Teil 4 (Intermezzo)

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Gegen 3:30 Uhr verabschiedeten sie sich von einander und Snowcat machte sich auf in Richtung Puyallup. Natürlich begleitete Cannonball sie noch ein Stück des langen Wegs. 

In knapp zwei einhalb Stunden würde hier in Seattle die Sonne aufgehen. Pünktlich eine Minute vor Sonnenaufgang würde ein Textnachricht bei Warlock einschlagen, in der stehen würde: 

Hallo Hündchen, 

Du, du gehst jetzt schlafen; und

Ich, ich hab jetzt noch jede Menge Sex.

Tüdelüü, Snowcat.

Snowcat hatte in aller Ruhe die Diskussion beim Essen verfolgt, in der es darum gegangen war, ob Warlock nun ein Banshee war oder nicht, und warum das Management zugelassen hatte, dass man den Club so zerstörte, ja das sogar gefördert hatte. Snowcat war das alles eigentlich ziemlich egal. Irgendwie hatte sie das Gefühl, das sie nicht unbedingt einen Sieg gegen Warlock davon getragen hatte, obwohl der Kuss schon in eine gute Richtung gegangen war. Sie wollte so gerne einen Sieg und darum würde Warlock diese Nachricht bekommen. Wenn der Kuss ihn heiß gemacht hatte, dann würde ihn das wurmen. Ende und aus. Ob Banshee oder nur Night One, er würde zu Sonnenaufgang schlafen gehen. 

Auch ob das Eyecatcher nun ein Vampirschuppen war oder nicht, war ihr egal. Snowcat blieb bei ihrem Standpunkt, wenn die nichts von ihr wollten, dann wollte sie auch nichts von ihnen. Aus. Finito.

Ein Ärgernis blieb für Snowcat allerdings: Sie hatte noch keinen Sexpartner für „einfach so“ gefunden und so sehr Cannonball auch wollte, ihn würde sie mit Sicherheit nicht mitnehmen.

Dann fiel Snowcat ein, dass sie sogar noch etwas ärgerte: Warlock hatte ausposaunt, dass sie ein Ancient war. Das hatte sie bisher für sich behalten. Sicher hatte so mancher dazu seine Vermutungen, aber bestätigt hatte sie es nie. Seit Cravens Tod war das nun schon die zweite Sache, die plötzlich klar war. Außerdem hatte man sich nach ihr als Ancient umgehört, das war in ihrer jetzigen Situation die Gang betreffend auch nicht gut. 

Nun, heute Abend würde sich jedenfalls einen Freund von Nethertalk kennen lernen, der hoffentlich bereit sein würde, ihr beizubringen, wie man als Adept seinen Willen stärken konnte. Aus einem Gefühl heraus hielt Snowcat diese Kraft irgendwie für besonders interessant.

An einer Tankstelle nahe Puyallup verabschiedete sich Cannonball von Snowcat. Gleich würden die Ancients übernehmen. Als Cannonball zügig aus Snowcats Blickfeld entschwand, sah sie auf ihr Commlink. Aus vier Nachrichten waren sechs geworden. Sowohl Ghostfinger als auch Neon hatten noch ein weiteres Mal angerufen. Snowcat sollte sich dringend bei Ghostfinger melden. Auch Neon wusste nicht worum es ging, sei letzter Anruf war um 23.00 Uhr gewesen. Doch wenn sie sich bei Ghostfinger persönlich melden sollte, dann konnte es ja nur um etwas Organisatorisches gehen. Kurzerhand fasste Snowcat einen Entschluss: sie fuhr direkt ins Hauptquartier.

Als sie um 4.17 Uhr vor dem Gittertor eintraf, machte das HQ einen ziemlich verschlafenen Eindruck. Aus einer lieb gewonnenen Angewohnheit winkte Snowcat in die Kamera, bevor sie zu den Wachen am Tor fuhr, die ihr natürlich sofort aufmachten.

Ohne Umwege ging Snowcat durch die leeren und ruhigen Gänge des Gebäudes direkt in den 1. Stock, wo Ghostfinger seinen ständigen Sitz, beziehungsweise seinen Arbeits- und Überwachungsraum hatte. Gerüchteweise sollte sich hinter einer versteckten Tür auch irgendwo sein Schlafzimmer verbergen. Heute würde Snowcat herausfinden, was sie seit fünf Jahren kaum gekümmert hatte: Ob dem so war, oder nicht.

Der vertraute Geruch von abgestandenem Bier und kaltem Zigarettenrauch begleitete sie. Das einzige was sie hin und wieder hörte war ein vereinzeltes Schnarchen von einem Ancient, der lieber gleich auf einer Couch im Aufenthaltsraum liegengeblieben war. Ansonsten durchbrach neben ihren Schritten nichts die morgendliche Ruhe.

