Teil 3 (Intermezzo)

3

Am letzten Freitag im Mai des Jahres 2070 wurde Snowcat durch das Kitzeln von Sonnenstrahlen in ihrem Gesicht geweckt. Sie blickte auf die Uhr, es war bereits 15.55 Uhr. Verschlafen tappte sie ins Bad um sich Wasser in die Wanne zu lassen. Voller Freude zog sie den Duft des Badezusatzes ein. Ein Hauch von Winter war jedes mal der pure Genuss, egal wie oft sie darin badete. Als sie in der Wanne vor sich hinträumte gesellte sich Katze zu ihr. Wie immer hielt sie dabei Anstand vom nassen Inhalt.

„Na mein liebes Elfenmädchen, warum bist du trotz deiner schönen Situation gerade nicht vollkommen zufrieden? Damit meine ich nicht die Spur von Trauer in deiner Gefühlswelt, sondern etwas körperliches.“

Snowcat hob überrascht eine Augenbraue: „Ich bin körperlich nicht zufrieden Katze?“

„Nicht vollständig, Elfenmädchen!“

Seufzend lies sich Snowcat tiefer ins Wasser gleiten: „Na wenn du es sagst... wahrscheinlich fehlt mir eine bestimmte körperliche Tätigkeit. Schließlich hatte ich seit elf Tagen keinen Sex!“

Katze schien zu grinsen und in ihrer Stimme klang eindeutig Belustigung mit: „Ach so, du bist rollig Elfenmädchen!“

Snowcat pustete etwas Badeschaum durch die Gegend, vielleicht ein wenig in Richtung Katze, die diese Aktion ignorierte, ohne auch nur zu zucken: „Klingt irgendwie abfällig, wie du das sagst, Katze.“

„Oh, es ist durchaus nichts dabei. Ich verstehe nur nicht, warum du nichts dagegen unternimmst Elfenmädchen. Jemand wie du hat schließlich keine Schwierigkeiten ein williges Männchen zu finden. Also gibt es doch überhaupt keinen Grund für dich auf Sex zu verzichten!“

Snowcat überlegte: „Du hast Recht Katze, ich kenne ein paar Willige, aber das ist trotzdem nicht ganz so einfach. Bei den meisten Metamenschen sind da nämlich Gefühle im Spiel und ich möchte niemanden verletzen, den ich mag. Was ich wahrscheinlich tun würde, wenn ich einfach nur körperlichen Kontakt will und danach sage: Danke und Tschüss.“

„Ich glaube nicht, dass sich irgendein Männchen, auch keines dass du kennst, darüber beschweren würde, schönes Elfenmädchen!“

Snowcat seufzte erneut: „Nein, natürlich nicht. Aber nehmen wir Neon zum Beispiel, der würde sich mehr erhoffen und wäre dann enttäuscht.“

Katze wedelte mit dem Schwanz, was bedeutete, dass sie unruhig wurde, sie rollte sogar mit den Augen: „Elfenmädchen, du bist ein Segen für jedes Männchen und du wirst in deinem Leben noch unzähligen das Herz brechen. Also, hör auf dich um die zu sorgen!“

„Ich kann dir leider nicht ganz zustimmen Katze, ich sorge mich nun mal etwas um die, die ich mag. Auch wenn es nicht besonders viel ist.“

Katze gähnte gelangweilt: „Nagut, wenn du dich unbedingt benehmen willst wie ein Kätzchen, dann ist das eben so.“

Snowcat lächelte, stieg aus dem Bad und hüllte sich in ihren kuscheligen Bademantel: „ich bin ja schon froh, dass du nicht wieder sagst, dass ich mich wie ein Hund benehme, Katze.“

„Nein Elfenmädchen, das tust du zum Glück seit längerer Zeit nicht mehr. Ich hoffe also, dass du dieses fürchterliche Gebaren endgültig abgelegt hast. Doch wie ein Katzenkind benimmst du dich schon. - In meiner unglaublichen Großzügigkeit gebe ich dir heute mal einen Tip: wenn du niemanden verletzten willst, den du magst, dann such dir für den Sex doch einfach ein Männchen, dass du nicht magst.“ Katze blickte unglaublich zufrieden drein.

Snowcat stutzte: „Du meinst, ich soll mir irgendjemanden suchen und ihn ins Bett zerren!“

„Jetzt bist du es, die abfällig klingt Elfenmädchen. Ich meine, du sollst dir jemanden suchen, den du körperlich anziehend findest, um den du dich aber nicht sorgst. Und mit dem ziehst du dann die rein körperliche Sache durch. Ganz simpel schönes Elfenmädchen.“

Snowcat blickte Katze liebevoll an: „Du hast Recht, das ist ganz einfach. Ich werde gleich mal Bittersweet anrufen, vielleicht hat sie ja Zeit und wir können zusammen durch ein paar Nachtclubs ziehen. Eventuelle ergibt sich ja was. Danke Katze!“

„Oh, gern geschehen liebstes Elfenmädchen. Und nun kraul mich!“

Snowcat tat, wie ihr befohlen. Sie kraulte Katze und sagte dabei nichts, denn schließlich gehörte Katze immer das letzte Wort ihrer Gespräche.


Snowcat hatte Bittersweet im Stuffer Shack beim Einkaufen erwischt, aber sie hatten sich trotzdem sofort für den heutigen Abend für 21.30 vorm Underworld verabredet. Seit diesem Gespräch waren nicht mal fünf Minuten vergangen, als Bittersweet sich nun ihrerseits bei Snowcat meldete. Snowcat fragte lachend: „Na, haste es dir doch anders überlegt.“

„Nein. Ich hab nur schnell noch ne Frage: Du kennst dich doch ganz gut mit den Gangs hier in Seattle aus?“

Snowcat räkelte sich zurecht: „Jep, wieso?“

„Hier sind mir gerade so ein paar Typen gefolgt. Als ich sie ansprechen wollte, sind sie weggefahren. Dunkle Haut, helle Haare, schwarze Mäntel ohne Kragen. Menschen. Die sind in nen schwarzen Wagen gestiegen, der unten einen lila Streifen hatte. Sagt dir das was?“

Snowcat musste etwas überlegen: „War zwar ein bisschen wenig lila, aber ansonsten pass die Beschreibung auf die Purple Fangs, eine eher GoGang aus Redmond.“

Bittersweet schien etwas beunruhigt: „Ne Redmond-Gang hier in Auburn. Hmm. Du, das ,Fang‘ hat doch nichts mit Vampirenfängen zu tun, oder?“

„Davon ist mir nichts bekannt. Mach dir mal keine Sorgen, vielleicht war es ja auch nur Zufall, oder die haben einfach auf dich gestanden, dann aber den Schwanz eingekniffen?“

„Naja, jetzt hab ich wenigstens nen Namen. Danke Snowcat! Sind die groß?“

„Nö, geht.“, dann lachte Snowcat schallend, „Aber das sag ich eigentlich immer, ist ja ne Standpunktfrage. Ich mach dir nen Vorschlag, was hältst du denn davon, wenn ich dich abhole. Cannonball wollte auch mit und der holt mich ab. Ich fahr gern, und dann muss kein Mädel alleine im Dunkeln durch die Strassen brausen und wenn die Purple Fang kommen, dann schauen wir mal.“

„Gute Idee. Dann kommt doch so gegen 19.30 hier zum Stuffer Shack. Ich schickt dir die Adresse.“


Durch ihren rasanten Fahrstil waren Snowcat und Cannonball bereits kurz nach 19.00 Uhr an der verabredeten Adresse. Kurzer Hand riefen sie bei Bittersweet an. 

