Teil 13

13

Es gab den Absinth auf der Silvesterparty und Snowcat bekam tatsächlich eine Menge ab. Das was von der wilden Nacht übrig geblieben war, verbrachte sie mit Zommers und der musste am Nachmittag des Neujahrtages ziemlich viel Rückengeklopfe über sich ergehen lassen. Als er dessen überdrüssig war, zeigte er einigen seiner Kumpels seine zerkratzten Beine.

Ansonsten verlief der Start des Jahres relativ unspektakulär für die elfische Go-Gang. Niemand versuchte die zahlreichen Happy New Year Partys in Tarislar zu sprengen. Weder die Halloweener noch die Spikes ließen sich überhaupt in der Nähe eines Ancient blicken. 

Craven und sein Team hatten am Silvesterabend der Feier der Halloweener einen Besuch abgestattet. Das hatte nicht nur dafür gesorgt, dass Cravens Name jetzt wieder auf Platz eins des Killcounts nach Punkten weit vor Snowcat auf Platz zwei stand, sondern auch dafür, dass der absolute Killcount danach einen Wert von 43 zu 8 aufwies. Deshalb wunderte sich über das Wegbleiben der Halloweenern niemand.

 Anders verhielt es sich da bei den Spikes. Informanten hatten berichtet, dass die nicht mal ihre berüchtigte Neujahrsparade über die I5 abgehalten hatten. Vier Tage später erfuhren sie warum. Lord Togo war verhaftet worden und saß im Untersuchungknast. An dem Tag, an dem die Ancients das erfuhren, bekamen einige Bauchschmerzen vor Lachen. Die Hackfresse war für einen Troll schon uralt, vielleicht krepierte er ja hinter Gittern.

So wurde und blieb es wieder bedeutend ruhiger auf den Strassen Tarislars. Die Ancients widmeten sich vermehrt ihren üblichen Geschäften, dem Verkauf von Drogen und BTLs und dem Schmuggel von Waren, vor allem von und nach Tir Taingire.

Vor diesem Hintergrund legte Sting den Tag der Totenfeier auf den zweiten Februar 2067 fest. Für das rauschende Gelage wurden Fässer mit Kesáera, Wein aus Tir und Bier rangeschafft. Ein örtliches Diners stellte Berge mit Sandwichen und Muffins zur Verfügung, da die Ancients die Kinder des Besitzers kürzlich vor den Spikes gerettet hatten.

Nach und nach trudelten alle ein. Gegen die Kälte waren Fässer mit brennendem Inhalt auf dem gesamten Gelände verteilt worden. Die Lieblingsmusik der acht toten Ancients wurde gespielt.

Ghostfinger hatte auf AR eine fantastische Landschaft aus Eis und Schnee erschaffen. Snowcat fand, dass es so aussah, als hätte der Frühling Einzug gehalten und war dann von einem Blizzard überrascht worden, der alles gefroren hatte. Eiskristalle bildeten teils wunderschöne, teils gruselige Formen.

Snowcat stand mit Neon und Nightmare in der Nähe einer Feuertonne. Sie wärmte sich in einer Tanzpause ein wenig die Hände, obwohl ihr eigentlich alles andere als kalt war. Fan kam zu ihnen herüber und fragte sie: „Hoi Snowcat, sag mal, ich hab gehört Sting kommt heute mit Hellfire im Partnerlook, da die es endlich geschafft hat Sting von ihren Qualitäten als Frau zu überzeugen, Stimmt das?“

„Kann sein oder kann nicht sein.“ Snowcat lächelte geheimnisvoll.