Ohne zu zögern betätigte Snowcat die Klingel vor Ghostfingers Reich. Es summte kurz und dann glomm ein kleines grünes Lämpchen auf. Ghostfingers Stimme kam aus einem Lautsprecher über der Tür: „Komm rein, Schöne der Nacht, auch wenn die Zeit die Falsche ist.“ Natürlich sprach er Sperethiel.

Snowcat öffnete die Tür und wie immer erschlug sie der Anblick förmlich. An allen vier Wänden und der Decke des Raumes hingen unzählige Monitore oder es wurden Bilder einfach an die Wand geworfen, auf denen stumm die unterschiedlichsten Programme liefen. Auf einigen sah man nur Datenketten flimmern, auf anderen waren Sportveranstaltungen, Cartoons oder gar tanzende Menschen in Nachtclubs zu sehen. Die Monitore mit der geringsten Bewegung zeigten Innen- und Außenaufnahmen des HQ. 

Nahe der hinteren Wand befand sich ein futuristisch aussehender Schreibtisch, vor dem ein einfacher schwarzer Sessel stand. Hinter dem Schreibtisch saß oder besser lag Ghostfinger in seinem top-aktuellen Matrixsessel, der ihn wahrscheinlich auch noch nach eine Atomexplosion am Leben halten würde. Ghostfingers Monokel leuchtete grün und warf ein gespenstisches Licht auf das Gesicht des großen, schlanken Elfen. Sein gewaltiger schwarzer Mowhawk ließ ihn wie immer noch größer wirken. Zur Zeit hatte er die Haarspitzen grün gefärbt.

Mit einer winzigen Bewegung seines linken Fusses richtete er sich samt Sessel auf und deutete ein Lächeln an. Das rote Anarchie-Tattoo über seinem rechten Auge bewegte sich dabei kaum. Er wies auf den Sessel und sagte: „Egal wie spät oder früh, du bist immer ein Glanz in jeder Hütte.“ Er wechselte nicht ins Englische. 

Snowcat tat ihm den Gefallen und sprach nun ebenfalls Sperethiel: „Einen wunderschönen guten Morgen, ja ich denke man darf schon Morgen sagen, auch wenn die Sonne sich noch nicht zeigt. Du hast gewünscht mich zu sprechen und ich kam so schnell es ging. Du bist noch wach?“ 

Ghostfinger meinte dazu: „Na spätestens seit du durchs Tor gefahren bist.“

Snowcat grinste keck: „Ach was, so verschlafen siehst du nicht mal annähernd aus.“ Sie setzte sich jedoch nicht auf den angebotenen Sessel, sondern ging stattdessen um den Schreibtisch herum und lehnte sich an die Tischkante.

„Ja in der Tat wollte ich dich sprechen. Dein kleines Team hat keinen Lieutenant mehr und wir sollten dich bald irgendwo unterbringen, da es gerade gilt, die Frischlinge zu verteilen, kommt das passend!“ Er ließ sich nicht durch Snowcats ungewöhnliches Verhalten verunsichern.

Snowcat grinste: „Ach so, ich dachte schon, es wäre dringend.  - Sag mal, wo ist denn nun die sagenumwobene Geheimtür?“ Dann griff sie nach Ghostfingers Hand und fuhr fort: „Komm, zeig mir dein Wunderland.“

In diesem Augenblick flammte auf etwa 10 Bildschirmen die selbe Szene auf: Der Kuss aus dem Eyecatcher. Ghostfinger wechselte ins Englische, anscheinend hielt er Sperethiel unpassend für eine Standpauke: „Snowcat, was soll das?“

Snowcat grinste und ließ Ghostfingers Hand nicht los: „Was meinst denn du, wozu man küsst? Weils Spaß macht. Oder weil man gewettet hat. Hier war das eine Mischung aus beidem und ich finde ich sehe ziemlich gut dabei aus. Ist das von der Eyecatcher-Seite?“

„Du hast es erfasst, Schätzchen.“

„Die Penner machen einfach Werbung mit meinem Kuss. Was würdest du übrigens sagen, ist Warlock so gelassen, wie er da aussieht, oder tut er nur so?“

Ghostfinger wurde ärgerlich: „Snowcat, du willst doch jetzt nicht etwa ernsthaft wissen, ob dem Night One beim Kuss einer abgegangen ist, oder nicht.“

Snowcat nickte lachend mit dem Kopf: „Ehrlich gesagt, will ich genau das wissen, aber versteh schon, du hast das noch nicht analysiert. - Wo wir gerade beim Thema sind: Du könntest mir mal einen Gefallen tun.“ Ihre Stimme schwenkte von fröhlich auf sanft, „Du könntest dich mal nach diesem Warlock für mich umhören, aber da es nicht mit den Ancients zu tun hat...“

