercheck in Loveland/Puyallup. beide waren mit Einkäufen überladen. Sie hatten zuvor bereits sämtliche Läden der Kette besucht, um alle Dosen der neu erschienenen New Kit-Sorten Crainberry-Honig und Himbeere-Blaubeer-Lakritz zu ergattern die hier draußen verfügbar waren. Die Beiden standen total auf auf den neuen Geschmack.

Nun hatten sie allerdings Schwierigkeiten damit die eben gekauften 36 Dosen noch zu den anderen auf ihren Motorrädern unterzubringen.

Neon zog eine Magnetklammer samt Gummiband aus seiner Tasche: „Das is‘ aber meine Letzte.“

Snowcat überlegte kurz: „Na, die wird wohl nicht reichen. Dann hol‘ ich drinnen eben mal schnell noch eine. Oder so was in der Art zum Festmachen.“

„Jo“, Neon nickte, „gute Idee. Ich mach die 12 Dosen hier dann schon mal fest.“

Snowcat war fast wieder im Stuffercheck verschwunden, als ihr ein dunkelgrauer Pick-Up auffiel, der gerade auf der anderen Strassenseite hielt. Sie ging noch mal zu Neon zurück und fragte: „Der Pick-Up da drüben, ist dir der vielleicht vorhin schon mal aufgefallen? Irgendwas ist mit dem komisch. Erstens hab ich den beim letzten Halt schon mal gesehen, glaub ich. Und zweitens ist der viel zu neu für die Gegend hier, zu mal er nicht wie eine klassische Bonzenkutsche aussieht.“

Neon warf unauffällig einen Blick hinüber: „Hmm, also ich hab ihn noch nicht bemerkt. Vielleicht sind das nur ein paar Freier, die nen bisschen Zeit totschlagen wollen, bevor sie in einen Nachtclub oder zu einer Hure ihrer Wahl gehen. Und bei dem strömenden Regen heute Nacht sind die froh über ihr Dach und steigen nicht aus“

Snowcat nickte, doch da sich ihre Nackenhaare aufgestellt hatten fügte sie hinzu: „Behalt sie einfach im Auge und sei vorsichtig!“ Sie wischte sich den Regen aus dem Gesicht und betrat den Laden.

Nur ein paar Augenblicke später kam sie wieder heraus. Sie war schnell fündig geworden. Neon lehnte erwartungsvoll an seiner Maschine. Er wirkte trotz der Wassermassen betont lässig. Er hatte der Strasse den Rücken zugewandt, in der Hand hielt er eine geöffnete New Kit Dose so, dass kein Regen hinein kam und lächelte Snowcat zu.

Er machte Anstalten ihr entgegen zu kommen und genau in diesem Augenblick flammten helle Scheinwerfer auf und ein Motor heulte. Das Licht blendete Snowcat, doch ihre Augen reagierten schnell und so konnte sie kurz darauf wenigstens etwas sehen. Bei den Scheinwerfern musste es sich  um Nebellichter oder ähnliches handeln, vielleicht war aber auch der Regen Schuld daran, denn für mehr als Schatten reichte ihre Wahrnehmung nicht aus. Jetzt ging alles furchtbar schnell.

Neon drehte sich, noch bevor Snowcat ihn warnen konnte, nach dem Licht um. Snowcat sah die Umrisse eines Fahrzeugs auf ihn zu rasen. Ihm blieb keine Zeit mehr. Der Wagen rammte sein Motorrad und Neon flog im hohen Bogen durch die Luft. New Kit Dosen zerplatzten und verteilten ihren klebrigen Inhalt sprudelnd über den Asphalt.

Intuitiv sprang Snowcat gerade noch rechtzeitig zur Seite, vollführte eine Rolle und drehte sich dem Auto zu, dabei fuhr sie ihre Monopeitsche aus. „Neon!“, schrie sie laut.

Dann nahm sie eine Gestalt wahr, die anscheinend eine Waffe aus dem geöffneten Beifahrerfenster auf sie abfeuerte. Diesmal blieb ihr keine Zeit um zu reagieren. Sie setzte zwar erneut zu einem Sprung an, wurde aber im selben Augenblick von etwas getroffen.  

