Episode 11/16: Blood is thicker than water, part 3 (Run 70)

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Das war wieder einer dieser Überraschungsmomente und Wendepunkte, die mich dieses Leben als Shadowrunner so lieben lassen.

Etwas völlig Unerwartetes geschah.

‹Du meinst, dass Iron Horse nicht zu allererst danke sagte und sich dann nicht augenblicklich von deinem Rudel über die Grenze bringen lassen wollte, war völlig unerwartet Drachenkätzchen? Das sehe ich nicht so. Und ein Wendepunkt in der Story war es auch nicht. Es war eher ein Schlüsselpunkt. Denn, dass die Geschichte mit der Befreiung nicht zu Ende sein würde, war doch klar. Es rankten sich doch bereits Geheimnisse um die Verhaftung von Iron Horse. Wenn Charles Iron Horse dich zum Dank geküsst hätte, DAS wäre überraschend gewesen!›

‹Überraschend und obendrein bestimmt auch noch aufregend Katze. Gut, sagen wir es war ein Schlüsselpunkt um ein Geheimnis, dessen Schloß ich nur all zu gern öffnen wollte.›

‹Genauso ist es auch richtig, Drachenkätzchen.›

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[Song 16: Woodkid - Iron4] BCG schnaufte und schickte mir sofort eine Nachricht auf den Direktkanal: <Ich trau dem nicht!>

Ich schmunzelte kurz, sah dann zu Charles und fragte, „Und was hast du noch zu erledigen, dass du nicht wegkannst?“

Iron Horse sah mir erneut direkt in die Augen und ich konnte den Stolz, aber auch den Schmerz in seinen Augen sehen, als er tief Luft holte und sagte, „Ich bin ein Patriot und kein Verräter! Ich muss das beweisen!“ Er strich sich übers Haar, „Sie werden inzwischen wissen, was passiert ist und alles zu gemacht haben. Der Weg, den ihr nehmen wollt, ist sicher auch schon geschlossen. Aber ich kenne die Grenzen und alle Schleichwege und kann einen Übergang finden. Ihr könnt mir entweder helfen, was ich begrüßen würde oder warten, bis ich fertig bin, dann bringe ich euch über die Grenze. Ich gebe euch mein Wort darauf! Aber ich muss erst die Verschwörung aufdecken.“

Er hatte mich spätestens in dem Moment für die Sachen gewonnen, als er das Wort Verschwörung benutzt hatte, doch ich konnte spüren, dass meine Kollegen nicht davon begeistert waren. In einem solchen Fall erwartet man eher Dank als eine Forderung und die Drohung, man würde es ohne ihn eh nicht schaffen. Im schlimmsten Fall konnte man das als Erpressung auffassen, was zumindest BCG gerade tat. 

Ich konnte sehen, das Charles uns nicht erpressen wollte, auch wenn sein Ton fordernd und bestimmt gewesen war. Er zählte auf, was für ihn Fakten waren. 

Mir war also klar, dass ich schon allein aus Neugier mitmachen wollte, dennoch wollte ich es ihm nicht ganz so leicht machen. Abgesehen davon, wollte ich umworben werden. Das würde ich von ihm nicht bekommen, doch ich konnte ihn zumindest etwas zappeln lassen. 

Ich lächelte, „Über die Grenze schaffen wir das bestimmt auch allein. Wir sind von Mika dafür bezahlt worden, dich zu holen und nicht dafür, noch mit dir noch durch die Sioux zu ziehen.“

In die Augen von Charles trat kurz ein Leuchten, „Mika bezahlt euch auch dafür.“, stellte er total davon überzeugt fest. Der jungenhafte Gesichtsausdruck machte ich noch attraktiver. Attraktiver und jünger, denn davon, dass er 38 Jahre alt war, war in dem Moment nichts zu sehen.

Ich ließ mein Lächeln noch strahlender werden, die Herzen andere Männer würden nun beginnen zu schmelzen, „Das mag sein, wir können nur gerade nicht mit Mika verhandeln. Doch erzähl, worum es geht. Dann können wir darüber entscheiden, ob wir dir helfen wollen oder nicht.“

Bei seiner Antwort hatte Charles nur Augen für mich, auch wenn das wohl mehr der Tatsache geschuldet war, dass er mich als Anführerin der Gruppe sah, denn als schöne, unwiderstehliche Frau. 

Immerhin begann er nun ohne Umschweife oder Zögern zu erzählen, was ich als Erfolg für mich verbuchte. 

Oh und eh hier falsche Schlüsse gezogen werden, mir ist völlig klar, dass die Wertschätzung und das Vertrauen, welches Charles mir gegenüber aufbrachte, ein viel größeres Kompliment aus seiner Sicht waren, als er mir über meine Schönheit je hätte machen können.

Charles erzählte, „Ich war auf der Suche nach Informationen über den Tod meines Vaters. Dabei bin ich einer Verschwörung auf die Spur gekommen, von der ich glaube, dass sie nicht nur für mich gefährlich ist. Mein Vater ist oder besser war, ein Truth Stancer, das ist die Spionage Abwehr der Sioux. Er gehörte zu einer Einheit, die sich Unit 419 nennt. Sie besteht ausschließlich aus Schamanen. Es waren mal sechs, doch von einer Mission kamen nur vier von ihnen zurück. Einer von den Gefallenen war mein Vater. Irgendetwas kam mir an der Geschichte komisch vor und ich begann nachzuforschen. Bald war mir klar, dass Unit 419 etwas verheimlichte, Berichte gefälscht und Unterlagen hatte verschwinden lassen. Dann brach ich mit meinem Team zu einer  Trainingsmission in den Tiefen der CAS auf.“ Ein schmerzvoller Ausdruck huschte über sein Gesicht, „Als wir wiederkehrten und ich aus dem Hubschrauber stieg, explodierte der Hubschrauber plötzlich. Mein komplettes Team war tot.“ Er räusperte sich, „Ich wurde festgenommen. Beweise tauchen auf, nach denen ich den Hubschrauber gesprengt haben sollte. Dabei blieb es nicht. Es wurden immer mehr Beweise gefunden, die zeigten, dass ich auf mehreren Ebenen Landesverrat begangen hatte. Was mir vorgeworfen wurde, war völlig aus der Luft gegriffen. Ich hatte nichts von dem getan.“ Iron Horse lachte trocken, „Manche Beweise waren schon an sich nicht schlüssig. Doch das interessierte niemanden. Ich wurde gefoltert und einige der Fragen, die sie mir stellten, waren komisch. Ich wurde immer wieder gefragt, was ich herausgefunden hatte. Ich denke, sie wissen, dass es da etwas gibt, was ich nicht preisgegeben habe. Einen weiteren Hinweis. Darum sollte es vielleicht auch das letzte Briefing geben.“

Ich hatte ruhig zugehört und ihn ausreden lassen. Wir hatten das alle getan und selbst BCG hatte seine argwöhnischen Bemerkungen, die ich zu Beginn der Erzählung noch zu lesen bekommen hatte, eingestellt.

Als ich Charles jetzt in die Augen sah, hätte ich ihn am Liebsten in den Arm genommen, doch das wäre unangebracht gewesen, „Zu allererst tut mir leid, was dir widerfahren ist.“, sagte ich darum nur. „Hast du denn niemanden finden können, der dir glaubt?“

Iron Horse schüttelte den Kopf, „Wie sollte ich auch. Unit 419 war und ist so erfolgreich dabei, Gefahren für unser Land abzuwehren, dass die Sioux Regierung freiwillig wegsieht. Unit 419 kann haben, was immer sie wollen und niemand fragt, auf welche Art sie an die Informationen gekommen sind.“

Ich nickte, „Verstehe. Und was hast du nun noch vor deinen Peinigern verheimlichen können oder besser gefragt, wobei sollen wir dir helfen?“

„Ich habe einen Satz Koordinaten. Ich weiß nicht was da ist, aber ich bin sicher, dass Unit 419 dort was zu laufen hat und sich da auch die Beweise befinden, die ich brauche, um andere zu überzeugen.“

Columbo meldete sich zu Wort, „Nur die Koordinaten, mehr nicht?“

„Nein, nicht mehr. Bevor ich mir den Ort ansehen konnte, kam die Trainingsmission.“, bestätigte Iron Horse.

Ich sah zu meinen Kollegen, „Ich werde Iron Horse helfen. Ich möchte wissen, was dahinter steckt. Außerdem werden die Grenzen tatsächlich leichter zu überqueren sein, wenn der erste Ärger verflogen ist und wir kompetente Hilfe haben. Aber ich entscheide das nur für mich. Für jeden, der nicht mitmachen will, finden wir eine Lösung. Also, wie sieht es aus?“

„Dabei.“, kam von Shark Finn sofort, wie nicht anders zu erwarten gewesen war.

Bubbles meinte, „Klar mach ich mit. Man muss Regierungs- und Konzernpennern immer zeigen, dass sie sich nicht alles erlauben dürfen. Und wer weiß, vielleicht steckt am Ende ja doch Ares dahinter.“

BCG drehte sich zu uns um, „Ich bin auch dabei Lady. Irgendwer muss ja die Karre hier fahren.“

„Es ist keine Frage. Eine solche Ungerechtigkeit darf man nicht auf sich beruhen lassen. Ich bin selbstverständlich mit von der Partie.“, verkündete Mr. Jack.

TriXhot grinste, „Klingt zumindest schon mal gefährlich. Das bedeutet Chance auf Action und die will ich nicht verpassen.“

Columbo hob beide Augenbrauen, „Ich begebe mich ungern auf eine Reise voller Ungewissheit. Doch wenn wir noch nicht abreisen, kann ich auch gleich mitmachen. Ich hoffe nur, es dauert nicht so lange. Ich habe zu Hause ein Leben zu finanzieren.“

Ich lächelte Columbo an, „Darüber mach dir keine Sorgen, das bekommen wir schon hin.“

Nun sah ich zu Iron Horse, „Du hast es gehört, wir helfen dir. Wohin soll es jetzt gehen?“

„Erstmal zu meinem Unterschlupf, ein Stück nördlich von Butte. Da können wir uns ausruhen und ausrüsten.“

Er gab BCG die Zielkoordinaten und der Rigger setzte sogleich den Kurs darauf. „In dieser Richtung müssen wir mit weniger Strassensperren rechnen. Niemand glaubt doch, dass ein geflohener Verbrecher einfach im Land bleibt, statt abzuhauen.“, stellte er noch fest.

Ich lachte perlend, „Stimmt.“ Ich sah zu Charles, „Bist du in irgendeiner Art getagged worden?“, fragte ich ihn noch.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht gemacht wurde.“, erwiderte der Wildcat.

Bubbles bestätigte, „Er sendet auch nichts. Hat er auch zu Beginn nicht.“ 

Ich fragte mich zwar, woher das Mädchen das wusste, aber sie würde es nicht sagen, wenn sie es nur vermuten würde. Also reichte ich Iron Horse die Kleidung, die ich für ihn gekauft hatte. „Dann zieh jetzt bitte das über, falls irgendwas passiert, lässt es sich so leichter untertauchen.“

Er zuckte mit den Schultern, nahm das Päckchen jedoch und zog sich erneut um.

Eigentlich hätte ich dringend Light Foot und Bloody Guts über die Planänderung informieren müssen, dennoch gönnte ich mir noch den Moment, Iron Horse beim Umziehen zuzusehen. 

Es zeigte sich, dass ich ein ziemlich gutes Augenmaß besaß, was männliche Körper anging. Die Kleidung passte perfekt.

[Song 17: Blackfire - One Nation Under4] Light Foot fragte nicht weiter und gab uns stattdessen Tipps zu den Strassensperren, die inzwischen eingerichtet worden waren. Außerdem bestätigte sie, dass die Grenzen der Sioux Nation bereits abgeriegelt wurden.

Zudem dirigierte Iron Horse uns und so hielt uns niemand auf.

Bloody Guts und Rubber Duck waren ziemlich enttäuscht, da sie sich schon auf die Action gefreut hatten, die angestanden hätte, wenn sie uns hätten entgegen kommen müssen. Bloody Guts berichtete noch, dass man wohl in einem solchen Affenzahn die Grenzen geschlossen hatte, dass es kaum zu glauben gewesen war. Die ersten Schmuggler waren bereits im Hafen gestrandet, da sie kein Durchkommen mehr entdeckt hatten. Die Kampfhubschrauber kreisten bereits wie zornige Hornissen über der Grenze.

Wir parkten den Bison hinter der Jagdhütte, die Iron Horse als Versteck diente. 

Drinnen war der Platz nicht gerade riesig, aber er war ausreichend für uns alle. 

Iron Horse wirkte hier deutlich entspannter als zuvor, was für die Sicherheit der Hütte sprach. Nachdem wir uns alle irgendwo niedergelassen hatten, blickte er in die Runde und endete beim mir. „Danke!“, sagte er nur und zwar auf die Art, bei der ein Wort völlig ausreicht.

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Wir hatten uns ausgeruht, teilweise sogar geschlafen, da wir erst am Abend hatten aufbrechen wollen. Die Koordinaten lagen mitten in den Great Plains nahe einem Ort mit dem Namen Great Falls.

Bevor es losging hatte BCG bereits eine Route rausgesucht und sich darüber mit Iron Horse abgestimmt.

Selbstverständlich wurde Charles Iron Horse landesweit gesucht. Informationen über seine Helfer lagen offenbar nicht vor, soweit wir feststellen konnten.

Bevor wir losfuhren rüstete Iron Horse sich aus. Er schlug einen Teppich beiseite, unter dem eine Falltür in einen Kellerraum verborgen lag. Daraus holte er Bogen, Tomahawk, Kampfmesser, Sturmgewehr, Munition und leichte Militärpanzerung hervor. Er bot jedem an sich aus dem Raum zu bedienen, wenn er noch etwas brauchen würde. Da er auch APDS Munition im Angebot hatte, nahmen wir welche. Immerhin könnten vier militärisch ausgebildete Schamanen mit all umfassender Befehlsgewalt zu unseren Gegnern gehören, da konnte ein wenig Panzerungsbrechende Munition nicht schaden.

Jeden Handgriff den Iron Horse beim Anlegen seiner Ausrüstung ausführte, war tausendfach geübt. 

Ich sah gern dabei zu, wenn sich jemand ausrüstete. Das hatte immer so etwas von Rittern, die für ihre Königin in die Schlacht ziehen. Und wenn derjenige dann noch so gut gebaut war wie Iron Horse, dann machte das Zusehen gleich noch mehr Spaß.

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„So ein Bison als Transportmittel ist praktischer, als ich dachte.“, kommentierte Iron Horse mit einem Blick auf Bubbles, die gerade wieder am Tisch saß und an irgendetwas werkelte. 

„Stimmt.“, meinte Columbo dazu, „Dank Kühlschrank und Mikrowelle ist sogar die Versorgung gewährleistet.“

Ich begann zu grinsen, „Und nicht zu vergessen, eine Dusche ist auch mit dabei.“

Iron Horse sah mich an und schüttelte mit freundlichem Unverständnis den Kopf, „An die Dusche hatte ich jetzt am wenigsten gedacht.“

„Ich weiß!“, erwiderte ich und erhob mich von meinem Sitz. Ich ging bei Iron Horse vorbei, legte ihm zart meine Hand auf die Schulter, beugte mich zu ihm und erklärte im halb verschwörerischen, halb verführerischem Ton, „Aber wenn man tagelang zu mehreren Personen auf engem Raum mit mir zusammen ist, dann gehört eine Dusche zu den wichtigsten Dingen überhaupt. Vertrau mir!“, ich zwinkerte mit langsamen Augenaufschlag und verschwand in der Duschkabine.

Die Fahrt bis zum Zielort dauerte 3 Stunden. Mehr als genug Zeit, um Informationen zusammen zu tragen.

Zuallererst lag in relativer Nähe zu den Koordinaten die ehemalige Main Force, jetzt Sioux Air Force Base.

Bloody Guts hatte noch heraus gefunden, dass irgendwo in den Great Plains eine geheime USA-Militäranlage existiert hatte, in der an unbekannten Geheimprojekten gearbeitet worden war. Die genauen Koordinaten hatte unser Decker jedoch nicht bestätigen können. Außerdem hatte Bloody Guts ausgegraben, dass vor 4 Jahren in der Gegend der Koordinaten ein Run von Ares stattgefunden haben sollte, bei dem das gesamte Team gekillt worden war. 

Auf diese Information hin zeichnete sich Erkenntnis auf dem Gesicht von Columbo ab, „Da klingelt was. Die Basis der USA hatte die Kennzeichnung ES 618, da ging es um irgendwelche uralten Projekte aus den Neunzehn-Fünfzigern. Die US-Air Force hatte dort Black Projects laufen oder geheime Depots angelegt oder irgendwas in der Art. Die gesamte Anlage wurde nur teilweise fertig gestellt. Irgendein abtrünniger US General hat das mal genutzt, um gegen die Entwicklung des Landes Widerstand zu leisten. Der Widerstand wurde letztendlich wohl aufgelöst. Ich weiß das überhaupt nur noch, weil Ares wissen wollte, was die Anlage nun genau gewesen ist oder ob es da was zu holen gibt. Darum haben sie sich das mal angesehen, aber das Team verschwand spurlos!“

Iron Horse hatte interessiert zugehört und fügte nun hinzu, „Dort hat es einen Einsatz der Unit 419 gegeben.“

Ich grinste wölfisch, „Na, dann wissen wir schon mal, wer das Ares-Team vernichtet hat.“

Das Ganze wurde immer interessanter und es sollte noch viel interessanter werden.

