Tales of Snowcat 41: Cherchez the Compound (Run 83/3) 

TALES OF SNOWCAT (41)

PERIOD4: Magician

ERA4: Modern Baroque

AGENDA8: Shadowrun

TIMESTAMP1: 05/02 - 05/09/2077

RUN NO: 83/3

ON THE RUN: Drizzt9, Medaron, Mr. Tea, Phoenix, Snowcat

APPEARANCE2: Blackstone, Hamaka

SPECIAL APPEARANCE2;5: Hell Bent, Laurent Nazaire

SPOILER ALERT: Die Episode enthält Spoiler auf den Missionsband „Boundless Mercy“ von Catlayst  Game Labs. 

WARNING: Dieser Text ist für Leser unter 17 Jahren nicht geeignet. Sexualität, Gewalt, Magie, Tod, Kraftausdrücke, Folter, Rassismus, Alkohol- und Drogenkonsum können vorkommen. 

DAS GESCHAH ZULETZT:

Am 30.04.2077 kommen die Runner in Montréal an. Am von Nazaire gemieteten Safehouse erwartet das Team ein unangenehmes Begrüßungskomitee in Form von vier Loup Garou, einem Gnawer und einem wahrscheinlich auch untoten Zauberer. Das Team kann den Angriff abwehren. Dabei wird Phoenix von einem Blutgeist angegriffen, während sie in der Matrix ist. Blackstone verwandelt sich, um den Geist auszuschalten, doch Snowcat kommt ihm mit ihrem Eisatem zuvor und vernichtet den Geist. Über einen Microtransceiver gelingt es, mit dem Anführer der Angreifer zu sprechen und ihn zu fragen, was das soll. Die Antwort ist simpel: Auftraggeber Nazaire ist in Montréal nicht erwünscht. Als Snowcat mit Nazaire Kontakt aufnimmt, stellt sich heraus, dass es sich bei den Angreifern um Mitglieder des Ordo Maximus handelt und diese offenbar denken, Nazaire wäre persönlich in der Stadt. Nazaire verspricht, die Sache zu klären und sich um ein neues Safehouse zu kümmern.

Die Gruppe beschließt, im alten Safehouse zu bleiben. Am frühen Abend des nächsten Tages beginnt man mit der Suche nach Giradi. Dazu soll zunächst Kontakt zu einer örtlichen Gang hergestellt werden: den Hell Souls. Die Kontaktaufnahme gelingt. Der Boss der Gang, Hell Bent, ist bereit, sein Wissen über den Aufenthaltsort von Giradi preiszugeben, wenn die Runner ihm auch einen Gefallen tun. Das Team soll unbemerkt Chips aus einem Container umprogrammieren. Als das Team sich im Ziellagerhaus befindet, stellt es überrascht fest, dass dort mehr Chips sind als erwartet. Das Ganze dauert 50 Minuten, was die Geduld der Runner auf die Probe stellt. Da sie die Nerven bewahren können, erledigen sie den Auftrag problemlos. Danach geht es erst mal zurück ins Safehouse. 

Als man den Chip-Progammierer am nächsten Abend bei den Hell Souls abgibt und den Chip mit den Informationen über den Aufenthaltsort von Giradi erhält, hat Hell Bent, der Boss der Gang, noch eine Bitte: Die Runner sollen nach einer kleinen Kinderklinik sehen, in der in den letzten Wochen sechs Kinder verschwunden sind. Die Runner sehen nach dem Rechten und können die Entführer ausmachen, als diese das nächste Mal zuschlagen: Hungrige Ghoule. Es gelingt, die Ghoule auszuschalten und letztendlich zu eliminieren.

Anmerkungen:

1. Der Zeitstempel wird an unsere Zeitlinie angepasst und ist, wenn möglich, an die offizielle Timeline angelehnt.

2. Die Episode wurde am 09.08., 16.08. und 17.08 2019 erspielt. Neben mir und dem GM war am Abend des 09.08 der Spieler von Mr. Tea und am 16.08. und 17.08 waren die Spielerin von Phoenix und der Spieler von Medaron anwesend. Da wir eine große Gruppe von 8 Spielern sind, nimmt jeder Spieler meist nur einen Charakter mit auf den Run. (Unter Umständen kann ein weiterer Charakter für den Run notwendig sein.) So sollen zu viele gleichzeitige Handlungsstränge vermieden werden. Nur in der ausgespielten Downtime kann ein Spieler alle seine aktiven Charaktere ausspielen. Wegen den Widrigkeiten und Schönheiten des RL können nur selten alle Spieler am Spielabend teilnehmen. Deshalb können Charaktere in einer Episoden ohne weitere Erklärung auftauchen, verschwinden oder nicht weiter erwähnt werden. Darüber, welche Charaktere mit auf einen Run gehen, entscheiden die Spieler nach eigenem Gefallen. Das muss nicht immer die logischste Entscheidung sein, und entspricht in keinem Fall nur Snowcats Willen, auch wenn es in der Geschichte anders zu lesen ist. Manchmal ist ein Charakter mit auf einem Run, obwohl sein Spieler abwesend ist. In diesen Fällen wird der Charakter zwar mitgeführt, sein Handeln gerät, wenn möglich, aber in den Hintergrund. Das Spotlight soll auf Charakteren liegen, deren Spieler anwesend sind. Gegebenenfalls hinterlassen Spieler beim GM Regieanweisungen. 

Eine Beschreibung aller Charaktere findest du hier [LINK].

3. Die verlinkten Songs sollen lediglich zu Stimmung beitragen und enthalten keine versteckten Hinweise. Jedenfalls meistens nicht :). Übrigens kaufen wir jeden in den Episoden verwendeten Song, sollte er sich nicht schon vorher in unserem Besitz befunden haben. Nicht nur, damit wir die Songs jeder Zeit auf all unseren Geräten abspielen können, sondern auch, weil wir damit den jeweiligen Künstler unterstützen möchten. Eine Liste mit dem kompletten Soundtrack findest du hier [LINK]. Eine YouTube Playlist zur aktuellen Season findest du hier [LINK].

4. In den ‚Tales of Snowcat’ erzählt Snowcat einem imaginären, nicht näher definierten Zuhörer die Ereignisse aus ihrer ganz persönlichen Sicht. Seit dem Weggang von Katze führt Snowcat auch Tagebuch. Was ihr zunehmend wichtiger wird, da ihr die Dialoge mit Katze fehlen. Man kann ToS demnach auch als Tagebuchauszug betrachten. ‚Period‘ beschreibt dabei den Lebensabschnitt auf dem sich Snowcat befindet. ‚Era' beschreibt das Thema, unter das Snowcat in dieser Zeit den Inhalt ihres Kleiderschranks gestellt hat. ‚Broadcast‘ fasst zusammen, was von dem per Drohne gedrehten Material dem Trideo-Zuschauer der Serie Snowcat and the Howling Shadows zur Verfügung gestellt wird und wann es gestreamt wird.

5. Einige der Namen, die in der Geschichte auftauchen, sind auch in der offiziellen Shadowrun-Welt ein Begriff. Ähnlichkeiten sind beabsichtig. Allerdings kann das hier dargestellte Bild auch deutlich von dem Bild im SR-Kanon abweichen, da es unserer Spielwelt angepasst wurde.

6. Teilweise stehen Dialoge in diesen » « Textzeichen. Die gesprochenen Worte werden dann vornehmlich via Teamnetzwerk oder Commlink verbreitet und sind für Wesen, die keine Mitglieder im Teamnetzwerk sind, nicht oder nur schwer zu hören. Ferner stehen in <> schriftliche Nachrichten und in ‹ › stehen Dialoge via Geistesverbindung, wie zum Beispiel die mit einem Geist unter Kontrolle, Gespräche via Mindnet oder Dragonspeech. Wird zusätzlich eine andere Schriftart verwendet, handelt es sich um unausgesprochene Gedanken oder extra-persönliche Anmerkungen von Snowcat.

7. Snowcat sieht die Geister, die einen Element zugeordnet sind als klassische Elementarwesen:  Luftgeister sind Sylphen, Erdgeister Gnome (früher Brownies), Feuergeister Salamander und Wassergeister sind Undinen. Jeder Geist, den sie beschwört, hat für sie zudem einen eigenen Namen. Guidance Spirits sieht Snowcat als weise Paten, die sie mit Godfather und Godmother betitelt. Guardian Spirits sind für sie Warden, also Krieger verschiedenen metamenschlichen Rassen. Die Warden tragen als Hommage an meine Lieblingsbuchsreihe den ‚Dresden Files‘ von Jim Butcher, die Namen von den Warden des White Council. Spirits of Man sind für sie Leprechauns (Kobolde) und Task Spirits sind Brownies. Beast Spirits bekommen den Titel Master und Plant Spirits den Titel Mother (z.B. Master Wolf oder Mother Oak). 

8. Schlagwort(e), Überschrift(en) unter denen die Episode steht.

9. Der Name ist eine Hommage an die wundervolle Welt Forgotton Realms/Dungeon and Dragons. 

• Weitere Begriffserklärungen findest Du dort: [LINK].