Wütend stand Ghostfinger auf, entzog ihr aber nicht die Hand und sagte ungewohnt laut: „Schätzchen, alles was du tust, hat etwas mit den Ancients zu tun, denn du bist ein Ancient! Und wenn du jetzt sagst, dass der Typ da dich irgendwie verletzt oder auch nur bedroht hat, dann werden wir wenn nötig mit allen 200 Mann ausfahren und ihn und seine gesamte Brut zur Hölle jagen. Klar soweit?“

Snowcat schloss kurz die Augen und sah Ghostfinger dann an. Da er jetzt stand, musste sie deutlich zu ihm aufsehen. Leise sagte sie: „Ich war, bin und bleibe mein Leben lang ein Ancient. Aber nicht alles was mich betrifft, betrifft auch uns. Denn ich bin auch eine Katze und Katzen sind Einzelgänger. Und wenn du und unsere Führung mir wirklich die Frage stellen: Alles oder Nichts? Dann würde ich in diesem Augenblick Nichts wählen.“ Snowcats Augen füllten sich ungewollt mit Tränen. ,Naja‘, dachte sie sich, ,schaden würde das mit Sicherheit nicht!‘ „Darum möchte ich dich auch bitten, dich nur für mich nach Warlock umzuhören. Und ich möchte dich auch bitten, mir Zeit gegenüber Green Lucifer und Sting zu verschaffen. Zeit, in der ich beweisen kann, dass ich auch mit meinem eigenem Ding wertvoll für die Ancients bin.“ 

Ghostfinger wollte etwas einwenden, doch Snowcat legt ihm sanft einen Finger auf die Lippen. Ihre Tränen begangen lautlos zu fließen und Ghostfinger sah sich hilflos nach einem Taschentuch um.

Snowcat sprach weiter: „Bitte Ghostfinger, verschaff mir die Zeit, die ich brauche und wenn ich am Ende doch eure Hilfe brauche, dann können wir immer noch neu entscheiden, wie es weiter geht. - Wirst du mir diese Gefallen tun? Wirst du mir helfen?“

Ghostfinger nickte tonlos, seine Stimme klang trocken, als er sagte: „Niemand könnte wohl so grausam sein, dir eine so vorgetragene Bitte abzuschlagen.“ Er schluckte schwer, grinste dann und meinte: „Wahrscheinlich könntest du so an Millionen New Yen kommen. - Ich hör mich um und ich verschaff dir so viel Zeit, wie ich kann. Aber du weißt, dass sowohl Green Lucifer als auch Sting ungeduldig sind, wenn es um dich geht?“

Nun nickte Snowcat.

Ghostfinger nahm die Hand, die er gehalten hatte nun zwischen seine Beiden Hände: „Ich tu, was ich kann. - Darum bist du also zu solch einer ungewöhnlichen Stunde zu mir gekommen. Du wolltest mich umgarnen, um mir einen Gefallen abzuschwatzen.“

Snowcat grinste nun wieder und der Tränenstrom versiegte: „Umgarnen? Fast. Verführen wäre wohl der bessere Begriff dafür.“

Ghostfinger schien nicht zu verstehen.

Snowcat stupste ihn an: „Ich bin hergekommen, weil ich Sex mit dir haben will! Du hast doch gelegentlich auch Sex?“

Ghostfinger riss die Augen so weit auf, dass sein Monokel herausfiel und an einer dünnen Kette baumelte. Snowcat konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete und blickte ihn erwartungsvoll an.

Wenige Sekunden später setzte er sein Monokel wieder ein. Einige Bilder erloschen und direkt hinter dem Schreibtisch öffnete sich lautlos eine Tür. Hinter dieser Tür verbarg sich tatsächlich ein Zimmer, dessen Mittelpunkt ein gigantisches, schwarzes und beinah aufrecht stehendes Bett befand, welches auf ein 3x3 Meter großes stahlgraues Gitter geschraubt war, in dem zahllose Kissen und Decken steckten. Balladen erklangen und wie von der Musik getragen, brachte sich das Bett in eine horizontale Position.

Etwas atemlos sagte Ghostfinger auf Sperethiel: „Willkommen in meinem Gemach, Schönste der Nacht und Herrlichkeit des Tages!“


Stunden später erwachte Snowcat durch ein Geräusch. Ghostfinger schlief noch tief und fest. Snowcat blickte auf Katze, die neben ihr aus einem Kissen saß uns schnurrte.