„Ach komm schon!“, nörgelte Fan, „Du bist doch sicher gut informiert. Du wohnst hier! Selbst Ghostfinger quatscht öfter mal mit dir. Man sagt, inzwischen gibt es kaum eine, die so gut über interne Beziehungen Bescheid weiß, wie du!“

Snowcat lächelte weiter und sagte dann: „Wenn die anderen so was sagen, dann muss es ja stimmen. Obwohl, es könnte auch sein, dass sie mich überschätzen. Hey, aber bald hält Sting ihre Rede und da kannst du es ja selber sehen.- Oh…“ Snowcat blickte auf ihre Hand „… ich hab ja gar nichts mehr zu trinken.“

Eine Gruppe von drei Jungs lief an ihrer Tonne vorbei. Snowcat suchte sich einen aus, berührte ihn sanft am Arm und fragte ihn mit schief gelegtem Kopf: „Salvador, bist du so lieb und holst mir ein Kesáera, bitte?“ 

Salvador, ein muskulöser Elf mit indianischem Einschlag nickte: „Klar doch!“ Dann beeilte er sich, denn er wollte Snowcat auf keinen Fall warten lassen.

Pünktlich in der Nacht um elf Uhr und elf Minuten erschien Sting und hielt eine ihrer flammenden Reden. Sting kam Arm in Arm mit Hellfire, aber sie waren nicht im Partnerlook gekleidet. Fetzen aus grünem Stoff bedeckten gerade mal das Nötigste des kräftigen Oberkörpers von Sting. Sie schaffte es wieder einmal mit ihren Worten das Blut der Ancients in Wallung zu versetzten. Zum Schluss ihrer Rede erklärte sie den Krieg für beendet.

Augenblicklich wurde die Musik lauter. Jetzt ging die Party erst richtig los.

*****

Craven stand mit Neon etwas Abseits der tanzenden Masse. Wieder einmal beobachtet er Snowcat, die umkreist von einer Horde Jungs tanzte. Er sah nachdenklich aus.

Neon fragte ihn: „Na Lieutenant, was ist los. Du bist doch nicht etwa in einer solchen Nacht schlecht gelaunt. Oder gefällt dir vielleicht nicht, was du da siehst.“

„Doch, was ich sehe, gefällt mir sehr, Neon.“ Er sprach ruhig.

„Ja, Snowcat wird echt immer hübscher. Und glaub mir, dass ist überall so.“ Neons Gesicht nahm einen träumerischen Ausdruck an.

Craven wandte sich ihm zu: „Interessierst du dich für sie?“, fragte er.

Neon zuckte mit den Schultern: „Irgendwie steh ich total auf sie, wie sollte ich auch nicht. Aber andererseits weiß ich, dass ich nie mit ihr fertig werden würde. Soll heißen, ich weiß, dass ich ihr nicht gewachsen bin.“ Dann lächelte er und fuhr fort: „Aber ich durfte sie bisher öfter anfassen und halbnackt sehen, als jeder andere hier. Das ist doch schon mal was, oder?“

Craven grinste ihn breit, aber freundlich an, dann schaute er wieder auf die tanzende Snowcat: „Klar! Und gut zu wissen, dass ich dir nicht die Knochen brechen muss, weil du mir bei der Schnecke im Weg stehst. Bist ein guter Junge!“ 

„Ach, wenn du mir dafür nur die Knochen brechen würdest, dann fürchte ich mich nicht. Aber mal ehrlich, warum gehst du nicht hin und sprichst sie an.“

„Es ist noch nicht so weit!“, sagte Craven: „ Sie ist zwar schon deutlich reifer geworden und nicht mehr so ein Kind wie noch vor einem Jahr. Aber ein bisschen braucht sie noch.“

Neon nickte: „Wie du meinst, obwohl ich nicht fand, dass sie jemals was von nem Kind hatte, seit sie hier ist. Aber wenn ich so sehe, wer da alles ein Auge auf sie geworfen hat, dann würde ich an deiner Stelle nicht mehr zu lange warten, Lieutenant.“ Neon deutete mit seinem Kopf quer über den Platz. Im Schatten einer Feuertonne stand Green Lucifer. Auch der First Lieutenant beobachtete jemanden auf der Tanzfläche.  