POSTED BY SNOWCAT:

[Song 1: Feist - Honey, Honey3] Hamaka und ich hatten unser Versprechen wahr gemacht und noch am 02.05.2077 im Kinderkrankenhaus von Kay St. James nach dem Rechten gesehen, geholfen und einen Hüter aufgestellt. 

Am Abend des selben Tages machte sich ein Teil von uns auf, um noch einmal zum Flugfeld außerhalb von Montréal zu fahren. Wir holten Mr. Tea ab, der bis vor kurzem noch mit seinem Umzug ins erste physische Center of Beauty and Arts zu tun gehabt hatte. Der Gentleman würde nach der Eröffnung als Art Director im Center tätig sein und es somit leiten. Dass er nun als Verstärkung zu uns stoßen konnte, hieß, dass im CoBaA alles nach Plan lief, was mich selbstverständlich freute. 

Im Safehouse angekommen setzten wir ihn über die Ereignisse in den vergangenen Tagen hier in Montréal bei einem gemütlichen von Blackstone gekochten Abendessen ins Bild. Das Geschehen um unser Begrüßungskomitee vom Ordo Maximus nahm dabei übrigens den Hauptteil der Erzählung ein. Auch, wenn es nicht so aussah, als hätte es etwas mit unserem Auftrag zu tun, sollte man eine Begegnung mit einer vampirischen Geheimorganisation niemals außer Acht lassen. Ich behielt das allein aus Prinzip im Hinterkopf.

Was sich später übrigens als extrem richtig erwies.

Da stundenlang Magie zu wirken auch anstrengend ist, fuhren wir an diesem Abend nicht mehr los. Stattdessen verbrachten wir ihn im Safehouse. Das war für mich die Gelegenheit, mir meinen Zeichenblock zu schnappen und Porträts von den anwesenden Runnern anzufertigen. 

❄️❄️

Auf dem Chip, dessen Informationen wir uns durch unseren Run für die Hell Souls verdient hatten, befand sich zuallererst natürlich die Adresse, unter der unser Ziel Tyrone Giradi nun leben sollte. Zudem gab es eine alte Karte des Geländes. Vor langer Zeit war dort mal das ‚Krieger Distribution Center‘ gewesen. Bei ‚Krieger‘ handelte sich sich um eine Lebensmittelkette, und in deren Center waren Waren gelagert und umgeschlagen worden.

Mr. Tea und ich wollten uns das Gelände mit eigenen Augen aus der Nähe ansehen. Der Datei von den Hell Souls war die Bemerkung hinzu gefügt worden, dass Lücken im Zaun zugestellt worden waren und Sicherheitspersonal anwesend war. 

Medaron fuhr uns mit dem Roadmaster hin. Phoenix begleitete uns, um den Matrix-Part der Aufklärung abdecken zu können. Wir hatten den gepanzerten Wagen per Chamäleon-Coating auf rostig und zerbeult gestellt. Ich fand die Illusion ziemlich gelungen, aber Medaron hatte gemeint, dass der Wagen immer noch aussehen würde wie ein Roadmaster und darum dennoch auffallen würde. 

Mir war es egal, denn der Wagen sollte sowieso nicht bis nah ans Gelände fahren.  

Mr. Tea und ich ließen uns zwei Blocks entfernt absetzten. Gleichzeitig mit uns ließ Medaron noch eine kleine Flyspy raus. 

Bewaffnet mit je einer Tarndecke schlichen der Gentleman und ich näher. 

Ich hatte in einer solchen Gegend selbstverständlich wieder einen meiner dunkelblauen Catsuits angezogen, die sich mitverwandeln konnten. Dazu gab es leichtes schwarzes Schuhwerk, welches so gut wie keine Geräusche machte, selbst wenn meine Schritte nicht durch eine meiner Adeptenfähigkeiten gedämpft gewesen wären. Mein Haar war schwarz gefärbt und zudem war es zu einem festen Zopf geflochten. Zusätzlich wurde mein Haar durch die Medusa-Extensions zusammengehalten, die nicht nur modisches, jetzt schwarzes, Accessoire, sondern gleichzeitig auch ein Trodennetz waren, das mir leichten und schnellen AR-Zugang verschaffte. 

Selbst Mr. Tea trug heute ausnahmsweise keinen Designeranzug und hatte auch keinen Hut aufgesetzt. Stattdessen hielt er es dezent, mit einer schwarzen Stoffhose, Schuhen, die den meinen ähnelten, und einem dünnen schwarzen Rollkragenpullover.

❄️

Mit Hilfe einer kleinen Dose Waffenpflege-Öl ließ sich das verrostete, altertümliche Schloss zu einem dreistöckigen Gebäude gegenüber der Anlage geräuschlos öffnen. Nicht, dass sie das dort drüben hätten überhaupt hören können. Diese Mittel dennoch einzusetzen, schulte ungemein. 

Lautlos und mit federleichtem Schritt schlichen wir nach oben aufs Dach, öffneten auch diese Tür leise und bewegten uns geduckt und flink an den Sims, wo wir uns hinlegten, die Tarndecken entfalteten, die Ferngläser rausholten und mit der Überwachungsarbeit begangen. 

❄️❄️

Mehr als acht Stunden und ein paar steife Gliedmaßen später kehrten wir mit einer Menge Informationen und einem groben Plan zur Entführung von Giradi in unsere Safehouse-Villa zurück. 

„Das ehemalige Lebensmittel-Center ist von einem drei Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben“, begann ich zu dozieren, was wir herausgefunden hatten, und warf mit einer schnippenden Bewegung die von uns erstellte Karte via AR in den Raum. „An zwei Stellen fehlen Zaunsegmente, die hier mit zwei Frachtcontainern und auf der Nordseite durch einen fahruntüchtigen Truck gestopft worden sind. Ein Tor existiert nicht. Das wird durch zwei Busse ersetzt, die bei Bedarf zurück gefahren werden. Auf dem Gelände stehen zwei Gebäude. Ein 20 x 40 Meter messendes Lagerhaus und eine 30 mal 10 Meter große Garage beziehungsweise Werkstatt für Trucks, die mit einem Rollgitter verschlossen ist. Vor dem Bustor sind ständig zwei mundane Wachen positioniert, die sich teilweise auch in den Bussen aufhalten. Sämtliche mundanen Wachen tragen übrigens SWAT-Armor und erinnern an die, die auch im Waldhaus in Seattle patrouilliert sind.“ Ich räusperte mich kurz. 

„Magisch ist das ganze Gelände eine hermetische Domäne, was bedeutet, dass die Magie der Illuminates dadurch stärker und besser wirkt, unsere Magie aber geschwächt ist.“

Nebenbei sandte ich eine Textnachricht an Blackstone: >Was für uns beide als duale Wesen bedeutet, dass dort für uns alles anstrengender ist.< 

Währenddessen fuhr ich fort: „Zwei Watcher patrouillieren den gesamten Bereich. Ein Überflug mit der Drohne ergab, dass sowohl auf dem Dach des Lagerhauses als auch auf dem Dach der Werkstatt je zwei Teams aus einem mundanem Scharfschützen und einem magisch aktiven Spotter sitzen. Zu den zwei Wachen am Bustor patrouillieren zwei Wachen das Gelände und zwei weitere halten sich dann ungefähr hier im Gebäude auf.“ Da wir die Informationen bereits in die Karte eingetragen hatten, musste ich jetzt nur noch mit dem AR-Pointer auf die entsprechenden Icons deuten. „Die Teams wechseln alle vier Stunden, allerdings sind auch nur zwei Schichten anwesend.“

„Werden die Wachen von außen ausgetauscht?“, fragte Blackstone.

„Nicht während wir da waren!“, meinte Medaron dazu.

Ich beschrieb weiter: „Insgesamt haben wir zusätzlich zu den magischen Spottern zwölf IoND niedrigerer Rangordnung gezählt, die sich im Lagerhaus oder auf dem Gelände bewegen. Plus Nummer 13, bei dem es sich eindeutig um unser Ziel Tyrone Giradi handelt.“

„Ah, der ist also da!“, freute sich Hamaka.