Nur fünf Minuten später standen sie alle drei vor Bittersweets Heimat-Stuffer-Shack. Natürlich waren sie mit ihrem Club-Outfit für diese Arbeitergegend vollkommen unpassend angezogen. Obwohl, eigentlich war auffallend das bessere Wort und genau darum scherte sich Snowcat einen Dreck, denn auffällig war sie überall und Bittersweet reichte ihrer Meinung nach zwar nicht an sie selbst ran, aber zu verachten war ihre Erscheinung mit Sicherheit nicht. Bei diesem Gedanken grinste Snowcat innerlich, sie konnte es sich auch leisten, sich mit auffällig hübschen Mädchen zu umgeben und stach trotzdem noch raus. Bittersweet war hübsch und sexy, für einen Menschen...

Die Drei Wollten sich noch mit ein paar erhitzenden Sake-Dosen ausstatten und darum gingen sie zunächst zu den hinteren Gängen 14-16. Bittersweet begrüßte die zwei hinter der Theke, die sogar die netten Stuffer Shack Papierhütchen trugen mit Namen: Veronika und Verne. Snowcat musste beinah lachen, so wichtig fand sie keinen Mitarbeiter in ihren Stuffers in Tarislar, dass sie ihn mit Namen begrüßen würde. Heute hatte Bittersweet Meph nicht dabei und mit einem Mal wirkte sie ziemlich zahm auf Snowcat.

Der Laden war nicht sonderlich voll. Ein skurriles Pärchen, beide trugen die modere Version eines Elvis-Outfits, diskutierte vor der Tiernahrung über Katzenfutter. Ein Mann studierte offenbar die Inhaltsstoffe von Tiefkühlkost, denn er hielt sich jede Packung dicht vor die Augen, vielleicht versuchte er aber nur die geheime Botschaften zur Gehirnwäsche von Aztechnologie darauf zu entziffern. Snowcat musste fast laut lachen und überlegte kurz den Typen mit dieser Verschwörungstheorie zu  bedrängen, verwarf den Gedanken aber, schließlich war das hier der Hometurf von Bittersweet. Eine Elfin mit einem weinendem Baby auf dem Arm stand, wie sollte es anders sein, bei den Windeln herum, wie Snowcat ein beiläufiger Blick auf die AR-Beschreibung der Gänge verriet.

Cannonball zog Snowcat Aufmerksamkeit auf sich, da er gerade aus dem Stand hoch sprang und mit einem Six-Pack Bier wieder landete. Cybergliedmaßen waren schon praktisch.

Eine gewaltige Explosion zerfetzte die Fensterscheibe im Vorderbereich des Stuffer Shacks. Warme Luft brandete über Snowcat hinweg. Bevor die ersten Splitter Gang 14 erreichten hatte sich Snowcat in Deckung geworfen. 

Automatisches Feuer ertönte und jemand rief: „Niemand bewegt sich, alle rüber an die Wand und Hände hoch, komm raus.“

Trotz der gefährlichen Situation musste Snowcat grinsen, da wusste jemand nicht ganz genau was er wollte. Sie wählte über Commlink Bittersweet und Cannonball an und wartete geduckt auf Antwort. Beide nahmen augenblicklich die Verbindung an.

Snowcat schlich bis zur Ecke des Ganges und blickte zur Frontseite des Geschäfts, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Fünf bewaffnete Typen durchstreiften den Laden, sie waren alle in Panzerjacken gekleidet. Der Mann an der Tiefkühltruhe suchte darin Deckung. Leider hatte er Schwierigkeiten hinein zu kommen.

Eine der Bewaffneten brüllte: „Du Schlampe, komm raus!“ Er suchte also eine Frau. Zwei der Männer kamen links herunter, drei rechts. Snowcat teilte ihr Wissen über Commlink mit.

Jetzt war die Dreiergruppe bei den beiden Elvis angelangt. Der männliche Elvis zückte eine leichte Pistole, Schüsse knallten. 

Snowcat hatte die Schnauze von diesen Idioten voll. Sie fuhr die Monopeitsche aus und griff den ersten auf ihrer Seite an. Ohne zu zögern entwaffnete sie ihn, indem sie seine Maschinenpistole fast genau in der Mitte zerteilte. 

Cannonball hatte nur auf dieses Angriffssignal gewartet. Er sprang hoch und warf dem zweiten Übeltäter eine Glas mit Salsa so heftig direkt an den Kopf, dass er mit einem lauten Knack zu Boden fiel.

Bittersweet rief etwas, Snowcat vermutete, dass sie mit einem ihrer Geister gesprochen hatte. 

Snowcat zerschlug dem dritten Angreifer ebenfalls die Waffe und im Anschluss warf Cannonball auch dem ein Glas an den Kopf, diesmal mit Käsesoße. Der Typ taumelte und stürzte.

Snowcat wandte sich dem ersten auf ihrer Seite erneut zu.

Hinter ihnen kotzte sich jemand die Seele aus dem Leib. 

Bittersweet meldete: „Ich hab einen betäubt und der andere lässt sich seine Ideen noch mal durch den Kopf gehen.“

Die beiden auf ihrer Seite, die sich noch bewegen konnten, brüllten: „Raus hier!“ Dann klemmten sie sich den dritten unter die Arme und wollten fliehen. 

Snowcat sprang über die Gruppe hinweg und stellte sich ihnen in den Weg. Mit eiskalter Stimme fragte sie bestimmt: „Was wolltet ihr hier?“

Erst zögerten sie, doch ein Herumwirbeln der Monopeitsche genügte, um sie eines besseren zu belehren: „Es ging um die Elfe mit dem Balg! Wir sollten sie beseitigen“

„Wie viel habt ihr dafür bekommen?“

„10k, von so einem Schlips.“

Snowcat war etwas in Sorge. Gleich würde sich der Typ noch in die Hosen machen. „Dann gibt das Geld her und dann könnt ihr gehen!“

„Aber ich hab die Kohle nicht dabei!“

Snowcat seufzte und forderte: „Dann rück raus, was du dabei hast.“

Prompt überschrieb er ihr 1000 New Yen. Snowcat zuckte mit den Schultern, blickte abfällig drein und sagte dann: „Na, dann verpisst euch!“

Die Zwei schleppten ihren Dritten mit raus und warteten noch kurz auf den Kotzenden und auch den durch einen Zauber Bewusstlosen zerrten sie hinter sich her.