Craven sagte bedächtig: „Ja, ich habs bemerkt. Aber ich kenn ihn schon viel länger als du. Und deshalb weiß ich, ein bisschen Zeit hab ich noch.“ Genau in diesem Augenblick sah Craven, wie Green Lucifer mit zwei Gläsern in der Hand auf die Tanzfläche ging. „Vielleicht aber doch weniger, als ich gedacht habe.“, fügte er hinzu.

*****

Snowcat wurde langsam ziemlich warm, trotz der kühlen Winterluft auf der Tanzfläche. Sie überlegte, ob sie wieder einen der Jungen bitten sollte, ihr etwas zu trinken zu holen, oder ob sie doch lieber rein ginge, um dort etwas zu essen und zu trinken.

Green Lucifer stand plötzlich neben ihr. Er hatte zwei Gläser mit einer grünen Flüssigkeit in der Hand und reichte ihr eins: „Das ist ein Flying Green Fairy, Absinth mit Energydrink. Hast du vielleicht Lust dich ein bisschen irgendwo hin zu setzten?“ Green Lucifer lächelte sie an. Sein Bart war frisch gestutzt und sein aufgestelltes Deckhaar leuchtet grüner denn je. Er duftete irgendwie sehr angenehm. Nach Leder, Erde und nach etwas, dass sie nicht zuordnen konnte.

Snowcat nahm das Glas und nickte. Green Lucifer fasste sie bei der leeren Hand und sagte: „Wir gehen besser rein, du bist erhitzt und könntest dich erkälten!“

Snowcat folgte ihm in den VIP Bereich in einem Hinterzimmer. Seine Hand war warm, doch sein Lächeln war ihr kalt vorgekommen.

Hier war die Musik deutlich leiser. Ein kleines aber feines Buffet war aufgebaut worden. Ein paar Lieutenants tummelten sich hier. Von Sting war nicht zu sehen. 

Dieser Bereich war eigentlich für alle Ancients frei zugänglich und es war auch kein offizieller VIP Raum. An normalen Tagen war er einfach nur ein kleinerer, etwas luxuriöserer Besprechungsraum mit hellgrünen, bequemen, zusammenpassenden Sitzgelegenheiten. Es hatte sich nur irgendwie eingebürgert, dass sich hier während einer Party eigentlich nur Sting oder die Lieutenants mit ihren Begleitungen aufhielten.

Die beiden setzten sich auf eine freie Couch. „Sinéah!“, sagte Green Lucifer und stieß mit seinem Glas an das von Snowcat.

„Sinéah!“ erwiderte sie und probierte den Cocktail. Er schmeckt fantastisch.

Green Lucifer lächelte sie an. Er saß ziemlich dicht bei ihr. Snowcat konnte eine Narbe durch das grüne, langärmlige Netzoberteil hindurch, auf seinem Oberkörper sehen. Sie war mindestens fünfzehn Zentimeter lang und verlief quer über seine Brust. Einen winzigen Augenblick hatte Snowcat das Bedürfnis, die Narbe zu berühren.

Green Lucifer nippte an seinem Drink: „Du hast dich inzwischen wirklich hervorragend hier eingelebt. Achtzig Prozent der männlichen Ancients stehen total auf dich…!“

„Was, nur achtzig?“, mischte Snowcat sich spielerisch ein, „Dann hab ich wohl was falsch gemacht!“

Green Lucifer hob die rechte Augenbraue und fuhr fort: „… und die meisten weiblichen Ancients finden dich zum Knuddeln. Du bist nicht nur schön und außergewöhnlich, sondern auch begabt und verstehst zu kämpfen, was durch deinen zweiten Rang beim Killcount bewiesen ist.“ Hier machte er eine Pause und blickte Snowcat tief in die Augen.

Snowcat erwiderte den Blick gelassen und fragte sich, worauf in aller Welt er mit dem Gequatsche hinaus wollte. Andererseits war sie Frau genug, um total auf Komplimente abzufahren. Damit er weiter machte, legte sie ein besonders hübsches Lächeln auf.