Wie ein Stein fiel sie zu Boden. Doch spürte sie jetzt nicht das seltsamer Weise angenehme-warme Gefühl von fließendem Blut, mit dem sie eigentlich gerechnet hatte. Stattdessen zogen sich ihre Muskeln krampfhaft zusammen und ein heftiger Schmerz wallte über sie hinweg. Danach fühlte es sich an, als würde jemand direkt in ihrer Brust nach ihrem Herzen greifen und es in alle Richtungen drehen und zusammenquetschen. 

„Gotscha!!!“, rief eine männliche Stimme erfreut.

Snowcat konnte sich nicht bewegen, sie konnte nicht mal ihren Kopf drehen. Wie durch Watte nahm sie Geräusche und Stimmen wahr. Der Boden unter ihr begann sich zu drehen. Ihre Muskeln fühlten sich irgendwie verdreht an. „Jetzt nur nicht ohnmächtig werden!“, dachte sie.

„Ich glaub, da haben wir nen prima Fang gemacht! Phill, sie mal nach dem Typ.“

„Der ist hinüber. Hehehe!“ Das Lachen klang dreckig in Snowcats Ohren.

„Gut. Nimm ihn trotzdem mit. Schmeiß ihn einfach hinten rein!“

Ein Fahrzeug bewegte sich. Ein Lichtfinger huschte über sie hinweg. Schritte. Inzwischen fühlten sich ihre Glieder taub an, nur im Brustbereich kribbelte es schmerzhaft. Jeder Atemzug tat weh. 

Das menschliche Gesicht eines Jungen Anfang zwanzig beugte sich über Snowcat und grinste. Die Fratze kam näher, presste ihr einen feuchten, nach Bier riechenden Kuss auf den Mund und zerrte dann an ihrem Jackenkragen. Plastik ratschte. 

„Hey Pete,“ sagte Sprecher Nummer zwei, „Ist die Schnalle auch wirklich ruhig gestellt?“

Unsanft wurde sie geschüttelt. „Ich glaub schon. Die verträgt bestimmt nicht viel. Die ist ziemlich leicht.“ Er lachte.

„Verpass ihr lieber trotzdem noch ne Ladung, wär doch blöd, wenn sie während der Fahrt Zicken macht.“

Pete‘s Stimme wurde etwas leiser: „Na ich weiß nicht, nicht das sie gleich drauf geht.“

„Quatsch, die hält das schon aus. Und nun mach hin‘ne! Nicht das sich doch noch jemand für uns interessiert.“

Snowcat wurde kurz losgelassen. Regenwasser spritzte auf und platschte in ihr Gesicht. Langsam klärten sich ihre Sinne. Pete schien in seiner Tasche zu kramen. Dann fühlte sie, wie irgendetwas an ihren Hals gepresst wurde. Den heftigen Schmerz, der im Anschluss daran in ihr ausgelöst wurde, spürte sie nur kurz. Sie verlor das Bewusstsein. Eine eisige Schwärze empfing sie.


Das erste, was Snowcat wahrnahm, als sie zu sich kam, war das dumpfe Bummern eines Basses, das sich in ihrem Schädel zu einem schmerzhaften Staccato steigerte. Die Luft schmeckte nach kaltem Rauch und abgestandenem Bier.

Ihr war unglaublich kalt. Sie versuchte nicht die Augen zu öffnen. Wenn man in einer unbekannten Situation zu sich kam, war es immer besser vorsichtig zu sein.

Als Erstes wollte sie sich ein genaueres Bild über ihren eigenen Zustand machen. Snowcat horchte vorsichtig in sich hinein. Der Kopf war nicht das Einzige, was ihr weh tat. Sowohl Handgelenke, als auch Schultern brannten. Langsam sandte sie ihre Empfindung in jeden Bereich ihres Körpers.  Jeder Muskel fühlte sich an, als hätte sie gestern zu lange oder falsch trainiert. Bis auf ihre Stiefel und ihre Unterwäsche war sie unbekleidet. Snowcat brauchte noch einen Moment, um ihre genaue Position zu realisieren. Doch dann war sie sicher: Man hatte sie halbnackt an ein großes Kreuz gefesselt. Ihre Füsse standen auf irgendeiner Art schmalem Balken und ein Teil ihres Gewichts wurde durch diese Position von ihren Armen gehalten. ,Na Bravo! Was für eine Scheiße!‘

Snowcat beschloss, die Augen  weiterhin geschlossen zu halten, besser man hielt sie noch für bewusstlos. Sie verbannte den Gedanken an Neons Befinden aus ihrem Kopf. Dafür war hoffentlich später Zeit. Hier war dringend eine Überlebensstrategie notwendig.