Bittersweet kümmerte sich bereits um die Verletzten. Der weibliche Elvis und Verne hatten etwas abbekommen.

Snowcat fragte über Commlink: „Wenn du soweit bist, dann lass uns hier abhauen. Der Star kommt sicher bald.“

„Bin gleich fertig, was wollten die?“ Bittersweet klang leicht abwesend.

„Hmm, so wie ich verstanden habe, wollten die im Auftrag die Elfin und das Kind geeken. Aber geht uns nichts an, oder?!“

Bittersweet kam hinter dem Tresen vor: „Doch, finde ich schon, wir sollten sie mitnehmen!“

Snowcat verdrehte die Augen, das war das Letzte, was sie jetzt tun wollte. Cannonball kam mit einer gefüllten Tüte von hinten und rief: „Bin sicher das geht heute aufs Haus. Schließlich haben wir euch den Arsch gerettet.“

Plötzlich fiel Snowcat etwas ein, die Explosion, die die Frontscheibe des Geschäfts zerfetzt hatte... und sie hatte ihr Bike vor dem Laden geparkt! Sie eilte hinaus, doch zum Glück war ihrer Maschine nichts passiert, nur ein parkender Wagen war ein völliges Wrack geworden. Aus der Ferne hörte sie bereits Sirenen. Sie sprach erneut ins Commlink: „Wir sollten jetzt echt sehen, dass wir hier wegkommen!“

Bittersweet bestätigte: „Die Mama nehmen wir aber mit.“

Snowcat seufzte: „Ja, aber nur wenn sie will und auch nur bis zum nächsten Starbucks.“

Zu Snowcats Leidwesen wollte die Elfe.


Eine Stunde später kaufte Snowcat eine Plüschkatze in einem Shop am Flughafen und drückte sie Klein-Cody in den Arm. Sie wusste nicht was sie geritten hatte dieser Elfin auch noch das Flugticket zu bezahlen. Aber so war es gekommen. Eigentlich eine klassische Geschichte: Irgendein reicher Schnösel hatte sein nicht gewolltes Kind samt Geliebter für immer los werden wollen und hatte sich ein paar Idioten besorgt, die das für ihn erledigten. Snowcat hat vehement darum gebeten, dass sie keine weiteren Details erfuhren, aber dann zugestanden die junge Elfe zum Flughafen zu bringen, damit sie so schneller als mit dem Zug zu Freunden nach Kalifornien kam. Nach der Verabschiedung hatte Snowcat dann 5000 New Yen weniger auf den Konto, da sie auch noch eine Starthilfe draufgepackt hatte.

Sie zuckte mit den Schultern, gut fürs Karma war es alle mal.


Eine Stunde später als geplant standen sie vor der inzwischen langen Schlange vor dem Underworld. Snowcat entdeckte zwei Purple Fangs vor dem Club, aber das konnte reiner Zufall sein, deshalb wollte Bittersweet auch nichts unternehmen. 

Snowcat war froh, dass sie in ihrem bauchfreien Teil nicht fror. Aber irgendwann waren sie endlich an der Reihe und sie sahen gut genug aus, um trotz des schon relativ vollen Clubs rein zu kommen.

Snowcat war heute danach etwas besonderes zu unternehmen, schließlich wollte sie sich eventuelle einen Jungen aussuchen. Der Ärger im Stuffer Shack war nur die Eröffnung gewesen. Spontan fragte sie Bittersweet: „Warum spielt ihr nicht mal hier im Underworld?“

Bittersweet grinste leicht: „Na weil wir hier keinen Gig bekommen!“

Snowcat nahm Bittersweet bei der Hand: „Komm, lass uns mal nach einem Termin beim Manager fragen!“

Zögerlich kam Bittersweet mit. Sie gingen direkt zum Mann an der „Private“- Tür. Er hatte dem geballten Charme nichts entgegen zu setzten und versprach ihre Anfrage auf jeden Fall weiter zu leiten.

Keine halbe Stunde später kam ein Zwerg in einem teuren Anzug an ihren Tisch: „Guten Abend, mein Name ist Vince O‘Halloran und ich bin hier der Manager.“ sagte er überaus höflich, „Man hat mir zugetragen, dass sie mich sprechen wollten!“

Snowcat lächelte perfekt: „Schön, dass man ihnen das gesagt hat. Meine Freundin würde gerne mal mit ihrer fantastischen Band namens Corporate Trash hier spielen und ich wollte dich fragen, was wir dafür tun müssen, damit sie das kann.“

„Oh, das ist ganz einfach,“ erwiderte Vince, „sie müssen mich nur überzeugen!“ Fünf Minuten später hatte er eingewilligt zum nächsten Konzert von Corporate Trash ins Dark Light zu kommen, dann wollte er sich entscheiden. 

Snowcat fand, dass der Abend immer besser wurde.


Kurz vor Mitternacht klingelte Snowcats Commlink auf der Teamdurchwahl, sie war gerade mitten auf der Tanzfläche. Eine unbekannte Nummer wurde angezeigt. Sie trat an den Rand der Tanzfläche, blendete die Musik leiser und öffnete die Verbindung. „Ja?“

Sie blickte in ein lächelndes dunkelhäutiges Gesicht mit weißen Haaren, die an der Spitze leicht lila waren: „High, hier ist Warlock. Wo bist du gerade?“

Diesmal war Snowcat wirklich überrascht: „Hallo Warlock, ich bin im Underworld, woher hast du diese Nummer?“

„Von Bittersweet. Bist du alleine da?“

Snowcat grinste und erweiterte den Winkel in ihrer Kameraeinstellung, so das kurz ihr ganzer Körper zu sehen war: „Sehe ich so aus, als wäre ich jemals alleine irgendwo?“

Er lächelte andeutungsweise: „Nein! Ich wollte dich fragen, ob wir uns heute Nacht noch irgendwo treffen wollen?“

Snowcat zögerte, aber sie war schon neugierig was Warlock von ihr wollte. „Warum nicht, woran hattest du denn gedacht? Ich bin übrigens mit Bittersweet und Cannonball hier.“

Warlock sah so aus, als müsste er kurz nachdenken, wer Cannonball war, dann sagte er: „Ich dachte vielleicht ans Dark Light, oder ans Eyecatcher?“

Snowcat schüttelte energisch den Kopf: „Nein nicht ins Eyecatcher!“

Warlock schien belustigt: „Warum nicht?“

„Ach, ist ne lange Geschichte, hat mich mal einer angesprochen und schnöde dahin eingeladen und nun ist der Schuppen für ne Weile tabu. Da wir aber sowieso noch Richtung Innenstadt müssen, klingt das Dark Light doch gut.“

Warlocks Gesicht blieb ausdruckslos, aber wenigstens klang seine Stimme ein wenig erfreut: „Schön, sagen wir um Eins.“

Snowcat nickte: „Dann bis bald!“ Sie beendete die Verbindung und trat zurück zur Tanzfläche. 