Ich nickte und lächelte kurz. „Genau! - Wie schon erwähnt befindet sich in dem kleinen Gebäude eine Werkstatt, mit abgesenkten Bereichen, damit man unter die Trucks kommt. Das große Gebäude ist zweigeteilt. In der vorderen Hälfte gibt es einen Lagerbereich, der von Regalreihen durchzogen ist. Im hinteren Teil ist ein zweistöckiges Container-Haus eingebaut. Hier führt dann außen, aber noch im Lagerhaus, eine Gittertreppe nach oben.“ 

Ich sah kurz zu unserem Rigger und nickte in dessen Richtung. „Medaron ist es gelungen, eine Flyspy in Containerhaus zu bringen. Unten gibt es einen Empfangsraum, zwei Büros, einen Konferenzraum, einen Beobachtungsraum und acht Labore oder Behandlungszimmer. Oben sind dann Schlafzimmer, Aufenthaltsräume, Erfrischungsräume und eine Küche untergebracht.“ Ich deutete jeweils auf die Bereiche, soweit wir sie identifiziert hatten. „Giradi hat ein eigenes Zimmer, welches sich hier links-oben-vorne befindet. An Drohnen konnten wir einen Aztechnology-Crawler, einen Dobermann mit Sturmgewehr, eine bewaffnete Steellynx-Drohne und zwei MCT-Rotordrohnen ausmachen. Phoenix hat oben, ungefähr hier“, ich markierte diesen Bereich nun rot, „eine Riggerkonsole lokalisiert. Alle Drohnen und die Riggerkonsole sowie Schlösser und Kameras sind an den ehemaligen Krieger-Host angeschlossen, der sich dort befindet. Was dann heißt, dass Phoenix nur darauf Zugriff bekommt, indem sie sich wieder in den Host hackt.“ Ich machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu. „Der Rigger ist demnach genau genommen ein Spider. - Insgesamt habe wir es also mit 21 Magiern, 12 mundanen Wachen, 8 Snipern und einem Spider zu tun.“

Hamaka hatte die Augen ungewohnt weit aufgerissen. „Das sind aber viele!“

Ich nickte. „Ja, da stimme ich dir völlig zu. Darum haben wir auch alle magischen Pläne und jegliches leises Vorgehen ausgeklammert und uns stattdessen für eine brachiale Action-Version mit einem rammenden Lkw entschieden. Aber bevor ich euch den Plan erläutere, lasst mich noch von einem Ereignis berichten, das während der Überwachung aufgetreten ist.“

Ich warf ein kurzes Video in den Raum, das eine merkwürdige Gestalt zeigte, die sich geschwind und schwer zu erkennen aus dem größeren der beiden Gebäude schlich. 

Das Wesen war irgendwie von Schatten umgeben. Da die Sensoren nicht sonderlich viele Details registriert hatten, ließ ich eine Illusion entstehen, die darstellte, was Mr. Tea und ich mit unseren Augen unter Zuhilfenahme von optischen Ferngläsern gesehen hatten.

❄️

Die Gestalt von der Größe eines Orks mit einem Gebiss mit Hauern hatte das lockige, dunkle Fell eines langhaarigen Hundes im Gesicht. An den Armen, und zwar nur an den Armen, zeichnete sich die schuppige Haut einer Echse ab. Die vorderen Gliedmaße, also die Arme, waren zudem verlängert. Nach wenigen aufrechten Schritten, während denen das schattenumgebene Geschöpf die Nase schnüffelnd erhoben hatte, ließ es die Arme sinken, um die Fingerknöchel auf dem Boden aufzusetzen und auf allen Vieren zu laufen wie ein Gorilla. Gekleidet war das Wesen in ein grünes Krankenhaushemd, das nur am Nacken zusammengebunden war und nun den Blick auf die lederartige Haut am Hintern freigab. 

Das Wesen versuchte, sich zu orientieren und dann so schnell wie möglich vom Gelände zu entkommen. 

Einer der Spotter auf dem Dach entdeckte es und gab Alarm. Woraufhin es der Scharfschütze mit Betäubungsmunition ins Visier nahm, diverse Wachen aus dem Gebäude gelaufen kamen und es mit Tasern und Magie so lange bearbeitet wurde, bis es sich nicht mehr gegen die Schlinge an einer Stange wehrte und sich zurück ins Haus führen ließ. 

❄️

„Ich vermute, dass es sich bei dem Wesen um einen HMHVV-infizierten Ork, genauer einen Grendel handelt, den man experimentell verändert hat“, erzählte ich, nachdem die Illusion zerfasert war. Giradi macht also da weiter, wo er in Seattle aufgehört hat.“

Im Anschluss an diese Erkenntnis verfeinerten wir unseren Plan, um dann noch am selben Abend zum HQ der Hell Souls zu fahren, wo wir unsere Gang-Creds gegen ein paar Teile, Munition und andere Dinge eintauschten, die wir für die Umsetzung des Plans brauchen würden.

❄️❄️

Die Hell Souls brauchten einen Tag, um alles von unserer Liste zu beschaffen. 

Medaron und ich benötigten einen zweiten, um aus dem gestohlenen Lkw unser Rammfahrzeug zu bauen. 

Einen ganzen Tag lang mit einem attraktiven Elfen unter oder in einem Wagen zu liegen und zu schweißen und zu hämmern und sich die Hände mit Öl schmutzig zu machen? Ich hätte es eindeutig schlechter treffen können.  

❄️❄️

[Song 2: John Ottman/ Days of Future Past - Time’s Up3] Um 2.00 Uhr am Morgen des 06. Mai 2077 parkte Medaron unseren Roadmaster gut 300 Meter vom Krieger-Compound entfernt auf dem Gehweg vor einem verlassenen Haus. 

Neben uns kam der gepanzerte und mit einem Aufbau und einer Ramme versehene Lkw mit einem lauten Seufzer zu stehen. 

Blackstone schulterte das Scharfschützengewehr. Dann machte er sich gemeinsam mit Hamaka auf den Weg, um aufs Dach eines dreistöckigen Gebäudes zu kommen. Von dort aus würden die beiden die anderen Scharfschützen ausschalten. 

Da wir es nicht mehr geschafft hatten, passable Leichname für Hamaka zu besorgen, hatte dieser sich dazu entschlossen, stattdessen einen Feuergeist zu beschwören. Für ihn hatte er ein Gefäß aus Asche und anderen Utensilien geschaffen. Immer wenn Aktivität in das Gefäß kam, wurde aus dem Ascheklumpen die Gestalt eines Feuermonsters von der Größe eines Ponys mit glühenden Augen.

Medaron, Mr. Tea und ich stiegen alsbald in den Truck um.

Unser Plan sah vor, ferngesteuert durch Medaron mit dem Lkw seitlich durch den Zaun zu brechen und auch gleich noch weiter bis ins größere der beide Gebäude zu preschen. Die Wand der Lagerhalle würden wir mit Hilfe meiner Magie schwächen, um nicht all zu viel Schwung zu verlieren. 

Über das Dach des Trucks würden wir auf das Gitter vor dem Schlafzimmer von Giradi gelangen, und dort sollte Mr. Tea dann einfach ein Loch in die Wand schlagen, durch das wir unsere Zielperson, hoffentlich noch schlaftrunken, einfach ziehen konnten. Um dann auf dem Weg zu verschwinden, auf dem wir gekommen waren.

Während der Aktion sollten Medaron mit Drohnen, Phoenix in der Matrix und Blackstone per Schafschützengewehr unter dem magischen Schutz von Hamaka so viel Unruhe stiften wie möglich. Auf diese Art wollten wir mit der Übermacht an magisch aktiven Gegnern fertig werden.

Klingt doch passabel, oder?

Leider kam es ein bisschen anderes, als wir erwartet hatten, wie ihr gleich hören werdet. 

❄️

»Sind in Position!6«, meldete Blackstone ruhig. 

»Meine Drohne auch!«, gab Medaron bekannt.

»Dann go!«, sagte ich an.

Ein wenig ruckelnd setzte sich unser Truck in Bewegung. Das veränderte Gefährt war wahrlich keine Schönheit und es brauchte einiges an Vertrauen in den Rigger, um hier hinten zu sitzen und sich durch die Nacht fahren zu lassen. Vorsichtshalber hatte ich darauf bestanden, die Originalsteuerung im Wagen zu lassen, damit ich ihn notfalls noch selbst fahren konnte.

Godfather Celeborn7 war bereit, uns auf diversen Ebenen schützen, unter den Umständen ein wahrhaft beruhigendes Gefühl. Auch wenn es verlockend war, verzichtete ich darauf, uns von vornherein vor Unfällen schützen zu lassen. Nicht, dass diese Kraft uns im entscheidenden Moment daran hinderte, die Wand zu rammen.

Medaron steuerte uns einen Block weit um die Ecke, damit wir ausreichend Stecke hatten, um ordentlich Tempo aufzunehmen zu können. 

»Snowcat, gibst du mir dann das Signal, ab dem ich loslegen soll?«, fragte Phoenix nach. Die Aufregung war der jungen Frau deutlich anzuhören. Kein Wunder, würde sie es doch gleich zum allerersten Mal ganz auf sich allein gestellt mit einem gegnerischen Host aufnehmen. 

Dass sie das drauf hatte, war für mich keine Frage.

»Natürlich mache ich das«, antwortet ich ruhig.

Der Truck rumpelte, als sich das Tempo erhöhte.

Langsam war es für mich an der Zeit, in die Fahrerkabine zu gehen, damit ich meinen Eisatmen im perfekten Moment ausstoßen können würde.

»Äh, Moment mal!«, meldete Blackstone plötzlich. »Da unten tut sich was.« 

»Ja, genau!«, erklärte Phoenix. Laut Kamerafeed öffnen die gerade das Tor.«

Verdammt. 

»Anhalten!«, wies ich an und ließ mich zurück auf den mit Schaumstoff gepolsterten Boden fallen.   

Sanft drosselte Medaron unser Tempo.