Snowcat versuchte sich voll auf die Umgebungsgeräusche zu konzentrieren. Das Blut rauschte laut in ihren Ohren. Sie schob es in den Hintergrund. Langsam breitete sie ihre Wahrnehmung aus. Sie konnte zwei menschengroße Gestalten im Raum spüren, wahrscheinlich handelte es sich dabei um die Typen, die sie angegriffen hatten. Snowcat brauchte ein bisschen bis ihr die Namen einfielen: Phil und Pete. ‚Nein, Pete hatte das L seltsam lang ausgesprochen, Phill.‘

Ein Rascheln erklang. Eine Tür wurde geöffnet, sie lag genau gegenüber Snowcats Position. Eine dritte Gestalt näherte sich und trat ein.

„Hi, Jim,“ erklang die Stimme von Phill, „ Da bist‘e ja. Na, was sagste?“

Jim zog die Luft scharf ein und pfiff durch die Zähne, langsam kam er näher, sehr viel näher, sein Atem schmeckte nach Pfefferminz: „Wow, echt megacool. Die Fee sieht ja so was von heiß aus. - Das ist der Fang! Und mit Sicherheit eure Eintrittskarte nach oben.“

Eine Zweite Gestalt bewegte sich auf Snowcat zu. Lachend kam Phills Stimme heran: „Ja, ich glaub auch, dass Thomas total begeistert sein wird, wenn er sie sieht. Zumal wir ihren Macker als Bonus platt gemacht haben. Die Leiche liegt noch im Wagen.“ 

Snowcat unterdrückte die Tränen, die ihr bei der letzten Bemerkung hochkommen wollten. Die beiden Menschen standen nun so nah bei ihr, dass sie sie fast berührten. Tränen hätten verraten, dass sie bei Bewusstsein war.

Phill fuhr ohne Pause fort: „Du musst mal anfassen Jimmy, die Haut ist ultraweich und die Haare erst!“

Snowcat konnte spüren wie Jimmy die Hand ausstreckte, doch zu ihrer Freude ließ er sie wieder sinken: „Nee, lass mal. Ich meine, müssten wir ihr nicht erstmal die Augen verbinden? Man hört doch immer, das alle spitzohrigen Mutanten-Feen zaubern können.“

„Ja, gute Idee, Vorsicht ist besser als Nachsicht.“ Phill lachte dreckig: „Und ich dachte schon, du hast Angst dass sie dich edetie... ich meine wieder erkennen könnte, oder so. Hey Pete, such doch mal nen Tuch aus dem Klamotten-Stapel raus, damit wir der Feenpuppi die Augen verbinden können. Ach was, wir sind hier ja nicht bei ner Zaubervorstellung, gib besser gleich ne Rolle Tape raus!“

Die dritte Person, Pete, bewegte sich. Es raschelte abermals, plötzlich sagte er: „Hey ihr Zwei, guckt mal was eben auf dem Mantel der Elfe aufgetaucht ist.“

Jim und Phil schlenderten weg. Phil gähnte. „Was den? Ein paar hundert New Yen?“

„Quatsch!“ meinte Pete, „Nicht was aus dem Mantel gefallen ist, sondern was jetzt am Rücken drauf ist! Das war beim Ausziehen noch nicht da!“

Snowcat unterdrückte erfolgreich den Impuls die Augen zu öffnen. Leider konnte sie nicht zaubern und so brauchte sie das Risiko nicht einzugehen, beim Öffnen der Augen entdeckt zu werden. Sie wußte ja, was dort jetzt als Einziges erschienen sein konnte: Das flammende Ancient-Symbol.