Cannonball fragte neugierig: „War was?“

„Das war Warlock und wir sind jetzt mit ihm um 1.00 Uhr im Dark Light verabredet.“

Bittersweet wurde ganz, ganz leicht rosa an den Wangen. Snowcat fragte sie: „Hat er dich nach meiner Nummer gefragt?“

Bittersweet druckste etwas herum: „Naja, nicht direkt. Also eigentlich nein, aber ein guter Freund von uns hielt es für ne gute Idee, dass ich ihm deine Nummer gebe. Wegen Cravens Tot und so. Tja und da hab ich ihm die Bitte erfüllt. Aber ich hätte nie gedacht, dass Warlock sich wirklich bei dir meldet, das ist so gar nicht seine Art!“

Snowcat riss sich zusammen und sagte freundlich: „Macht ja nichts, du kennst Warlock ja schon ne Weile.“

Bittersweet nickte: „Ja, schon ne Ewigkeit und er hat auch nie falsch gespielt oder so, obwohl er manchmal ziemlich schwierig ist!“

Snowcat lächelte, vielleicht war jemand wie Warlock ja genau der Richtige für heute Nacht, sie mochte ihn nicht besonders, aber er war durchaus attraktiv, auch wenn er eiskalt wirkte. Und außergewöhnlich war er auch. Vorher musste sie aber noch etwas wissen: „Was genau hast du ihm denn gesagt?“

Bittersweet erwiderte gelassen: „Ooch, nichts Besonderes. Hab ihm geschrieben, dass du vielleicht mal ne Schulter zum Anlehnen brauchst und er dich ja mal ganz unverbindlich anrufen kann.“

Hätte Snowcat was getrunken, sie hätte sich nun mit Sicherheit verschluckt. Heftig verschluckt. Sie blickte schnell auf das Display ihres Commlinks. Weil Bittersweet ihm diese Nummer gegeben hatte, hatte Warlock auch direkt auf der Teamdurchwahl angerufen und sie war nur deshalb sofort rangegangen. Na prima, so als wenn sie auf seinen Anruf gewartet hätte; - Téch! Dann fiel ihr Blick auf ihren AB. Vier Nachrichten waren im ,Wichtig‘-Postkasten. Drei von Ghostfinger, eine von Neon. Téch‘e‘téch! Die würde Snowcat mit Sicherheit erst später abhören.


Sie brausten kurz darauf los. Von Puyallup bis Redmond brauchte man schließlich mindestens 45 Minuten. Kurz vor 1:00 Uhr kamen sie im Dark Light an. Um diese Zeit gab es keine Schlange mehr vor dem Eingang. Natürlich war es voll und die Drei suchten sich einem freien Tisch. 

Zwei freie Tische hatte das ehemalige Gotteshaus noch zu bieten und sie wählten den Oberen. Kurz nachdem sie bestellt hatten bemerkte Bittersweet auf ihre gewohnt charmante Art: „Bin gleich wieder da.“

Was sie auch wirklich war. Sie kehrte zurück mit Nethertalk im Schlepptau. Er setzte sich zu ihnen. Bittersweet begann ein Gespräch über Dämonen und Vampire. Ein Thema auf das Snowcat eigentlich keine Lust hatte, also schaltete sie auf Durchzug und hörte nur mit einem Ohr zu. Ein Ohr musste sein, denn sie wollte ja auch nichts verpassen.

Als Cannonball und Snowcat beschlossen tanzen zu gehen, da Bittersweet noch mit dem Manger des Dark Lights  wegen der Bandangelegenheit sprechen wollte, kletterten die beiden kurzerhand auf die Balustrade und sprangen von dort auf die Tanzfläche. Als sie einige Minuten später zurück zum Tisch kamen war Bittersweet bereits wieder mit Nethertalk in ein Gespräch vertieft. Sie unterhielten sich gerade über Absinth und traditionelle Arten ihn zu verzehren. Nethertalk schien schon weit in der Welt rumgekommen zu sein.

Irgendwann landete die Unterhaltung bei Nethertalks vernarbtem Gesicht und bei der Frage, warum er da nichts machen ließ. Snowcat mischte sich nun ein und sagte schlicht: „Wieso, ist doch nicht nötig, schließlich hast du doch wunderschöne Augen!“, dann blickte sie mit einem tiefen Augenaufschlag zu Bittersweet und fügte hinzu: „Obwohl sie natürlich nicht an deine wunderschönen Augen heranreichen!“ 

In diesem Moment meldete sich Warlock über das Commlink bei Snowcat: „Wo bist du denn?“

„Ich bin hier oben mit Cannonball und Bittersweet und noch jemandem, einem Elf Namens Nethertalk.“, im Anschluss sandte sie ihm einen kurzen Blimp, der ihre Position bekannt gab. 

Bittersweet fragte nach: „Hast du eben mit Warlock gesprochen?“

Snowcat nickte nur.

Bittersweet sagte darauf zu Nethertalk: „Jetzt kommt noch ein Bekannter von mir. Ich sage aber gleich, dass er manchmal ziemlich schwierig ist, eine wahre Kreatur der Nacht.“

Nethertalk hob eine Augenbraue: „Was meinst du damit?“

„Das wirst du dann sehen. Lass dich überraschen. Ist aber kein Vampir oder so, jedenfalls nicht, dass ich wüsste.“, Bittersweet grinste breit.

Warlock stolzierte justament auf ihren Tisch zu. Er trug eine enge schwarze Hose, die in spitzen schwarzen Schuhen mit Absatz endete, ein dunkles lila Hemd, dessen Ärmel über seine Finger reichten und ein verlängertes Jackett mit geradem Schnitt mit blutrotem Innenfutter aus Seide.

Bittersweet schmunzelte: „Wow, er hat sich in sein Mr. Lover-Lover-Outfit für Dich geworfen.“

Warlock gab Snowcat zur Begrüßung die Hand, wobei er ihr tief in die Augen sah, nachdem er seinen Blick von ihrem Ausschnitt gelöst hatte und setzte sich neben sie. Auch Bittersweet wünschte er einen guten Abend. Cannonball ignorierte er fast völlig und auch für Nethertalk schien er nicht viel übrig zu haben. 

Bittersweet rieb sich die Hände: „Hiermit eröffne ich die erste Runde.“

Cannonball schnaufte: „Keine Konkurrenz!“

Snowcat sah lächelnd zu Warlock und sagte: „Schickes Jackett übrigens.“

Warlock lächelte ebenfalls: „Stimmt!“

Bittersweet warf ein: „Ja, wie Warlock schon mal gesagt hat, für manche Sachen muss man sich nun mal mehr Mühe geben.“

Warlocks Lächeln gefror und er wandte sich mit finsterer Miene Bittersweet zu: „Kannst du jetzt mal aufhören über mich zu quatschen!“, forderte er hart, „Oder merkst du vielleicht, dass ich die ganze Zeit was über dich erzähle?“

Bittersweet verstummte augenblicklich.