„Du hier, Katze?“

„Du weißt doch Elfenmädchen, ich finde dich überall.“

„Schön das zu hören, denn ich könnte ja mal an einem Ort landen, an dem ich schwer zu finden bin. Dann kann ich wenigstens mit deinem Besuch rechnen, Katze!“

„Du kannst sogar noch mit mehr rechnen, Elfenmädchen. Denn wenn dieser Ort zufällig einer seien sollte, an dem du festgehalten wirst, dann werde ich mich bemühen dir zu helfen auch noch von anderen gefunden zu werden.“

„Danke, Katze!“

„Oh, gerne doch Elfenmädchen. Wie ich sehe, hast du dir jetzt doch ein Männchen gesucht, dass du magst.“

Snowcat nickte: „Ja, die zuvor engere Auswahl hatte sich leider als Arschloch entpuppt. Aber ich glaube, Ghostfinger hier kann das ab, Katze.“

„Mich musst du nicht überzeugen, Elfenmädchen. Ich habe ja schon gesagt, dass du für jedes Männchen ein Geschenk bist!“

Snowcat seufzte.

„Und das garstige Männchen war dann doch zu widerlich, Elfenmädchen?“

Snowcat zog einen Flunsch: „Ja, er hat mir einen bösen Stich versetzt Katze. Er hat was von Craven gesagt.“

Katze gähnte: „Ach so. Aber das ist doch nicht schlimm. Wahrscheinlich war er selbst auch sehr enttäuscht, als er den Schmerz gesehen hat, der dich bei dem Namen Craven traf, Elfenmädchen.“

„Warum sollte ihn das enttäuschen, Katze?“

„Na er steht bestimmt total auf dich und da tat es ihm weh zu sehen, dass er dein Herz nicht erobern kann, da du es noch nicht zurück hast, Elfenmädchen!“

Snowcat lachte auf: „Na der will mir mein Herz bestimmt nicht stehlen oder es geschenkt haben, der will es mir höchsten rausreißen, Katze. Könnte nämlich sein, dass das ein Banshee ist!“

Katze zwinkerte kurz mit den Augen: „Ach so, ein Infizierter. Aber der kann doch auch Gefühle haben, oder Elfenmädchen? Wie auch immer die sich bei ihm ausdrücken. Aber wo du das gerade erwähnst, du hast mich doch mal gefragt, was aus unserer innigen Beziehung würde, wenn du diese Krankheit bekommen würdest!“

Snowcat war gespannt: „Ja Katze?“

„Ich kann dir dazu nur sagen, dass ich nicht unbedingt sehe, dass du dadurch ein Wesen bekommst, dass ich nicht ertragen kann. Das müsste ich erstmal abwarten, aber wenn du erträglich bleibst, dann werde ich dich auch nicht verlassen, Elfenmädchen!“

Snowcat atmete auf.

Nach einer Pause fuhr Katze fort: „Sind da vielleicht viele Infizierte bei dem Männchen, Elfenmädchen?“

„Kann sein Katze!“

„Dann sei vorsichtig Elfenmädchen. Die könnten auch deine Magie schwächen.“

„Ich weiß Katze, ich weiß.“

„Elfenmädchen, du musst mir jetzt etwas versprechen!“

Snowcat war total überrascht, so etwas hatte Katze noch nie von ihr gefordert: „Was denn, Katze?“

„Sollte es dazu kommen, dass dir eine Kreatur mit einer Infizierung droht, dann musst du zunächst alles versuchen, was in deiner Macht steht, damit sie das nicht macht. Alles! Hörst du Elfenmädchen? Ich möchte nämlich kein unnötiges Risiko eingehen, was dich betrifft.“

Snowcat zögerte nicht: „Ich verspreche es dir.“

„Gut. Und du weißt ja Elfenmädchen, ich nehme da auch keine Rücksicht auf Freundschaften und Liebe, wenn ich alles sage. Dein Überleben steht über allem!“

Snowcat nickte bestimmt, sie wusste, dass Katze so dachte. „Ich verspreche es doch, Katze!“

„Gut, ich gehe jetzt noch ein bisschen in die Sonne, Elfenmädchen!“


Als Katze verschwunden war, blickte Snowcat auf ihr Commlink. Es war kurz nach 14.00 Uhr, also noch viel zu früh zum Aufstehen. Plötzlich hatte sie eine Idee: Sie öffnete die Kamerafunktion ihres Commlinks, kuschelte sich in die Kissen, vergewisserte sich noch mal, dass sie auch umwerfend zerzauselt aussah und nahm dann eine Nachricht auf: Zunächst schnurrte sie, dann kam sie näher an die Kamera und hauchte: „Guten Morgen Warlock! Das Hündchen nehme ich zurück! Eigentlich schade, dass du zu mir so ein Arsch warst. - Ich lösch jetzt deine Nummer.“

Sie machte aus und sah sich die Nachricht noch mal an. Perfekter Weise konnte man zu Beginn gerade noch erkennen, dass Snowcat nicht alleine im Bett lag. Zufrieden stellte sie ihr Commlink so ein, dass Warlock die Nachricht genau zu Sonnenuntergang bekäme, den Timestamp der Aufnahme ließ sie, wie er war.