„Wow,“ Jims Stimme triefte vor Hohn, „was für eine Entdeckung.“

„Man, ist das nicht das Zeichen dieser riesigen Elfengang? Ich meine, wenn die aus der Gang ist, von der Thomas gesprochen hat, dann ist das doch nicht so gut. Mit denen sollten wir uns doch nicht anlegen!“, verteidigte sich Pete.

Snowcat hörte, wie jemandem auf die Schulter geklopft wurde. Sie überlegte kurz nun mit fauchender Stimme zu sagen: „Ja, gleich schieße ich Blitze aus meinen Augen ab und dann komme ich mit  Hunderten von uns zurück, und dann werden wir euch vernichten!“ Schnell verwarf sie den Gedanken wieder. In ihrer jetzigen Position würde sie die Drei wahrscheinlich nicht ängstigen. Die Erste Regel im Einschüchtern besagt schließlich: Sprich eine Drohung nur aus, wenn du bereit und in der Lage bist, sie umgehend in die Tat umzusetzen. Das konnte Snowcat nicht. Aber eine andere Idee keimte in ihr auf. Bald würde sie offiziell aufwachen und dann würde sie anfangen Pete auf ihre Seite zu ziehen. Die Augen konnte man ihr ruhig verbinden, die brauchte sie dazu nicht unbedingt. Das Einzige was ihr Sorgen machte war, dass ihr eventuell die Zeit davon laufen konnte. Verführung, egal welcher Art, ist nämlich ein langsam wirkendes Gift und sie musste fertig sein, bevor dieser Thomas die Bildfläche betrat.

Phil sagte gerade zu Pete: „Nun mach die mal nicht ins Hemd, kleiner Bruder. Selbst wenn sie in dieser Gang wäre, dann weiß doch niemand von denen, dass wir hier sind. Aber sieh vorsichtshalber mal zu, dass du das Symbol wieder ausschaltest und wenn das nicht geht, dann leg den Mantel irgendwo hin, wo ihn keiner sieht. Und, nur noch mal zur Erinnerung, wir haben Thomas schon Bescheid gesagt, ein Zurück gibt es jetzt so wie so nicht mehr.“

„Wann kommt Thomas denn eigentlich?“, fragte Jim.

„Er hat gesagt, er wird mit seinen Leuten noch vor Mitternacht hier auftauchen, aber er ruft vorher noch mal durch.“

„Na dann also noch maximal zwei Stunden. Bin ja gespannt, was dann so abgeht.“ Jim rieb sich die Hände.

Dann kam Phill zu Snowcat rüber und verklebte ihr die Augen.  Danach tätschelte er ihr grob die Wange: „Hey Schlampe, biste wach? Ma‘an, komm langsam mal zu dir!“

Jim mischte sich ein: „Ist doch egal, wenn Thomas hier ist, und sie ist immer noch nicht wach, dann verpasst du der Fee einfach ein Stimpatsch!“

„Na, hast ja Recht. Doch ich hätt mich nur halt gern schon vorher etwas mit ihr -  unterhalten,“ wieder lachte Phill dreckig. „Warte mal, ich hab ne Idee!“

Phill fasste um Snowcat herum und fingerte an ihrem BH. Dann fluchte er: „Man, dieser Scheiß-Balken ist im Weg.“ Kurzer Hand schnitt er den BH an der Vorderseite mit einem Messer durch, dabei verletzte er Snowcat leicht unterhalb ihres Busens. Blut tropfte. 

Snowcat musste all ihre Willenskraft zusammenreißen, um nicht irgendwie zu reagieren. Phill schien das nicht mal bemerkt zu haben, er meinte nur: „Ich wollt das Teil eigentlich ganz lassen und es Mandy schenken, aber egal.“

Jim lachte: „Man hast du die Möpse von der Feen-Braut gesehen? Da hättste für Mandy aber noch Einlagen kaufen müssen...“ Nun prustete er vor Lachen. Darauf schien eine leichte Kopfnuss oder etwas in der Art zu folgen. „Man, Phill ich wollt deine Freundin nicht beleidigen. - Hey, guck mal, wie der Blutstropfen da so die helle Haut runter fließt, sieht echt ganz hübsch aus. Oder?“

„Man, lasst doch den Mist!“ mischte sich Pete ein, „Thomas will doch irgendso‘n Ritual machen. Wer weiß, ob da nicht jeder Tropfen Blut gebraucht wird. Tretet mal beiseite.“  Er kam zu Snowcat und tupfte den Blutstropfen weg.