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‹Hast du, als du vorhin das Hummersandwich geholt hast, eigentlich irgendwo ein Stück Kuchen gesehen, Drachenkätzchen?›

‹Ich mache eine dramaturgische Pause bei der Geschichte und du zerstörst sie, weil du an Kuchen denkst, Katze?›

‹Falsch, Drachenkätzchen. Ich denke nicht an Kuchen. Ich denke an die süße, geschlagene Vanille-Creme, die es hier in Boston immer zu Kuchen gibt. Und wenn du vorhin gleich daran gedacht hättest, einen Nachtisch mitzubringen, hätte ich jetzt nicht danach fragen müssen.›

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Wir fuhren auf der Strasse an den Koordinaten vorbei, aber so sehr wir die - in meinem Fall zarten, schlanken - Hälse reckten, da war nichts.

Eine zweite Überfahrt erzielte kein besseres Ergebnis. 

Da wir keine Narren waren, fuhren wir nicht noch ein drittes Mal vorbei, sondern verließen die Hauptstrasse, folgten der Nebenstrasse einige Hundert Meter und bogen dann erneut ab. Wir hielten irgendwo mit ausreichendem Abstand zu den Koordinaten, inmitten der Prärie.

Es war eine beinah sternenklare Nacht. Nur hier und da zogen ein paar flauschige Wolken vorbei. 

Auch ein Drohnenüberflug bei den Koordinaten ergab nichts.

Ich stellte mich auf das Dach des Bisons und nahm astral wahr. 

Wieder nichts. Bis auf die wunderschöne Reinheit der Natur natürlich. Aber eben nichts, was uns einen Anhaltspunkt bei unserer Suche gab.

Ich schwang meine Sinne auf den Fluss der Magie und des Astralraums ein und spürte ganz in der Nähe die kribbelnde Energie einer Leylinie. Sie führte dicht, aber nicht direkt bei den Koordinaten vorbei. „Vielleicht ist es unterirdisch?“, überlegte ich laut.

Bubbles schlug vor, „Da du kein Radar in einer deiner Drohnen hast, probier es doch mal mit Infrarotsicht BCG.“

«Gute Idee.», gab BCG zu.

Tatsächlich brachte das etwas. 

Endlich. 

Genau bei den angegebenen Koordinaten gab es eine zwei mal zwei Meter große Stelle, die eine leicht wärmere Temperatur aufwies, als der Rest der Umgebung und die wir überhaupt nur hatten finden können, weil wir die Koordinaten hatten.

Dabei konnte es sich nur um einen Eingang in die Erde handeln.

BCG fuhr uns auf einen Kilometer ran, dann stiegen wir aus, um unter der Begleitung von Drohnen zu der Stelle zu schleichen.

Und mit wir meine ich, Charles Iron Horse, Columbo, Bubbles, Mr.Jack, Shark Finn und mich.

TriXhot blieb bei BCG zurück, zu dessen Schutz und als unser BackUp.

«Ich mach den Point!», legte Iron Horse fest. Er zog seine ballistische Maske vors Gesicht, die mit der klassischen Kriegsbemalung der Native Americans verziert war. Ich wusste zu wenig über die Kultur der Sioux, um ablesen zu können, ob sie eine Stammeszugehörigkeit preis gab. Einen Helm zu seiner Panzerung besaß er offenbar gar nicht erst. Jedenfalls hatte er keine mitgenommen. Bei den Wildcats waren sie auch nicht üblich. Eigentlich schade, dass Iron Horse keine langen Haare hatte. Er nahm die leicht geduckte Haltung eines Elitesoldaten auf einer Mission an und setzte sich in Bewegung.

Ich folgte mit einigem Abstand, danach kamen Shark Finn und Mr.Jack, die sich Panzerjacken übergezogen und sich zudem mit PPP (Personal Protection Pieces) verstärkt hatten. Ich trug selbstverständlich meinen Chamäleon Suit samt DayBack und Gurtsystem, da ich mich mit allem ausgerüstet hatte, was ich brauchen können würde und wenn man nicht weiß, was einen erwartet, kann man so gut wie alles gebrauchen. 

Dann folgte Bubbles. Auch sie hatte eine ballistische Maske aufgesetzt. Ihre Maske war schwarz und mit einem feinen Spinnennetz in Pink überzogen. Bereits nach wenigen Schritten wurde aus dem Pink ein dunkles Blutrot. Auch das Mädchen hatte viel Equipment dabei. Die Taschen ihres gepanzerten, schwarzen Mechaniker Overalls, den sie auf die gleiche Art wie Shark Finn und Mr.Jack verstärkt hatte, waren voll. Außerdem hatte sie noch eine Messenger-Tasche umgehängt und einen Rucksack aufgesetzt. Bubbles war umringt von dem Sixpack. Die Arachne-Drohnen verschmolzen wieder mit der Umgebung und auch ihre Servos waren nicht zu hören.

Das Schlusslicht bildete Columbo, einfach, weil er am schlechtesten Schleichen konnte. Er trug dunkle, gepanzerte Kleidung und seine neue, gepanzerte Jacke, die er in Butte gekauft hatte. 

Columbo und Mr.Jack waren die beiden einzigen, die keine Waffe in der Hand hielten. 

Bis auf Mr.Jack, der nur seine Hände brauchte, um zu kämpfen, waren wir aber alle bewaffnet. Vom mittleren MG bei Shark Finn, über das Sturmgewehr von Iron Horse und der Ares Predator von Columbo, bis hin zur Ares Squirt, eine Spray-Waffe, in den Händen von Bubbles, war alles vertreten. 

Ein bunt gemischter Haufen von Profis, Halbprofis und … Spezialisten der besonderen Art bewegte sich durch die Prärie.

Als wir uns den Koordinaten näherten, wurden wir langsamer und vorsichtiger. 

Doch außer uns und einem Präriehasen, der unsere Versammlung neugierig und mit ausreichend Sicherheitsabstand beobachtete, war hier niemand.

Und nein, bei dem Präriehasen handelte es sich um keinen gestaltgewandelten Schamanen. Ich hatte das überprüft.

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‹Sag jetzt bitte nicht wieder etwas über den Eisatem, Katze.›

‹Ich habe nur tiefer Luft geholt. Ich wollte gerade überhaupt nichts sagen, Drachenkätzchen.›

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[Song 18: Stranger Things - Main Theme4] Iron Horse riss einige Ranken vom Boden und warf sie beiseite, «Hier ist länger keiner mehr gewesen. Das ist alles zugewachsen.»

Columbo gefiel das nicht, «Hoffentlich sind die Beweise dann nicht auch alt und zugewachsen.»

«Ich sehe mir die Tür mal genauer an.», erklärte Bubbles und zog ein Messegerät hervor. 

Kurz darauf meldete sie, «Die Beton verstärkte Klappe ist von der Innenseite verriegelt, aber ich kann’s aufsprengen.»

«Dann mach das bitte!», wies ich an.

Sie nahm den Rucksack ab, holte Equipment daraus hervor und werkelte zwei Minuten. «Sprengung in 3, 2, 1, Kabumm.», zählte sie. Die folgende Explosion klang gedämpft und völlig anders, als irgendeine in den vergangenen Tagen. Es roch auch anders. Die Sprengladungen von Bubbles unterschieden sich alle irgendwie. Bei dieser stieg Magenta-farbener Rauch auf.

Diese Tür war offenbar mehr als Ausgang, denn als Eingang gedacht. Es gab auf dieser Seite keinen Griff. Bubbles hatte etwas dabei, was als Hebel genutzt werden konnte, der Rest war für einen starken Fomori wie Shark Finn kein Problem.

Unter der Luke verbarg sich ein Gang mit einer Treppe, die ein gutes Stück weit in die Tiefe führte. 

Iron Horse nahm sein Ares Alpha Sturmgewehr in den Anschlag und ging los.

Wir folgen in der Reihenfolge, die wir auch vorher eingenommen hatten.

«Lasst mal die Kleinen nach vorn.», verlangte BCG und flog mit einer einer Sparrow Hawk an Charles vorbei.

Columbo fiel als letztem in der Reihe die Aufgabe zu, die Tür hinter uns zu schließen. Was sich nicht als all zu schwer erwies, weil es hier auf dieser Seite tatsächlich einen Griff gab.

An den Wänden hingen in regelmäßigen Abständen Lampen, die mit einer Abdeckung von so etwas wie Glas und einem Metallgitter geschützt waren. Ich vermutete, dass es sich dabei um eine Art Notbeleuchtung handelte. Da die Notbeleuchtung aber nicht leuchtete, war es hier dunkel und wir mussten Infrarotsicht nutzen, um etwas sehen zu können. Taschenlampen machten wir keine an. Man konnte im Dunklen seine Position durch kaum etwas leichter verraten, als durch die Nutzung von Taschenlampen.

A pro pos regelmäßig, ich klebte alle 40-50 Meter einen Mesh-TAG an die Wand, damit wir den Kontakt nach Außen halten und BCG uns weiter via Drohnen begleiten konnte. 

Dass wir keine Verstärker dabei hatten, die die Verbindung zur Matrix hielten, würde mir nach Spitzbergen und der Höhle des Drachen nie wieder passieren.

Nach 20 Metern voller Stufen, die kaum bis keine Gebrauchspuren aufwiesen, mündete die Treppe  in einen 3 Meter hohen und 4 Meter breiten, metamenschenleeren Gang, der direkt gerade verlief und nach 100 Metern an einem runden Stahlschott mit Drehrad endete.

Das Schott fühlte die Wand fast völlig aus. Auch Trolle würden also bequem hindurch passen.

Shark Finn trat an das Rad und begann zu drehen.

[Song 19: Alexandre Desplat/ Zero Dark Thirty - Flight To Compound4] Das Rad des Schotts quietschte ein bisschen. Aber es ließ sich leichter bewegen, als ich erwartete hatte. Die Kraft eines Trolles eingerechnet.

Als es sich nicht mehr weiter drehen ließ, zog Shark Finn an dem Schot. 

Ich atmete durch Nase und Mund ein. So wie es mich die Zeit als Puma gelehrt hatte. Die Luft von der anderen Seite unterschied sich völlig. Da war viel Abgestandenes, Beton, Waffenstahl, aber auch entfernt der frische Geruch von Metamenschen. Und dann war da noch der Gestank von Dieselqualm und Fahrzeugabgasen. Mit letzterem hatte ich nicht gerechnet.

Ich behielt das Wissen erstmal für mich und sagte stattdessen nur an, «In der näheren Umgebung des Schotts ist niemand.»

Vor und gut 30 Zentimeter unter uns lag eine zweispurige, asphaltierte Strasse. Der ausgebaute Tunnel war halbrund und besaß einen Deckenhöhe von über 7 Metern. 

Es gab eine spärliche Notbeleuchtung, aber zumindest konnten wir auf Restlichtsicht umsteigen. Da das bei mir als Elf zu meiner ureigensten Sichtweise gehörte, war mir das nur lieb.

Wir traten auf die Strasse und schlossen das Schott hinter uns, verschlossen es aber nicht. 

Die vielen Beine des Arachne Pack klapperten leise auf dem Asphalt. 

Über dem Schott hing ein Schild aus Blech. ‚Emergency Exit‘ war darauf zu lesen.

Bubbles sah sich fasziniert um und leuchtete dann mit der Restlicht-Taschenlampe aus ihren Augen auf ein weiteres Schild aus Blech. Ein Lageplan, aufgedruckt auf Blech. Faszinierend und nur für eine kurze Zeit verwunderlich. Die Anlage sollte irgendwann in der Mitte des 20 Jahrhunderts gebaut worden sein. Computeranzeigen oder gar AR hatte es da noch nicht gegeben. Außerdem musste man solche Schilder weder anschalten, noch verblassten oder zerfielen sie so schnell, wie es welche aus Papier getan hätten. 

Dem Schild entnahmen wir, dass dies das Ende einer Hauptstrasse war, die zu einer Reihe von Bunkern führte.

Bunker 1: Command 

Bunker 2: Baracks

Bunker 3: Power

Bunker 4: Storage & Motorpool 

Bunker 5: Nuklear Storage Material

Meine Nackenhaare stellten sich auf. Verdammt, das war nicht gut!

Doch erstmal hieß das ja nichts, beruhigte ich mich. Es war möglich, dass es dort noch radioaktives Material gab, aber es war auch möglich, dass es dort überhaupt nichts gab.

Bubbles musste in eine ähnliche Richtung gedacht haben, denn sie verkündete, «Strahlung gibt es hier bisher schon mal nicht. Ich lass den Scanner aber laufen.»

Wir besprachen uns kurz. Wenn es irgendwo Beweise für irgendwas gab, dann vermuteten wir sie bei Command. Schreibtische, Akten, das würde alles dort zu finden sein. Obwohl niemandem von uns so einleuchten wollte, warum Unit 419 ausgerechnet hier Beweise für ihre Verschwörung sammeln sollte.

«Zumindest ist die Anlage nicht schon ewig verlassen. In der Luft liegt nämlich der relativ frische Geruch von Metamenschen. Mehrerer Metamenschen, die wenigstens im vergangenen Monat hier gewesen sind.», beschrieb ich, nachdem ich ein weiteres Mal tief eingeatmet hatte, «Es könnte aber auch erst Stunden her sein. Genauer kann ich das nicht sagen, weil ich nicht weiß, aus welchem Teil der Anlage der Geruch rüber geweht ist.»

«Dann lasst uns vorsichtig sein.», betonte Charles und ging erneut voran, nur um nach wenigen Schritten wieder von BCG’s Drohne überholt zu werden.

Jedenfalls liefen wir nun Richtung Command, was praktischer Weise auch der erste Bunker auf unserem Weg war. Doch ein Stück zu gehen war bis dahin noch.

Bubbles meinte unterwegs, «Ares war bestimmt hier, um zu gucken, ob hier noch was ist, was man für eine Atombombe brauchen kann.» Dann erzählte sie leise, wie das zu Beginn des Atomzeitalters mit dem radioaktiven Material für Bomben gewesen war und das Uran wertvoller gewesen sei, als heutzutage Orichalkum.

Ich war neugierig und angespannt zugleich. Dank der Notbeleuchtung konnten wir sehen, doch wir warfen auch tanzende Schatten an die Wände, die sich merkwürdig verzerrten. 

Ich konnte es nicht genau fassen, aber die Atmosphäre war gruselig. Es war nicht nur, dass wir uns hier in einer alten, verlassenen, geheimen, Militäranlage befanden, die eventuell nukleares Material besaß, deren Schutzbehälter über 100 Jahre alt sein könnten. Da war mehr. 

Mit weiteren Schritten legte sich das seltsame Gefühl schwer auf meine Schultern. Dann auf meinen Schädel.

Irgendetwas war hier.

Ich blieb stehen und nahm, die Hand am Black-Tooth-Dagger, astral wahr

Nichts.

«Was ist?», fragte Shark Finn.

«Ich weiß nicht, nur ein ungutes Gefühl. Ich dachte hier wäre vielleicht ein Geist, aber da ist nichts.» Mir fiel etwas ein. Ich konzentrierte mich und schickte mein Gefühl für magische Schwingungen auf die Reise. 

Und da fand ich es. Weiter hinten in der unterirdischen Anlage gab es magische Hintergrundstrahlung. Das schien mir kein gutes Zeichen zu sein. Doch ich wollte nicht unken und darum sagte ich im neutralen Ton an, «Tiefer in der Anlage, ein deutliches Stück hinter Barracke eins, gibt es magische Hintergrundstrahlung.»

BCG fragte, «Könnte das durch radioaktives Material verursacht worden sein?»

«Das ist auch möglich, aber eigentlich hat solche Hintergrundstrahlung immer direkt mit Magie oder aber mit menschlichen Emotionen zu tun.», erklärte ich, «Genaueres kann ich jedoch sagen, wenn ich die Gegend askennen kann.»

Wir setzten unseren Weg fort. 

Nach einer langgezogenen Kurve, kurz vor Bunker eins, wurde es heller. 

Irgendwer hatte das Licht angelassen und zwar nicht nur die Notbeleuchtung.

Kaltes Licht fiel auf grau gestrichene, kahle Flächen. 

Doch das war nicht das einzige, was ‚an‘ war. In regelmäßigen Abständen hingen sanft blinkende Packen an den Wänden, die Bubbles als Funkzünder mit Verzögerung auf modernem Plastiksprengstoff von Militärqualität identifizierte. 

Die Anlage sollte gesprengt werden.

Was für ein Glück, dass BCG auch die Armadillo mit in den Bunker gebracht hatte. Wir schalteten den Jammer ein und störten die Funkfrequenzen, die nicht unsere eigenen waren. 

So konnte uns niemand die Anlage unter dem Hintern oder besser gesagt, über den Köpfen wegsprengen.

Bubbles blieb völlig entspannt, «Die Ladungen hat jemand gebaut, der sich zumindest soweit damit auskennt, dass er Standartpakete bauen und anbringen kann. Sie sind auch anständig platziert und würden zumindest den Teil der Anlage platt machen, in der sie hängen. Aber wer immer das hochjagen will, kann das nicht von oben aus machen, sondern muss dann irgendwo hier unten sein. Um zu erfahren, wie viel Verzögerung eingebaut ist, müsste ich eines abschrauben. Soll ich?»