Ich zog den Kamerafeed der Rotordrohne in den Vordergrund meines AR-Sichtfeldes und - was zur Hölle? - musste das ausgerechnet jetzt sein? 

Die beiden Busse wurden zur Seite gefahren. Mitten in der Nacht, um 2.15 Uhr? Ein niegelnagelneuer schwarzer Rover 2077 mit getönten Scheiben kam im gemäßigten Tempo, beinah lautlos, die Straße runter und fuhr nahtlos durch das fehlende Tor. 

Sniper und Spotter auf den Gebäuden blieben ruhig und behielten die Umgebung im Auge. 

Medaron steuerte unsere Drohne so, dass wir einen besseren Winkel bekamen und auch Blackstone stellte uns den Feed aus seinen Augen zur Verfügung.

Vorne aus dem Rover kamen zwei breitschultrige Männer in tadellos sitzenden Anzügen mit Sonnenbrillen und stellten sich vor den Wagen mit Blick auf den Eingang ins Lagerhaus. 

Dann stieg hinten auf der Beifahrerseite eine hochgewachsene schlanke Gestalt mit schulterlangen silbernen Haaren, deutlich spitzen Ohren, einer monsterschönen Sonnenbrille und rasiermesserscharf geschnittenen Gesichtszügen aus. Dessen Anzug war definitiv eine Maßanfertigung. Er warf einen misstrauischen Blick rundum und dann in den Himmel. 

Unwillkürlich hielt ich für einem Moment den Atem an. Wusste er etwa, dass wir hier mit unserer Drohne waren? - Aber nein, so hatte es nicht gewirkt. Silberhaar schulterte eine Golftasche und schritt dann mit der Eleganz einer Raubkatze Richtung Lkw-Werkstatt, wo ihm prompt das Rollgitter geöffnet wurde.

Entweder gab es auf dem Dach der Werkstatt einen virtuellen Golfplatz oder aber in der Golftasche befand sich ein Scharfschützengewehr. 

Natürlich war letzteres der Fall. 

Denn nur wenig später steckte Silberhaar seinen hübschen Kopf aus einer Luke, zog sich aufs Dach und legte sich ungeachtet seines Anzugs dort in Position.

»Barbar!«, kommentierte Mr. Tea ruhig. »Den Anzug hätte er aus Respekt vor dem Schneider schützen können.«

»Hab ihn genau im Visier!«, sagte Blackstone an. »Kann ihm einfach das Hirn wegblasen.«

Erst nach einem kaum merklichen Nicken des Elfs - oder sollte ich besser Banshee sagen? - öffnete einer der sonnenbebrillten Bodyguards die hintere Tür auf der Beifahrerseite. 

Ein kahlköpfiger menschlicher Mann in einem sehr teuren dunklen Mantel, einem sicherlich ebenfalls teurem Anzug und Designerschuhen kam zum Vorschein und schritt, flankiert durch die Bodyguards, zum Eingang, wo ihn Tyrone Giradi respektvoll in Empfang nahm. 

»Kompletter Missionsstop!«, sagte ich augenblicklich an und wurde ein bisschen nach vorne geschleudert, da unser Rigger voll auf die Bremse trat. »Medaron, sieh mal, ob du eine Drohne da reinkriegst. Sie gehen sicher in den Konferenzraum, und es wäre großartig, wenn wir zuhören könnten.«

»Copy, Flyspy ist unterwegs«, bestätigte Medaron und fragte kurz darauf, »Können wir uns den Typen nicht trotzdem gleich noch holen?«

»Das kommt darauf an, ob und was wir hören können. Wenn sich keine Neuerungen ergeben, wäre ein Zuschlagen eine Zeit nach dem Meeting sicherlich noch möglich.«

❄️

Gebannt blickte ich auf den Feed der kleinen Flyspy, die geschwind durch den Lüftungsschacht des Containerhauses schwirrte. Ein wenig abrupt blieb sie dann am Ausgang zum Konferenzraum stehen. Zunächst sahen wir nur die Decke mit standardisierten Bürolampen, doch dann schwenkte die Kamera und gab das Bild auf den Konferenztisch frei, an dem nur Giradi und der Glatzkopf saßen. Schon der erste Blick auf die Körpersprache machte klar, wer hier in der Rangordnung oben rangierte: Glatzkopf. 

Giradi schien ihm irgendetwas zu berichten. Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir, bis uns, klar wurde, dass wir nichts hörten. 

Da die Sensoren auch nicht das verräterische Brummen eines White-Noise-Generators übertrugen und die beiden offenbar auch nicht über Commlimk sprachen, musste Magie im Spiel sein.

»Gibt es denn so was wie einen magischen Abhörschütz?«, wollte Phoenix wissen. 

Ich überlegte kurz. »Ich kenne gerade keinen Spruch, aber so was kann es trotzdem geben.«

»Oder sie kommunizieren über Mindnet«, schlug Mr. Tea vor.

»Warum sollten sie das tun?«, meinte Drizzt nun. »Ich glaub, Medaron verarscht uns nur und hat die Flyspy stumm geschaltet.«

»Würde ich nie machen«, erklärte Medaron nun, »jedenfalls nicht auf 'nem Run. Aber du hast in einem recht, ich check mal die Sensoren.«

Es knackte und rauschte ein bisschen und dann erhielten wir doch noch Ton. Zwar von schlechter Qualität, doch immerhin bekamen wir zu hören, was gesprochen wurde. 

❄️

Giradi: „ … wieder da aufgenommen. Der Umzug hat uns nur etwas Zeit gekostet, wie Sie sicher eben bemerkt haben.“

Los, sag seinen Namen, wünschte ich mir mit überkreuzten Fingen. 

Glatzkopf: „Sie sind sich sicher, dass der Überfall in Seattle keine weiteren Auswirkungen auf das Projekt hat?“

Giradi: „Ja. Es gab in den vergangenen Tage keinerlei Probleme oder Vorkommnisse.“

Glatzkopf hob eine schmale Augenbraue. „Nach meinen Informationen sind Sie gut damit beraten, wenn Sie davon ausgehen, dass Sie verfolgt werden“, meinte er ruhig.

Verdammt, der wusste also, dass wir hier waren. Giradi war zumindest überrascht.

Er räusperte sich. „Das kann ich mir kaum vorstellen.“ Hastig ergänzte er: „Doch wenn Sie es sagen. Wir werden darauf achten, doch selbst wenn, unsere Arbeit läuft ganz hervorragend und unsere Sicherheit ist ausgesprochen gut organisiert.“ Nervös rieb er sich an seinem Kinn. Baron Strieger …“

YES! Danke - und welch unangenehm klingender Name. Baron Strieger, das klang in dem Zusammenhang wie die böse Figur aus einem Steampunk-Trid, welches zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg spielt. 

„ … wenn Sie mir Zugriff auf andere Projekte gestatten würden, dann würde ich vielleicht schnellere Fortschritte machen.“

Baron Strieger warf Giradi einen vernichtenden Blick zu, und dieser fiel sofort in sich zusammen. „Wenn der Zugriff für Ihre Experimente nötig wäre, würden Sie ihn bekommen. Doch mit den anderen Bereichen sind andere Gruppen beschäftigt. -  Haben Sie bei Ihren Experimenten Lilitu entdecken können?“

>Was ist Lillitu?<, fragte Phoenix sofort via Textnachricht.

>K.A.<, schrieb ich umgehend zurück, obwohl ich ahnte, in welche Richtung es gehen könnte. Doch für Erklärungen war später noch Zeit.

„Wir haben in der Tat entdeckt, dass die Fütterung der beiden Subjekte eine Veränderung in den Kräften an sich bewirkt. Beim frischen Subjekt leuchten die Augen bei der Nahrungsaufnahme voller magischer Energie. Allerdings haben sich noch keine Lilitu-Verstärkungen gezeigt. Dafür brauchen wir noch mehr Subjekte der selben Basisspezies. Allerdings sind entsprechende Stamm-1-Subjekte nicht so leicht zu bekommen. Jedenfalls wäre mir nicht bekannt, dass sich hier in Montréal eine größere Wendigo oder Banshee-Population befindet. Ansätze mit dem Kriegerstramm scheinen dahingehend vielversprechende …“

Strieger unterbrach Giradi rüde: „Darum kümmert sich ein anderes Projekt. Sie arbeiten an den Erfahrungen mit Stamm 1. Was fehlt Ihnen denn? Brauchen Sie mehr Männer? Zugang zu Zaubern? Haben Sie es schon mit der Veränderung der Basisspezies versucht?“

„Was, äh, nein, nicht in dem Sinn.“ 

Strieger änderte seine Haltung kaum und sprach ruhig, fast schon leise, was ihn umso bedrohlicher wirken ließ. „Dann experimentieren Sie damit. Vielleicht ist es ja besser, wenn die Subjekte nicht mit ihrer eigenen Baseline-Spezies gefüttert werden. Wenn es Ihnen an Testsubjekten fehlt, ist es doch bei den Grundlagen ein Leichtes, weitere passende Subjekte zu erzeugen …“

Womit der Baron dazu aufforderte, Metamenschen von der Straße infizieren zu lassen.