Green Lucifer machte weiter: „Ich kannte bisher keine Frau, die es schafft, einem Troll den Kopf abzuschlagen und gleichzeitig  dabei immer noch so unglaublich weiblich und zart zu bleiben.“ Er berührte sie sanft an der Wange, es war nur ein Hauch von Berührung. „Nie würde jemand glauben, eine solch schöne Elfe unter den Mitgliedern einer Gang zu finden. Hätte man nur ein Bild von dir, unter den nobelsten Familien aus Tir Taingire würde man nach dir suchen. Für eine Prinzessin könnte man dich halten, die durch ein grausames Schicksal an diesen dunklen Ort verschlagen wurde.“

Snowcat stutzte. Entweder war das ein merkwürdige Versuch, etwas über ihre Vergangenheit zu erfahren oder, Green Lucifer hatte sich irgendwas Bewusstsein erweiterndes eingeworfen. Sie blickte ihn misstrauisch an: „Sag mal Green Lucifer, bist du einfach nur auf irgendnem Trip oder willst du auf was bestimmtes hinaus?“

Sein Gesicht zeigte keinerlei Reaktion auf ihre Frage, doch für einen Augenblick glaubte Snowcat ein kurzes Flackern in seinen Augen entdeckt zu haben. Er sprach in dem selbem sanften Ton weiter, in dem er begonnen hatte: „Natürlich möchte ich auf etwas Bestimmtes hinaus.“, die nun folgende Pause hing bedeutungsschwer in der Luft, „Für deinen zweiten Platz möchte ich dir ein Geschenk überreichen, dass ausgesprochen gut zu dir passt, wie ich finde.“

Green Lucifer beugte sich über die Lehne der Couch und holte ein Schuhkarton großes Holzkästchen dahinter hervor. Es war mit einem weißen Geschenkband „verschlossen“. Er überreichte es an sie, deutete dann einen Handkuss an und erhob sich: „Ich wünsche dir noch eine unglaublich gute und unendlich lange Zeit hier bei uns Ancients. Wir sehen uns…“, nun lächelte er, „… mit Sicherheit.“ Gelassen verließ er den Raum.

Snowcat war sehr neugierig darauf, was in dem Kasten sein konnte. Sie wollte ihn jedoch nicht hier öffnen. Bis zu ihrem Zimmer war es ja nicht weit und so stand sie ebenfalls auf. 

Nachdem sie selbst den Raum verlassen hatte, spürte sie einen Blick auf sich ruhen. Sie musste sich nicht nach der Ursache umsehen, sie wusste einfach, dass dort hinten irgendwo Craven stand und sie beobachtete. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.

In ihrem Zimmer angekommen entfernte Snowcat erwartungsvoll die Schleife von dem Paket. Katze sprang neben sie und sah neugierig zu.

Langsam hob sie den Deckel. Auf eisblauem Samt gebettet fand sie zwei schön geschliffene, kristallene Flakons vor. Bis auf den Größenunterschied glichen sie sich aufs Haar. Der Kleinere war nicht mal zehn Zentimeter groß und der Größere beinah dreißig. Eine weiße Karte war in den Deckel gelegt worden, darauf standen in eisblauen, geschwungen Buchstaben Worte in Sperethiel, die übersetzt lauteten: Ein Hauch von Winter, Parfum und Badeöl. Unter dem Text stand in winzigen Ziffern die Zahl 289. Am unteren Rand war zu lesen, Produkt aus Tir Taingire.

Vorsichtig entkorkte Snowcat die große Flasche und roch daran.

Katze begann zu Schnurren.

Snowcat schloss das Kistchen wieder und verstaute es in der untersten Schublade ihrer Kommode, die einst mal ein Aktenschränkchen gewesen war.

„Irgendwie war das Ganze schon merkwürdig, findest du nicht Katze?“

„Nein, finde ich nicht. Weder, dass er dir solch geschwollenen Komplimente, noch dass er dir so extravagante Geschenke macht. Er steht auf dich, wie ihr hier zu sagen pflegt. Und genau so ist es auch richtig, Elfenmädchen!“

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*