Ich schüttelte den Kopf, «Erstmal nicht. Nun wissen wir wenigstens, dass wir hier richtig sind. Da will offenbar jemand die Beweise vernichten. Die Metamenschen, die die Sprengsätze angebracht haben, hatten Angst. Also wurden sie wahrscheinlich dazu gezwungen. Vielleicht war es aber auch nur ein Befehl, den sie nicht gerne ausführen wollten. Ich kann nicht sagen, wie viele hier waren, aber es waren mehr als zehn.» So eine feine Nase zu haben, hatte mehr für sich, als ich jemals gedacht hätte. Die aufgenommene Witterung hatte mir nicht nur das verraten, was ich eben erzählt hatte, sie verriet mir bald darauf auch, dass im Bunker Eins im Command Bereich schon länger niemand mehr gewesen war. Der Geruch von Metamenschen, endete gleich an der Tür.

Die Baracken in Bunker Zwei waren niemals richtig fertig eingerichtet worden. Matratzen und Feldbetten waren nur teilweise ausgepackt, die Paletten von Dosenfleisch, eingelegtem Obst und Salzgebäck waren nicht einmal weggeräumt worden und wirkten unberührt. Wahrscheinlich waren die Kekse sogar noch genießbar und das in Flaschen abgefüllte Trinkwasser roch, als wäre es völlig in Ordnung. Ich überprüfte vorsichtshalber nichts davon genauer, indem ich es probierte. Auch hier war schon länger keine lebenden Seele gewesen.

Anders sah das bei Bunker Drei aus. Hier war zumindest jemand gewesen, um den Strom einzuschalten. Einer von drei gewaltigen Dieselgeneratoren lief.

In Bunker Vier sprach Columbo einen Zauber und katalogisierte damit den Fuhrpark. Alte Militärwagen, die heute schon lange nicht mehr gebaut wurden, lagerten hier ebenso wie alte Waffen, Munition, Decken und noch mehr altes Essen. Alles noch originalverpackt und ein geschichtliches Kleinod. Columbo steckte sich eine alte Pistole ein. Sie war zwar nicht von Ares, aber sie gefiel ihm dennoch.

Als wir unseren Weg in Richtung von Bunker Fünf antraten, wurde der Geruch nach Metamenschen deutlich stärker. «Bei Bunker Fünf könnte jemand sein.», sagte ich an.

«Wartet, ich fliege mit der Drohne gucken.», erklärte BCG.

Mein Herzschlag beschleunigte sich ein wenig. 

Das Blinken der Sprengsätze behielt hingegen seinen Rhythmus bei.

[Song 20: John William/JFK Score - The Conspirators4] Die Bilder der Drohne kamen rein. 

Auf dem Platz vor dem Bunker standen ein moderner Ares Roadmaster, ein Truck und ein GMCMPUV. Aufgestellt in Richtung Ausfahrt nach oben, wie einem weiterem Blechschild zu entnehmen war. Ein Duzend Techniker in Overalls beluden den Hänger des Trucks mit Material aus Bunker fünf. 

Vier Soldaten des Sioux Militär in mittelschwerer Panzerung, mit Helm und mit Sturmgewehren bewaffnet, beaufsichtigten die Arbeit.

Dann war da noch der Native American der beim Truck stand und auf alles ein strenges Auge warf. Sein Haar war schulterlang und tiefschwarz, seine Augen blickten stechend und seine Adlernase passte gut in das Gesicht mit den markanten Wangenknochen. Seine Ausstrahlung schrie förmlich nach Magie. Leider war er nicht gekleidet, wie man sich einen Indianischen Schamanen in einem Bilderbuch vorstellt. Anstelle einer Lederhose und eines Brustschmucks aus Knochen, trug er eine militärische Panzerung, die an einigen Stellen mit Tribals oder Schmuck verziert war.

«Das ist George Two Feathers, einer der vier Anderen aus Unit 419.», zischte Iron Horse mit unterdrückter Abscheu.

Genau in dem Bereich dort musste ich vorhin die magische Hintergrundstrahlung gespürt haben. Ich konzentrierte mich darauf. 

Ja, tatsächlich, da war sie. Doch irgendetwas war merkwürdig. Ein fremdartiger Effekt schwang mit. Das musste ich mir unbedingt genauer ansehen. 

Später!

Jetzt mussten wir handeln, denn ein Großteil der Kisten war bereits aufgeladen.

Wir hockten uns in der Mitte der Strasse zusammen und erstellten einen schnellen Angriffsplan.

«Der Geigerzähler schlägt noch nicht aus. Ihr solltet aber trotzdem nicht auf die Behälter auf dem Truck schießen. Man weiß nie, was da drin ist und was damit passiert.», riet Bubbles noch, bevor es losging.

Gleich würden wir herausfinden, wie mächtig Two Feathers war. Dass er mächtig und obendrein gut ausgebildet war, war keine Frage.

Columbo stattete sich mit verstärkten Reflexen aus.

Das Arachnepack teilte sich in zwei Dreierteams auf und umging das Geschehen lautlos rechts und links herum, an der Wand entlang. 

Als sie in Position waren, eröffneten sie das Feuer aus ihren Maschinenpistolen. Das diente mehr zur Ablenkung, als dass es Schaden anrichten sollte.

Nun lief alles gleichzeitig ab.

Wie von uns erwartet, rannten und warfen sich die Techniker in Deckung. 

Mr.Jack und Iron Horse sprinteten los. Ihr Ziel war Two Feathers, der kurz zuvor auf den Truck gestiegen war. Zu zweit standen ihre Chancen auf einen Sieg gut. Doch wir wollten mehr als den Schamanen besiegen. 

Wir wollten ihn lebend, um ihn zu befragen.

Shark Finn nahm mit dem MMG zwei der Soldaten unter Beschuss.

BCG griff die beiden übrigen Soldaten mit den beiden Sparrow Hawks an, die je mit eine Pistole bewaffnet waren. Er würde damit kaum durch die Panzerung dringen. Doch die Zeit, bis sie das kapiert haben würden, würde Bubbles nutzen können, um die Sioux mit Betäubungsgranaten einzudecken.

Two Feathers war gerade unser gefährlichster Gegner. 

Ich konzentrierte mich, formte die Magie nach meinem Willen und hüllte den Schamanen mit einer Wolke aus Schneegestöber und Glitzerpulver ein. 

Hierbei bekam ich einen Vorgeschmack von der Macht, die in Two Feathers steckte. Ich hatte einen mächtigen Zauber gesprochen, doch nur wenig kam durch. 

Doch wenig war besser als nichts.

Ich feuerte meine Kollegen an, um sie zu Höchstleistungen anzuspornen und bat im Anschluss meine Geister, sich in meiner Nähe bereit zu halten.

Die gegnerischen Soldaten waren innerhalb von wenigen Sekunden ausgeschaltet.

Der Kampf gegen Two Feathers begann gerade erst. 

Doch eigentlich hatten wir alles im Griff.

Plötzlich manifestierte sich ein gewaltiger Native American Krieger. 

DER sah aus, wie aus dem Bilderbuch. Mit Knochenpanzer und sonst barem Oberkörper, Lederhose, Federn im Haar und Kriegsbemalung. Doch auf einen zweiten Blick trübte sich das stattliche Bild, denn er wirkte irgendwie nicht ganz gesund. Über seiner Haut lag ein giftig-grüner Schimmer. 

Ich musste ihn gar nicht erst askennen, um zu wissen, dass er mächtig war. Selbst wenn er nur Two Feathers in dessen Kampf gegen Mr.Jack und Iron Horse beistehen wollte, könnte das für uns zum Problem werden.

Unser günstiges Blatt könnte sich wenden.

‹Keeya, Saressh, greift den Geisterkrieger bitte im Fernkampf an.›, bat ich meine Sylphe und meinen Salamander augenblicklich.

Sie standen ja schon bereit.

Die Feuerpeitsche von Sarresh knallte auf und die Flammen daraus schossen auf den Krieger zu.

Keeya sandte einen kräftigen Windstoß in dessen Richtung. 

Doch der Stammeskrieger wich beiden Angriffen in seinem Rücken fasst schon mühelos aus. Dafür hatten wir anscheinend seine Aufmerksamkeit gewonnen.

Er drehte sich zu uns um. Die grünlich schimmernden Tomahawks kampfbereit in den Händen.

Columbo war zu einem ähnlichen Schluss gekommen wie ich. Auch seine beiden Geister griffen den Krieger an. 

Sein Profil zeigte danach ein hässliches Grinsen, denn auch diesen Attacken war er ausgewichen. 

Columbo gestikulierte und ließ einen mächtigen Zauber vom Stapel. 

Der Kampfzauber streifte den Krieger zwar, doch er richtete keinen Schaden an.

Verdammt, wie mächtig konnte so ein Geist sein?

‹Los Drachenkätzchen! Eisatmen, jetzt!›. forderte Katze.

Ich zögerte nicht. Ich hatte am See gelernt, wie ich meinen elementaren Angriff einsetzen konnte, ohne mich zu wandeln. 

In der sicheren Gewissheit, nur einen Versuch zu haben, rannte ich vor, holte so tief ‚Luft‘ wie ich konnte - und stieß meinen Eisatem aus.

Der Eisstrahl traf den Krieger mitten in die Brust, die er uns justament völlig zugewandt hatte. 

Damit hatte er nicht gerechnet! 

Seine Gesichtszüge gefroren. 

Er erstarrte zu Eis und zerplatze in winzige Kristalle, die nicht mal mehr zu Boden fielen. 

Intuitiv wischte ich mir die Nase ab, doch an meiner Hand war kein Blut. Ich hatte den Entzug gemeistert.

Columbo warf mir einen teilweise bewunderten, teilweise überraschten Blick zu.

❅❅❅

‹Ich bin ziemlich sicher, dass auch ein wenig Neid in Columbos Blick zu finden gewesen ist, Drachenkätzchen.›

‹Vielleicht war dem so, Katze.›

‹Und Drachenkätzchen, meinst du, du hast inzwischen erkannt, worin der Unterschied zwischen der Eule und dem Indianischen Krieger gelegen hat?›

‹Ja Katze. Und ich glaube, ich hatte auch schon eine Ahnung davon, bevor du es mir in jener Nacht ausführlich erklärt hast -und das mehrmals.›

‹Ich hoffe es, Drachenkätzchen. Doch sicher bin ich erst, wenn sich die nächste Gelegenheit für Eisatem ergibt und du von allein die richtige Entscheidung triffst.›

❅❅❅

[Song 21: Steve Jablonsky/The Last Witch Hunter - Lights Out4] Der Kampf zwischen Mr.Jack, Iron Horse und Two Feathers glich einem wilden Tanz. 

Unsere Kämpfer versuchten ihren Gegner mit aller Kraft durch stumpfe Gewalt zu betäuben. Doch schon nach wenigen Schlägen wurde klar, dass dies nicht gelingen konnte, obwohl Columbo und ich unsere Männer gegen die feindlichen Zauber schützen.

Mr.Jack und Iron Horse sahen sich gezwungen tödliche Gewalt einzusetzen.

George Two Feathers wollte sich nicht gefangen nehmen lassen und so hielt er sich über das normale Maß seines Lebens hinaus, auf den Beinen. 

Schließlich war er der Kampfkunst von zwei hervorragenden Männern nicht mehr gewachsen.

Aus zahlreichen Wunden blutend sank er sterbend zu Boden.

Two Feathers wand sich im Todeskampf.

Nein, das war es gar nicht. 

Der Bastard lachte.

Blut quoll als seinem Mund hervor. „Du bist zu spät!“, röchelte er. „Du kannst nichts tun! Genau wie dein Vater!“ Two Feathers hustete. Mehr Blut floss aus seinem Mund. „Auch wenn du die letzte Ladung aufhältst. Du bist dennoch so spät! Die Ladungen, die wir haben, sind mehr als genug.“ Irgendwie schaffte er es, seinen Oberkörper ein Stück auf zu bäumen und klar verständlich zu rufen, „Wir werden den Einflussbereich des Geistes erweitern und der halben Sioux Nation, vielleicht sogar dem ganzen Land *röchel* noch über seine Grenzen hinaus, ein neues Gesicht verleihen! Durch SEINE Macht werden wir uns über unsere Feinde erheben! Wir werden siegreich sein!“

Ein letzter gewaltet Blutschwall ergoss sich aus seinem grinsenden Mund, dann sackte er zurück und war tot.

«Hä?», meinte Bubbles nur und sah mich fragend an. 

TriXhot meldete sich via Teamnetzwerk, «Genau, Hä? Welchen Geist meinte er? Den Geist, dem Snowcat Gefrierbrand verpasst hat?»

Ich war blass geworden. Was man aber nicht sah. Oder irgendwie doch. Wegen der magischen Hintergrundstrahlung an diesem Ort funktionierte mein Qui-Focus nicht mehr. Was bedeutete, dass meine Haut und meine Haare ihren Originalton angenommen hatten. Auf perlweißer Haut lässt sich Blässe nur schwer erkennen. Abgesehen davon, trug ich die Kapuze meine Chamäleonsuits und … doch eigentlich war das alles zweitrangig, denn ich ahnte, worum es sich handelte.

Alle sahen mich erwartungsvoll an und warteten auf meine Antwort.

Ich zog die Kapuze meines Anzuges zurück und sagte, «Nein, der schockgefrostete Geist gehörte zu Two Feathers. Ich habe eine Idee, was er mir seiner Drohung gemeint haben könnte. Um sicher zu sein, muss ich aber erst ein paar Dinge überprüfen.“ 

Ich sah zu Bubbles, die neugierig auf den Truck geklettert war. „Irgendeine Ahnung, was man aus dem Zeug auf dem Truck machen kann, Bubbles?“

Sie grinste schief und rief mir zu, „Ja, mit ein bisschen Mühe wird daraus eine schmutzige, radioaktive Bombe.“

„Drek!“, entfuhr es Columbo. 

Mr.Jack sah ihn an, „Simpel, aber ziemlich treffend formuliert, Columbo."

Radioaktive Bomben, ich hatte so etwas befürchtet, sagte das aber nicht, sondern meinte, „Belassen wir es erstmal dabei. Bubbles, sieh bitte mal nach, ob du etwas aus dem Navi eines der Wagen ziehen kannst. Vielleicht bekommen wir raus, wohin sie wollten. Lass dir gegebenenfalls von BCG via Drohne helfen.“ Das Mädchen nickte, sprang vom Truck und ging Richtung GMC. Ich sah in die Runde, „Kümmert ihr euch bitte um die Soldaten. Fesselt und versorgt sie, falls einer überlebt hat und bringt die Techniker zu den Baracken. Ich sehe mich inzwischen hier um. Shark Finn, begleitest du mich bitte.“ 

Alle nickten. Ich hätte das mit Shark Finn nicht anweisen müssen, aber es machte einen besseren Eindruck, wenn ich das tat. 

„Iron Horse?“, meinte ich noch.

Er drehte sich um.

Ich lächelte ihm aufmunternd zu, „Keine Sorge, wir bekommen raus, was hier los war und dann tun wir alles, um sie aufzuhalten!“

Iron Horse nickte. Er glaubte mir. 

Und wie ich feststellte, glaubte ich mir auch. 

Ich askennte Bunker Fünf ausgiebig und wandte mehrmals die Kunst der Psychometrie an, um dem Ort seine Geheimnisse zu entlocken. 

Mit jedem Mal bekam ich ein weiteres Puzzelteil und kombinierte dies mit dem, was wir über diesen Ort gewusst hatten, bevor wir ihn betreten hatten. Nach und nach setzte ich die Teile zu einem Bild zusammen.

Wir hatten uns ein Stück Abseits der gefangenen Techniker versammelt. Das Arachne-Pack hielt die verängstigten Männer ganz wunderbar in Schach. Der Jammer in der Armadillo sorgte dafür, dass niemand nach draußen tragen konnte, was hier drinnen geschehen war.

[Song 22: Imagine Dragons - Warriors 4] Ich räusperte mich kurz und erzählte dann was ich in Erfahrung gebracht hatte, „Ein freier Feuergeist wurde hier nach einem Manasturm entlang der Leylinie eingeschlossen. Seine Wut darüber und das radioaktive Material, haben ihn irgendwie toxisch beziehungsweise radioaktiv werden lassen. Als das Ares Team die Anlage dann betreten hat, haben sie wahrscheinlich unwissend die Gefängnistür aufgeschlossen. Zudem tauchten irgendwann die Schamanen von Unit 419 auf dem Spielplan auf und vernichten das Ares-Team. Ob mit oder ohne Hilfe des Geistes, kann ich nicht sagen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass der Geist den Schamanen im Anschluss einen Pakt anbot. Vier der Schamanen sagten dazu ja. Zwei sagten nein.“ Ich sah zu Charles, „Ein Nein kam von deinem Vater. Die vier Verschwörer entledigten sich gemeinsam der beiden anderen. Aus den Schamanen wurden toxische Schamanen. Zumindest die Signatur von Two Feathers war nämlich toxisch. Ich nehme an, für die anderen gilt das ebenfalls. Nachdem das alles geschehen war, begannen sie damit ihre Spuren zu verwischen und ihren neuen Plan umzusetzen.“

❅❅❅

Hier haben wir jetzt ein Beispiel für einen Punkt, an dem ich zuvor nicht weit genug gedacht. Ich hatte gedacht, man habe hier in der Anlage Beweise oder Pläne versteckt. Von allein wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass gleich vier Personen der Spionageabwehr freiwillig bereit sein könnten, den Pakt mit einem toxischen Freien Geist einzugehen. Wir konnte man sich nur so fehlleiten lassen?