„Naja, könnt schon sein, dass dabei Blut fließen wird. Schließlich sollt ihr Baufolie bereithalten. Aber ich glaub nicht, dass Jeder Tropfen gebraucht wird.“,  feixte Jim. „Will noch jemand nen Bier aus eurem Kühlschrank“

„Gute Idee, aber geh ruhig an den bei der Theke der Anlage, schließlich haben wir heute aus besonderem Anlass geschlossen.“

Jim stapfte von dannen.

Phill stellte sich nun dicht vor Snowcat und begrapschte ihren Oberkörper. Wieder musste Snowcat sich sehr beherrschen, um nicht irgendwie zu reagieren. Ruhig konzentrierte sie sich auf ihre Atmung, so wie es ihr Whisper einst gezeigt hatte. Gern hätte sie jetzt versucht ein Bein frei zu bekommen und dem Arsch ordentlich in die Eier zu treten.

Snowcat konnte hören, dass er nun begann an dem Reißverschluss seiner Hose rum zu fingern. Sorge stieg in ihr auf. Sie konnte den Atem ruhig halten, doch eines war klar, wenn der Typ jetzt seinen Schwanz raus holte, dann würde sie ihm ins Gesicht beißen. Egal, wie fest sie gebunden war.

Doch Pete bewahrte sie davor: „Man, Phill, nun reiß dich mal zusammen. Du weißt doch gar nicht, was die Schlampe alles für Krankheiten mit sich rumschleppt. Und Thomas predigt uns doch immer  Rassenreinheit. Du musst der Versuchung der Hexe widerstehen! Hörst du!!!“

Phill schloss seine Hose wieder und entfernte sich von Snowcat. Erleichtert atmete sie tief durch. Phill ging offenbar zu Tür und schnauzte, bevor er den Raum verließ: „ Sieh zu, dass sie nachher wach ist und halt das Klebeband bereit, falls sie die Klappe halten muss!“ Dann schlug er die Tür hinter sich zu.

Snowcat konnte spüren, wie er eine Treppe hinaufging, dann war sie mit Pete allein. Sie wartete noch einige Sekunden, bevor sich sich räusperte. Als Reaktion darauf bewegte er sich. Snowcat versuchte den Kopf, der auf ihrer Schulter lag, zu heben. 

Es gelang, obwohl ihr Hals ziemlich steif war. Ihr Kopf brummte immer noch, doch in Anbetracht der Situation, in der sie sich befand, fiel es ihr leicht, das zu ignorieren.

Dann zerrte sie an ihren Händen. Pete meldete sich sofort. „Das wird nichts nützen. Ich hab sehr viel Klebeband benutzt, um dich zu fixieren.“

Snowcat tat überrascht, dass überhaupt jemand anwesend war. Leise fragte sie: „Wo bin ich? Und wer bist du?“ Anschließend ließ sie ein Zittern durch ihren Körper fahren und wimmerte leise.

Pete kam näher, darauf hatte sie gehofft. 

„Was sagst du? Ich hab dich nicht verstanden.“

Snowcat wandte betont ängstlich ihren Kopf seiner Stimme zu, nur ein ganz klein wenig lauter wiederholte sie ihre Fragen. Pete antwortete: „Das geht dich gar nichts an!“ Seine Stimme klang nicht besonders fest. ‚Bestens.‘

Pete wollte sich schon wieder abwenden, doch Snowcat gelang es, ihn mit einer möglichst hilflosen Bewegung ihrer Finger zurückzuhalten: „Warte bitte“, flüsterte sie, „mein Name ist Felina. Bitte, kannst du mir nicht helfen, mir ist so furchtbar kalt!“

„Nein.“, er zögerte, „Ich kann dir keine Decke bringen oder so. Eigentlich darf ich nicht mal mit dir sprechen!“ Er klang unsicher.