Warlock funkelte Bittersweet noch einmal an und dann sah er zu Snowcat und fragte wieder etwas freundlicher: „Wollen  wir tanzen?“

„Gute Idee!“, erwiderte sie.

Warlock stand sofort auf ohne  einen Moment abzuwarten. Snowcat folgte ihm zur Treppe.

Cannonball schnaufte wieder: „Der muss die Treppe nehmen! Pah!“

Unten auf der Tanzfläche lächelte Warlock bereits wieder sein leicht ironisches Lächeln: „Du ziehst ja ein ganz schönes Gefolge hinter dir her.“

Snowcat zuckte elegant mit den Schultern: „Bittersweet hat Nethertalk mit an den Tisch gebracht.“

Sein ironisches Lächeln wurde sarkastisch: „Ach, ist Bittersweet jetzt bei euch an allem Schuld?“

Snowcat riss überrascht die Augen auf: „Nein, sag ich nicht. Nur sie hat ihn eben gefragt, ob er mit an unseren Tisch kommen mag. Ich kenn Nethertalk nicht mal besonders gut, wir haben ihn letzte Woche hier zufällig getroffen. Um genau zu sein, hab ich ihn sogar angesprochen!“

„Aha!“

„Aber wie gesagt, ich kenne ihn nicht besonders gut. Eigentlich kenne ich niemanden von ihnen besonders gut, deshalb  werde ich auch auch nicht so viel von mir erzählen!“ 

„Hmm, habt ihr eigentlich inzwischen den Mann gefunden, den ihr gesucht habt?“

„Welchen Mann meinst du? Den Ork oder den Menschen?“, Snowcat war etwas verwundert, dass Warlock ausgerechnet an diesem Thema so interessiert war.

„Den Ork. Von nem Menschen weiß ich nichts.“

„Ich meinte dabei den Menschen, wegen dem ich nichts ins Eyecatcher will!“

Warlock schien zu verstehen, obwohl er weiterhin hart und sarkastisch klang: „Ach den, und?“

„Nein, weder noch, aber ich sagte ja schon, es interessiert mich nicht besonders. So lange die nicht bei mir zu Hause vorbeikommen!“

Warlock lächelte nun wieder ansatzweise richtig: „Aha, dann interessiert es dich aber?“

„Nein, nicht wirklich. Es darf nur nicht zu nah sein!“

„Wie nah ist denn zu nah?“

Snowcat war überrascht, dass Warlock auch nach dieser Vorlage keine Anstalten machte, ihr näher zu kommen. „Bis zu meinen Nachbar dürfen sie nicht gehen! Dann kümmert es mich, jedenfalls wenn ich es merke.“

„Aha.“, sagte Warlock erneut, „ - Du tanzt übrigens toll!“

„Danke!“ Snowcat lächelte ehrlich, das war doch mal ein Anfang.


Die beiden gingen wieder an den Tisch zurück, wo Candy inzwischen über AR anwesend war und gerade fragte: „Ich kann sie gar nicht sehen, knutschen sie schon?“

Bittersweet schien etwas tiefer in ihren Sitz zu sinken. Das Bild von Candy löste sich auf.

Die Stimmung am Tisch wirkte leicht angespannt und Snowcat sah sich deshalb grinsend um: „Ich zähle fünf Trolle, hmm, ganz schön viele. Ich hatte nämlich eigentlich überlegt über Commlink zu einer Runde King Of The Hill einzuladen und für den, der sich 1 Minute oben hält, einen Kuss von mir als Preis aus zu setzten,“ an dieser Stelle rissen  Bittersweet und Nethertalk überrascht oder gar fast entsetzt die Augen auf, „aber mit Trollen ist das doof!“

Cannonball klatschte erfreut in die Hände und fragte: „Warum ist das mit Trollen doof?“

Snowcat grinste: „Na ist doch unfair, die sind doch so groß und haben es somit viel leichter sich zu halten!“

Warlocks Stimme triefte vor Hohn: „Ach deshalb und nicht weil du was gegen Trolle hast!“

Snowcat grinste weiter: „Nein, warum sollte ich was gegen Trolle haben?“

Warlock antwortete sofort und er klang sehr hart dabei: „Na ich dachte alle Ancients sind Rassisten, wenn es um Trolle geht.“

Snowcat schaffte es noch ganz gut sich unter Kontrolle zu halten, obwohl sie wirklich ärgerlich über dieser Bemerkung war. Zuckersüß fragte sie: „Wer sagt, das ich ein Ancient bin?“

Warlock klang nun noch abfälliger: „Na ich hab Kontakte auf der Strasse und die sagen Snowcat ist ein Ancient!“ er holte kurz Luft und fuhr dann voller Spot fort: „Und die sagen auch, dass sie erst vor kurzen ihren Freund Craven verloren hat und Craven war auch ein Ancient. - Oh mein Beileid übrigens.“

Snowcat blieb kurz die Luft weg und ein tiefer Schmerz durchzuckte sie.

Cannoball sprang beinah auf: „Hey, was bist du den für ein Arsch? Soll ich dir eigentlich gleich auf die Fresse hauen?“

Snowcat fing sich wieder und winkte ab: „Cannonball lass! Das ist er nicht wert!“

Warlock sah Snowcat kurz an und zu Snowcats Leidwesen schien er zu sehen, dass er sie getroffen hatte. Nur noch halb so pissig sagte er: „Du hast die ganze Zeit so hart getan, da dachte ich, das macht dir nichts aus.“

Kalt und ruhig erwiderte Snowcat: „Das glaub ich dir nicht! Aber vielleicht geht es ja auch gerade nicht darum, was du erzählt hast, sondern darum, dass du überhaupt was erzählt hast. Unten sag ich noch zu dir, dass ich nicht alle am Tisch besonders gut kenne und vielleicht möchte ich ja nicht, dass hier jemand weiß, dass ich ein Ancient bin?“

Warlock verzog den Mund: „Versteh ich nicht, ihr seid doch alle so furchtbar stolz darauf, Ancients zu sein!“

Snowcat schüttelte den Kopf, dann sah sie Warlock in die Augen und sagte: „Du solltest jetzt einfach gehen!“

Warlock lehnte sich zurück und meinte gelassen: „Ich will aber gar nicht gehen!“

Nun ergriff zum ersten Mal Nethertalk das Wort. Er wandte sich an Warlock: „Ich glaube auch, dass du jetzt gehen solltest. Aber ich denke auch, dass du dich zu allererst bei Snowcat entschuldigen musst!“ Warnend hob er die Hand, „Und eh du fragst, ich bin mir ganz sicher, dass wir vier hier in der Lage sind, dass von dir zu erzwingen!“

Bevor Warlock auch nur einen Ton sagen konnte, grätschte Snowcat ein: „Nein, muss er nicht, denn eine Entschuldigung von jemandem wie ihm,“ sie nickte abfällig mit dem Kopf in seine Richtung, „ist absolut nichts wert!“

Nethertalk nickte andeutungsweise.