Aus Machthunger oder Paranoia vielleicht?

❅❅❅

«Okay, und wie sieht dieser neue Plan aus?», fragte BCG.

Ich holte tief Luft und atmete geräuschvoll aus, „Ich vermute, die Vier, jetzt Drei, wollen schmutzige Bomben bauen, diese explodieren lassen und damit das Land vergiften und dadurch das Bett für diesen Ex-Feuergeist bereiten, um dessen und ihre eigene Macht zu mehren. Vermutlich wird das mit einem magischen Ritual gekoppelt sein.“

Mr.Jack sah sehr ernst aus, „Hast du auch eine Ahnung, wie das Ritual aussehen soll und wie lange man dafür braucht?“

Ich schüttelte den Kopf, „Nicht wirklich. - Doch bei Ritualen redet man normaler Weise immer von Stunden. Auf eine Lieferung warten sie noch. Wenn die nicht kommt, werden sie bestimmt irgendwann ohne sie weiter machen. Ich hab keine Ahnung, wie viel Zeit sie das kostet.“ Ich sah jedem in der Runde einen Moment in die Augen und fuhr dann fort, „Was ich aber weiß ist, es fehlen drei Toxische Schamanen, die mit einer unbekannte Anzahl an schmutzigen Bomben ein Land zerstören wollen. Was ich nicht geschehen lassen kann! Ich will das aufhalten!“, stellte ich mit Vehemenz fest.

Während ich diese Worte sagte, wurde mir klar, dass ich es genau so sah. Er war keine Frage. Ich wollte das stoppen, auch wenn es mein Leben in Gefahr brachte. 

Die Opposition schien riesig: Drei toxische Schamanen, die ungestraft ganze Züge der Sioux-Armee befehligen konnten, wenn sie wollten. 

Das konnte durchaus tödlich enden.

Doch ich - wir - konnten es stoppen und mussten es tun, egal was es uns kostete. 

❅❅❅

‹Papperlapapp, Drachenkätzchen. Auch eine Strasse zu überqueren, kann tödlich enden. Der Unterschied zwischen einem Dummkopf, einem Helden und einer Legende liegt in der Fähigkeit, sich selbst zu kennen und darin, die Geschwindigkeit des Autos richtig einzuschätzen, um bei der Metapher mit der Strasse zu bleiben. Der Dummkopf schätzt es falsch ein und wird überfahren. Der Held schätzt es richtig ein und rettet noch das Kind auf der Fahrbahn und die Legende macht das selbe wie der Held, sieht zusätzlich noch gut dabei aus und kann auf diese oder eine andere Art, immer wieder etwas oder jemanden retten.›

‹Wow, die Metapher gefällt mir. Selbstverständlich hast du recht, Katze, aber es war gefährlich. Das wirst du doch nicht abstreiten?›

‹Das tue ich nicht Drachenkätzchen. Gefährlich war es, worauf ich Eingangs gleich hingewiesen hatte. Und aufregend, spannend, geheimnisvoll und heldenhaft. Ja, du warst bereit, dein Leben in Gefahr zu bringen, um das Böse aufzuhalten und um andere zu retten. Aber du warst nicht bereit, dich zu opfern. Der Kloß, den du dabei in deinem Bauch gespürt hast, war anständiger Respekt vor der Opposition. Was dir im Härtefall das Leben retten kann.›

‹Wahrscheinlich. Doch vielleicht sehe auch ich irgendwann einen Wagen nicht kommen, Katze. Das könnte doch möglich sein.›

‹Ja, es könnte möglich sein. Sollte es dazu kommen, setzte ich darauf, dass da ein weiterer Held ist, der dich rechtzeitig wegreißt oder gleich das Auto von der Strasse fegt oder aber, dass du sonst irgendwie davon kommst, Drachenkätzchen. Zu sagen, ‚egal was es kostet‘ klingt als wärest du bereit dich zu opfern. Wir hatten das schon. Ein Opfer zu sein, steht Dir nicht. Eine Legende zu sein, hingegen schon.›

❅❅❅

Für einen Moment waren meine Kollegen völlig still. Charles nickte ernst und wirkte gleichzeitig eine Spur erleichtert. Er musste uns nun weder bitte, noch überzeugen.

Mr.Jack sagte, „Selbstverständlich will ich das auch aufhalten. Du bist also nicht allein damit, Snowcat.“

Ich war stolz auf meine Leute, denn am Ende war es für alle keine Frage gewesen und sie waren dabei, auch wenn ihre Motive unterschiedlich gewesen sein mögen.

„Was ist unser nächster Schritt?“, fragte Columbo.

Ich sah zu Bubbles, „Hast du irgendetwas aus dem Navi ziehen können?“

Das Mädchen nickte, „Ja, eine Route nach Wamsutter ist frisch eingestellt worden. Fahrtdauer so 9-10 Stunden.“

Ich sah Iron Horse fragend an, „Wamsutter? Was ist in Wamsutter?“

Iron Horse zuckte mit den Schultern, „Nichts, soweit ich weiß.“

Columbo verhörte noch einen der Techniker unter dem Einsatz eines ‚Wahrheit-analysieren-Zauber’. Aber der Techi wusste nichts. Selbst das mit Wamsutter hatte er erst von uns gehört. Obwohl ein kleines, nicht unwichtiges Detail brachte die Befragung doch ans Licht. Sein Team war, soweit er wusste, das fünfte gewesen.

Wir hatten es aller Wahrscheinlichkeit nach also mit vier Bomben zu tun.

Wir beschlossen die kleine Fahrzeugkolonnen mitzunehmen. Vielleicht konnten wir durch sie unauffälliger nach Wamsutter gelangen. Natürlich ohne das radioaktive Material oder den anderen Kram an Bord. Das luden wir ab.

Bubbles sammelte sämtliche Sprengladungen an der unterirdischen Strasse ein und stopfte sie in eine Tasche.

Die Techniker sperrten wir in Bunker Zwei. Dort hatten sie Betten, Wasser, Luft und sogar Lebensmittel.

Ich beruhigte die Männer, bevor wir das Schott von Bunker Zwei zuschweißten. Sie waren Techniker und würden vielleicht selbst einen Weg finden, dort wieder raus zu kommen. Für den Fall, dass sie das nicht wollten oder konnten, versprach ich, spätestens nach drei Tagen jemandem zu berichten, wo man sie finden konnte. 

Sie glaubten mir, was jetzt nicht weiter verwunderlich war. 

Zudem war es nicht einmal gelogen.

Wir verließen die Anlage auf dem Weg, auf dem wir gekommen waren. Ich sammelte sogar die Mesh-Tags wieder ein.

BCG erwartete uns mit dem Bison, dann fuhren wir zu den Koordinaten, die wir uns zuvor am Fuße der Ausfahrt nach oben gesetzt hatten. 

[Song 23: Blackfire - It Ain’t Over4] Wir sammelten unsere Fahrzeugkolonne ein und fuhren mit allen vier Wagen irgendwo in die Prärie der Great Plains, hielten an einer Stelle, die Iron Horse uns genannt hatte und versammelten uns im Bison, um unser weiteres Vorgehen zu besprechen.

Schnell stand fest, dass Verstärkung in jeglicher Form gut wäre. Wir wussten nicht, was genau uns erwartete, aber bei drei Toxischen Schamanen auf der anderen Seite, konnten wir mehr Firepower gebrauchen.

Wir hatten sogar kurz mit dem Gedanken gespielt unser Wissen an die offiziellen Stellen der Sioux weiter zu geben und die das übernehmen zu lassen. Ich traute mir durchaus zu jemanden davon überzeugen zu können, auch wenn wir eigentlich keine Beweise in der Hand hatten. Doch selbst wenn ich schnell beim Überzeugen gewesen wäre, wäre das immer noch viel zu langsam gewesen, um Unit 419 aufzuhalten.

Also waren wir auf uns gestellt. 

Thunderstrike wäre die perfekte Verstärkung. Er ist magisch aktiv, kann zaubern und kennt sich mit militärischen Strategien aus. Es war nur die Frage, wie bekamen wir ihn innerhalb von Stunden zu uns?

Um das herauszufinden bat ich Bloody Guts um eine sichere Verbindung ins Bootshaus. Es war zwar mitten in der Nacht, aber hey, wir waren Shadowrunner, da ist mitten in der Nacht die beste Arbeitszeit.

Doc war bei ebenfalls zugegen. Ich schilderte unsere Lage, fasste zusammen, was wir vermuteten, das uns erwarten würde und erklärte, was wir glaubten, brauchen zu können.

Doc versprach, sie würden sich etwas einfallen lassen und sich bald wieder melden. Thunderstrike ging schon mal packen.

Nachdem die beiden aus der Verbindung raus waren, fragte Bloody Guts, «Und was ist mit uns? Ihr könnt doch nicht die ganze Action ohne meinen Kumpel Rubber Duck und mich durchziehen. Wir wollen auch mitmachen!»

Ich lächelte sanft, «Wir könnten euch sicher auch gut brauchen. Doch im Gegensatz zu Thunderstrike, seid ihr nicht versiert in Halo-Absprüngen. Doch der könnte nötig sein. Die Grenzen in die Sioux sind zu und so lande ich bei dem gleichen Problem wie zuvor, ich hab keine Ahnung, wie wir euch zu uns bekommen.»

Bloody Guts nickte resigniert, «Verstehe, dann guck ich mal was ich über Wamsutter rausbekommen kann.» Bevor die Verbindung endete, hörte ich noch wie der Troll-Decker schimpfte, ‚Und ich hab noch gesagt, lass uns lieber gleich mitgehen und jetzt hängen wir hier fest, so eine Sch…‘ 

Als nächstes meldeten wir uns bei Light Foot. Ich bat sie so bald wir möglich zu unseren Koordinaten zu kommen und alles mitzubringen, was sie an Raketen oder schweren Waffen für Shark Finn kriegen konnte.

Die Zeit bis sie lieferte, konnten wir schon mal zum Sammeln von Ideen nutzen. Auch wenn wir nicht genau wussten, was uns erwarten würde, konnten wir Strategien durchsprechen.

„Unsere oberste Priorität liegt also darin, die Bomben nicht hochgehen zu lassen.“, stellte Columbo einige Zeit später schließlich fest.

Ich nickte, „Genau so ist es. Wir verhindern, dass die Bomben hochgehen und entschärfen sie möglichst permanent. Indem wir zum Beispiel das radioaktive Material vernichten oder stehlen oder irgendwas in der Art. Ob wir die toxischen Schamanen dabei töten oder gar einen lebend fangen, um das Kopfgeld bei der Draco Foundation zu kassieren, ist nur von optionalem Interesse.“

Trixhot meinte, „Was dann darauf hinausläuft, bis die Teile entschärft sind, halten wir Bubbles die Eingeborenen vom Leib.“ 

Iron Horse verzog beim Wort ‚Eingeborenen’ das Gesicht.

Trixhot hob beschwichtigend die Hände, „Sorry, ich meinte, wir halten ihr die Anderen vom Leib.“ 

„Das heißt Tangos.“, berichtigte Charles 

„Tangos? Woher kommt die Bezeichnung?“, fragte ich. 

Charles grinste böse, „T wie Terroristen.“

Columbo überlegte, „Das nächste ist ein A. Anti? Air? Allianz? Allgemein?“

Iron Horse zog die Augenbrauen zusammen, „Wovon spricht er?“ 

Mr.Jack zwinkerte Iron Horse zu, „Er ist sogar schon bei A.“ 

Charles Iron Horse verstand nicht.

Ich erklärte, „Columbo überlegt, wofür die anderen Buchstaben in Tango stehen, wenn T für Terrorist steht.“

Iron Horse schüttelte den Kopf, „Nicht doch. Tango nennt man den Buchstaben T beim Buchstabieren. Tango für T, wie der Anfangsbuchstabe bei Terrorist -oder bevor die meisten Ziele bei den Anglos Terroristen waren -Target. TangoS, steht also für mehrere Ziele.“ 

Columbo saß Charles an, „Achso. Früher waren die Buchstaben aber anders. Delta hieß da zum Beispiel Dorothy. Das Alphabet ist da schon wichtig, also vor 1930 könnte dann Tango auch für etwas ganz anderes gestanden haben. Oder die Tangos wären Tommys oder Tares, falls man andere Buchstabieralphabete nimmt.“ 

Charles sah nun zu mir, „Habt ihr ne Wette verloren oder seid ihr bei Kojote in Ungnade gefallen, dass ihr den dabei habt?“, fragte er ernst.

Ich lachte perlend, „Ach, wer weiß das schon. Es könnte doch auch gutes Karma sein?“

Columbo lachte nicht, „Abgesehen von den toxischen Schamanen und dem Geist, die das ganze Unternehmen schwierig machen werden, würde mich mal interessieren, wie gefährlich ist das radioaktive Material denn nun? Immerhin wollen wir es stehlen, wozu wir in dessen Nähe müssen.“ 

„Naja,“ meinte Bubbles nun, „Wie ich vorhin sagte, das Zeug ist ja aus den 50igern, also ist es nicht so potent wie heutiges Uran. Man verstrahlt nicht so leicht. Ein Bleimantel reicht wohl aus. Oder eben einer der moderne Transportbehälter, in die die es getan haben. Wenn es denn da noch drin ist. Wenn sie es offen in die Bomben einbauen, was man eigentlich nicht macht, aber wenn, dann sieht das schon anders aus.“ Das Mädchen zog ganz nebenbei einen bunten Plastiksaurier aus einer ihrer Taschen und stellte ihn vor sich ab, „Sagen wir mal so, das ist nichts, was man sich in die Hosentasche stecken oder runterschlucken sollte. Es ist allerdings auch nicht instabil. Soll heißen, es braucht andere Stoffe, um es hochgehen zu lassen. Was ziemlich gut ist, wenn wir damit abhauen wollen.“

Mr Jack lächelte verschmitzt, „Wir müssen also nicht unser T, wie Testament machen?“

Ich lachte erneut, „Nein, aber ihr müsst euch letzte Worte für die Nachwelt ausdenken, die wir festhalten, falls etwas schief geht.“

BCG grinste breit, „Der Tee ist aus.“ 

Mr.Jack hob beide Augenbrauen, „Genau!“ 

Bubbles sah ihn fragend an, „Deine letzten Worte für die Nachwelt, ist nur ein Wort und das ist ‚Genau‘?“

„Genau!“, antwortete Mr.Jack und fügte nach einer Pause hinzu, „Doch ‚der Tee ist aus‘ gefällt mir auch sehr gut.“

Bubbles warf einen fragenden Blick Richtung Columbo. Dieser sagte darauf, „Meine letzten Worte?- Mit Ares hätte das nicht passieren dürfen! Und deine Bubbles?“ 

Das Mädchen spielte mit dem Dino, „Kabumm! - Egal was passiert, Kabumm passt immer!“

TriXhot winkte ab, „Nun hört mal auf damit, wir brauchen keine letzten Worte. Wir packen das!“

Ich lächelte TriXhot herzlich an, „Natürlich packen wir das, darum brauchen wir auch kein Testament.“

Columbo verzog das Gesicht. Er war nicht gänzlich überzeugt.

BCG warf ihm einen freundlich Blick zu, „Keine Sorge vor dem bisschen Radioaktivität. Du hast doch unseren Plan gehört. Wir bleiben die ganze Zeit schön im Wagen.“ 

„Ist das ein Versprechen?“, wollte Iron Horse wie aus der Pistole geschossen wissen.

Ich lachte erneut und hob dabei die Hand, „Stopp BCG, versprich nichts, was du nachher nicht halten kannst, weil wir den Plan ändern.“

BCG schmollte grinsend, „Schade. Ich hatte gehofft, ich könnte mich nachher darauf berufen.“

Ich zwinkerte ihm zu, „Ich weiß.“

Light Foot hatte in dem extrem kurzen Zeitraum keine Raketen bekommen können, aber sie schleppte eine Ares Vigores, eine Sturmkanone mit vollem Magazin, an. Obwohl das Ding ein kleines Vermögen wert war, wollte sie kein Geld dafür. „Aber ich nehme den Bison mit.“, bot sie lächelnd an. 

„Guter Tausch.“, erwiderte ich.

Sie warf mir einen fragenden Blick zu, „Ehrlich? Ich nehme den Bison nur, wenn ihr ihn nicht braucht.“

Sie hatte Recht, wir brauchten den Bison nicht. Wir hatten mir dem kleinen Konvoi schon genug Wagen zu fahren und sollten wir aus Wamsutter abhauen müssen, war ein Bison kein geeignetes Fluchtfahrzeug.

Kurz vor 1.00 Uhr hatten wir all unser Equipment samt Drohnen in den Truck geladen und auf die Wagen verteilt.

Sowohl der GMC-MPUV, als auch der Ares Roadmaster, waren in einer ähnlichen Variante vorhanden, wie wir sie bereits vom Gefangenentransport her kannten. Allerdings war diesmal nur der GMC mit einem Rigger-Adapter versehen. Damit stand BCG als Fahrer dieses Wagens fest. Der Wagen besaß einen Waffenturm, aber wir hatten gerade keinen passenden externen Gunner, was noch ein Grund war, warum BCG den GMC fuhr.