Snowcat ließ ihre Stimme zittern: „Bitte, ich hab solche Angst.“ ,Man du Arsch‘, dachte sie. ,Nun tu schon irgendwas! Guck mal, wie hilflos ich bin!‘

Sie spürte wie er wieder näher kam. ,Ja, komm schon, fass mich an. Mein Haar ist ja so weich.‘- „Hallo, bist du noch da?“

Pete schluckte: „Ja.“ Vorsichtig streckte er seine Hand aus. Als er ihr Haar tatsächlich berührte, zuckte Snowcat zusammen.

„Keine Angst, ich tu dir ja nichts.“

,Ja! Fisch am Haken,‘ freute sie sich, laut sagte sie: „Bitte, kannst du mich nicht für einen Augenblick losmachen? Ich verspreche dir auch, nichts anzustellen. Ich versteh ja, das du mir nichts zum Anziehen geben darfst, aber vielleicht könntest du mich kurz in den Arm nehmen, nachdem du es mir ein bisschen bequemer gemacht hast. Das würde mir etwas Wärme geben. Bitte!“

„Okey, aber nur ganz kurz. Ich hol vorher nur das Klebeband, damit ich dich danach gleich wieder fest machen kann. Und die Augenbinde bleibt dran!“ Den letzten Teil hatte er besonders laut ausgesprochen.

Snowcat nickte und sah dabei unglaublich dankbar aus.

Das war schneller gegangen, als sie gehofft hatte. Doch leider nicht schnell genug, denn in diesem Augenblick spürte sie, wie zwei Gestalten wieder die Treppe runterkamen.

Pete hörte sie kommen: „Schnell, tu so, als ob du noch ohnmächtig wärst!“

‚Oh, danke. Darauf wäre ich nie im Leben selbst gekommen.‘ Snowcat beruhigte erneut ihre Atmung. Jetzt hieß es wieder abwarten. -Die geduldige Katze fängt die Maus.- Fast hätte sie über diesen unpassenden Vergleich laut aufgelacht.

Jim und Phill brachten mehrere Flaschen Bier mit, gaben Pete eine und machten es sich dann irgendwo bequem. Glas klirrte.

Snowcat hatte inzwischen eine wage Vorstellung vom Raum. Allerdings hatte sie keine Ahnung, wo was für Möbel standen. Schließlich hatte sie sich hier noch kein einziges Mal umgeschaut. Nur die Bewegungen der drei Männer verrieten ihr grob etwas.

Wenn Jim und Phill nicht bald wieder gingen, musste sie damit anfangen, die Drei gegeneinander auszuspielen. Viel Zeit blieb ihr mit Sicherheit nicht mehr bis Mitternacht. Spätestens dann sollte dieser Thomas hier sein.

Leider wusste Snowcat nicht viel über die Männer außer, dass sie Rassisten waren. Wahrscheinlich wussten die Idioten selbst nicht mehr.

Snowcat war es gelungen in Pete den Beschützer-Instinkt zu wecken. Sie würde nun wohl oder übel aufwachen müssen und dann, ja was dann? Sie musste vom Kreuz runter, erst dann bot sich überhaupt eine Möglichkeit zur Flucht. Mindestens Einer von Dreien wollte sie poppen, ein Anderer sie schützen, das sollte ausreichen, um hier runter zu kommen.

In diesem Augenblick wurden ihre Überlegungen unterbrochen. Sie spürte Bewegung auf der Treppe.

 Mehrere Gestalten. Thomas? Nein, für Thomas bewegten sie sich eigentlich zu schnell...

Die Tür zerbarst. 

Maschinenpistolen feuerten.

Die drei Jungs heulten auf.

Wildes Gewusel, der Geruch von Blut und darunter Cravens Stimme, die leise aber verständlich auf Sperethiel sagte: „Wir sind‘s. Gleich bist du frei!“ 

Nightmares gruselige Stimme erklang, er lachte laut, als wäre er der Teufel selbst. 

Sie hörte Jim wimmern, dann folgte ein dumpfer Schlag.

Jemand kam dicht auf sie zu. Craven. Er durchtrennte das Tape an Beinen, Handgelenken und Schultern, hob sie dann behutsam vom Kreuz und drückte sie sanft an sich. 

