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In den letzten Tagen des Novembers 2066 fiel immer wieder etwas Schnee. Die Wärme der Stadt ließ ihm keine Chance. Er blieb nie liegen.
Snowcat saß mit Whisper auf einem Dach irgendwo in Hell’s Kitchen. Sie hatten es sich im Schneidersitz bequem gemacht und waren von Decken eingehüllt. Leere Kaffeebecher standen im Halbkreis angeordnet um sie herum. Sie hatten eine Signalfackel entzündet und in eine Flasche gestellt, sie sorgte für etwas Licht in der Nacht. Es ging auf zwei Uhr zu.
Die Schneeflocken zischten, wenn sie in der Fackel verpufften. Snowcat griff hinter sich und zog zwei weitere, selbst erhitzende Kaffeebecher aus einem Rucksack, einen davon gab sie an Whisper weiter: „Hier ist der Schnee sogar schon grau, bevor er auf den Boden fällt.“, bemerkte sie.
Whisper nickte und öffnete ihren Becher: „Grau, wie der Ascheregen nach einem Vulkanausbruch.“, sie starrte in den Dampf ihres Bechers.
„Hast du schon mal einen Vulkanausbruch erlebt?“
Whisper blickte zu Snowcat auf, antwortete jedoch nicht auf die Frage: „Die Stadt wird wohl noch viele, viele Jahre brauchen, bis sie die Spuren des Ausbruchs des Mount St.Hellen nach dem großen Geistertanz verwischt hat.“
Snowcat blickte in den Himmel: „Hmm! – Meinst du, dass der Schnee giftig ist?“
„Nicht giftiger als der Regen hier! Aber wenn das Kratzen im Hals unerträglich wird, dann setz doch einen Breather auf. Ich glaube, ich hab sogar noch nen schwarz- grünen dabei.“ Whisper lächelte.
Snowcat schüttelte den Kopf: „Der Schneefall lässt eh schon nach und danach ist die Luft hier doch so sauber, wie sonst nie. Aber wenn du wirklich noch nen schwarz- grünen hast, dann kannst du ihn mir nachher ja trotzdem geben.“
Whisper nickte wieder: „Okey, ich geb ihn dir nachher. Ich wusste doch, du kannst bei schwarz-grün nicht nein sagen.“ Nach einer kleinen Pause fuhr sie fort: „Du warst übrigens heute noch besser, als üblich.“
Snowcat lachte nur: „Na ja, es ist eben doch wie alle immer sagen. Es gibt kein besseres Training, als einen echten Kampf. Aber es freut mich, wenns wirklich auch bei mir nützt.“
Whisper wurde ernst: „Ich hab von einer lauten Schlacht zwischen den Ancients und den Spikes letzte Woche gehört. Warst du dabei? Es soll ne Menge Blut geflossen sein.“
„Naja, eigentlich darf ich dir nichts darüber sagen.“, Snowcat grinste breit, „Aber ich kann dir schon mal berichten, dass viel mehr Winég-Blut geflossen ist, als das von Ancients.“ Sie schlürfte an ihrem Kaffee, bevor sie fortfuhr: „Der Boss höchstpersönlich musste in irgendeiner extrem wichtigen Angelegenheit zu nem Treffen nach Tacoma. Der kürzeste Weg führte dicht am Kerngebiet der Spikes vorbei. Natürlich konnte sie deshalb nicht die Route ändern, sonst könnte man ja glauben, sie würde vor den Spikes kneifen. Also hat Sting stattdessen ein paar mehr von uns mitgenommen, als gewöhnlich. Die Spikes mussten wohl davon gehört haben…“, Snowcat fröstelte kurz und zog die Decke enger zusammen, „… jedenfalls haben sie mit ner Straßensperre auf unsere Leute gewartet. Vielleicht war es auch nur Zufall, aber irgendwie hatte ich eben den Eindruck, sie haben geahnt, dass wir da lang fahren würden. Sting hat dann angewiesen, dass wir ne Flucht vortäuschen und so haben wir sie dann von der engen Stelle weggeführt. Mitten auf ner Hauptstraße ist es dann zu einer offenen Schlacht gekommen. Da war es dann plötzlich ein großer Vorteil, dass wir so viele waren. Die Spikes hatten kaum ne Chance. Wahrscheinlich wären sie uns gar nicht so weit gefolgt, wenn Sting nicht dabei gewesen wäre. Aber nachdem die mitgekriegt hatten, dass unsere Anführerin dabei war, konnten sie sich eine solche Chance nicht entgehen lassen. Wurde dann ziemlich blutig. Gab ne Menge Verletzte auf beiden Seiten. Und es war furchtbar laut. Irgendwann kam sogar der Star aus der Ferne angebraust und da waren wir uns dann zum ersten Mal mit den Trogs einig. Alle sind abgehauen.