Ich klemmte mich hinter das Steuer des Roadmasters und führte die Kolonne an. Iron Horse fuhr die Zugmaschine mit Hänger.

Bubbles hatte sich an den TAGs der Wagen zu schaffen gemacht. Bei Bedarf konnten wir die Kennung der Wagen ausschalten. Wir gingen allerdings davon aus, dass diesen Konvoi keiner aufhalten würde, auch wenn er mit Verspätung unterwegs war.

Und um etwas voraus zu nehmen: Genau so ist es dann auch gewesen.

[Song 24: Three Days Grace - Born Like This4] Um 1.00 Uhr am 17.06.2075 setzen wir Kurs auf Wamsutter, einer kleinen Ortschaft im Great Divide Basin.

Dabei mussten wir den Yellow Stone Park umgehen, denn er war Ende 2074 völlig abgeriegelt worden. Die gesamte Gegend hatte sich irgendwie so stark magisch aufgeladen, dass sogar die Critter ausgezogen waren. Eine Route durch Yellow Stone existierte defacto also nicht.

Kurz nach 3 Uhr meldete sich Bloody Guts, «Hey Hallo. Es gibt gute Neuigkeiten. Rogue Six ist vorhin hier im Lager eingetroffen und er ist bereit uns, also Rubber Duck und mich, zu fliegen.», begann er.

«Wow, das sind wirklich gute Neuigkeiten.», freute ich mich. 

Bloody Guts druckste kurz rum und sagte dann, «Ja, aber keiner wollte die Ablenkung für uns machen, weil das derzeit echt gefährlich ist. Die haben die Grenze richtig zugemacht. Aber wir brauchen eine Ablenkung, damit wir rüber können- und da ist Rogue Six gekommen und hat allen ein Bild von dir gezeigt und gesagt, wir müssen die Prinzessin retten und versprochen, wer mitmacht, kriegt dich in Person zu sehnen und äh, wir geben dann ne Runde und so.»

Ich schmunzelte breit, «Na das ist doch super! Ich werde gerne Prinzessin genannt und das mit dem Besuch im Lager und dem Treffen geht klar. »

Bloody Guts schien erleichtert und …

❅❅❅

‹Drachenkätzchen?›

‹Jaa, Katze?›

‹Dieses Piloten-Männchen mit dem Hubschrauber ist ziemlich clever, du solltest ihn in dein Rudel aufnehmen.›

‹Ich habe ihn doch schon gefragt, Katze, aber er wollte nicht.›

‹Dann musst du ihn eben noch mal fragen, Drachenkätzchen. Obwohl, solange er zur Stelle ist, wenn du ihn brauchst, muss er gar kein Rudelmitglied sein. Also vergiss es! Und nun erzähle weiter Drachenkätzchen!›

❅❅❅

Bloody Guts schien erleichtert und fügte hinzu, «Thunderstrike ist auch hier im Lager. Wir kommen dann zusammen.»

«Fantastisch. Hast du etwas über Wamsutter in Erfahrung gebracht?», fragte ich noch.

«Ja. Da gibt es nicht viel. Ist ein kleiner Ort, der inzwischen verlassen ist, weil es da vor Jahren mal in einer Raffinerie einen Unfall gab und Öl ausgelaufen oder Gas ausgeströmt ist, was die Gegend verseucht hat. Aber die Luft ist nicht giftig oder so.»

Irgendwie waren auch das gute Neuigkeiten, dann mussten wir uns wenigstens keine Sorgen um die Zivilbevölkerung machen.

Wir machten noch einen Zeit- und Treffpunkt in der Nähe von Wamsutter aus und beendeten die Verbindung.

Der Rest der Fahrt verlief ereignislos. 

❅❅

Pünktlich zu 10.00 Uhr hörten wir die Rotoren eines Hubschraubers, der sich im Tiefflug näherte. Kein Grund sich zu erschrecken, denn Rogue Six hatte sich schon kurz zuvor bei uns angemeldet. Sein Ares Dragon - schon wieder Ares - ich schmunzelte in mich hinein - ließ zu allererst einen Container ab.

Der Container hatte den Boden noch nicht berührt, da öffnete sich dessen Laderampe bereits und zwei Blitzkrieg7 Motorräder der Marke ‚Spezialanfertigung Liam‘ fuhren, nein sie sprangen geradezu, daraus hervor. 

Damit hatte ich nun nicht gerechnet. 

Die Blitzkrieg-Räder waren geschlossen, so dass man weder Fahrer noch Beifahrer erkennen konnte. Zudem waren die von Liam veränderten Modelle mit diversen Waffen ausgestattet und bis ins kleinste Details optimiert worden. 

«Guten Morgen Prinzessin, hallo Trixi, hallo der Rest.», erklang die Stimme von Rubber Duck über den Teamkanal. Gefolgt von einem, «Die Maschine ist echt geil Liam.»

«Finde ich auch.», erwiderte Liam da.

Liam war also mitgekommen, ich freute mich.

Justament tauchten Icons im Teamnetzwerk auf. Liam und Rubber Duck waren jeweils eine der Blitzkrieg gefahren. Sie hielten nach einer kleinen Extra-Runde an und stiegen ab.

Thunderstrike und Bloody Guts ließen es etwas langsamer angehen. Das ungleiche Paar - Bloody Guts, Troll, im schwarzen, apokalyptischen Outfit, mit blutrotem Mowhawk und schiefen Grinsen im schiefen Gesicht und Thunderstrike, nur halb so groß wie der Mann neben ihm, Zwerg, bis an die Zähne bewaffnet, in voller Kampfmontur, mit korrektem Haarschnitt und ernsten Blick - verließ den Container gemäßigten Schrittes, nachdem dieser sicher auf dem Boden angekommen war. 

Rogue Six landete gleich nebenan und kam bald darauf in seinem Rollstuhl die Rampe herunter gefahren.

Der Anblick der Verstärkung ließ mich fröhlich grinsen. Schon allein, dass wir Verstärkung kommen hätten lassen können, war großartig!

Thunderstrike stellte sich vor Iron Horse und salutierte. Keine Frage, dass der Native American diese Ehrenbezeugung erwiderte. Im Anschluss tauschten sie sofort aus, wer aus welcher Einheit stammte. 

Mein fröhliches Grinsen wurde noch breiter.

Da hatten sich zwei gefunden, die auch sogleich mit dem Planen begannen. Oder besser gesagt, sie erstellten Missions-Phasen, sahen Positionen vor und besprachen mögliche Strategien. Genau planen konnten sie nicht, denn wir wussten ja noch nicht, wie es in Wamsutter aussehen würde.

Eine Spur lasziv und hüftschwingend trat ich an Iron Horse heran, „Aber ich führe den Plan nur so aus, wenn er wirklich ‚gut‘ ist.“ , wobei ich das Wort ‚gut‘ so betonte, als könne man es zweideutig auffassen.

Iron Hose sah mich verständnislos an.

Ich lächelte, „Wenn ich hätte Befehle ausführen wollen, wäre ich ja zum Militär gegangen.“, dann zwinkerte ich ihm zu und meinte im normalen Ton, „Lasst uns erstmal ein bisschen mehr Aufklärung betreiben, dann plant es sich leichter.“

Thunderstrike sah mich an, „Genau darum ging es gerade. Wir müssen bei der Aufklärung vorsichtig vorgehen. Da die Landschaft sehr flach ist.“

Nach einer herzlichen Begrüßung aller Neuankömmlinge meinerseits und einer Vorstellung, wo es nötig war, kamen wir im Kreis beinander und fassten zusammen, worum es ging.

Die Stimmung war gut, so als hätten wir uns hier zu einer Runde Camping oder einem Ausflug getroffen und nicht so, als hätten wir vor, Toxischen Schamanen Atombomben unter der Nase weg zu stehlen. 

Im Anschluss an das ‚was?‘, landeten wir doch schon beim ‚wie?‘. So etwas verselbstständigt sich zuweilen.

Unser Team war größer geworden und wir konnten durchgehen, welche unserer Ansätze sich lohnen würde, detaillierter anzugehen.

Iron Horse dachte laut über die zuletzt angesprochene Idee nach, „Wenn wir an der Umsetzung arbeiten wollen, brauchen wir noch Fahrer. Nur der GMC und die beiden Motorräder sind riggbar. Wer kann denn noch gut Auto fahren?“ 

Ich meldete mich. 

Bubbles lachte, „Also ich bin Spezialist und meine Aufgabe ist klar. Aber ich würde mich an eurer Stelle ganz schön schämen Jungs, wenn Snowcat immer die ist, die sich bei allem meldet, weil sie es kann.“ Dann sah Bubbles zu Rogue Six und erklärte, „So geht das schon die ganze Reise. Einer fragt ‚wer kann das‘ oder ‚wer weiß was darüber’ und keiner außer Snowcat meldet sich.“

Ich warf einen leicht sehnsüchtigen Blick auf die Blitzkrieg, „Ich kann auch gut Motorrad fahren. Sehr gut sogar.“ 

Auf diese Äußerung bemerkte Liam in dem spöttisch, leicht aggressiven Ton, der ihm so zu eigen war, „Stimmt. Aber hätten wir einen Blitzangriff mit Bikes machen wollen, hätte ich noch mehr Motorräder mitgebracht.“ 

Womit klar war, dass ich heute keine Blitzkrieg fahren würde.

Doch bevor wir ins Detail gingen, mussten wir uns erstmal einen Überblick verschaffen und um einen besseren Blick zu bekommen, mussten wir näher ran.

„Auf fünf Kilometer wäre gut.“, meinte BCG, „Das reduziert das Noise, für ein Inspizieren per Drohne.“

„Was ist Noise?“, fragte Mr.Jack. 

„So eine Art weißes Rauschen, verursacht durch Entfernung und Differenzen durch andere Geräte.“, erklärte ich, „Es ist ein bisschen vergleichbar mit magischer Hintergrundstrahlung, nur eben für Decker oder Rigger.“

Also fuhren wir mit dem GMC, dem Roadmaster und den beiden Blitzkrieg bis auf fünf Kilometer an Wamsutter heran.

In unserer kleinen Senke in weiterer Entfernung blieben demnach nur der Truck, der Ares Dragon, Rogue Six, Bubbles, Bloody Guts und TriXhot zurück.

«Ich kann mit einer Drohne rüber fliegen.», bot BCG an. «Aber die perfekte Drohne dafür hab ich nicht dabei. Entweder ist sie zu auffällig oder zu klein. Die Große kann entdeckt werden, die kleine braucht ewig, bis wir einen Plan von der Lage haben.»

Columbo seufzte, „Ewig ist besser als nie. Ich würde mir das astral ansehen, aber bei den Geistern, die die haben könnten, könnte das problematisch sein.“

„Tja.“, meinte Liam mit sarkastische Unterton, „Jemanden mit Adleraugen müssten man haben. Jemanden, der sich einen Überblick verschafft. Ja, wenn wir so jemanden hätten.“

Ich grinste breit, weil ich wusste, wen Liam damit gemeint hatte und weil mir gerade eine Antwort auf die Frage eingefallen war, auf welche Art ich fliegen konnte, sagte ich, „Ich sehe mir das an. Ich beherrsche einen Gestaltwandlungszauber, damit kann ich fliegen.“, was ja nicht einmal gelogen war. Okay, es war kein Zauber im herkömmlichen Sinn, aber es war Magie. Dennoch könnte Columbo früher oder später etwas ahnen. Er hatte den Eisatem gesehen und konnte nun merken, dass ich in veränderter Gestalt via Commlink verbunden blieb. Ja, das konnte man mit Spezialequipment erklären, was ja auch tatsächlich der Grund dafür war. Doch spätestens wenn ich etwas sagte - und seit ich noch mehr Kontrolle über meine dragonische Gestalt besaß, konnte ich auch in Drakeform sprechen - konnte Columbo merken, dass dies ein ganz besonderer Zauber sein musste. Nun, wie auch immer, es ließ sich alles irgendwie erklären und am Ende war Columbo ein Mitglied von UC. Es ging in Ordnung, wenn er irgendwann erfuhr, dass ich ein Drake war. An die große Glocke würde ich es dennoch niemals hängen und dieses Geheimnis weiter so wenigen wie möglich preis geben.

❅❅❅

‹Haleluja, Drachenkätzchen!›

❅❅❅

„Ich werde zusätzlich einen Geist bitten, mich zu verschleiern.“, erzählte ich , „Das schützt mich vor astralen und mundänen Blicken. Ich kann deine Drohne mit in den Dienst einbeziehen, BCG. Dann kannst du die große Drohne nehmen. Da ich mein Commlink tragen werden, kannst du mich übers Teamnetzwerk lokalisieren.“

«Cool», kommentierte BCG.

Ich lächelte, „Ja, aber übertreibe es nicht. Verschleierung hilft nur bei der Tarnung. Am Besten, du fliegst so, als hättest du die Hilfe nicht.“

Ich gab Finn ein Zeichen, mir zu folgen. Meinen Rucksack nahm ich mit.

Es behagte Shark Finn nicht sonderlich, dass ich auf Erkundungsflug gehen würde, aber da der Vorschlag von seinem Oheim Liam gekommen war, widersprach er nicht. 

Ein Stück Abseits und jenseits der Augen meiner Mitstreiter, rief ich nach meiner Sylphe und bat sie, sowohl mich, als auch sich selbst und dann im Anschluss BCG’s Drohne zu verschleiern. Das kostete mich zwei Dienste, da ich verhindern wollte, dass mich die Sensoren der Drohne all zu leicht entdecken konnten.

«Gleich geht’s los.», gab ich übers Teamnetzwerk bekannt und zog mir im Anschluss eine Karte, die Bloody Guts von Wamsutter aus den tiefen der Matrix gezogen hatte, so ins AR-Overlay, dass sie automatisch halbdurchsichtig aufpoppen würde, wenn mein Commlink eine Übereinstimmung entdeckte.

«Copy, hab dein Signal auf dem Schirm. Werde dem grob folgen, aber Abstand halten.», erklärte BCG.

Dann wandelte ich mich.

Mit jeder dieser Wandlungen kommen die Kraft und Stärke meines dragonischen Körpers. Intensivere Sinneswahrnehmungen strömen auf mich ein. 

Intensiver denn je zuvor, durch mein Leben als Puma. Ich dankte dem Geist im Stillen. 

Dann der Augenblick in dem ich mich in die Lüfte erhebe. 

Wind und Magie unter jeder Schuppe. 

Es ist immer wieder ergreifend. 

Auch dieses Mal war es nicht anders. 

Die eigentlich eher karge Landschaft des Great Basins ergoss sich in ihrer vollen Wildheit und Würde unter mir. Von oben betrachtet war es wundervoll anzusehen.

Ich schraubte mich höher und spürte die Luft unter meinen Flügeln. 

Die Drohne blieb in meiner Nähe und ließ ihre Sensoren ständig aufzeichnen.

Selbstverständlich ließ auch ich die Kamera meines Commlinks laufen.

[Song 25: Lorde - Everybody wants to rule the world4] Schon viel zu bald kam Wamsutter in Sicht. Es war an der Zeit, sich auf das Wichtige zu konzentrieren. Ich flog nicht aus Spaß hier herum.

Wir näherten uns aus nördlicher Richtung. 

Das AR-Overlay erwachte zum Leben und Strassennahmen poppten auf.

Die Ortschaft lag auf knapp über 2000 Meter Höhe und hatte vor dem Gas-Unfall irgendwas zwischen 500 und 600 Einwohnern gehabt. 

Die Fläche war nicht sonderlich groß. Es standen gerade mal vier Quadratkilometer zu Buch und die Innenstadt war demnach winzig. 

In nordöstlicher Richtung führte ein Highway an der Ortschaft entlang und im Süden stellten Bahngleise die Ortsgrenze dar. Wiederum südlich der Gleise schimmerte magische Hintergrundstrahlung grünlich-blau im Tageslicht. Dort irgendwo war vor Jahren der Unfall geschehen, der den Erdboden vergiftet und aus Wamsutter eine Geisterstadt gemacht hatte. 

TAGs warnten davor das toxische Gebiet zu betreten. Weitere TAGs der Nature Medice Corporation verkünden gar, dass ein Projekt zur Säuberung des Gebiets laufe und das Betreten aus Sicherheitsgründen verboten sei.

Vier Schamanen, die einst ihr Land geschützt hatten, wollten noch mehr davon in eine trostlose Wüste verwandeln. Einen von ihnen hatten wir ausgeschaltet, blieben noch drei.

Das Rechteck des Grauen von heute lag im Zentrum des Ortes, zwischen der Swanson Street im Westen, der Murray Avenue im Norden, der Tierney Street im Osten und der Bugas Avenue im Süden.

Auf den Avenuen standen je zwei Zugmaschinen samt Hänger und 2 Roadmaster, die verteufelte Ähnlichkeit mit denen hatten, mit denen wir gekommen waren. 

Vier Trucks. Vier Ladungen. Vier Bomben.

An den vier Kreuzungen des Rechtecks standen je ein GMCMPUV mit Geschützturm, der mit einem Gunner besetzt war.

Nördlich der Bahnlinie bis hin zur Bugas Avenue zählte BCG fünf Patrouillen a vier Mann, alles Soldaten des Sioux Militär. 