Blut schoss zurück in Snowcats Arme und Beine, ihr ganzer Körper kribbelte und brannte. Jemand legte ihr ihren Ledermantel über. Craven flüsterte sehr leise auf Sperethiel: „Wir machen jetzt das Klebeband über den Augen ab. Bist du bereit?“ 

Snowcat nickte.

Jemand berührte sie vorsichtig am Arm und zählte lautlos, indem er mit den Fingern auf ihrem Arm tippte: „Eins, Zwei...“ und dann riss mit einem Ruck das Tape ab. 

Snowcat schluckte nicht mal. Vorsichtig öffnete sie die Augen und blickte in die von Craven. Sanft flüsterte er: „Meinst du, du kannst stehen?“ Ganz im Gegensatz zu seiner Stimme tobte es in seinen Augen, als wenn Gewitterwolken aufzogen. Snowcat wusste, dass sein Körper noch voller Adrenalin war. Gleich würde ein Unwetter los toben. Sie nickte.

Es war Fan, die neben ihr stand und Snowcat im Empfang nahm, ihr in den Mantel half und ihr dann ihre Hose reichte. Sie zeigte Snowcat, dass sie die Überreste ihrer Korsage bereits eingesteckt hatte.

Snowcat sah sich um. Neben Blackheart, der bei Pete stand, Nightmare, Craven und Fan waren vier weitere Ancients anwesend. Fan war dabei die einzige weibliche Elfe. 

Pete, Jim und Phill knieten, die Arme am Hinterkopf verschränkt, auf dem Boden. Ihre Gesichter waren schmerz- und angstverzerrt. Kleine Blutlachen breiteten sich langsam unter ihnen aus. Je zwei Ancients hielten Waffen auf sie gerichtet.

Der Raum, der offenbar als eine Art Bar diente, war nun ziemlich gefüllt. Eine riesige UCAS-Fahne wehte an der Wand. Snowcat drehte sich um und erblickte das „Kreuz“, an dem sie befestig gewesen war. Es war in den UCAS-Farben gestrichen. Ein Plakat mit der Aufschrift ,Reinheit des Blutes‘ thronte dahinter.

Craven wartete, bis Snowcat sich angezogen hatte, dann sah er die drei Übeltäter der Reihe nach an. Jim wollte etwas sagen, fing sich aber sofort von einem Elfen eine heftigen Schlag auf den Kopf ein.

Cravens Blick blieb an Phill hängen. Er gab den beiden Ancients bei ihm ein Zeichen, und die zogen ihn auf die Füsse und hielten ihn dann fest.

Snowcat fiel auf, dass sich alle Verletzungen der Menschen in Beinhöhe befanden. Phill konnte nicht mehr selbstständig stehen, er musste gehalten werden.

Craven trat dich an Phill heran, griff an dessen Hose und zog Snowcats zerschnittenen BH aus der Tasche. Phill wollte etwas sagen, doch noch bevor er einen Ton herausbrachte, drückte Craven fest auf dessen Schulter, so lastete sein eigenes Gewicht stärker auf dem verletzten Bein, die Worte verloren sich in einem Schmerzensschrei.

Nach einem weiteren wortlosen Zeichen von Craven, zerrten sie Phill zum Kreuz. Fan hatte inzwischen das Klebeband entdeckt und warf es Craven zu. Geschickt machte er Phill am Kreuz fest. Das Bein begann stärker zu bluten.

Weiterhin wortlos riss Craven ein Stück Klebeband ab und mit einem furchteinflössendem Grinsen verklebte er Phill den Mund.

Nun steckte Craven die Hand aus und berührte Phill kurz auf der Brust.

Phill riss die Augen im Entsetzten geweitet auf. Er wand sich in panischer Angst, ungeachtet welchen Schaden er damit seinem angeschossenen Bein zufügte. Dann machte er sich in die Hose.

Jim begann erneut zu wimmern und Pete brachte ein hauchdünnes: „Bitte nicht!“, flehend hervor. Ein strenger Blick von Blackheart brachte ihn zum Schweigen.

Nach einer weiteren Berührung durch Craven hörte Phill auf sich zu winden. Craven drehte sich um und deutete auf das große Messer, dass Blackheart an einem Gurt trug. Umgehend warf er es Craven zu.