Gegen 16.00 Uhr weckte sie der Duft von Kaffee und Donuts. Ghostfinger saß nur in seine Lederhose gekleidet am Bettrand und hielt ihr beides hin. Dabei machte er keine Anstalten sich ihr in irgendeiner Form zu nähern. Dankbar nahm Snowcat ihm die Sachen ab. Er stand auf, um sich sein dunkelgrünes Samthemd überzuziehen. Auf seinem Rücken zeichneten sich unzählige rote Striemen ab. Snowcat hatte ihn fürchterlich zerkratzt. Sie zog scharf die Luft ein: „Oh, das tut mir leid, soll ich da was drauf tun?“

„Untersteh dich!“

„Einige werden dir bestimmt zum Test auf den Rücken schlagen, das könnte schmerzhaft werden!“

„Warum sollten sie das tun? Schließlich bist du heute früh ungefähr 12 Minuten nachdem du gekommen bist, wieder gegangen. Und gerade vor ein paar Minuten bist du erst wieder zurück gekommen. Herzchen, ich hab so viele Aufnahmen von dir, ich kann dich hier stundenlang auf und ab gehen lassen!“

Snowcat strahlte ihn an: „Das ist ja wunderbar, dafür könnte ich dich glatt noch mal küssen!“

Ghostfinger winkte ab: „Es wäre mir lieber, wenn wir meine Willenskraft nicht einer solchen Probe unterziehen. Es ist mir schon schwer gefallen, nicht nach dem Aufwachen über dich herzufallen.“

„Gut, dann lassen wir das!“

Ghostfinger lächelte: „Schätzchen, Dir ist doch hoffentlich klar, dass ich unsere Bettspiele aufgezeichnet habe und sie mir nun immer wieder mit allem drum und dran reinziehen kann?“

Snowcat schüttelte den Kopf: „Nein, das war mir nicht klar, überrascht bin ich allerdings auch nicht, aber solange du das nicht verkaufst oder jedem zeigst, geht das schon klar.“

Ghostfinger grinste böse und kalt und Snowcat wurde bewußt, warum sich viele so vor ihm fürchteten: „Ich bin kein Idiot, einen solchen Schatz werde ich mit niemandem teilen!“


Der Wetterbericht für den Abend des 31. Mai 2070 hatte keine Regen vorausgesagt, jedenfalls nicht für Downtown, was dann natürlich nicht heißen musste, dass das ebenso für Puyallup galt. Die Luft über Hell‘s Kitchen, die stets schwer von Asche war, ließ es an den südlichen Randbezirken öfter regnen, als in der restlichen Stadt. Snowcat liebte es zwar nicht gerade im Regen zu fahren, aber sie mochte die reinigende Wirkung des Regens sehr wohl und so störte es sie nicht, als sie sich am frühen Abend auf machte, um zum wiederholten Male in den letzten Tagen ins Dark Light zu fahren. Craven war jetzt seit 12 Tagen tot und seit dem hatte sich in unelfischer Geschwindigkeit  viel verändert. Snowcat sog tief den Duft des Regenschauers ein, sie konnte es förmlich spüren: die Zeit der Veränderung war noch lange nicht vorbei, mehr davon lag in der Luft. Snowcat lächelte und jemand schnurrte.



Man spürte sofort, das Nethertalk und Hellboy schon lange Zeit befreundet waren, einfach an der Art, wie sie sich gegenseitig neckten. Nethertalks Freund reihte sich in die Reihe von ungewöhnlich aussehenden Metamenschen ein. De Ork hatte orangene Haut. Richtig orangene Haut. Asiatische Gesichtszüge umrandeten strahlend weiße Hauer. Hellboy war ein Oni, eine Unter-Kategorie von Ork, wie Warlock zu der Art der Elfen gehörte. Und Hellboy war tatsächlich ein Adept und da er kein Troll war, hatte Snowcat keine inneren Schwierigkeiten sich mit ihm anzufreunden. Es sah in seinem Anzug sogar gut aus, für einen Ork. 

Er hatte ein ruhiges, beherrschtes Wesen, wie man es von einem Japaner erwarten würde. Ohne zu zögern erklärte er sich beriet, Snowcat die innere Willensstärke eines Adepten beizubringen. Noch in der selben Nacht fuhren sie gemeinsam zum Dach des Southwind-Gebäudes und verbrachten dort einige Tage.


Für Freitag lud Candy zu einer Auszugsparty. Sie verließ ihre alte Bleibe und zog zu Fiddler.

