Teil 14

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Snowcat saß auf dem Dach des Hauptquartiers und betrachtete den Sonnenuntergang. Sie genoss die letzten warmen Strahlen des Tages auf ihrer Haut. Das rotgoldene Licht am Horizont vermischte sich mit dem Grau der Stadt.

Kurz nachdem das Dach in den Schatten abgetaucht war, wurde es kühl. Die Märzsonne hatte heute den ganzen Tag geschienen, doch reichte ihre Energie noch nicht aus, sich gegen die kalte Luft zu behaupten.

Snowcat verließ ihren Platz noch nicht, sondern zog sich einen warmen, dunkelgrünen Pullover über. Katze saß neben ihr und putze sich. Snowcat klopfte mit ihrer Hand auf ihren Schoß und sagte: „Wenn du magst, dann komm doch her, Katze.“

Katze strich zunächst einmal um Snowcat herum, bevor sie sich tatsächlich in ihren Schoß bettete. „Mhmm, noch schön warm hier, Elfenmädchen. Ich wusste, du würdest irgendwann von selbst darauf kommen, dass dies ein guter Augenblick ist, mich zu kraulen.“, schnurrte sie.

Snowcat lächelte: „Ist ganz schön hier, nicht wahr Katze?“

„Bei dir immer! Oder meintest du auf dem Dach, Elfenmädchen?“

„So wohl als auch, Katze.“

„Ach, ist schon ein nettes Plätzchen, könnte aber noch weiter oben sein, Elfenmädchen.“

„Hmm, aber besser als nichts, Katze.“

Sie saßen eine Weile schweigend da. Dann fragte Katze: „Und schon bereit für einen Streifzug durch die heutige Nacht, Elfenmädchen?“

„Nicht ganz, ich fahr nachher noch mit einigen von uns nach Redmond, Touriville. Wir wollen in einen Nachtclub, tanzen. Dafür muss ich mich noch duschen und was anderes anziehen, Katze!“

Katze streckte sich und fuhr dabei leicht mit ihren Krallen in Snowcats Arm. „Und wie viele werdet ihr sein Elfenmädchen?“, fragte sie dann.

„Na so sieben oder acht. Wieso fragst du Katze?“

„Ach nur so.- Ein ganzes Rudel also. Ist dieser Craven heute dabei, Elfenmädchen?“

„Craven, nein Katze, wie kommst du denn gerade auf den?“

„Ach nur so, Elfenmädchen. Nur so!“

Als sich die grüne Beleuchtung des Dachs eingeschaltet hatte, kletterten sie wieder ins Haus.


Sechs Stunden später tanzte sie mit Fan im Tokyo Shuuz. Godzilla zerschmetterte gerade auf AR eine Bar und preschte dann durch die tanzende Masse. Das Monster ging hier ständig in sämtlichen elektronischen Varianten ein und aus. Die Gäste des Clubs hatten es sich zum Spiel gemacht der AR Version möglichst nicht auszuweichen. Das war gar nicht so einfach. Nur wenige schafften es, vollkommen unbeeinflusst von dem Riesen weiter zu tanzen. Dieses Mal kam er jedoch nicht bei Snowcat und Fan vorbei.

Snowcat trug heute ihre Lieblings- enge- Lacklederhose, ferner ein Oberteil, das aussah, als würde es nur aus einigen Streifen  von Lackleder bestehen und den Blick auf viel weiße Haut freigab. Schwarz- silberne Stiefel mit sechs Zentimeter hohen Absätzen bildeten den Abschluss ihres Qutfits.

Fan steckte in einem grünen Minikleid, das ebenso kurz war, wie ihre schwarzen Haare auf der rechten Seite ihres Schädels. Links reichte ich das Haar stattdessen bis zum Po. Fan tanzte näher an Snowcat heran: „Kommste mit zu den andern? Noch was trinken?“

Snowcat lächelte sie lieb an: „Nö, Fan. Das Lied ist grad so gut! Ein bisschen noch.“

„Okey, dass hast du zwar schon vor fünf Liedern gesagt, aber ich bin ja auch bald wieder da!“

„Gut, ich halt so lange die Stellung, grüß die Jungs!“

Fan verließ die Tanzfläche und ging zum Tisch, an dem Nightmare, Burninhell, Wracker und Farsnap standen.