„ … und noch was …“, Strieger beugte sich zum ersten Mal eine Spur vor, „ … verlagern Sie die Arbeiten in die unterirdische Anlage …“

Womit unser Plan dann gerade gestorben war. Von einer unterirdischen Anlage hatten wir bisher nicht einmal gewusst.

„ … Die Subjekte dürfen nicht entkommen, und so ein Vorfall wie vor ein paar Nächten darf sich nicht wiederholen. Entkommt Ihnen ein Subjekt, müsste ich eine Personalkorrektur vornehmen.“ 

Die Drohung hatte gesessen, Giradi wurde blass.

Womit Baron Strieger auch genug von diesem Gespräch hatte. Er erhob sich. Kurz darauf

verschwand der Banshee vom Dach und stieg zu Nosferatu Baron Strieger in die Limousine.

Ich selbst verkündete den Abbruch unserer Mission. Schon allein aufgrund der unterirdischen Anlage würden wir neu planen müssen.

❄️

[Song 3: Pearl Jam - Pendulum3] „Ich habe kein Wort von dem verstanden, was da gesagt wurde“, erklärte Phoenix wenig später im Safehouse. „Woran forschen die?“

„Sie füttern HMHVV-Infizierte mit anderen HMHVV-Infizierten und sehen, was das für Auswirkungen auf die Kräfte hat“, antwortete ich. „Was heißt, sie füttern einen Banshee zum Beispiel mit der Angst eines Wendigos oder geben dem Wendigo das Fleisch eines Vampirs, oder was auch immer in der Art“

„Igitt!“, kommentierte Phoenix, was ich ziemlich treffend fand.

„Also experimentieren sie mit Kannibalismus?“, fragte Mr. Tea nach.

„Irgendwie schon. Aber auch nicht ganz. Genau genommen gehören die verschiedenen Infizierten nicht der gleichen Spezies an. HMHVV kommt in drei übergeordneten Stämmen vor, Stamm 1, 2 und dem Kriegerstamm - letzteren tragen Ghoule. Ist es noch Kannibalismus, wenn Orks Menschen essen?“, fragte ich mehr rhetorisch, „Das muss wohl jeder für sich selbst beantworten, denn damit ist es ungefähr vergleichbar. Genau wegen dieser Form durch das Ernähren durch nah verwandte Spezies wird man, was auch immer, auch Liilitu nennen. Die Dämonin Lilith und erste, aber sehr widerspenstige Frau von Adam, hat je nach Legende die Kinder von Menschen, aber auch ihre eigenen dämonischen Kinder gegessen. Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass wir es wieder mit dem Ordo Maximus zu tun hatten und die Vampir- ..“, ich setzte das Wort Vampir mit den Fingern in Anführungsstriche, „ … Geheimorganisation ist prädestiniert dafür, solche Forschung in Auftrag zu geben.“

Blackstone sah zu mir. „Du sagst Ordo Maximus? Glaub ich auch. Ich sag nämlich sogar, Baron Stieger ist der, der bei unserem Begrüßungskomitee im SUV gesessen hat. Ich habe ihn an seinen handgefertigten Schuhen erkannt.“

Wegen der schlechten Tonqualität konnte ich zwar nicht bestätigen, dass es sich um dieselbe Stimme gehandelt hatte, doch das brauchte ich auch gar nicht. Denn wenn es um Herrenschuhe ging, konnte man sich auf Blackstone verlassen.

Ich nickte zustimmend. „Ein Grund mehr, dass ich mit Johnson spreche, bevor wir uns ans Planen machen. Vielleicht erhält der Auftrag nun andere Parameter.“

❄️

Das Commlink-Gespräch mit unserem Auftraggeber Laurent Nazaire gestaltete sich extrem kurz. Er wollte nämlich unbedingt in diskreter Umgebung mehr hören - und darum trafen wir uns gut einen Stunde später im Hinterzimmer der stilvollen der Bar ‚La Beauté Unique’, mit einer Einrichtung, die Louis Quartoze gefallen hätte und die einem einen wundervollen Blick über den Sankt-Lorenz-Strom bot. Wie wir so schnell dorthin gelangen konnten? Nun, virtuell in der Matrix natürlich. Zur Feier des Tages hatte ich sogar meine Troden angelegt und zahlte den läppischen Betrag von 200 NuYen, um meinen Selbstbild-Avatar im Ankleidezimmer ordentlich auszustatten. Für einen Moment hatte ich sogar überlegt, meinen geflügelten Katzen- Avatar [BILD] in ein Rokoko-Kleid zu stellen, mich am Ende jedoch dagegen entschieden, weil ich das entsprechende Kleid viel lieber der AR-Version meines Selbst überzog. Doch ich schweife ab. Bis auf Phoenix, die wie es sich für einem ordentlichen Decker gehört dem Meeting mit ihrem eigenen Avatar in Form eines Phönix beiwohnte, hatten sich alle anderen für ein Icon entscheiden, das ihrem Meatbody nachempfunden war. 

Mit 'alle' meine ich in dem Fall Laurent Nazaire, Elizabeth, Blackstone, Drizzt, Phoenix, Medaron und mich. Mr. Tea und Hamaka übernahmen die Überwachung und Bewachung unserer fleischlichen Hüllen in Montréal. 

Unsere Avatare tranken Cocktails und Champagner, einfach, weil es sich anbot. Wir konzentrierten uns aber dennoch auf die neuen Umstände, die wir zu berichten hatten. 

Im Gegenzug ernteten wir interessierte Gesichter, die Bestätigung, dass Baron Strieger ein hochrangiges Mitglied des Ordo Maximus ist, und den neuen Auftrag, die mindestens zwei existierenden Versuchspersonen zu befreien und zu Elizabeth zu bringen, falls sie das wollten. Uns allen war ohne Zweifel klar: Sollten wir auch nur einen der beiden befreien, hätte sich das Problem Giradi ein für alle mal erledigt, denn der Ordo Maximus eiferte in der Fehlertoleranz den Drachen nach: Es gab keine zweite Chance. 

Auch die Bezahlung war schnell ausgehandelt. Wir würden das doppelte von dem bekommen, was wir in Seattle für den ursprünglichen Job vereinbart hatten.

Mit dem Ordo Maximus vor der Haustür war auch klar, dass wir Montréal nach der Aktion augenblicklich verlassen würden müssen. Auch dann nicht gleich nach Seattle zu reisen, hielten wir für ratsam.

Den neuen und wieder physischen Ort für unser nächstes Treffen würde Nazaire uns noch mitteilen, nachdem er ihn gefunden hatte.

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Als wir die Matrix verließen, war der neue Tag bereits angebrochen. Wir teilten Wachen ein und legten uns zur wohlverdienten Ruhe, um uns später am Tag noch mal umzusehen und um dann frisch aufgekommene Fragen zu klären. 

❄️❄️

Am frühen Abend des 07.05.2077 und zwar noch vor der Zeit, zu der Drizzt normalerweise aufstand, machten Phoenix, Medaron, Drizzt und ich uns noch einmal auf den Weg zum Compound. 

Es galt zwei Fragen zu klären: 

1. Woher hatte der Ordo Maximus gewusst, dass eines der Subjekte draußen gewesen war? 

2. Wo lag die unterirdische Anlage, und von wo aus konnten wir dorthin Zugang bekommen?

Phoenix suchte nach versteckten Signalen, und ich führte ganz, ganz vorsichtig einen Kartografie-Zauber durch und sagte brav alles an, was ich entdeckte. So hatten wir nur wenig später unsere beiden Fragen beantwortet.

1. Über der Anlage schwebte ein Überwachungsballon.

2. Direkt unter dem großen Gebäude. Von dort aus gab es zwei Fahrstühle, in deren Schächten sich auch Leitern befanden - und eine etwas breitere Leiter für den Fall, dass ein Fluchtweg benötigt wurde. Außerdem existierte ein alter, teilweise eingefallener Tunnel, der unter dem Compound entlang bis zum Sankt-Lorenz-Strom führte. Eine richtige Tür von dort in die Anlage gab es nicht, aber fehlende Türen war noch nie ein Problem für uns gewesen. Schon gar nicht, wenn wir Mr. Tea dabei hatten.

Eigentlich wussten wir nun, was wir wissen wollten. Dennoch blieben wir noch mehrere Stunden vor Ort, um zu sehen, ob die Illuminates ihr Vorgehen wegen der Warnung von Strieger irgendwie geändert hatten.

Hatten sie aber nicht.

Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt.

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Gleich nach der Rückkehr in unser schönes Safehouse kurz vor Morgengrauen begannen wir mit der erneuten Planung. Klar war, dass wir unseren schönen umgebauten Lkw unbedingt einsetzen wollten, nur konnte er eben nicht unterirdisch durch die Mauer brechen. 

Eigentlich hatte ich den Lkw als Abholgefährt nutzen wollen, doch Medaron wollte das lieber gleich mit dem Roadmaster erledigen, und wenn es um Dinge ging, die den Fachbereich des Riggers betrafen, hatte nun mal der Rigger das sagen. 