Die gesamte Mitte des Blocks, was gut zwei Drittel der Fläche zwischen den vier Strassen ausmachte, war unbebaut und genau dort würde das Ritual stattfinden. Denn genau dort entstand gerade ein Ritual-Kreis. Zwei Personen arbeiteten daran. Außerdem zählten wir 10 weitere Soldaten.

Das war zusammen ziemlich viel Opposition. 

Sie würden das Material sicher nicht kampflos hergeben.

Doch es gab jetzt kein Zurück mehr. 

Wir würden diese dummen, machtgierigen Schamanen aufhalten. Und damit die Pläne eines Geistes zur Weltherrschaft durchkreuzen.

Auf dreien der flachen, ehemals weißen Dächer entdeckten wir Scharfschützen. Zwei saßen westlich der Swansea Street, einer östlich. Der auf dem östlichsten Gebäude hatte den Kreis genau im Visier. 

In der inneren Ecke des Rechteckes, zwischen Bugas Avenue und Tierney Street, waren fünf Partyzelte aufgebaut worden. Unter vieren davon konnten wir Techniker-Crews ausmachen. Unter dem fünften Zelt fehlte die Crew. Dort standen vier moderne Transportboxen mit radioaktivem Material. Vier weitere Soldaten bewachten das Zelt. 

Außerdem war dort noch eine Frau. 

«Ist auch ein weiblicher Schamane unter den drei letzten von Unit 419, Iron Horse?», fragte ich.

«Zwei sogar.», erwiderte er, «Das dort ist definitiv Judith Firethorn. Die andere ist Hellen Stormchaser und dann ist da noch Sam Looks Twice. Ich glaube beide am Kreis gesehen zu haben. Brauche für die sichere Identifizierung aber noch einen zweiten Überflug.»

«Den sollst du bekommen.», erklärte BCG. Gleich darauf drehte seine Drohne eine Kurve.

Auch ich gönnte mir noch eine zweite Runde.

Der Kreis war noch nicht geschlossen und damit nicht magisch aktiv. 

Ich atmete tief ein. Mein Drake-Herz klopfte wie wild vor Aufregung.

Ich konzentrierte mich und askennte den Geist, der in der Mitte des Kreises thronte. 

Beinahe hätte ich die Augen geschlossen, um sie vor dem grellen, gelben Licht zu schützen. Doch eigentlich war das kein grelles Licht. Was ich da sah, war nur die Botschaft, die in dessen Aura mitschwang. Das dort unten war vielleicht mal ein Freier Feuergeist gewesen. Doch jetzt war er das nicht mehr.

Ich blickte auf die astrale Gestalt eines Nuklear Geistes herab, der sich nichts sehnlicher wünschte, als die Welt mit seinem Strahlen zu verbrennen. 

Er wollte der Welt sein Brandzeichen aufdrücken und ihr ein neues Antlitz verleihen.

❅❅❅

[Song 26: Imagine Dragons - Battle Cry4]„Und wie lange werden sie noch brauchen, bis sie bereit für das Ritual sind?“, fragte Bubbles.

„Zum Sonnenuntergang sollten sie den Kreis fertig haben.“, erwiderte ich. 

„Na dann schlagen wir vor Sonnenuntergang zu.“, erklärte Thunderstrike.

Ich nickte, „Sehe ich auch so. Da ist es zwar noch hell, aber wenn der Kreis noch nicht fertig ist, stellt er keine magische Barriere dar. Wir könnten also sogar den Geist angreifen. Das gilt allerdings auch umkehrt. Viel wichtiger, wenn der Kreis noch nicht fertig ist und wir irgendwas nicht schaffen, können sie nicht einfach die Bomben zünden und alles starten.“

„Ich hab noch einen Vorteil.“, meinte Bubbles fröhlich, „Wenn wir früher losschlagen, ist das radioaktive Zeug noch nicht auf vier Bomben und um den ganzen Kreis im Viereck rum verteilt.“

Womit sie Recht hatte.

„Gut. Also vor Sonnenuntergang.“, bestätigte Iron Horse. 

Columbo fragte, „So ein Nuclear Spirit, was kann der wohl so?“ 

Ich überlegte kurz, „Ich schätze zu allererst hat er ähnliche Kräfte wie alle Geister. Angst, Zwang, Schutz und solche Dinge. Dann wird er einen elementaren Angriff haben. Statt Feuer wird es wahrscheinlich Radioaktivität sein. Keine Ahnung, was er noch für Spezialitäten hat. Feuer ist schon temperamentvoll und brennend. Nuklear wird noch aggressiver sein, vermute ich. Dann kommen noch Kräfte von freien Geistern hinzu.“ Ich sah in die ernst dreinblickende Runde. „In jeden Fall wird er schwer zu bannen sein. Denn das gilt für alle freien Geister.“ 

„Das klingt, als sollten wir uns nicht mit dem anlegen.“, stellte BCG fest, „Aber genau deshalb haben die Bomben auch Priorität eins.“, fügte er von selbst hinzu. 

Ich sah auf den Boden. Zwischen all dem Gras blühten kleine weiße Blümchen. Ich blickte wieder hoch, „Ich frage mich, wer geht mit so einem zerstörerischen Geist einen Pakt ein?“ 

Columbo grinste, „Wenn ich Chauvi wäre, würde ich sagen, eine Frau mit kalten Füssen.“

Shark Finn sagte, „Hey Bubbles, ob man Chauvi ohne Zähne besser aussprechen kann, als mit?“

Columbo verstand nicht, „Wieso?“ 

Bubbles sprach inzwischen das Wort Chauvi mehrmals hintereinander aus und presste dabei die Lippen zusammen. 

Columbo schaute verwundert drein, „Was?“, fragte er nun. 

Liam sah böse grinsend zu Columbo, „Frag doch noch zwei mal nach!“

Ich lachte.

❅❅

Nachdem wir nun alle Daten beisammen hatten, konnten wir mit dem Planen beginnen. 

Wir kamen sogar richtig gut voran. Irgendwann stießen wir dann auf ein Problem. Für unseren schönen Plan war der geriggte Wagen einfach zu klein. Für einen kurzen Moment hatte ich Sorge, wir müssten alles umschubsen und von vorne beginnen.

Doch dann sah Liam zu Bubbles und sagte, „Die Zeit reicht noch. Wir bauen die Riggeradaption aus dem GMC aus und in den Roadmaster ein.“ 

Bubbles griff nach ihrer Umhängetasche und stand auf, „Cool, er hat ausreichend Gunports, genug Platz und ist gepanzert. Das machen wir.“ Sie stapfte Richtung GMC. 

Via AR jubelten ihr sechs niedliche Keodashi zu und feuerten sie an.

Liam und Bubbles werkelten, was das Zeug hielt. Bubbles improvisierte noch aus irgendwelchen Teilen ein Netz, mit dem wir die Behälter mit dem radioaktiven Material einfangen konnten und dann machten sich die beiden an das Verminen unserer Fluchtroute.

Wir bereiteten uns alle vor. Das war mehr, als nur die Ausrüstung anzulegen und zu checken.

Im übertragenen Sinn legte jeder auf seine Weise Kriegsbemalung auf und hing dabei seinen eigenen Gedanken nach. 

Mr.Jack vollzog still seine Katas.

TriXhot polierte ihre Pistolen, die sie liebevoll Babies nannte.

Thunderstrike und Iron Horse waren sich auch hier ähnlich, sie checkten akribisch ihr Equipment.

Bubbles führte ein ernstes Gespräch mit einer abgegriffenen Iron Man Action Figur.

Die anderen unterhielten sich in Grüppchen, zurrten Ausrüstung fest, luden Waffen oder bemalten im wahrsten Sinne der Worte das Gesicht mit Tarnfarbe.

Die Gefahr war keine Frage.

Wir würden diesen Run durchziehen. 

Einfach, weil wir da waren.

Weil wir es konnten!

Bei mir gehörte es zu den Vorbereitungen, eine Healthy Glow und gleich darauf im Anschluss einen Make Over Zauber zu wirken. Wenn ich in eine Schlacht zog, wollte und konnte ich so gepflegt und so gut aussehen, wie möglich. Ich legte sogar noch ein Tropfen Parfum, diesmal wieder Kiss Of Summer, auf. Wobei mir zum ersten Mal bewusst wurde, wie außergewöhnlich ich duftete. 

Panzerung roch übrigens auch deutlich besser, wenn man sauber und gepflegt in sie stieg. Meine Panzerung selbst wurde selbstverständlich ebenfalls regelmäßig gepflegt und gereinigt. 

Wie immer ging ich geistig noch einmal den Plan durch und verinnerlichte die Fluchtrouten.

Genau, die Fluchtrouten.

Wenn es uns gelungen war, das radioaktive Material zu stehlen, war die Sache noch nicht vorbei. Wir mussten damit auch noch bis zu einem sicheren Hafen entkommen. 

Wir hatten bisher nur daran getüftelt, das Unheil zu verhindern und keine Zeit dafür gehabt, uns um das ‚danach‘ zu kümmern.

In den Hubschrauber und weg! Soviel war klar. 

Doch ohne Hilfe, Ablenkung und Richtung konnte uns in der jetzigen Situation im Land ein illegaler Grenzübergang schnell zum Verhängnis werden. Selbst wenn es gelang, musste uns der Nachbarstaat auch noch irgendwo landen lassen.

Ich verfasste eine Nachricht an meinem Mentor, in der ich ihm die Situation in wenigen Worten präzise auf Alt Sperethiel erklärte. An Ende bat ich ihn um jede ihm mögliche Hilfe für unsere wahrscheinlich ziemlich hektische Abreise, in Form einer Route, eines Landeplatzes oder einer Kennung für den Hubschrauber.

Ich warf einen Blick auf die Checkliste. Ein paar Kleinigkeiten mussten noch erledigt werden, bevor wir loslegen konnten. Nichts davon war für mich zu tun.

Ich hatte also noch ein bisschen Zeit und genoß den warmen Sommerwind auf meinem Gesicht.

Die Opposition war gewaltig, doch unser Plan war gut und auf das Nuklearmaterial konzentriert. Wir konnten es schaffen.

Obwohl, das reichte nicht. Wir mussten es schaffen! 

Also würden wir es schaffen!

Der warme Wind erinnerte mich an die sanfte Berührung eines Liebhabers.

Ich rief die Kurznachrichten-Funktion an meinem Commlink auf und tippte:

>Liebster, Geliebter, MyKnight!

Das Land der Wildkatzen hat uns ein gefährliches Abenteuer bereitet.

Gleich werde ich zu einer Schlacht gegen ‚das Böse‘ aufbrechen. Obwohl, das stimmt nicht ganz. Eigentlich werden wir vielmehr einen trickreich Raubzug unternehmen, um einer Gruppe böser Zauberer und einem Geist, das Gift zu stehlen, mit dem sie das Land verderben wollen.

Das heiße Blut des bevorstehenden Kampfes rauscht bereits in mir und so bin ich sicher, dass wir erfolgreich sein werden.

Und wenn dem nicht so ist, dann harre ich einfach aus, bis du kommst, mich zu retten.

In tiefer Liebe

S.

[Song 27: Alexandre Desplat/ Zero Dark Thirty - Preparation for Attack4] Wir luden all unser Zeug, welches wir nicht für den Einsatz brauchten, in einen Container bei Rogue Six.

Liam warf Spezialgranaten in den Truck und den GMCMPUV. Der ausströmende Stoff zersetzte unsere DNA.

Soweit war alles klar.

Schließlich kamen wir noch einmal zu unserer letzten Besprechung zusammen.

„Okay,“, begann ich mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen, „Jeder weiß, was er zu tun hat. Jeder kennt seine Position. Unser Plan ist genial und wir werden die Fragger mitten in den Vorbereitungen völlig überraschen. Sie ahnen wahrscheinlich, dass etwas nicht stimmt, weil die fünfte Kolonne ausblieb. Doch sie können keine Kräfte von der Vorbereitungen für das Ritual abziehen. Das ist gut für uns. - Weicht bitte nur vom Plan ab, wenn es unbedingt nötig ist. Bloody Guts wird das Teamnetzwerk mit frischen Daten versorgen. Sagt aber ruhig trotzdem an, was ihr tut oder wenn ihr etwas bemerkt oder seht. Sagt lieber zu viel an, als zu wenig.“ Ich klatschte einmal in die Hände, „Also los, retten wir ein Stück der Welt. Wer mag, darf sich hinterher gerne Held nennen.“ Ich zwinkerte TriXhot zu.

Bloody Guts grinste, „Wie nennen wir denn ‚vorher‘ unsere Teams? Dann kann ich das beschriften.“

Mr.Jack hatte sofort eine Antwort parat, „Dorothy und Delta?“ 

Wir lachten. 

„Abgemacht, nennen wir die beiden Angriff-Teams Dorothy und Delta.“, bestätigte ich.

„Und das Sniperteam nennen wir dann Sugar.“, schlug Bubbles vor.

Shark Finn verdrehte die Augen, nickte dann aber.

Bloody Guts trug die Namen ein.

Es gab nichts mehr zu besprechen und wenn doch, konnten wir das via Teamkanal klären.

Ich nickte Shark Finn und Thunderstrike zu. „Dann macht euch auf den Weg.“

„Bis gleich.“, meinte Shark Finn.

„Bis gleich.“, erwiderte ich.

Die beiden setzten sich in Bewegung. Ich schmunzelte. Thunderstrike war schon wieder mit einem Troll unterwegs. Der Unterschied im Punkto Körpergröße war wirklich bemerkenswert.

❅ 

Obwohl die beiden noch eine Weile brauchen würden bis sie ihren Zielort erreicht hatten, verabschiedeten wir uns auch schon von Rogue Six und bestiegen unsere Fahrzeuge.

Rubber Duck und Liam würden die beiden Blitzkrieg fahren. Der Rest von uns stieg in den Roadmaster.

BCG setzte sich an Steuer des jetzt geriggten Wagens. Ich gab den Beifahrer. Katze sprang auf meinen Schoß und machte es sich dort bequem. TriXhot und Iron Horse nahmen hinten an den Gunports Platz. Von hier konnte jeder mit der Waffe seiner Wahl Gegner auf einer Seite unter Beschuss nehmen. Columbo und Mr Jack setzten sich vor die Hecktür und unser technisches Team bestehend aus Bubbles und Bloody Guts, besetzten die mittleren Plätze, um sich um Teamnetzwerk, Überwachung und alles zu kümmern, was sonst so anfiel.

Dann fuhren wir auf einem Umweg auf unsere Warteposition.

❅❅

[Song 28: Trevor Jones/The Last Of The Mohicans - Promentory4] «Sugar eins und Sugar zwei in Position.», meldeten Shark Finn und Thunderstrike von einem Dach aus, das hinter den Dächer lag, auf dem die Sioux-Scharfschützen saßen.

Mein Herz schlug wild vor Aufregung, «Dann Go!», wies ich an und schluckte den Popper. 

Das körpereigene Adrenalin rauschte zusammen mit der Kampfdroge durch meine Venen.

Die Fahrzeuge setzten sich in Bewegung.

Nach wenigen Metern beschleunigten die beiden Blitzkrieg, die von eine Steelinx Drohe begleitet wurden. 

Team Delta würde gleich das Lager heftig aufmischen. 

«Erster Sniper down.», sagte Thunderstrike an.

«Zweiter Sniper down.», fügte Shark Finn gleich darauf hinzu.

Die Blitzkrieg vor uns teilten sich. Eine fuhr rechts, die andere links um das Rechteck des Grauens herum.

«Dritter und letzter Sniper down.», verkündete Thunderstrike.

Shark Finn meldete, «Nehme jetzt die Wagen unter Beschuss.»

«Team Delta - Feuer frei.», sagte ich an.

Jetzt wurde es laut. Schwere Waffen nahmen das Rechteck und die Militärfahrzeuge unter Beschuss. 

Soldaten brachen in Aktion aus. Das mochten nur normale Soldaten sein, doch auch sie waren für solche Situationen ausgebildet worden.

Wir bretterten im hohen Tempo Richtung Zelt mit dem Nuklear Material. 

Iron Horse und TriXhot fanden Ziele, die sie aus den Gunports heraus beschossen.

Soldaten in Militärpanzern suchten Deckung. Panik brach nicht aus, dazu waren sie zu gut trainiert.

Kaum hatten wir einen Punkt passiert, formierten sie sich.

Shark Finn gab bekannt, «Setze mich jetzt zu Punkt Alpha ab.»

«Bloody Guts, schalte den fragging Decker aus, der hier irgendwo sitzt!», verlangte Rubber Duck, «Ich hab Marks auf den Drohnen!»

«Mach ich. Keine Sorge, ich finde den Fragger.», versprach unser Decker.

Es war toll mit anzusehen, wie die Blitzkrieg ihre riskanten Manöver vollzogen. Doch langsam wurde es unübersichtlich und ich schnippte die vielen Kamerafeeds in den Hintergrund.

Praktisch im Vorbeifahren askennte ich den Nuklear Geist im Kreis noch einmal genau. 

Gleich im Anschluss zauberte ich und hüllte Sam Looks Twice und Hellen Stormchaser in eine Wolke aus Schneechaos und Glitzer. 

Judith Firethorn konnte ich dort nicht sehen. 

Die Steelynx raste auf die Schamanen zu und nahm den gesamten Kreis unter Supression Fire.

Dann schleuderte mich die rasante Wende aus dem Sichtfeld und eine scharfe Bremsung drückte mich heftig in den Sitz.

Jetzt kam der Part, der wirklich zählte.