Snowcat tanzte weiter. Zwei Lieder später ließ der Filter ihres Comlink eine Nachricht von Nightmare für sie durch. Snowcat blendete sie ein: „Ein Japs nähert sich dir von sieben Uhr. Hat dich schon länger auf dem Kieker. Zeig mal, dass du eine von uns bist, dann weiß der wenigstens woran er ist, bevor er dich anmacht.“

Snowcat schaltete ihr Nanotätow auf ihrem Nacken ein. Ein Ancientsymbol von zehn Zentimeter Durchmesser flammte grün auf und grüne Flammen zischten ihren Rücken hinab. Sie drehte sich nicht um. Sie spürte, wie jemand dicht hinter sie herum trat.

Dann trat ein junger Mann, der offensichtlich japanische Wurzeln hatte, vor sie. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten. Für einen Asiaten war er relativ groß. Da er mit Snowcat fast auf einer Augenhöhe war und zu ihren 1m 78 noch die Schuhe kamen, musste er knapp über 1,80m sein. Er trug moderne Partyklamotten, die teuer aussahen. Da sein Hemd kurzärmlig war, konnte man sehen, dass er an beiden Unterarmen tätowiert war, ein knustvolles Gewinde von Drachen und Schlangen. Alles in allem konnte man ihn als attraktiv beschreiben, für einen Menschen. 

Snowcats Ancients Symbol hatte ihn nicht abgeschreckt, denn er beugte sich zu ihr vor und sagte: „Hallo, mein Name ist Takaschi. Ich würde dich gerne zu mir und ein paar Freunden an unseren Tisch bitten und zu einem Drink einladen!“ 

Snowcat dachte kurz darüber nach und antwortete dann: „Nein danke. Ich bin nicht alleine hier und für uns alle reicht dein Tisch bestimmt nicht.“ Sie lächelte kurz und wandte sich dann ab.

Takaschi folgte ihr: „Wieso nicht, darfst du nicht ohne deine Freunde einen Drink nehmen?“

Snowcat seufzte und wurde dann ernst: „Also hör mal Takaschi, ich tue immer was ich will, egal ob verboten oder nicht. Aber was ich jetzt nicht will, ist mit dir einen trinken gehen! Ich will hier nämlich weiter tanzen. War das jetzt deutlich genug? Dewa mata!“

Takaschi war anscheinend nicht bereit eine Abfuhr einfach so hinzunehmen, denn er blieb hartnäckig: „Wenn du möchtest, dann können wir deinen Freunden ebenfalls etwas zu trinken spendieren. Was immer sie wollen, versteht sich!“

Nightmare und Wracker tauchten hinter Takaschi auf der Tanzfläche auf. In demselben Augenblick verbeugte sich Takaschi leicht und sagte mit einem Lächeln zu Snowcat: „Anscheinend möchtest du wirklich nicht, ich wünsche dir noch eine angenehme Nacht!“ Er drehte sich um und ging.

„Jep, danke man, dir und deinen Kumpels auch. Kanpai!“, rief Nightmare ihm noch nach.

„Prost? Warum hast du Prost zu ihm gesagt?“; fragte Snowcat.

„Das ist das einzige japanische Wort, das ich kenne.“, erwiderte er.

Snowcat musste lachen.


Gegen drei Uhr morgens verließen sie das Tokyo Shuuz. Sie hatten noch Hunger und deshalb kehrte sie noch zu einem Frühstück gegenüber ins Littel Tokyo Palace ein. Ein Fastfoodrestaurant, in dem man Burger und Nudeln bekommen konnte. Godzillas Favourite Food stand über der Eingangstür.

Der Geruch von asiatischen Gewürzen und Frittierfett kam ihnen entgegen, als sie eintraten. Sie suchten sich einen Tisch, jeder tippte ein, was er mochte und dann schickten sie die Bestellung ab. Nur drei Minuten später wurde ihre Nummer elektronisch aufgerufen. Nightmare und Burninhell holten alles ab.

Snowcat suchte sich die Shirmps heraus, stapelte sie dann in der Mitte ihrer Schale, so hoch es ging und zog dann mit den Stäbchen ein Muster in ihre Nudeln, bevor sie mit dem Essen begann.