Snowcat holte tief Luft und lächelte dann schön wie eh und je: „Und jetzt ist es glaube ich wirklich an der Zeit für eine Runde King of the Hill!“

Wieder klatschte Cannonball in die Hände.

Nethertalk sah Snowcat an und sagte dann: „Willst du das wirklich hier machen. Ich finde den Laden gar nicht so schlecht und ich glaube, du unterschätzt deine Wirkung.“

Snowcat schmollte ein wenig: „Und du meinst ich soll das Ganze nach draußen verlagern?“

Nethertalk nickte: „Nun, ich möchte dir da nicht reinreden, aber ich vermute mal, dass hier eine Menge zu Bruch geht und wenn du gerne hierher kommst, dann solltet du das bedenken.“

Snowcat sah Cannonball an und beide schienen den gleichen Gedanken zu haben. Snowcat grinste breit: „Ne Menge zu Bruch gehen meinst du? Na dann weiß ich schon wo wir hingehen! - Lasst uns ins Eyecatcher fahren!“

Cannonball strahlte vor Freude. Bittersweet atmete erleichtert auf. Warlock seinerseits stand auf und sagte: „Na dann, geh ich schon mal vor.“ Sprach‘s und verschwand in Richtung Treppe.

Bittersweet blickte in die Runde: „Hey, tut mir leid. Ich wusste ja, dass er ein Arsch ist, aber dass Warlock so drauf ist, lässt mich echt nachdenken!“

Snowcat lächelte Bittersweet sanft an: „Nein, mach dir nichts draus. Ist doch schön zu wissen, dass du eine solche Sonderstellung bei ihm hast. Kommt, lasst uns los.“ Snowcat stand auf.

Nethertalk überbrückte die kurze Distanz zu Snowcat, legte ihr die Hände auf die Schulter und sah ihr tief in die Augen. Voller Mitgefühl sagte er: „Es tut mit wirklich, wirklich leid!“

Snowcat lächelte ihn an: „Danke!“ Dann sah sie zu Cannonball: „Komm lass uns die Abkürzung nehmen. Ich will unbedingt vor ihm am Eyecatcher sein.“

Ohne Anlauf hüpfte sie auf die Balustrade und ließ sich fallen. 

Am Ausgang hatten Cannonball und Snowcat Warlock fast eingeholt. Dieser ließ sich gerade seine Waffe geben und schlenderte gelassen raus. 

Snowcat rief nach ihrem Mantel und dann lief sie zu ihrem Bike. Cannoball folgte ihr dicht auf. Sie sahen noch, wie Warlock ebenfalls seine Maschine bestieg und zum Tor fuhr.

Snowcat grinste Cannonball breit an: „Lass uns ganz dicht rechts und links an ihm vorbeifahren!“

„Cool!“, antwortete Cannonball nur.

Snowcat gab Gas und sie legten los. Millimeter dicht fuhr Snowcat links an  Warlock vorbei und riss ihm dabei einen Knopf von seinem Edeljackett. Jauchzend gab sie noch mehr Gas. 

Das Aufheulen eine Motors reichte ihr als Antwort. Warlock hatte angebissen. 

 Im rasendem Tempo fegte sie durch die Strassen Redmonds. Der Fahrtwind wehte ihr entgegen und sie fühlte sich wohl. Der Schmerz, der sie beim Gedanken an Craven getroffen hatte, verebbte vollständig. Sie blickte über ihre Schulter zurück und sah, das Warlock gut aufholte. Nicht mehr lange und er würde zumindest Cannonball eingeholt haben. Snowcat kürzte ab und sprang dann über einen parkenden Wagen, drehte sich etwas im Flug und fuhr dann in einer leicht veränderten Richtung davon. 

Cannonball schaffte den Sprung auch, musste aber etwas ausweichen und verlor so an Boden.

Warlock hingegen blieb an Snowcat kleben. Sie konnte ihn hinter sich spüren. Snowcat gab nochmals Gas. Bis zum Eyecatcher war es nicht mehr weit. Sie driftete so gut um eine Kurve, dass sie nicht abbremsen musste, preschte bis vor den Eingang des Nachtclubs und kam mit einer spektakulären Drehung entgegen der ursprünglichen Fahrtrichtung zum Stehen.

Warlock folgte ihr zwar ziemlich dicht, doch Snowcat hatte eindeutig gewonnen. Sie schwang sich elegant von der Maschine, rückte sich in einer betörenden Pose zurecht und ließ lasziv den eroberten Knopf in ihren Ausschnitt fallen.

Warlock sagte ruhig und ohne Ironie: „Rasanter und cooler Fahrstil!“

Cannonball kam an.

Warlock meinte: „Ich geh dann schon mal rein.“

Snowcat lächelte und rief: „Hey, warte doch!“

Warlock blickte sich um: „Wieso?“

„Na ich dachte, wir gehen zusammen rein!“

Warlock nickte: „Okey!“

Während sie auf Bittersweet und Nethertalk warteten, ging Snowcat an ihren Motorradkoffer und puderte sich die Nase, nebenbei bereitete sie die King Of The Hill-Nachricht vor. Sie führte jede Bewegung bewusst und möglichst sexy aus. Gleichzeitig flüsterte sie ins Commlink: „Cannonball, du machst bitte nicht mit. Ich möchte dich viel mehr zu Demonstrationszwecken benutzen, wenn es dir recht ist.“

Cannonball strahlte und flüsterte zurück: „Gern!“ 

Nachdem Nethertalk und Bittersweet auch angekommen waren, machten sie sich auf, das Eyecatcher zu betreten. 

Bittersweet nahm Snowcat kurz zur Seite: „Ich will dir ja nicht reinreden, aber bist du dir sicher, dass du das wirklich tun willst?“

Snowcat nickte und lächelte.

Nethertalk seufze: „Gut, aber ich glaube wirklich, dass du deine Wirkung unterschätzt. Aber wir kommen mit und werden dich schützen. Nicht war Bittersweet?“

„Das werden wir.“, antwortete Bittersweet bestimmt.


Als Snowcat den Club mit ihrem Gefolge betrat, bemerkte sie noch, wie die beiden Türsteher ihre Commlinks benutzten, das erinnerte sie daran ihr Gerät zunächst auf „Hidden“ zu stellen, um nicht belästigt zu werden. Der Laden war beinah überfüllt. Mädchen räkelten sich in einem Pool und ließen sich von Männern mit buntem Schaum einreiben. Auf zwei der vier Bühnen fanden Shows statt. An diversen Stangen wanden sich zusätzlich Tänzerinnen. Die Luft war schwer und süsslich.

Snowcat wählte ihren erotischsten Hüftschwung und bewegte sich langsam auf die Theke zu. Nach weniger als drei Sekunden  war sie von einem Spot eingefangen und gleichzeitig hatte man alle anderen Spots ausgeschaltet. Nicht einmal die Bühnen wurden noch extra angestrahlt.