Ich konnte von meiner Position aus nicht viel tun, außer Godfather Kituma, meinen Guidance-Spirit hinter die Trennwand im Wagen zu schicken, um ihn dort das Team sowohl magisch, als auch vor Unfällen schützen zu lassen.

Ich selbst wappnete den Roadmaster, BCG und mich gegen feindliche Magie.

Columbo stieß die Hecktür auf.

Mr.Jack sprang aus dem Wagen.

Das Sixpack richtete seine Waffen auf die Türen, bereit, jeden zu erschießen, der in den Wagen wollte und nicht zum Team gehörte.

BCG war super gefahren und hatte uns in eine perfekte Position gebracht,

Mr. Jack machte nur wenige Schritte schräg vor und warf das Netz geschickt über die Transportbehälter mit dem Nuklearmaterial. Dann riss er die zweite Leine und das von Bubbles gebaute Netz zog sich zusammen.

Columbo begann augenblicklich damit, das Gebilde zu levitieren. Das Ziel unserer Aktion schwebte auf unseren Roadmaster zu.

Plötzlich schrie Bubbles «Iiihhh - Kontakt! Kontakt! Äh, Geisterkontakt bei Mr.Jack!»

Ich zommte den entsprechenden Feed auf. 

Mr.Jack befand sich mit einem hässlich-braunen Etwas von Geist im Nahkampf. Er wich aus und schlug zu. 

Einmal, zweimal. Und noch mal, ausweichen, zuschlagen. Von diesem giftigen Geist wollte man auch lieber nicht getroffen werden.

Ein letzter Schlag, dann löste sich die Gefahr auch schon wieder in Luft auf. 

Doch verdammt. 

Dort! 

Einer der Soldaten richtete sein Sturmgewehr direkt auf Mr.Jack aus. Er war so nah, dass er unseren Nahkämpfer mit eine Salve durchsieben würde.

Columbo hatte das auch gesehen und gestikulierte. Er versuchte den Angreifer mit einem Zauber am Boden festzubinden. Das behinderte den Soldaten zwar, doch das reichte nicht. 

Der Sioux drückte den Abzug seines Sturmgewehrs voll durch. 

Ich hielt den Atem an und griff mehr unterbewusst nach einem Traumapatch an meinem Gürtel.

Klickklick… Klickklick… 

Die Waffe rauchte und qualmte nur.

Bloody Guts lachte, «Das nächste Bier zahlst du Jack.» 

Mr.Jack hatte keine Zeit sich zu bedanken, denn Columbo fluchte laut, «Mist, mein Zauber wurde gebrochen.» 

Die Levitation hörte auf und das Netz mit den schweren Behältern fiel polternd zu Boden. 

Mr.Jack reagierte schnell, schnappte das Netz und hievte es das letzte Stück in den Wagen. 

Bubbles zog daran und sicherte unseren Schatz augenblicklich. 

Gerade noch rechtzeitig, denn da wackelte der Wagen auch schon. Grüner stinkender Qualm hüllte unseren Roadmaster ein, breitete sich im hinteren Innenraum aus und - zerfaserte bald darauf.

Unsere Spruchabwehr hatte dem feindlichen Zauber einigermaßen standgehalten und nicht mehr als Panzerung ruiniert.

Glück gehabt.

Mr.Jack knallte die Tür zu.

Bubbles rief, «Alles drin. Fahr los!»

BCG gab Gas.

Rubber Duck meldete , «Hole Thunderstrike ab, stoße dann auf Route Alpha zu euch.»

BCG wendete den Wagen und nahm noch einen kleinen Umweg über den Ritualkreis, der nicht fertig geworden war. 

Der Wagen rumpelte, als BCG eiskalt die beiden am Boden liegenden Schamanen überfuhr.

Wagen folgten uns.

In einem von ihnen musste Firethorn sitzen, denn diverse Zauber prasselten auf uns ein.

Unser Heil lag im Flussbett.

Rubber Duck mit Thunderstrike an Bord, schloss zu uns auf. Wir ließen den Blitzkrieg die Vorfahrt und setzten zur Abwehr, auf die Schützen an den Gunports.

An Punkt Alpha büssten wir ein Stück unseres Vorsprungs ein, da wir Shark Finn an Bord holten.

Zum Ausgleich schoss er mit dem Thunderstruck, das Thunderstrike ihm von zu Hause mitgebracht hatte, in den Motor des ersten Verfolgers. 

Der stoppte wie vom Hammer getroffen.

Dann passierten wir Punkt Bravo.

Kabumm!

Und nochmal, Kabumm!

Zwei weitere Verfolger flogen unter dem Jubel von Bubbles in die Luft, als diese im richtigen Moment die vergrabenen Ladungen zündete.

Unser Abstand zum letzten, bereits angeschlagenen Verfolger vergrößerte sich deutlich.

Plötzlich manifestierte sich eine grüngelbe Wolke vor unserem Wagen. 

Der Geigerzähler von Bubbles begann laut zu knistern. 

Ich hielt den Atem an und bereitete mich auf einen Kampf vor. 

BCG beschleunigte und …

… wir fuhren einfach durch die Wolke hindurch.

Der Nukelar-Geist folgte uns nicht. 

Hatte er Angst? 

War das eine Drohung gewesen? 

Hatte er uns askennt?

Ich wusste es nicht. 

Darüber konnte ich mir später Gedanken machen, denn jetzt waren wir all dem erstmal entkommen.

Jedenfalls bis hierher.

Zwei Flugkampfdrohnen, die aussahen, als wären sie Kampfjets in Klein, kamen uns entgehen, um unseren Rückweg zu sichern. Sie stellten keine Bedrohung, denn sie würden von Rogue Six gesteuert.

Ich nahm immer wieder astral wahr, um sicher zu gehen, dass uns kein Geist im Nacken saß. 

Nach wenigen Minuten im rumpelnden Vollgas durch die Prärie, erreichten wir den Meeting Point mit Rogue Six. 

Wir luden im Eiltempo alles in den Dragon um.

Liam sah Bubbles an: „Hast du noch genug?“ 

Sie nickte, „Ja. Ich werf' gleich was rein. Hab auch noch was in Truck und GMC platziert, geht in ein paar Minuten via Zeitzünder hoch. Sicher ist sicher.“

Liam lächelte stolz.

Als ich in den Hubschrauber stieg, war es dringend Zeit meine Emails zu checken. 

Mein Herz schlug heftig, hatten wir ein Ziel oder würden wir uns durchschlagen müssen?

Freude breitete sich in mir aus. Ich hatte eine Antwort von Ehran.

Sie war kurz und knapp. <Stellt als Kennung ‚ETS2‘ ein. Strahlt diese Kennung auch aus. Fliegt dann nach Cheyenne und folgt den Anweisungen von Flight Control.>

Ich gab das weiter.

Iron Horse hob überrascht beide Augenbrauen. 

Auch ein Großteil der anderen starrte mich an.

«Ich wiederhole, ETS2 als Kennung, Cheyenne als Ziel. Hab ich das richtig verstanden?», fragte Rogue Six nach.

«Ja, das ist korrekt.», bestätigte ich.

«Copy».

Ich verstand die Reaktion der anderen nur all zu gut. Ich selbst hatte nicht damit gerechnet. «Keine Sorge, der Kontakt ist vertrauenswürdig.», erklärte ich, «Glaubt mir, das ist das Beste.»

Charles Iron Horse nickte mir zu. Er glaubte mir. Sein Blick viel auf das Netz mit den Behältern.

Erleichterung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

«Danke!», sagte er. Und einen kurzen Moment später, «Ich danke euch allen!»

Dann lachte er und meinte stolz, «Das war ein ‚Zählender Streich‘!»

❅❅

Mit dem Auto würde man für die 250 Meilen von Wamsutter nach Cheyenne 3-4 Stunden brauchen. Mit dem Hubschrauber ging es um ein vielfaches schneller. 

Ich ging an mein Gepäck, kramte darin und zog mich um. Ein helles Spaghetti-Träger-Fransenkleid mit nativem Muster [Bild], Cowboy-Stiefel [Bild] und die in Butte erworbene Lederjacke schienen mir die passende Kleidung, für was auch immer jetzt kam. Eine weiterer Healthy Glow Zauber entfernte Schweiß und Dreck. Ein Make Over passte mein MakeUp dem Outfit an. Was Haut und Haar anging, behielt ich meinen natürlichen Ton bei, auch wenn ich damit wohl das hellste Geschöpf sein würde, das man in Cheyenne je gesehen hatte.

Während es Shark Finn wohl lieber gewesen wäre, ich wäre geblieben, wie ich war, stieß Rubber Duck einen anerkennenden Pfiff aus.

Die Anspannung im Hubschrauber stieg mit jedem Meter wieder, den wir zurücklegten. Jedenfalls bei den Meisten an Bord.

[Song 29: A Tribe Called Red - R.E.D.4] Man funkte uns an. Rogue Six wiederholte die Kennung und wir bekamen auf dem Flughafen von Cheyenne einen Landeplatz zugewiesen. Mein Puls beschleunigte sich.

❅❅❅

‹Moment mal Drachenkätzchen, das klingt jetzt so, als hättest du zu diesem Zeitpunkt Sorge gehabt, etwas könnte schief gehen. Dabei warst du doch da bereits voll in deinem Element und frei von jeglicher Sorge.›

‹Das ist schon richtig Katze, aber da ich nicht einmal ansatzweise wusste, was uns nun erwarten würde, konnte ich doch aufgeregt sein. Da ist doch dann immer all die Neugier.›

‹Gut, ich wollte nur nicht, dass hier Missverständnisse auftauchen. Erzähl weiter, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Im Hangar warten Soldaten der Sioux Defence Force, die keinerlei aggressive oder bedrohliche Haltung angenommen hatten. 

Ich stieg in Begleitung von Shark Finn aus, der sich ebenfalls umgezogen hatte und nun seine Sonnenbrille aufsetzte.  

Einer der Soldaten kam mit gesenkter Waffe zu uns rüber und bat uns, zu warten, da gleich jemand kommen würde. Erfrischungen und Snacks im Automaten seien derweil kostenlos und wir dürften uns gerne bedienen.

Wir warteten lieber im Ares Dragon.

Ich nutzte den Moment und schrieb an Harlequin. 

<Liebster, Geliebter, MyKnight.

Gerade sind wir in gesicherter Umgebung gelandet. Details gibt es, wenn wir uns wieder sehen.

In tiefer Liebe

S.>

‚Gleich’ ist ein relativer Begriff. 

Wir warteten. 

Einige von uns waren dabei geduldiger, als andere. Ich für meinen Teil riet schon mal allen, im Hubschrauber zu bleiben, wenn irgendwann ‚jemand‘ kam. Niemand von uns musste sich ohne Grund sehen lassen und im Ernstfall waren wir schneller wieder weg, wenn weniger von uns ausgestiegen waren.

„Bloody Guts, stell bitte aus dem Bildmaterial einen Chip mit Beweisen zusammen. Fang bei der Unterirdischen Anlage an. Kommentarlos, den Rest erledige ich.“, bat ich unseren Decker.

Ich setzte mich auf einen Sitz und begann augenblicklich damit, einen ausführlichen Bericht darüber zu erstellen, was wir in den letzten 24 Stunden herausgefunden hatten.

Da ich mehr Zeit dafür bekam, als zunächst erwartet, wurde der Bericht richtig ausführlich. Ich verwies an passenden Stellen auf Fotos und Filmmaterial und suchte gemeinsam mit unserem Decker passende Detailaufnahmen heraus.

❅❅

Nach zwei Stunden betrat ein älterer Native in einer Uniform der Sioux Wildcats den Hangar. Zwei weitere Wildcats flankierten ihn. 

Liam sprang auf und packte Bubbles am Kragen. „Du bleibst schön hier!“, zischte er. 

Der Mann in der Mitte war Roger Soaring Owl, Ex -Chef von Knight Errant und zwar weltweit. Jüngst hatte er Ares verlassen und war zu den Sioux zurück gekehrt. Ich hatte gehört, dass er dabei all seine Ares-Verbindungen zu den Sioux mitgenommen hatte. Letzteres hatte weder Ares, noch den Sioux sonderlich gut gefallen. 

Der Grund dafür, dass Bubbles gerade nur schwer zu bändigen war, da sie den Mann unbedingt töten wollte, lag nicht nur darin, dass Roger Soaring Owl bis vor Kurzem noch eine Schlüsselposition bei Ares besessen hatte. Genau dieser Mann hatte damals den ausführenden Befehl gegeben, die Atombombe in Chicago zu zünden.

Ich drückte jeden Gedanken daran beiseite, nahm eine gerade Haltung an und setzte ein perfektes, aber noch dezentes Lächeln auf.

Iron Horse war neben Shark Finn an meine Seite getreten. „Er wird mich in jedem Fall befragen wollen.“, erklärte er.

Ich nickte. 

Auch Columbo hatte sich zu uns gesellt. 

„Bist du wirklich sicher, dass du dich zeigen möchtest?“, fragte ich nach. 

„Klar, die kennen mich bei Ares eh schon.“, erwiderte er. 

Die Logik leuchtete mir nicht ein, selbst wenn sie ihn bei Ares wirklich kannten, musste er den Sioux dann zeigen, dass er jetzt Shadowrunner geworden war? Doch mir sollte es gleich sein, ich hinderte niemanden daran jetzt mitzukommen. Abgesehen von Bubbles natürlich.

Zornerfüllt kommentierte das Mädchen unseren Abgang, „Ja, der Ares-in-den-Arsch-Kriecher Columbo geht natürlich mit.“ Sie sprang hoch, nur um wieder von Liam in den Sitz gedrückt zu werden. „Verräter!“, rief Bubbles Columbo hinterher. 

Gleich darauf funkte Bubbles auf meinem Direktkanal, «Snowcat, pass bloß auf, Columbo will uns bestimmt an Ares verkaufen!»

Wir stiegen aus und Roger Soaring Owl trat mit einem äußerst respektvollen und anerkennenden Gesichtsausdruck auf mich zu, „Du musst Snowcat sein. Ich habe schon viel von dir gehört.“ 

Ich lächelte charmant, „Ich hoffe nur Gutes. Ich bin erfreut dich kennen zu lernen Roger Soaring Owl!“ 

Soaring Owl wurde ernst, „Ich habe gehört, du hast etwas dabei, was von großen Interesse für mich und die Sioux ist. Ich bin vor Kurzem zum Oberkommandierenden der Sioux Defence Force ernannt worden. Ich kann also über alles entscheiden, was heute entschieden werden muss.“

„Wie gut für uns und meinen Glückwunsch zur Ernennung.“, sagte ich.

Soaring Owl machte keine Anstalten Iron Horse festnehmen zu lassen, er grüßte ihn mit einem simplen, „Guten Morgen Iron Horse.“, nannte ihn also nicht bei seinem Rang, sah mich kurz an, zögerte und wies dann mit einen Handbewegung an einen Tisch nahe der Snackautomaten. Auf der einen Seite des Tisches standen sechs Stühle und auf der gegenüberliegenden Seite war nur ein Stuhl zu sehen.

Wir nahmen auf der Seite mit den sechs Stühlen Platz. Shark Finn blieb hinter mir stehen und das, obwohl es auf dieser Seite des Tisches eine für Trolle geeignete Sitzgelegenheit gab.

Ich gebe zu, ich hatte meine Position ein wenig ausgereizt, als ich dem Chef der Sioux Defence Force das radioaktive Material nicht gleich ausgehändigt hatte. Doch da er nicht nachgefragt und ich auch nicht gewusst hatte, was an Information mein Mentor weitergegeben hatte, ging das wohl in Ordnung.

Zu allererst übergab ich Roger den Chip, den ich gemeinsam mit Bloody Guts erstellt hatte.

Dann begann ich zu berichten, was wir erlebt hatten, wobei ich geschickt weder zugab, an der Befreiung von Iron Horse beteiligt gewesen zu sein, noch die Namen meiner Kollegen erwähnte oder preis gab, dass wir Verstärkung geholt hatten. 

[Song 30: INXS - Devil Inside4] Ich blieb bei den Fakten, ließ zwischendurch aber immer wieder meinen Charme spielen, indem ich eine passende Bemerkung machte, Blickkontakt aufnahm oder einen wohl gekonnten Augenaufschlag hinzufügte.

Richtiges Flirten war das noch nicht, aber es war deutlich mehr, als man bei einem trockenen Bericht jemals erwarten würde. 

Mein Gegenüber konnte damit umgehen. Immerhin war er Chef eines Konzerns gewesen, auch wenn es sich dabei um eine Sicherheitsfirma gehandelt hatte, musste er dennoch daran gewöhnt sein, sich auf dem sozialen Parket zu bewegen.

Soaring Owl hörte mir zunächst aufmerksam zu und unterbrach mich nicht.

Dann begann das Nachfragen. 

Auch Iron Horse bekam Fragen gestellt. Wir bewegten uns irgendwo zwischen klassischem Debriefing und Verhör. Wobei der Tonfall bei mir bei dem eines Debriefings lag und bei Iron Horse mehr Richtung Verhör ging, besonders, wenn es die Zeit vor dessen Verhaftung betraf.

Irgendwann bemerkte ich mehr aus den Augenwinkeln heraus einen Mann, der mit Wischmob und Eimer im Hangar umherlief und putzte. Zunächst schien mir das völlig unauffällig. Doch dann wurde mir bewusst, dass solche Arbeiten heutzutage doch mehr durch Drohnen erledigt werden würden. Besonders hier in der Sioux Nation. 