“ Nun grinste Snowcat über den Kaffee hinweg: „Jedenfalls die paar Trogs, die noch weg konnten. Die hatten nämlich fünf Tote zu beklagen. Leider sind auch zwei von uns draufgegangen. - Ich war zwar dabei, aber ich hab diesmal nichts abbekommen. Sting hat mich per direkten Befehl aus der heißesten Kampfzone raus gehalten. Am Anfang wollte sie nicht mal, dass ich überhaupt mitkomme.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Jedenfalls steht unser Killcount jetzt inzwischen bei 16, ich bin zwar im Ranking abgerutscht, aber wir haben die Masse der Spikes inzwischen bestimmt fast halbiert.“
Whisper hatte Snowcat die ganze Zeit aufmerksam zugehört und fragte dann: „Ist euer Boss dann noch zu dem wichtigen Termin gefahren?“
Snowcat überlegte kurz: „Ich hab keine Ahnung. Nee, ist sie nicht, wenn dann höchstens später. Wieso?“
Jetzt war es Whisper, die mit den Schultern zuckte: „Ach nur so. Ist nicht so wichtig. Aber was anderes, meinst du nicht du verschwendest bei den Ancients dein Talent?“
Snowcat zog die Augenbrauen zusammen: „Die Ancients sind meine Familie, da verschwende ich nichts, gar nichts, wenn ich an ihrer Seite gegen ihre… unsere Feinde kämpfe.“
Whisper winkte beschwichtigend ab: „Ich meinte ja nicht, dass du den Ancients in den Hintern treten sollst. Aber du könntest dich selbstständig machen oder nebenbei mit deinen Fähigkeiten was als Shadowrunner verdienen. Stört es dich nicht von der Gang abhängig zu sein und immer tun zu müssen, was Sting oder dein Lieutenant dir sagen?“ Whisper bemerkte, dass Snowcat sie weiterhin etwas grimmig ansah, deshalb fügte sie hinzu: „Ist schon okey, ich find’s nur schade, du könntest nämlich ne Menge Kohle mit deinem Talent machen. Wenn du es dir mal anders überlegst, dann kannst du mir bescheid sagen. Vielleicht kann ich dir dann jemanden vermitteln, der nen Job für dich hat. Aber komm, jetzt lass uns über was anderes reden.“ Whisper leerte ihren Kaffeebecher mit einem Zug und erweiterte damit den Halbkreis, der sie beide bereits umgab, dann sagte Whisper: „Du hast also mit Neon Karate Kid angesehen. Wie hat dir der Film denn gefallen?“…
Sie plauderten noch fast eine Stunde über Filme und Jungs. Dann piepste Snowcats Comlink und erinnerte sie daran, dass sie bald wieder abgeholt wurde.
Sie legten die Decken zusammen und sammelten die leeren Becher. Snowcat sagte freudig zu Whisper: „Das mit den Heizkissen, war ne prima Idee! Mein Hintern ist noch super warm.“
Whisper lachte: „Ja, und auf Infrarot ist das super hübsch anzusehen.“ Dann kehrten sie über die Dachluke zurück ins Haus und dort stapelten sie die Becher auf einem bereits bestehenden Turm.
Durch die verlassenen, Lava überzogenen Strassen von Hell’s Kitchen schlichen sie zum verabredeten Treffpunkt mit Snowcats Eskorte und warteten.
Katze tauchte auf: „Na Elfenmädchen, bist du ein bisschen zu früh dran?“
„Noch wenige Minuten, Katze, die Ancients sind pünktlich.“
„Ja Elfenmädchen, das sind sie. Ich kann sie schon hören. Ich wollte dir nur sagen, dass ich die Idee als so genannter Shadowrunner zu arbeiten, aufregend finde.“
„Ich find die Idee ja auch nicht schlecht. Aber im Moment ist Krieg, da ist so was nebenbei gar nicht möglich Katze.“
Katze strich ihr um die Beine: „Ja, Elfenmädchen, aber wenn der Krieg vorbei ist, dann könntest du darüber nachdenken!“
Whisper überreichte Snowcat einen schwarz- grünen Breather, Sekunden bevor die Ancients ankamen und verschwand dann in der Dunkelheit.