Snowcat ließ deshalb keinen Unmut aufkommen. Als wäre nichts geschehen, setzte sie ihren Weg zur Bar fort. Sie konnte hören, wie Cannonball den einen oder anderen Schlag austeilte, offenbar werte er einige besonders eifrige Verehrer ab.

Auf halbem Weg ließ Snowcat in einem lockeren Schulterschwung ihren Mantel herab gleiten und fing ihn dann mit ihrer linken Hand auf, schleifte ihn kurz hinter sich über den Boden und warf ihn dann leicht auf einen freien Barhocker. 

Der Barkeeper starrte Snowcat mit aufgerissenen Augen an, schluckte und schüttelte sich, um im Anschluss nach einem Glas zu greifen und einen Drink zu mixen. Er fand dabei sogar sein Lächeln wieder und meinte: „Schön, dass sie doch noch mal vorbeigekommen sind!“

Snowcat lächelte zurück und hauchte: „Dabei ist heute sogar fast noch Freitag.“ Sie stellte sich an der Bar so in Pose, dass sie den Barkeeper weiter ansah und wartete auf ihren Cocktail. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass man die Musik sehr viel leiser gemacht hatte, aber vielleicht lag das daran, dass ihr Commlink hidden war.

Der Mann hinter der Theke schien heute etwas länger zu brauchen und füllte die Lücke mit den Worten: „Geschäftstechnisch ist das Freitag.“, er räusperte sich.

„Na so was aber auch!“, hauchte Snowcat. Wie beim letzten Besuch hier, nahm sie nur die Erdbeere vom Drink, drehte sich um, lehnte sich an die Bar und biss dann sanft die äußerste Spitze der Erdbeere ab.

Viele Augen waren auf sie gerichtet. Snowcat war dankbar, dass sie nicht so leicht schwitze. Im Scheinwerferlicht war es warm. 

Snowcat ließ beiläufig die Erdbeere in ihr Glas fallen und leckte sich mit gerade so viel Erotik den linken Zeigefinger ab, dass es noch zufällig wirkte. Dann rief sie die vorbereitete Nachricht auf ihrem Commlink auf und blickte sich im Club um. Nach kurzer Absprache mit Bittersweet wählte sie eine hintere Nische im Club aus und gab die Position ins Commlink ein.

Snowcat legt den Kopf schief und stellte lächelnd die fertige Botschaft auf: All Out.

Nun war über ihr auf AR zu lesen: 

„ King Of The Hill!

Wer sich dort auf dem Tisch (ein Pfeil zeigte in die Richtung)  für 30 Sekunden hält, bekommt als Preis im Anschluss einen 30 Sekunden andauernden Kuss von mir.

Stich- und Schusswaffen jeglicher Art sind VERBOTEN “

Cannonball verpasste seinen Einsatz nicht und sprang auf einen Barhocker, um sich seinen Demokuss abzuholen.

Eigentlich hatte Snowcat geglaubt, dass es wenigstens einen Moment brauchen würde, bis sich die Nachricht rumspräche, doch hatte sie diese Rechnung ohne das Clubmanagement gemacht. Denn plötzlich ging sämtlich Musik aus. Das Licht um sie herum wurde etwas dunkler und ein weiterer Spot bestrahlte nun die Nische, die Snowcat mit Bittersweet ausgewählt hatte. Genau vor dieser Ecke erschien auf AR ein riesiger Countdown: 

30 Sekunden

Ready....

Steady...

Ein schlanker Mann im Anzug erschien auf der Hauptbühne. Seine Haut war blass, seine dunklen Haare waren etwas wild aufgestellt und er trug ein perfektes, sympathisches Lächeln zur Schau, mit männlicher Stimme verkündete er: „Und das Eyecatcher legt noch eine riesige Flasche Champagner drauf; Und wir haben guten Champagner.“

Niemals hätte Snowcat damit gerechnet. Nun machte der Mann einige Schritte auf sie zu, reichte ihr die Hand und sagte unaufhörlich lächelnd: „Bitte, kommen sie. Dort ist es sicherer!“ 

Snowcat nahm die Hand und er half ihr auf die Bühne. Bittersweet, Cannonball und Nethertalk positionierten sich im Halbkreis da vor. Snowcat sah sich kurz um. Nicht mehr eine einzige Tänzerin war zu sehen. Warlock lehnte lässig an der Bar und genoss in großen Schlucken einen roten Cocktail. Das Licht im Club war gedämpft.  Die Sicherheitsleute von draußen schienen inzwischen ebenfalls im Club zu sein. Die Türen waren geschlossen. Dann blickte Snowcat zur Nische vor der sich bereits ein bis zwei Dutzend Männer versammelt hatten, um sich in eine günstige Startposition zu bringen. Bittersweet murmelte etwas wie „Sacre Bleu!“

Der Anzugträger lächelte und fragte Snowcat: „Haben sie einen Musikwunsch?“

Snowcat nannte ihm zwei Songs aus dem Metall-Bereich. Der Typ nickte und rief dann: „Bitte!“

GO!

Laut dröhnte der erste der beiden Songs durch den Nachtclub. Es schien überhaupt nur noch zwei Lichtquellen zu geben: Der sanfte-gelbe Spot über der Bühne, auf der Snowcat neben dem Anzug stand und der grelle Scheinwerfer, der auf die Nische gerichtet war.

Nethertalk hatte Recht gehabt, dieser Gedanke kam Snowcat umgehend. Sie hatte den Effekt gewaltig unterschätzt. Die Menge brodelte. Schon auf dem Weg zum besagten Tisch wurde geschupst. Es waren überwiegend Männer zu Gange, aber nicht nur. Sie sprangen auf einander los. Traten und schlugen um sich. Es wurde geschoben und gerissen. Schnell floss das erste Blut.

„Zufrieden?“, fragte Snowcat der unbekannte Mann charmant.

Snowcats Antwort bestand aus einem bezauberndem Lächeln.

Niemand hielt sich länger als ein paar Sekunden und es wurde schnell aggressiver. Die runtergerissenen Männer flogen weiter durch den Saal, rappelten sich auf und nahmen erneut Anlauf. Plötzlich brandete eine Welle von sexueller Lust über Snowcat hinweg. Ihre drei Freunde schienen es auch zu spüren. Nethertalk legte eine Hand auf Cannonballs Schulter und hielt ihn fest. „Magie!“, flüsterte er. 

Bittersweet fragte: „Warst du das?“

Nethertalk schüttelte den Kopf. 

Unterhalb von Snowcats Bauch kitzelte es kurz, aber dann ging das Gefühl wieder vorbei. Doch die Masse war noch mehr in Wallung geraten. Sie schrieen umher. Zerrten aneinander rum und schlugen fanatisch auf einander ein. Über die am Boden Liegenden wurde nun einfach hinweg getrampelt. 