Snowcat kam ein wenig zu spät. Sie hatte einfach nach dem harten Training etwas mehr Schlaf gebraucht und danach ein extra langes Bad. Sie hatte ihre Wände auf AR inzwischen so programmiert, als wäre das Zimmer eine Eishöhle. Weiße Felle im Eisbären-Look lagen davor und Handtücher und Kerzen waren inzwischen Eisblau. Auch im Wohnzimmer sah es nun etwas anders aus. Pupur, dunkles Lila und ein wenig Gold waren dem Schwarz hinzugefügt worden und die ehemaligen weißen Wände schmückte nun ein zartes Grün, auf dem vereinzelte Rosenranken „wuchsen“. Es war schon schön, welch große Veränderungen man mit einem neuen AR-Design erreichen konnte. Snowcat hatte nur neue Bettwäsche und Kissenbezüge besorgt.

Cannonball, Fiddler, Blackstone, Bittersweet und natürlich Candy waren also schon beim Feiern. Eine Drohne reichte die Getränke, auf dem Boden langen Kissen umher und gerade kamen sie auf die Idee gemeinsam zu Pokern. Fragen sollten der Einsatz sein, die man allerdings auch in Taten umtauschen konnte, wenn man die Frage nicht beantworten wollte. Also eine Mischung zwischen Flaschendrehen und Pokern.

Zunächst fand Snowcat die Idee äußerst dumm, aber dann merkte sie, dass man für die Preisgabe einiger Kleinigkeiten eine Menge über die Teamkollegen. Sie erfuhr, wer schon wie oft mit welche Rasse Sex hatte, wer auf wen stand und, und, und. Am interessantesten fand Snowcat zwei Dinge. Bittersweet war zur Zeit mit einem Mädel zusammen, ihre Bandkollegin Mandy, - bei dem Schlagwort Band fiel snowcat ein, dass sie zu Beginn ihrer Ancient-Zeit mal mit dem Gitaare-Spilen angefangen hatte und ziemlich gut darin gewesen war - wäre aber durchs offen für Snowcat. Und Blackstone hatte sich inzwischen tatsächlich mit dieser Megan aus dem Dark Light getroffen.

Nach mehren Stunden beschlossen sie dann doch noch ins Dark Light zu gehen, vorher allerdings fand noch zwischen Cannonball, Fiddler und Blackstone ein Wett-Pinkeln an. Um es kurz zu machen, Cannonball konnte tatsächlich weiter oben an der wand Pipi machen, als die anderen Beiden, indem er sprang.


Gegen 23.00 Uhr fuhren die Runner gemeinsam zum Dark Light.

Nach eine Runde tanzen bekamen alle gleichzeitig eine Mail: "Vielleicht habt ihr ja trotz Partystimmung Lust einen Kontakt von mir zu treffen, der sowohl einen Job für euch hat und gleichzeitig auch eine gewünschte Verstärkung für euer Team sein könnte, vor allem so lange euer Steuermann Landgang hat. Gez. Dodger."

Auf der Tanzfläche tauschten  Bittersweet und Snowcat gerade einen vorsichtigen Kuss aus.

Sie berieten sich kurz und bestätigten dann. Natürlich wählten sie als Treffpunkt das Dark Light. Der Kontakt sollte Snowcat einfach ansprechen und von Dodger grüßen.

Ca. eine drei viertel Stunde nach der Nachricht trat ein etwas über 1,90 m großer menschlicher Mann an Snowcat heran und sprach ihr ins Ohr: " Hallo Snowcat. Grüße von Dodger. Mein Name ist Scorpion. Wie wärs, wenn wir zur Kontaktaufnahme zunächst gemeinsam Tanzen?"

Die Stimme klang angenehm und Snowcat nickte. Der Mann trug einen schwarzen, hochgeschlossenen Mantel im Priesterlook. Er hatte ein männlich geschnittenes Gesicht, seine Augen waren von einer dunklen Sonnenbrille verborgen. "Zufällig?" wurde gerade ein langsames Lied gespielt und Scorpion nahm Snowcat ohne zu zögern in den Arm.

Nach einem weiteren langsamem Song wollten sie sich an einen Tisch zu einer Besprechung zurückziehen. Leider waren alle Nischen besetzt. "Lasst das mal meine Sorge sein!", verkündete Bittersweet. Sie gestikulierte und augenblicklich standen alle Personen, die an den drei rechten Nischen saßen auf und gingen zur Tanzfläche. 