Nun blickte Craven Snowcat fragend an. Wieder nickte sie. Craven legte ihr das Messer in die Hand, ließ es aber nicht los, sondern umschloss ihre Hand mit seiner. 

Dicht traten sie an Phill heran. Wenn er es nicht schon vorher getan hätte, dann hätte er sich spätestens jetzt bepisst. Wimmernde Geräusche pressten sich unter dem Tape vor.

Snowcat sah ihm tief in die weinenden Augen und lächelte. Dann stieß sie zu. Craven half ihr dabei das Messer einmal über Phills Bauch zu ziehen. Schwarzes Blut quoll heraus.

 Das wortlose Schreinen wurde lauter. 

Jim kotzte. Die beiden Ancients bei ihm ließen ihn kaum fertig werden. Er wurde ebenfalls mit der Hilfe des Tapes ruhig gestellt. Als Craven auf ihn zu kam, versuchte er sich krampfhaft zu wehren, doch die Elfen hatten ihn fest im Griff. Auch er wurde zum Kreuz geschliffen. Sie machten ihn mit Handschellen am linken Arm des Kreuzes fest. Er baumelte nun irgendwie halb über dem immer noch „schreienden“ Phill, das Zappeln hatte aufgehört. 

Es dauert ziemlich lange, bis man an einer solchen Verletzung verblutet und dabei erleidet man die ganze Zeit unglaubliche Schmerzen.

Snowcat wischte das Messer an Jims T-Shirt ab, dann gab sie es Craven. Ohne zu zögern stach er Jim in den Unterleib, ziemlich genau dort, wo sich seine Leber befand.

Nun war Pete an der Reihe. Blackheart zerrte ihn zur anderen Seite des Kreuzes und machte ihn dort fest. Snowcat blickte Craven an und schüttelte leicht den Kopf. 

Craven hatte verstanden, das wusste sie. Er gab Blackheart das Messer zurück und zog stattdessen seine Pistole. Mit einem eiskalten Blick schob er sie Pete in den Mund und drückte ab. Cravens Gnade bestand in einem schnellen Tod.

Nun reichte einer der Elfen Craven eine Flasche. Craven schlug den Hals der Flasche ab. Benzin-Geruch stieg in Snowcats Nase. 

Dann gab Craven das Zeichen zum Rückzug. Obwohl es nicht nötig gewesen wäre, nahm Blackheart Snowcat auf den Arm, trug sie zur Tür und wartete dort. Der Rest der Truppe ging die Treppe hoch. Nur Craven blieb im Raum zurück. 

Langsam kippte er den Inhalt der Flasche über dem Kreuz aus. Dann befreite er Phill und Jim von ihren Knebeln. Beide wimmerten leise vor Schmerz.

Rückwärts gehend zündete sich Craven mit einem Zippo eine Zigarette an und nahm genüsslich einen tiefen Zug.

Jim bettelte leise: „Bitte, bitte nicht. ich kann euch Geld geben. Ne Menge Geld!“ 

Craven reagierte nicht. 

„Bitte. Sir. Sprechen sie doch mit mir! Glauben sie mir, ich hab viel Geld!“ 

Snowcat konnte von ihrer Position zwar Cravens Gesicht nicht sehen, aber sie wusste, dass er grinste.

Er nahm einen weiteren Zug, blickte dann auf die Glut und schnippte die Kippe in Richtung Kreuz.

Es ging sofort in Flammen auf.

Blackheart übergab Snowcat in Cravens Arme. Dann ließ er den Beiden den Vortritt.

Begleitet von den Todesschreien der Rassisten trug Craven Snowcat die Treppe hoch. Leicht küsste er sie auf die Stirn und sagte dann: „Neon hat überlebt. Er hat uns von der Ladefläche des Pick-Ups benachrichtigt und Ghostfinger hat ihn dann hier in Auburn vor einem Schießstand  ausfindig gemacht.- Neon wird bestimmt durchkommen.“

Snowcat streichelte Craven an der Wange. 

Als sie auf den Motorrädern davon fuhren kuschelte sie sich fest an ihn.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*