Also passten wir unseren Plan dementsprechend an, gaben im Verlauf des Tages bei der Gang Sprengstoff in Auftrag und genossen die letzten schönen Stunden in unserer runtergekommenen Villa. 

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Die Hell Souls hatten in erschreckend schneller Geschwindigkeit den Sprengstoff besorgen können. Es hatte sie weniger als sechs Stunden gekostet.

So stand ich am Nachmittag des 08. Mai 2075 mit Drizzt und Mr. Tea aus- und gerüstet vor dem  Eingang in die alte Kanalisation von Montréal. 

Ja, wir hatten beschlossen am Tag zu gehen, obwohl das eigentlich für Drizzt und alle Infizierten Schlafenszeit war. Locker hatte Drizzt diesmal gemeint: „Mal geht das schon, solange das nicht die Regel wird.“ 

Die Röhren und Tunnel wurden schon lange nicht mehr für die Abwasserentsorgung genutzt. Sie dienten maximal noch dazu, bei starken Regenfällen das Wasser von den Straßen in den Strom umzuleiten. Das machte den Gestank hier jedoch nur wenig besser. 

Hamaka hatte uns noch geschnitzte Rattenschädel mit auf den Weg gegeben. Sprachen wir das Tahino-Wort für ‚Schatten’ aus, welches der Ork uns sorgfältig beigebracht hatte, konnten wir damit unsere Umgebung in Dunkelheit tauchen. 

Ja, ich trug meinen gepanzerten Catsuit, aber dennoch musste schon viel Unvorhergesehenes geschehen, damit ich mir meine wertvolle Kleidung ruinierte. Also hatte ich Plastikanzüge organisiert, wie man sie für Malerarbeiten oder auch zur Tatortuntersuchung trägt. Da solche Anzüge nur in dezenten Farben wie Signalgelb, Extraweiß oder Krankenhausgrün zu bekommen sind, hatte ich ihnen mit einem Fashion-Zauber Stadttarnfarben verpasst. 

Ja, ihnen, denn nachdem ich einmal auf die Idee gekommen war, hatten auch Mr. Tea und Drizzt einen solchen Überanzug haben wollten.

Alles, was wir so an Ausrüstung und Co. mit nach Montréal genommen hatten, war im Roadmaster verstaut. Unmittelbar nach der Mission würden wir uns nämlich in das 800 Kilometer entfernte Killarney im Algonkian Manitou Council aufmachen, dort sollte dann das Meeting mit Nazaire und Elizabeth stattfinden.

[Song 4: West Dylan Thordson/Split - The Beast Is On the Move3] Als wir uns in den muffigen Röhreneingang begaben und ich kontrollierte, dass die Kapuze meines Überziehers gut saß, und meinen Breezer aufsetzte, machten sich Hamaka und Blackstone ebenfalls auf den Weg zu ihrem Zieldach. Da wir nun wussten, dass der Ordo Maximus von oben zusah, würden sie diesmal im Treppenhaus auf das Startsignal warten. 

Ich konnte die beruhigende Gegenwart von Warden Ramirez in meinem Bewusstsein deutlich spüren. Der Guardian Spirit war jederzeit bereit, mir mit seiner Kampferfahrung zur Seite zu stehen. Aber auch sonst fühlte ich mich unter der Begleitung von Drizzt und Mr. Tea sicher, auch wenn es Blackstone lieber gewesen wäre, wenn er sich höchstpersönlich an meiner Seite befunden hätte. Nicht, dass ich auf irgendeinen Schutz angewiesen wäre. 

Mr. Tea bewies erneut, welche Art von Gentleman er war. Er ging vor, bot mir stets die Hand, wenn es zu klettern oder über ein Rinnsal springen zu galt, und wenn wir an eine enge Stelle kamen, zerschlug er das Hindernis mit seiner Hand, um den Durchgang zu erweitern. 

Von Drizzt erntete er dafür ein grinsendes Kopfschütteln.

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Die Domaine der Illuminates machte sich sofort durch ein dumpfes Pochen in meinem Hinterkopf bemerkbar. Dazu kamen ein ungutes Gefühl und eine bleierne Schwere, die sich auf meine Glieder legte. Doch ich hatte mich schon in Gegenden aufgehalten, die deutlicher gegen mich gewesen waren als das hier. Ich musste mich eben nur ein bisschen stärker konzentrieren, als ich mein Gespür für Magie aussandte, die Umgebung zu erkunden. Augenblicklich poppten überall magische Preparations auf, die sich bei genauerem Hinspüren als Feuerbälle und Mananetze entpuppten.

Ich markierte deren Position in unserer Karte.

Neben den Preparations an Ort und Stelle, gab es auch welche, die sich bewegten, und im überirdischen Labor saß ein mittelkräftiger Erdgeist.

Nein, es gab hier keinen Hüter. Was bei dem, an dem sie da forschten, auch nicht weiter verwunderlich war. Erwachte Nahrung oder neue Versuchsobjekte bekam man nämlich sehr schlecht durch einen Hüter.

Um in die Anlage zu kommen, musste uns Mr. Tea schräg oben einen Eingang schlagen.

Ich spürte nach Bewegung, konnte über uns aber keine feststellen.

»Wir sind in Position«, sagte ich an, zog gleichzeitig einen vorbereiteten Popper von meinem Tool-Gürtel und inhalierte das Jazz darin. 

Mein Herzschlag beschleunigte sich - und die Welt um mich herum wurde langsam.

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Leise sagte ich an: »Und los!«

Mr. Tea schlug zu.

Erde bröselte auf uns herab. 

Währenddessen hatte sich die schöne Phoenix schon längst in den Host gehackt. Via AR strömten Textnachrichten ins Teamnetzwerk. Sie zeigten an, welche Drohnen es gab und welche zuletzt genutzt worden waren. Irgendwie war am Tag mehr los, als ich gedacht hatte. 

Insgesamt zählte Phoenix je vier Außenkameras und elf Drohnen, wobei nur zwei reine Überwachungsdrohnen waren. 

Zudem waren an den Host angeschlossen: Zwei Luken, die nach unten führen, Licht, Klimakontrolle, Filtersystem, und zwei Aufzüge, sowie das Schloss am Rolltor, welches aktuell nicht völlig geschlossen war. Zudem bekam man über den Host Zugang zu den Magschlössern von sechs Zellen und einer Kamera auf dem Flur.

Wir zogen uns hoch in den unterirdischen Bereich und landeten wie erwartet in einer leeren Zelle. 

»Phoenix kannst du uns aus der Kamera editieren, wenn wir gleich rauskommen?«, fragte ich an.

»Klar!«, lautete die prompte Antwort.

Justament meldete Medaron: »Ü-Ballon down!«

Was dann das Startsignal für Blackstone und Hamaka war. Sie öffneten die Tür und traten aufs Dach. 

Ich spürte vorsichtshalber erneut nach Bewegung, nahm aber nur ein kleines fliegendes Objekt am Rande meines Bewusstseins wahr. Das fand ich merkwürdig.

Drizzt fasste an die Tür, die nicht verschlossen war. 

»Der Gang ist frei!«, erklärte ich. Aber entweder sind die Gefangenen extrem bewegungslos oder sie sind nicht in den Zellen.«

»Wartet kurz, ich check das eben«, bot Phoenix an. »Stimmt, die Zellen sind leer.«

»Sind sie vielleicht im Labor?«, mutmaßte Mr. Tea.

Phoenix antwortete: »Da hab ich keine Kamera, aber wartet … da ist zumindest kein Licht an.«

Verdammt. Dann waren sie wohl oben, in einem der Versuchsräume. 

»Dann müssen wir hoch!«, legte ich fest. »Wir nehmen die westliche Luke.«

»Schleife steht!«, sagte Phoenix an.

Wir öffneten die Tür uns schlichen los.

Blackstone meldete sich zu Wort: »Wir sehen heute gar keine Wachen draußen rumlaufen.«

Noch mal verdammt. Nicht, dass die heute alle ausgeflogen waren.

»Phoenix, zähl mal bitte die Commlinks«, bat ich.

»Ja, warte kurz, mach ich gleich. Ich glaub, ich bin entdeckt worden. Hier ist IC aufgetaucht. Aber geht schon. Ich versteck mich«, sprudelte die junge Frau ihrem Temperament entsprechend los. »Fragg! Stimmt, ich habe hier nur eine Schicht an Wachen, weniger als die Hälfte der IoND - und Giradi ist auch nicht da.«

»Soll ich den explosiven Lkw stoppen?«, fragte Medaron.

»Negativ«, erwiderte ich.

»Puh, Glück gehabt.« 

Da krachte es oben auch schon. Die Ablenkung preschte durch den Zaun und dann durch das Rolltor, direkt in die Werkstadt. »KABUMM!«, freute sich Medaron, als der Sprengsatz in dem Lkw hochging. »Ich starte dann auch den Roadmaster, damit ich euch abholen kann. Ein Stück zu fahren ist ja noch.»

»Copy!«

Wir warteten derweil unter der Luke. Von dort aus konnte ich nach den Bewegungen über uns spüren. Die meisten begannen sich gerade zu bewegen, da draußen etwas explodiert war. Sie waren nicht halb so schnell wie wir. 