Das Team nahm Platz und Scorpion schien darauf zu achten, dass er nicht einkesselt wurde. Snowcat ging schnell mit Bittersweet zu den WC's und bat sie um einen Ernüchterungs-Zauber. Alles schien in Ordnung zu sein als sie zurückkamen, bis Blackstone den Mund aufmachte und einfach nur Doofes Zeug rauskam. Fiddler und Candy gackerten herum, jedoch nahm Scorpion das gelassen. Wahrscheinlich hatte Dodger nur Gutes über sie erzählt. Blackstone war kaum zu beruhigen und verwunderlicher Weise hielt Cannonball die gesamte Zeit über die Klappe und setzte so nicht noch einen drauf. Unter stillschweigendem Einverständnis wurde er als ein Teammitglied vorgestellt und würde so zumindest für den nächsten Job mit von der Partie sein. Man klärte die Positionen und natürlich war Scorpion der Hacker. Ob er ein guter zeitweise-Ersatz für Starbuck wäre, würde sich noch herausstellen. Schnell wurde klar, dass Scorpion eine Menge Zynismus an den Tag legte. Außerdem war er nicht bereit besonders viele Details über den Job bekannt zu geben. Das Treffen mit Johnson sollte heute am Sonntagabend um 23.00 Uhr stattfinden. Gegen 20.00 Uhr wollte Scorpion das Team über den Treffpunkt informieren. Sie einigten sich darauf es mit einander zu versuchen.


Pünktlich um 20.00 Uhr schlug die Nachricht von Scorpion bei Fiddler, Candy, Cannonball, Bittersweet und Snowcat ein. Der Treffpunkt war ein Parkplatz in Downtown um 22.00 Uhr. Alle waren pünktlich. Um 23.00 Uhr sollten sie am Hintereingang eines Stripclubs mit dem Namen Tickler‘s eine Privatvorstellung verlangen. Sie schlossen sich über AR zusammen und einigten sich darauf, dass Snowcat die Verhandlungen führen sollte. 

Mr. Johnson war diesmal eine Mrs. Johnson in Form einer attraktiven und äußerst leicht bekleideten Asiatin.

Der Job: Sie sollten bis Dienstag zu Mittwoch Nacht, um Mitternacht soviel belastendes Material über einen Mr. Brad Ference (38 Jahre, verheiratet, arbeitet im Management bei Parashield) besorgen, dass er bereit war Mrs. Johnson einen Gefallen zu tun. 5000 New Yen sollten sie pro Person dafür bekommen. Snowcat handelte einen Bonus von 1000 New Yen für je 12 Stunden aus, die sie vor der Deadline fertig waren. Mrs Johnson bot einen zusätzlichen Bonus dafür an, dass das Team einen Beweis lieferte, dass Mr. Ference zu einem großen Gefallen bereit war. Denn bisher hatte man Nichts finden können, was sich für eine Erpressung nutzen lies. Man wusste nur, dass er auf schöne Frauen stand.

Das Team war zuversichtlich, denn schöne Frauen hatten sie zu bieten.


Sie zogen sich zurück, um ihr Vorgehen bezüglich Mr. Ference zu besprechen. Gewöhnlich suchten sie dazu ja immer ein Starbucks ihrer Wahl auf, aber Scorpion wollte lieber einen ruhigeren Ort und darum versammelten sie sich in Candys Transporter. Sie diskutierten einige Zeit lang einige Varianten, kamen dann aber nach Sichten der Daten über den durchweg braven Mr. Ference zu dem Schluss, dass es besser sei nicht zu suchen, sondern etwas zu konstruieren.

Nach einer hitzig beantworteten Frage durch Scorpion - wer von den Mädels denn bereit wäre, für diesen Job mit Mr. Ference ins Bett zu steigen, keines der Mädels war nämlich dazu bereit, was Scorpion vor allem in Snowcats Fall zu überraschen schien - entschieden sie, dass eine "einfache"  Sexgeschichte nicht ausreichte, da Mr. Ference das durchaus mit : "Ist mir egal, ob das rauskommt!" zu Nichte machen konnte.  Etwas Härteres musste her: Eine Vergewaltigung mit anschießendem Mord. Wichtig war dabei nicht, dass Mr. F das wirklich tat, sondern nur, dass er wirklich felsenfest daran glaubte, dass er das getan hatte.

Das Team fuhr zur Adresse der Zielperson und stellte den braven Mr. Ference unter Beobachtung, der natürlich ein Haus in einer gesicherten Wohnanlage sein eigen nannte. Sie parkten in der Nähe des Zauns und Bittersweet beschwor einen Geist, der den Wagen kurzerhand  verschleierte.

Nach einiger Zeit gelang es Scorpion sich in den Kalender der Familie zu hacken. Für Sonntag stand an: Kirche, 10:00 - Softballspiel des Sohns, 12:00 - Fussballspiel der Tochter 14:00 - danach Kuchen mit einigen Eltern. Das Team konnte es kaum glauben: Die Ference waren eine Bilderbuch-Familie!