„Hey Kindchen“, sagte Nightmare schelmisch, „Du sollst doch nicht mit dem Essen spielen!“

Snowcat zog spielerisch einen Flunsch und beugte sich weit über den Tisch und sagte dann mit ihrer sinnlichsten Stimme: „Aber warum denn nicht? Ich spiel immer gern, bevor ich was vernasche.“

Nightmare verschluckte sich an seinem Pommes. Burninhell lachte und sagte dann: „Echt Snowcat, dass ist nicht nett von dir, so was so zu sagen. Einige von uns haben enge Hosen an.“

Fan, die neben Nightmare saß, lehnte sich mit ihrer eiskalten Coke in der Hand leicht zurück, grinste dann und versuchte den Inhalt ihres 1- Liter- Bechers über Nightmares Hose zu kippen. Der wehrte locker ab und der Inhalt platschte auf, spritze umher und ergoss sich schließlich über den Boden. 

„Oh Mist“, quietsche Fan, „zu langsam!“

„Nö, nur zu laut!“, feixte Nightmare. Alle lachten. Sie scherten sich nicht darum, ob sie vielleicht jemanden mit der Cola beschmutzt hatten. Sie machten auch keine Anstalten ihre Überschwemmung zu beseitigen. Wracker schob stattdessen seinen Becher mit heißem Kaffee rüber. 

Nightmare sagte nur: „Untersteh dich!“ Ausgelassen aßen sie weiter. 

Jemand trat an ihren Tisch. Ein kräftig gebauter Mann, er musste so Anfang zwanzig sein, der eine schwarze Hose und einrotes Hemd trug. Um den Hals hatte er ein weiß-schwarz kariertes Tuch geknotet. Etwas hinter ihm hatten zwei weitere menschliche Männer Position bezogen, die exakt dasselbe Ensemble trugen. Der Typ sagte nur: „Das hier ist nicht euer Turf, also verschwindet!“  

Anspannung hatte sich unter den Ancients breitgemacht, Nightmare antwortete: „Falsch! Es gibt keinen Ort in der Stadt, der nicht in unserem Gebiet liegt.“

Snowcat blickte sich um, vier weitere der Jungs, standen im Restaurant verteilt herum. Außerdem stand vor der Tür ein schwarzer Wagen in zweiter Reihe, wie Snowcat durch das Aussichtsfenster sah. In dem konnten durchaus noch mehr von denen sein.

„Nein“, sagte der Typ inzwischen, „Du liegst falsch! Ihr verpisst euch jetzt aus unserem Gebiet! Eure Mädels könnt ihr ja hier lassen, die unterhalten wir dann schon!“ Er grinste anzüglich.

Nightmare wollte aufspringen, doch Snowcat hielt ihn zurück. Sie fixierte den Rädelsführer gelassen und stand dann betont langsam auf und schlenderte zu ihm, sie blickte ihm direkt in die Augen und sagte dann: „Hör mal, ich hatte heute schon ne Menge Unterhaltung und was immer du zu bieten hast, dazu hab ich keine Lust. So wie ich das sehe, gibt es jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder, wir essen noch auf, was wir bereits bezahlt haben und hauen dann ab. Oder, wir wagen doch noch gemeinsam ein Tänzchen, verteilen dabei euer, unser und das Blut der Gäste im Restaurant umher und sauen so ordentlich rum. Das finden die Leute hier bestimmt prima und empfehlen den Schuppen weiter. In meiner Gegend würde ich allerdings entweder vorziehen!“

Er fixierte sie lange und sagte dann: „Gut, entweder! Aber ihr beeilt euch mit dem Essen.“

Snowcat nickte: „Gute Wahl!“

Zehn Minuten verließen sie das Restaurant. Als sie fast schon aus der Tür waren, rief der Rädelsführer ihnen noch nach: „Kanpai!“ 

Sie ignorierten ihn einfach. Als sie auf die Bikes stiegen sagte Burninhell: „Ich glaube, sein Kanpai war der Versuch uns zu überreden, ihnen doch noch ne Abreibung zu verpassen.“

„Ja, ich mein auch, dass das ne Provokation war. Der Typ scheint nicht so richtig zu glauben, dass ganz Seattle unser Turf ist. Warum also haben wir ihm den Gefallen nicht einfach getan, und ihnen auf die Schnauze gehauen?“, fragte Wracker daraufhin.

„Ganz einfach“, antwortete Snowcat, „Weil uns heute nicht danach war!“

Mit Schlangenlinien und ein paar Zirkus reifen Stunts fuhren sie durch Touristville. Dabei kamen sie auch an dem schwarzen Wagen vorbei, der in zweiter Reihe vor dem Little Tokyo Palace gestanden hatte, an seinem Heck war eine weiß-schwarz karierte Fahne befestigt. Er folgte ihnen nicht.

Gut gelaunt brausten sie davon, von einem Teil ihrer Stadt in einen anderen. 

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*