Ich fand zwei kleinere Objekte in unserer Nähe, bei denen es sich wahrscheinlich um eine Crawler- und eine Flyspy-Drohne handeln würde. 

Des weiteren entdeckte ich zwei relativ reglose Gestalten, bei denen jeweils zwei zusätzliche, sich stärker bewegende Wesen waren. Sie alle waren metamenschengroß. »Ich glaub, wir müssen dorthin«, erklärte ich und markierte die beiden Zellen oder Versuchsräume. Hatte da etwa jemand doch nicht auf eine Ansage gehört und die Versuche gar nicht umgehend nach unten verlegt?

»Ein Sniper-Paar down!«, meldete Blackstone und gab nur wenig später das Ausschalten eines weiteren Paars bekannt.

[Song 5: Hyper - Clockwork/Original Mix3] Wir öffneten die Luke.

Per Handzeichen signalisierte ich Drizzt, wie weit die Drohnen noch entfernt waren.

Medaron war in den Roadmaster gesprungen und ließ unsere Kampfdrohne selbstständig auf ein drittes Schützen-Paar auf dem Dach feuern. Die Drohne verfehlte ihr Ziel. Der Scharfschütze sah hoch, richtete sein Gewehr aus und schoss seinerseits zurück. Er traf voll, worauf unsere wunderschöne Cyperspace-Owl funkenstiebend zu Boden segelte. 

So ruhmlos wollte sie sich aber nicht aus unserem Arsenal verabschieden. Die Drohne stürzte direkt auf das Dach, schlug neben den Männern auf - und explodierte, womit sie das Scharfschützen-Team eliminierte. 

Sometimes life is a bitch. 

»Laut oder leise?«, fragte Drizzt. 

»Laut ist OK«, war meine Antwort.

Drizzt sprang um die Ecke und feuerte auf den Brotkasten. Sein Franchi-Schrotgewehr blaffte laut auf.

»Alle Spotter und Sniper sind down!«, verkündete Blackstone.

Wir drei waren vor der ersten von mir markierten Tür angekommen.

Mr Tea riss die unverschlossene Tür auf. 

Drizzt schoss mit der Franchi auf die beiden Mages, die mit entsetzen Blick bei dem gefangenen, veränderten Ork standen, den ich am ehesten in die Kategorie Grendel einordnen würde. 

Drizzt hatte die beiden voll erwischt. Die würden uns keine Problem mehr machen. Einer der zwei Magier fiel blutüberströmt auf den gefesselten Grendel.

Wie sagte ich gerade doch gleich? - Sometimes life is a bitch!

Der Grendel überlegte nicht lange und biss ordentlich zu.

Drizzt zog den Magier unter schmatzendem Protest dennoch vom Grendel runter und ließ den leblosen Körper auf den Boden fallen.

Ich trat in der Raum. „Kannst du mich verstehen?«, fragte ich so ruhig mich das Jazz in meinen Adern ließ.

„Jaa!“, grunzte der Grendel angestrengt und wütend zwischen den Zähnen hervor. Er versuchte eindeutig, sich zu beherrschen. 

»Geht schonmal zum rüber zum anderen Gefangen«, wies ich meine beiden Kollegen an. »Ich komm hier allein klar.« 

Da weder Mr. Tea noch Drizzt Blackstone waren, setzten sie sich ohne Widerspruch in Bewegung.

Ich nahm mir die Zeit, um dem Ork schnell, aber ruhig zu erklären, dass wir gekommen waren, um ihn zu befreien. 

Das erneute Krachen der Franchi blieb aus. Offenbar hatten Drizzt und Mr. Tea diesmal die Rollen getauscht.

Phoenix meldete sich zu Wort: » Äh, Mist und so. Eine der Drohne hat Hamaka und Blackstone im Blick und gleich drei Drohnen den Roadmaster. Oh - und ich hab die Projektdaten gefunden, kopiert und dann auf dem Host gelöscht.«

»Hervorragende Arbeit«, lobte ich ungeachtet der Bedrohung durch die feindlichen Drohnen. Darum mussten sich Hacker und Rigger allein kümmern. Wir waren zu weit weg. Es sei denn natürlich … »Wo sitzt der Spider physisch?«. fragte ich.

Inzwischen hatte ich die Fesseln des Grendels gelöst und dieser hatte zugestimmt, uns zu begleiten.  

»Im Aufenthaltsraum schräg über euch!«, kam von Phoenix zurück. Gleichzeitig flammte via AR ein roter Punkt auf unserer Karte auf. 

Drizzt machte sofort einen Vorschlag: »Dann durch den Gang nach vorne zum Ausgang, Treppe, Balustrade und oben macht Mr. Tea ein Loch direkt in den Raum!«

»Copy«, bestätigte ich. Ich zog die troll-size Rettungsdecke von meinem Rucksack, die ich via Fashion-Zauber zu einem Umhang geformt hatte und reichte sie dem Grendel. Er sah mich verwirrt an. 

»Draußen ist Tag. Damit hast du wenigstens ein bisschen Schutz vor dem Sonnenlicht.«

Nun nickte der Grendel, faltete die Decke aus und legte sie sich um die Schultern. 

Einen Grendel dicht auf den Fersen zu haben, sollte eigentlich ein beunruhigendes Gefühl sein. War es für mich aber nicht. 

Mr. Tea stand neben der Tür zu dem Raum, wo sich unser anderes Ziel befand, er sicherte nach vorn, während Drizzt in den Gang blickte, an dem ich schnell vorbei huschte.

Auf dem anderen Bett lag ein gefesselter Elf, der so viel Würde und Überlegenheit ausstrahlte, wie man in einer solchen Situation besitzen konnte.

Das Commlink übertrug die dumpfen Töne von Kugeln, die auf Metall trafen. 

»Keine Panik!«, kommentierte Medaron cool. »Es braucht ein anderes Kaliber, um uns wirklich zu schaden. Ich habe hier alles im Griff.« Der junge glatzköpfige Elf mauserte sich immer mehr zu einem Rigger nach meinem Geschmack. Dass drei bewaffnete Hasen, kommandiert durch eine Spinne, früher oder später des Elefanten Tod sein können - sorry für die schlechte Adaption des geflügelten Wortes - klammerte ich im Moment einfach aus. Zwei Infizierte zu befreien, dauerte eben. 

Der Blick des Banshee war eiskalt, als ich ihm erklärte, warum wir gekommen waren. Ich war mir bei ihm im Punkt Vertrauen nicht ganz so sicher wie es es beim Grendel gewesen war. Aber hey, der Banshee war nicht dumm und würde die Gelegenheit beim Schopf packen, also löste ich seine Fesseln.

»Hab die Drohne über uns vom Himmel gebrutzelt«, sagte Hamaka an.

Blieben noch die zwei Boden- und eine Rotordrohne bei unserem Rückfahrticket, die ihr Feuer nun gezielt einsetzten.

Korrigiere zu einer Bodendrohne, denn Medaron war gerade über eine der beiden gefahren und hatte ihr den Geschützturm verbogen. Bravo!

»Wir bekommen Besuch«, rief Drizzt und eröffnete das Feuer in den Gang hinein.

Ich reichte auch dem Banshee die Rettungsdecke und erklärte im Anschluss: „Unser Wagen kommt gleich, aber wir müssen uns erst noch den Sicherheitsrigger holen, damit wir hier leichter weg können. Folgt uns einfach!“ Damit mich auch der Banshee und der Grendel hören konnten, sagte ich alles laut an. 

Im Vergleich zur Matrix-Welt waren wir mit unseren Meatbodys sowieso verdammt langsam. Aber der gegnerische Spider konnte in der Zwischenzeit sonstwas anstellen und die Magier konnten beschwören und überhaupt. Wir brauchten mehr Geschwindigkeit. 

Also bat ich Warden Ramirez, seine Movement-Kraft auf uns zu wirken. Allerdings nicht mit maximaler Stärke.

Nur eine Sekunde später rannten wir schnell wie der Wind zur anderen Seite des Ganges.

Drizzt deckte unsere hübschen Hintern gegen die verbliebenen Sicherheitsmänner, die mittlerweile aus ihren Löchern gekrochen waren. Das würde hier alles gleich wild und gar nicht mal so komisch werden.

»Kommando zurück!«, sagte Medaron da plötzlich an. »Lasst den Spider Spider sein. Ich bin gleich da.«

Tatsächlich brach unser Roadmaster da auch schon durch den Zaun des Geländes, wie ich auf dem Feed unseres Riggers sehen konnte. 

Und ich glaubte kaum, was ich danach sah: Medaron gab weiter Vollgas und raste direkt auf die Ecke des Gebäudes zu, in dem wir uns befanden. In aller- aber wirklich allerletzer Sekunde riss er den schweren Wagen um 90 Grad herum und kam so dicht mit dem Heck an der Hausmauer zu stehen, dass es knirschte. 