Der Plan wurde konkretisiert: Während des Softballspiels sollte Snowcat Mr. Frence Senf an die Hose schmieren und ihm so sehr anmachen, dass er bereit war, sich mit ihr zum "Hose waschen" nach dem Spiel zu treffen. Dort sollte dann die Falle zuschlagen. 

Sie besorgten für Snowcat passende Kleidung unter anderem ein Baseballcap, welchem Bittersweet die richtigen Farben verpasst und suchten sich dann ein in der Nähe befindliches Haus, welches möbliert zum Verkauf stand. 

Während des Spiels bekam dann Mrs. Ference "plötzlich" durch magische Nachhilfe Durst und bat ihren Mann, ihr etwas zu holen.

Snowcat fing ihn ab und beschmierte ihn gekonnt. Etwas unsicher aber durchaus entschlossen biss Mr. Ference an. Snowcat bestellte ihn zu 14.30 Uhr.

Das Team bezog im Haus verschleiert, bis auf Snowcat natürlich, Position. Mr Ference fuhr pünktlich in die Strasse ein und bereite einige Nachrichten für seine Frau vor: "Wo liegt denn die Jacke?- Hab sie gleich - Bist du sicher? - Bin auf dem Rückweg."

Das Team konnte über die Kameras von Candys Drohnen beobachten, wie Mr. Ference einige Zeit unsicher im Wagen sitzen blieb, sich dann aber ein Herz nahm, den Wagen verließ, zum Haus kam und klingelte.

Alles lief nach Plan. Mr. Ference fackelte nicht lange und kam zur Sache. Snowcat, die übrigens außerdem Haut und Haare gefärbt hatte, wies ihn plötzlich ab, er wollte schon verwirrt gehen, als Bittersweet mit einem Zauber seine "Gier" entfachte.

 Sofort zerriss er Snowcats Shirt und wurde zudringlich. Alles wurde gefilmt. Dann betäubte Blackstone Mr.Ference, Fiddler setzte dem Zwerg dann eine Körpermaske auf und Blackstone übernahm die "Rolle" von Mr.Ference und erwürgte Snowcat, die  filmreif und überzeugend starb.

Man verabreichte Mr.Ference nun eine Portion Pixiedust, die ihn die letzten Minuten vergessen ließ, weckte ihn auf und zeigte ihm die Leiche, samt seines Mordes. Er war bereit, alles dafür zu versprechen, das das geheim blieb und damit das Team sämtliche Spuren verwischte. Gesenkten Hauptes fuhr er zurück in sein perfektes Leben.

Sehr kurz machte sich ein leichtes schlechtes Gewissen bei einigen Teammitglieder breit, was aber wieder verschwand. Spätestens, als man in die zufriedenen Augen von Mrs. Johnson blickte, die ihnen nicht nur den verhandelten Betrag auszahlte, sondern ihnen auch noch eine Privatvorstellung bot.

Nach dieser Vorstellung genehmigte sich das Team noch einen Drink im Dark Light. Fiddler und Candy verabschiedeten sich schnell, weil sie noch etwas "ungeheuer dringendes" zu erledigen hatten und auch Blackstone wollte sich lieber mit einer gewissen Meagan treffen.


Als die drei gegangen waren, fragte Snowcat Bittersweet: "Sag mal Süße, könnt ihr bei Corperate Trash nicht noch ne Gitarristin brauchen?"

Bittersweet war erfreut und überrascht zugleich. Kurzer Hand weckte sie Phil, den Bandleader und verlangten ein Treffen noch für Montag Nachmittag. 

Damit hatte Snowcat nicht gerechnet. Sie brauchte doch sogar noch eine Gitarre. Irgendwo im HQ der Ancients befand sich die, auf der sie gelegentlich spielte. Aber eine eigene musste sie sich noch besorgen, am Besten so eine die man auf AR in die abgefahrensten Designs kleiden konnte. Der eigentlich sonst so barsche Scorpion ließ in ihrem Sichtfenster einige Gitarren aufblenden, von denen sich Snowcat zwei aussuchte. 

„Gut, sind morgen im Postfach deiner SIN!“

Äußerst beeindruckend fand Snowcat das. Obwohl Starbuck das sicher auch konnte.

Morgen würde sie sich bereits zu den ersten Proben mit Corporate Trash treffen. Vielleicht würde sie sogar beim Auftritt im Underworld dabei sein, wenn es dazu kam. Natürlich nur, wenn ihre Finger nicht vollkommen eingerostet waren. Nun, mit der Band treffen konnte sie sich ja erstmal. Snowcat wusste eh nicht, ob regelmäßiges Proben und Bühnenauftritte etwas für sie waren. Sie wollte es einfach mal ausprobieren.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*