Eine Nischenwand gab nach. Männer stürmten den vermeidlich neu entstandenen Weg. Teile der Verkleidung wurden abgerissen und als Schlagwaffen benutzt. Der Gewalt-Level schien stetig zu steigen. Eine zweite Wand gab nach und zersprang. Blut floss nun nicht mehr vereinzelt. Jemand griff nach einer Champagner-Flasche und schlug ihr den Hals ab.

Snowcat wurde etwas unbehaglich zu Mute. Einige standen schon nicht mehr auf, und bisher hatte noch niemand mehr als 10 Sekunden geschafft. Ja, Snowcat hatte die Auswirkung dieser Aktion mehr als deutlich unterschätzt, gestand sie sich ein. Doch was konnte sie nun tun?

Der Mann im Anzug auf der Bühne neben ihr, schien Snowcats Unbehagen zu bemerken. Er sah sie freundlich lächelnd an und fragte simpel: „Sie haben genug davon?“

Snowcat nickte.

„Gut, beenden wir es.“

Der Mann ballte seine Hand ruckartig zu einer Faust und zog sie zweimal nach unten. Dann spreizte er Zeige- und Mittelfinger zu einem V, zeigte ebenfalls ruckartig auf seine Augen, drehte seine Hand und wies mit dem „V“ auf die Bar. Genau dorthin, wo Warlock bis eben immer noch lässig an der Theke gelehnt hatte... 

...Nun aber schnell und flüssig sein Glas abstellte und mit einem gewaltigen Satz direkt auf den „Hill“ sprang. Übermetamenschlich schnell und gekonnt teilte er in alle Richtungen Hiebe und Tritte aus und lief nicht einmal ansatzweise in Gefahr an Boden zu verlieren.

29

30

Eine Sirene ertönte. Warlock hatte konkurrenzlos gewonnen. 

Sanfte Musik wurde eingespielt. Die Lichter gingen wieder an und das Ausmaß an Zerstörung wurde sichtbar. Die komplette Einrichtung rings um die Nische war in ihre Einzelteile zerlegt worden. Viele Männer und einige Frauen lagen am Boden. Es roch nach Schweiß und Blut.

Der Mann im Anzug half Snowcat galant von der Bühne und begleitete sie von einem Spot erleuchtet bis zur Mitte der Tanzfläche, wo Warlock bereits auf sie wartete. In seinen Haare klebten Blutspritzer und es war mit Sicherheit nicht sein eigenes Blut.

Snowcat stellte sich dicht an Warlock heran, blickte zu ihm auf und hauchte ihm ins Ohr: „Du kämpfst  übrigens toll... Hündchen.“  

Warlocks Pupillen verengten sich beim Wort ,Hündchen‘ zornig.

Snowcat ließ ihm jedoch keine Zeit zu einer weiteren Reaktion, den sie schnurrte sofort: „Schön, dass du gewonnen hast!“ Und dann zog sie sämtliche Register und packte alles in den Kuss, was sie drauf hatte.

Snowcat legte den Kopf leicht schief, sah Warlock von unten tief in die Augen, so dass er eindeutig in einer überlegenen Position war. Er konnte nicht anders und fasste sie an den Hüften. Zunächst drückte Snowcat ganz sanft ihre Lippen auf die von Warlock. Sie legte ihm dabei ihre Hände auf den Nacken, so leicht, dass er sie kaum spüren konnte. Dann wurde ihr Mund etwas fordernder und sie fing seine Lippen mit ihren ein, dabei zog sie den echten Unterschenkel hoch, so dass sie nun nur noch auf einem Bein stand und lehnte sich ins Hohlkreuz, damit Warlock sie halten musste. Vorsichtig und etwas zögerlich schob Snowcat daraufhin ihre Zunge in seinen Mund. Warlock gab den ,Weg‘ sofort frei. Sie nutze den gewonnen Raum umgehend aus und ließ ihre Zunge langsam um die seine kreisen. Nun beugte sich Snowcat noch weiter zurück, streichelte dabei andeutungsweise das Fell an Warlocks Nacken und presste ihre Hüfte gleichzeitig gegen seinen Unterleib. Zufrieden konnte Snowcat Warlocks Erregung spüren. Sie wusste genau, dass ihm trotzdem bewusst werden würde, wie leicht sie eigentlich war. Verspielt und leidenschaftlich ließ sie nun ihre Zunge in Warlocks Mund umhertanzen, bis die 30 Sekunden vergangen waren. Dann richtete sich Snowcat wieder auf und löste ihre Lippen zögernd von seinem Mund, drehte sich ein wenig weg und öffnete so die Stellung, ohne die Hände von seinen Nacken zu nehmen.

Es gab sogar Applaus.

Der Mann im Anzug ergriff das Wort: „Was für ein Kuss... was für ein Abend! Die nächste aber auch für heute letzte Runde geht aufs Haus. Bitte haben sie Verständnis dafür, dass das Eyecatcher im Anschluss für heute schließen muss. Wir müssen erst ein wenig aufräumen. Ausreichend Medkits liegen an der Bar für sie bereit.“

Snowcat sah unterdes Warlock noch einmal tief in die dunklen lila Augen und flüsterte schnurrend und mit Erotik in der Stimme: „Hat dir der Kuss gefallen?“

„Ja.“ antwortete Warlock nur und es lag nicht mal der Hauch von Ironie darin.

Snowcat ließ Warlock nun vollständig los und zwinkerte ihm keck zu. Kühl sagte sie: „Gut, denn das war ne einmalige Sache!“ Grinsend wandte sie sich darauf Bittersweet zu.

Der Anzug kam mit einer Magnum-Flasche Champagner zu Snowcat rüber. Sie winkte ab: „Nein, danke!“

Der Mann hob die Hände: „Oh, bitte, sie müssen die nehmen!“

Bittersweet grätschte ein: „Klar nehmen wir die.“

Nethertalk und Cannonball standen bereit und sie machten sich alle zum Ausgang auf.

Snowcat vollführte ihren perfekten Katzengang. Kurz vor der Tür drehte sie sich um und blickte zu Warlock. Fröhlich rief sie ihm zu: „Tüdelüü - Hündchen!“

Passend bissig antwortete Warlock mit: „Ciao, Kitty!“


Draußen atmete Bittersweet erstmal tief durch: „Man, was fürn Abend. Erst zerbombt irgendwer mein Lieblings-Stuffer-Shack und jetzt das. Wohin nun?“

Nethertalk sagte ruhig: „Na irgendwo hin, wo wir dieses Ereignis wenigstens kurz besprechen können!“

Snowcat seufzte: „Was gibt es denn da viel zu besprechen? Außer vielleicht... Warlocks Kuss hat irgendwie nach Blut geschmeckt!“

Nethertalk schüttelte den Kopf und sagte belustigt: „Ja solche Sachen zum Beispiel!“

Cannonball meinte fröhlich: „Ich fands cool. Hätte nur gerne mitgemacht. - Gehen wir was essen?“

Sie entschieden sich für ein Chinarestaurant, das nicht weit von hier entfernt lag.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*