Nebenbei kickte er noch mit dem Schwung die Steel-Lynx-Drohne um, die sich uns in den Weg gestellt hatte. Der Roadmaster ächzte unter dem Manöver. Doch Medaron hatte nicht zu viel versprochen.

Also Kommando zurück.

Mit dreifacher Geschwindigkeit waren auch wir im Nu da. Mr. Tea schlug viel geübt ein Loch in die Wand - und wir warteten nicht einmal, bis sich der Staub gelegt hatte, sondern kletterten in unseren Roadmaster, der die Hintertüren bereits geöffnet hatte. 

»Ich konnte die zweite Bodendrohne abschütteln!«, sagte Medaron an. »Die Steel-Lynx ist auch raus, die Rotordrohne folgt uns noch, ist aber ‚out of ammunition‘.«

»Perfekt, dann weg hier, sobald alle eingestiegen sind«, sagte ich, während ich auf dem bequemen Beifahrersitz Platz nahm.

Phoenix meldete: »Ich hab den Spider beschäftigt, so gut ich konnte, logge mich aber nun auch mal aus.« Die Stimme der jungen Frau klang angestrengt. 

»Alle drin!«, verkündete Drizzt.

Medaron gab Gas. 

Oder wollte es zumindest. 

Justament manifestierte sich vor uns eine Mauer aus Erde oder besser gesagt aus drei Geistern der Erde, die uns den Weg versperrten. 

Medaron versuchte dennoch, Fahrt aufzunehmen. Er war mit dem Roadmaster schon durch Zäune gebrochen, hatte Drohnen beiseite gekickt, warum sollte ihn da ein bisschen Erde aufhalten?

Das folgende Geräusch tat fast körperlich weh. Die Räder qualmten und quietschten, als Schlamm und Äste sie umfassten und festhielten. 

Als volleingestöpselter Rigger spürte Medaron am eigenen Leib, dass er stoppen musste, um dem Wagen nicht zu schaden. »Ich kann hier nicht weg!«, sagte er an. »Macht was!«

Rein theoretisch hätte ich einfach meinen Eisatem gegen die feindlichen Geister einsetzen können. Das hätte unseren Roadmaster jedoch definitiv geschädigt.

Also bat ich Warden Ramirez, sich um die Geister zu kümmern, und begab mich im Anschluss sofort in den geistigen und astralen Wettstreit, um die Fesseln der Beschwörung eines Erdgeistes zu lösen, was man allgemein auch als Bannen bezeichnet.  

Das Feuerwesen unter dem Befehl von Hamaka tauchte nun ebenfalls bei uns auf und half, die Erdgeister zu bekämpfen. 

Kaum bot sich ein Lücke im Erdwall, gab Medaron vorsichtig Gas und schlängelte sich hindurch.

Ich wollte schon aufatmen, als Phoenix meinte: »Fragg! Ich komm auch nicht raus.«

Die junge Frau saß direkt hinter mir. Ich drehte mich zu ihr um. Sie war blass und ihr Gesicht war schweißbedeckt.

Unser Wagen nahm Fahrt auf.

»Können wir irgendwie helfen?«, fragte ich.

Phoenix griente schmerzverzerrt. »Ne Kopfschmerztablette vielleicht«, antwortete sie und fügte hinzu,: »Ich bin doch noch losgekommen!«

Blut kam aus ihren Ohren und zudem roch es nach verbranntem Eiweiß. Eine Kopfschmerztablette konnte da kaum helfen, aber zum Glück hatten wir Heilmagie dabei. 

❄️

[Song 6: Jack Garrat - I Know All What I Do3] Wenig später nahmen wir Blackstone und Hamaka am vereinbarten Treffpunkt auf. 

Die Drohne, die uns noch verfolgt hatte, hatten wir mit Magie vom Himmel geholt. Als klar war, dass uns niemand mehr auf dem Schirm hatte, war es an der Zeit, die Hirnblutung von Phoenix zu heilen. Zugegeben waren die Umstände einer magischen Heilung während einer rumpeligen Fahrt über die schlechten Straßen von Montréal nicht gerade ideal, aber das war immer noch besser, als es auf später zu verschieben. Mit Gehirnen ist das so eine Sache.

Nachdem Phoenix wieder so gut wie neu war, untersuchte sie unsere Gäste nach unerwünschten Commsignalen, die jedoch nicht vorhanden waren. 

Im Anschluss führte ich ein Gespräch mit dem Grendel namens Hugo und dem Banshee namens Sébastien. Ich verklickerte ihnen, was wir zuvor mit Elizabeth besprochen hatten. Sie konnten entweder mit nach Killarney kommen, wo Elizabeth ihnen mit ihrem Fachwissen weiterhelfen würde, oder aber irgendwo auf der Strecke aussteigen, um ihrer eigenen Wege zu gehen. Hugo wollte uns begleiten, um mehr über seine aktuelle Natur zu erfahren. Sébastien meinte, lieber allein klarzukommen und in Montréal zu bleiben. Mir war es recht. Und weil ich großzügig und vor allem vorausdenkend bin, gab ich ihm ein frisches Wegwerf-Commlink und einen Credstick mit 2000 Nuyen mit auf dem Weg. Meine Comm-ID, handschriftlich auf einem Zettel vermerkt, und ein Lächeln gab es obendrauf. Man wusste schließlich nie, ob sich unsere Wege noch einmal kreuzen würden.

Je ein Set Kleidung für Grendel und Banshee hatte ich sowieso besorgt, um mit ein bisschen Fashion-Zauberei saß das Outfit auch ziemlich gut. 

Wie ließen Sébastien in einer besonders dunklen Ecke raus, wo er sich sofort in die Schatten drückte. 

Dann setzten wir Kurs auf Killarney und fuhren gemeinsam in den Sonnenuntergang.

❄️

Achthundert Kilometer später erreichten wir die angegebene Adresse, hinter der sich eine einsame, an einem See gelegene und sehr luxuriöse alte Villa befand.

Noch am Abend hatten uns Nachrichten über eine Gasexplosion in einer alten verlassenen Anlage der Firma Krieger erreicht. Das Gelände war völlig abgebrannt. Metamenschen seien höchstwahrscheinlich nicht zu Schaden gekommen, da es eine verlassene Anlage gewesen war. Ich würde ein paar Highheels von Aston darauf verwetten, dass sich unterirdisch so einige Leichen befanden. 

Wie ich vorhin sagte, der Ordo Maximus gewährt keine zweiten Chancen.

Unterwegs hatte Phoenix die Verschlüsselung der gestohlenen Daten geknackt. Rausgekommen waren medizinisch-arkane Daten, verfasst in Latein, die ich mir als schwere Reiselektüre zu Gemüte geführt hatte, um meine Lateinkenntnisse zu verbessern. Selbst ich hatte nicht alles verstanden. 

Was aber klar wurde - und was Nazaire und Elizabeth bei einem Glas Rotwein am See später auch bestätigten, war, dass es sich bei Lilitu um den Effekt handelte, bei dem sich die Stärken von HMHVV-Infizierten verstärkten und gleichzeitig deren Schwächen abgemildert wurden. Genau daran forschte der Ordo Maximus also.

Beunruhigende Neuigkeiten.

Nichtsdestotrotz war Laurent Nazaire extrem begeistert von unserer Arbeit und bezahlte uns gern.

Was ich mir aber auch erbeten haben wollte.

Immerhin waren wir extrem gut gewesen.

Phoenix - bei der übrigens die Natur der Reporterin durchgekommen war, denn sie machte sich die ganze Zeit während der Unterhaltungen mit Nazaire Notizen, um möglichst viel über das Thema zu verstehen - und Medaron stiegen langsam aber sicher in die Liga von UC auf.

Alle hatten sehr gute Arbeit geleistet, und ich war mehr als nur zufrieden mit der Gruppe, mit der ich in Montréal gewesen war. 

Medaron hatte echt viel drauf, würde zukünftig aber an seinem Equipment-Verschleiß arbeiten müssen.

Wir hatten eine Drohne verloren und unser Roadmaster würde für diverse Stunden in die Werkstatt müssen. 

Allein dafür, dass die Chamäleon-Beschichtung deutlich ausgebessert werden musste, würde Bubbles ihm eine Standpauke halten, obwohl sie den Roadmaster nicht sonderlich leiden konnte, da er ja von Ares war.  


Ende der heutigen Episode.


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Ob man Sébastien noch mal wieder trifft, ob Medaron weiter Fahrzeuge zerstört und welchen Run UC als nächstes annimmt, wird demnächst hier zu lesen sein. 


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Wir freuen uns, dass du uns während dieser Geschichte begleitest hast, danken dir für’s Lesen und verbleiben bis zum nächsten Mal:

Snowcat und die Runner von UC.

An dieser Stelle bedanken sich die Spieler unserer Runde bei allen, die an der Entwicklung und Verarbeitung der Shadowrun®-Produkte mitgewirkt haben. Ohne ihre Arbeit wäre unser Spiel nicht möglich! 

We would like to thank the authors, artists and all others who are involved in the development of the Shadowrun® rules, adventures and stories. Without them, our game would not be possible.

Vielen Dank auch an @Vin für das Korrekturlesen. ;*

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*