Als sich während der Befragung eine günstige Gelegenheit ergab, warf ich, von Soaring Owl unbemerkt, einen Blick in die entsprechende Richtung. Der Mann trug einen Overall, wie ich ihn auf dem Flughafen von Cheyenne schon gesehen hatte, dazu Cowboyboots und ein rotes Bandana, unter dem dichtes schwarzes Haar hervorkam, welches ihm bis zu den Schultern reichte. Er hatte mir gerade den Rücken zugekehrt. Ich konnte also nicht viel von seiner Haut sehen, aber seinen Händen nach konnte er gut ein Native American sein. A pro pos Rückseite, wow, was für ein knackiger Hintern! Der Typ wischte ziemlich eifrig den Boden und …er sang dabei: ♪ … look in her eye♪ Raised on leather♪ With flesh on her mind♪ Words as weapons♪ Sharper than knives♪ makes …♪

Was zur Hölle sang der da? INXS und einen Song von 1988? Ich fasste es nicht. Der Hintern kam mir unglaublich bekannt vor. Mein Puls beschleunigte sich. Außer mir bemerkte ihn niemand. Wow, er war einfach unglaublich gut!

Innerhalb einer Stunde wurde der Ton von Soaring Owl immer freundlicher.

Ich gab weiterhin nichts von dem preis, was nichts mit der Sache zu tun hatte. 

Columbo oder Shark Finn bekamen nicht eine einzige Frage gestellt. Der Chef der Sioux Defence Force beachtete sie kaum.  

Nach insgesamt zweieinhalb Stunden sagte Roger Soaring Owl schließlich, „Damit sind alle Fragen beantwortet.“ Dann sah er mich an, „Ich danke dir Snowcat. Du hast mir und der gesamten Sioux Nation einen großen Dienst erwiesen, den ich nicht vergessen werde. Richte auch deinem Team meinen Dank aus.“

Ich lächelte, „Wir sind froh, dass wir zugegen waren und es aufgehalten haben. Im Gegenzug möchte ich mich aufrichtig für den freundlichen Umgang mit uns bedanken. Es ist nicht selbstverständlich, dass du bereit warst jemandem aus meinem Genre und mit meiner SIN zuzuhören.“

Versteht mich nicht falsch, ich hatte ihm meine SIN nicht gezeigt. Ich hatte damit nur durchblicken lassen, dass ich ihm dankbar dafür war, dass er uns aus unserer zweifelhaften Herkunft, der Tatsache, dass wir die Grenze illegal übertreten und diverse Soldaten getötet hatten, keinen Strick zu drehen versuchte.

Soaring Owl sah nun zu Iron Horse, „Deine Ehre ist wieder hergestellt, Charles Iron Horse und du kannst ab sofort wieder deinen Dienst als Captain bei den Wildcats antreten.“ 

Iron Horse erwiderte nicht weiter überraschend, „Nein, danke. Ich quittiere hiermit meinen Dienst mit sofortiger Wirkung und trete aus der Armee aus.“ 

Soaring Owl nickte, „Verstehe.“, er erhob sich. „Selbstverständlich habt ihr nun freies Geleit aus der Sioux Nation. Ich begleite dich noch zu eurem Hubschrauber Snowcat, dann kann ich auch die Übergabe der vier Materialbehälter bestätigen.“

Ich lächelte, stand auf und wartete, bis Soaring Owl an meine Seite getreten war.

Der ‚Hausmeister‘ wischte jetzt am Getränkeautomaten und war mir ziemlich nah. Er zwinkerte mir zu und schickte mir einen Luftkuss, den ich förmlich auf meinen Lippen schmecken konnte. Auch wenn mir das Gesicht des Sioux nicht bekannt vorkam, so war mir doch sein Lächeln wundervoll vertraut und das rot geschminkte Karo über seinem linken Auge unverkennbar.

„Noch mal vielen Dank für deine Gastfreundschaft.“, sagte ich lächelnd zu Roger Soaring Owl, „Vergiss bitte nicht die Techniker in der Anlage, sie sind sicher froh, wenn sie dort weg können.“

Nun lächelte Roger ebenfalls, „Ich werde gleich veranlassen, dass man sich darum kümmert.“

Da ich mich nicht ausreichend auf das ‚da sein, aber nicht gesehen werden‘ verstand, konnte ich die Geste meines Liebsten nicht erwidern. Aber dafür konnte ich ihm einen tollen Anblick bieten, indem ich mit dem sexiest Gang zum Hubschrauber schritt, den ich drauf hatte. 

Mir wurde wohlig kalt ums Herz. Nicht mehr all zu lange und dann würden wir mehr miteinander tun, als uns Luftküsse zu zuwerfen. Viel mehr.

Als sich die Rotoren des Ares Dragon in Bewegung setzten, murmelte Bubbles wütend und im sarkastischen Ton, „Prima, jetzt haben wir ihnen das Zeug für die Atombombe auch gleich noch geliefert. Aber ich beklag mich nicht, Toni, ich kann nämlich froh sein, dass wir sie ihnen nicht auch noch gleich gebaut haben.“ 

Als Columbo bei ihr vorbei lief, warf Bubbles ihm einen giftigen Blick zu.

Aber darum würde ich mich später kümmern.

Jetzt war ich viel zu glücklich. 

Wir hatten es geschafft.

Wir lebten immer noch und das fühlte sich toll an!

Wir hatten etwas riskiert und die habe Sioux Nation gerettet. 

Wenn das nicht gut fürs Karma war, dann weiß ich auch nicht!

Jetzt, wo wir auch die Formalitäten hinter uns hatten, fühlte ich mich einfach wunderbar. Am liebsten wäre ich aus dem Hubschrauber gesprungen und auf meinen eigenen Flügeln über die Grenze in die Salish geflogen.

Liam kam zu mir und umarmte mich herzlich, „Das hast du ganz toll gemacht. Ich bin sehr stolz auf dich.“ Jetzt wurde mir wohlig warm ums Herz und ich genoss das Gefühl.

Mein Commlink piepte zur Erinnerung. Eine Nachricht von Laughs To Much war vorhin eingetroffen. 

<Wenn euer Bison hier noch länger stehen soll, müsst ihr dafür bezahlen!>

Ich lachte, Light Foot hatte den Bison also zu Laughs To Much gebracht. Wir würden nicht einmal unser geliebtes Wohnmobil aufgeben müssen.

Ich tippte, <Wir zahlen für einen weiteren Tag, den wir noch brauchen. Wir müssen noch ein Versprechen einlösen. Bei uns ist alles cool. Bis morgen :) Snowcat>

❅❅❅

[Song 31: Dig The Kid - Still Breathing4] Der Rest der Story war nur noch FUN.

Wir landeten im Hafen der Schmuggler und wurden mit großem ‚Hallo‘ empfangen. 

Mika war inzwischen ebenfalls hier eingetroffen und bei der Umarmung der beiden Brüder ging mir das Herz auf. 

Wie versprochen, gaben wir eine Runde aus, beließen es nicht dabei und legten Runde zwei, drei vier und - ich weiß nicht mehr wie viele Runden, nach.

Wir waren gegen 2 Uhr in der Früh hier eingetroffen und feierten noch, als die Sonne bereits aufgegangen war. Mit zunehmender Zeit und wachsendem Alkoholpegel wurden die Fliegerstories dabei immer spektakulärer.

Selbstverständlich bedankte sich ‚die Prinzessin‘ bei jedem derer, die für Ablenkung gesorgt hatten persönlich - und auch noch mit einem Kuss auf die Wange.

‚Prinzessin‘ setzte sich in dieser Nacht bei den Flieger-und-Schmuggler-Assen als mein Callsign durch und zumindest Bloody Guts und Rubber Duck benutzen es seitdem hin und wieder.

Ich sagte ja schon, ich werde gerne Prinzessin genannt.

❅❅

Ausruhen mussten wir uns auch noch und darum verließen wir den Schmuggler-Hafen erst am frühen Abend des 18.06.2075 und zwar nachdem wir uns, im meinem Fall extrem herzlich, von Rogue Six verabschiedet hatten.

Rodney, der Riggerfreund von Mika und dessen Hubschrauber übernahmen unseren Transport ins Lager von Laughs To Much.

War mir beim Wiedersehen von Iron Horse und Mika noch das Herz aufgegangen, quoll es bis hin zu Freudentränen über, als wir im Trailerpark eintrafen und die beiden Brüder Laughs To Much begegneten.

Freudentränen, die ich offen zeigte.

Erahnt jemand warum? Dann gehört ihm mein Glückwunsch zu solcher Kombinationsgabe. Ich hätte es vorher nicht erahnen können.

Für alle anderen will ich es gerne verraten.

❅❅❅

‹Ach Drachenkätzchen, das ist doch ein Geheimnis.›

‹Aber es ist zu schön, um es an dieser Stelle für sich zu behalten, Katze.›

‹Das finde ich nicht, aber mach nur, wenn es dich zufrieden stellt, Drachenkätzchen.›

❅❅❅

Als Iron Horse und Mika Laughs To Much sahen, konnten sie es nicht fassen, denn ihr totgeglaubter Vater kam lachend und weinend, in seinem tänzelnden, O-beinigen Schritt auf sie zugelaufen.

Genau genommen hatten die Männer und Frauen aus Unit 419 ihren Kollegen tatsächlich getötet, als dieser zu dem Pakt Nein gesagt hatte. Er war gestorben und sein Verbündeter Geist war in jenem Moment frei geworden. Doch Light Foot hatte sich nicht einfach verzogen. Sie hatte ihren ehemaligen Herrn und Meister zurück ins Leben geholt und war zusammen mit ihm geflohen.

Der Vater und seine beiden Söhne umarmten sich ein Weile, so als wollten sie einander nie wieder loslassen. Laughs To Much, Charles Iron Horse und Mika hatten jetzt mehr gemeinsam, als nur ihre Gene. Alle drei Männer hatten den Hauch des Todes in ihrem Nacken gespürt und vielleicht sogar schon das Licht gesehen, doch sie hatten überlebt. 

So etwas hinterlässt Spuren auf einer Seele. Ob die Seele sich danach erhellt oder verdunkelt, kann erst die Zeit zeigen. 

Aber ich bin optimistisch, was die drei Männer angeht.

Später, als wir mit Kuh-gefülltem Bäuchen am Lagerfeuer saßen, fragte ich die beiden Brüder, „Wer ist eigentlich Koda?“

Iron Horse streckte die Hand Richtung Mika aus und forderte, „Genau Koda, gib ihn mir!“

Mike grinste und erklärte, „Koda ist ein Teddy aus unserer Kindheit.“

„Ja, den du mir gestohlen hast.“, brauste Iron Horse grinsend auf.

Mika rückte den wirklich knuffigen Teddy schließlich tatsächlich raus und dies, obwohl ich ihm nicht bestätigt hatte, dass Charles sich anständig benommen hatte. Doch das machte nichts, Charles wäre eh von nichts anderem, als seinem guten Benehmen ausgegangen und ich hätte auch nichts gewusst, was ich als Gegenargument hätte anbringen können.

Es war ein schöner Anblick Charles Iron Horse und Mika miteinander umgehen zu sehen und das sage ich ich nicht, weil die beiden gut aussehende Männer sind. Sollten die Brüder jemals Probleme miteinander gehabt haben, zum Beispiel weil der eine ein Soldat und der andere ein Einbrecher und Dieb geworden war, war davon jetzt nichts mehr zu spüren. Sie waren einfach nur glücklich, einander zu haben und das merkte man die ganze Zeit.

Das Leben von Charles Iron Horse würde ein völlig anderes werden, als das, was er gekannt hatte. Aber seine Familie war da, um ihm darüber hinweg zu helfen.

Ich schlug Charles vor, es seinem kleinen Bruder gleich zu tun und Shadowrunner zu werden. Ich grinste niedlich als ich im Anschluss meinte, „Und falls du ein Team suchst, könnte ich mir vorstellen, dass wir dich bei UC aufnehmen.“ Ich zwinkerte Mika zu , „Dich würden wir wahrscheinlich auch nehmen.“ Dann wandte ich mich wieder Iron Horse zu, „Du müsstest eventuell nicht einmal das UC-Speed- Dating durchlaufen, weil wir uns schon kennen.“

Charles kniff freundlich-argwöhnisch die Augen zusammen, „Ein UC-Speed-Dating? Was soll das denn sein?“

Ich lachte perlend, „Ach das erklären wir dir, wenn es soweit ist. Also, denk darüber nach, du würdest als Shadowrunner eine gute Figur abgeben.“

Charles nickte zögerlich, „Ich überlege es mir.“

Wahrscheinlich war Charles auch mehr die Söldnerseele, es ging bei uns ja doch völlig anders, zu als beim Militär.

Charles musste etwas ähnliches gedacht haben, denn er blickte still die Reihen der Runner entlang.

Sein Blick blieb bei Thunderstrike hängen.

Ich schmunzelte, vielleicht hatten die Schatten ja doch noch eine Chance, ihn zu gewinnen.

Bloody Guts stupste mich an, „Hey, schlag ihm doch Captain Sioux als Runner-Namen vor.“

Was ich dann auch tatsächlich machte.

❅❅

Wir bleiben noch die ganze Nacht und einen weiteren Tag im Trailerpark. Mit wir meine ich die Runner von UC, deren Verbindung zueinander auch auf diesem Run abermals deutlich stärker geworden war. 

Dann war da natürlich noch Liam, er gehörte dazu und irgendwie auch nicht. So ein bisschen hatte mein Erster Ritter auch für das Team so etwas wie die Position eines Mentors eingenommen, jedenfalls für das Team an sich, denn einige einzelne daraus konnte Liam nicht einmal leiden.

Zumindest hatte ich wegen Liams Anwesenheit im Trailerpark die gesamte Zeit unbekümmert feiern können. Er hatte Bubbles komplett im Griff und würde nie zulassen, dass sie in meiner Gegenwart etwas gegen Columbo unternehmen würde. Wenn ich nicht dabei wäre, würde ich meine Hand dafür allerdings nicht ins Feuer legen. 

Und so normal Bubbles jetzt auch mit Columbo umging, das Sixpack behielt die gesamte Zeit nur ihn in den Sensoren.

Als wir nach Seattle aufbrachen, verabschiedeten sich Rodney, Mika und Iron Horse erstmal von uns, da sie noch eine Weile bei Laughs To Much blieben.

„Ich würde jeder Zeit mit jedem von euch sofort in den Krieg ziehen.“, versprach Iron Horse und machte uns damit ein Riesenkompliment. Diese Aussage konnte sich irgendwann obendrein noch als wertvoll und lebensrettend erweisen.

Ich gebe gerne zu, dass mir Mikas Blick nach meiner Umarmung zum Abschied als Kompliment dennoch lieber war. 

So bin ich eben.

Denn genau so wie Mika in jenem Moment, sollten Männer Frauen wie mich zum Abschied ansehen.

„Das weiß ich doch selber!“, schimpfte Laughs To Much mit Blick nach schräg oben, als ich in den Bison stieg, „Aber es gehört sich einfach nicht, sie noch ein drittes Mal zu umarmen. Ich gebe nicht noch mal nach und nun seid still!“

Ich warf einen Blick zurück durch das Fenster im Bison. 

Nein, auch jetzt, da ich es wusste, bestand keine auffällige Ähnlichkeit zwischen dem Vater und seinen Söhnen. Vielleicht hatte ihn sein Tod einfach zu sehr verändert. 

Obwohl eines war da doch, sie waren alle Drei verdammt attraktiv … für Menschen.

❅❅❅

Damit endet die Story um den Run, obwohl, genau genommen sind es ja sogar zwei Runs gewesen.

Inzwischen habe ich sogar Seattle wieder verlassen, befinde mich im Hause meines Mentors und habe ihm bereits Bericht erstattet.

War das nicht eine wundervolle, aufregende, abenteuerliche, gefährliche und spannende Geschichte?

‹Du hast schon wieder heldenhaft vergessen Drachenkätzchen. Ich muss es wohl als Fortschritt sehen, dass du zumindest an ‚gefährliche‘ gedacht hast.›

‹Du hast Recht Katze und danke für deine Großzügigkeit.›

‹Bitte, Drachenkätzchen. Doch glaube nicht, dass ich all zu nachsichtig werde, weil ich dich mag. Ich habe mich nur an dich gewöhnt und auch Katzen hängen zuweilen an ihren Gewohnheiten.›

Also, war das nicht einen wundervolle, aufregende, abenteuerliche, gefährliche, spannende und heldenhafte Geschichte?

Ich weiß es! Ihr müsst mir einfach zustimmen! 

Umso mehr, da sie ein so schönes Happy End hatte.

Ob Blut auch im übertragenen Sinn dicker als Wasser ist, kann ich immer noch nicht sagen. Darüber habe ich, aus den Eingangs von Katze erwähnten Gründen, nichts gelernt.

Aber Familienbande können einen engen Zusammenhalt schaffen und eine gemeinsame Vergangenheit und gemeinsame Erinnerungen an einen knuffigen Teddy sind wertvolle Dinge, deren man sich glücklich schätzen sollte.

Immerhin liegt unsere Vergangenheit zwar hinter uns, aber sie macht uns nun mal zu dem, was wir sind.

Was die Zukunft angeht, verrate ich euch, dass ich darüber nachdenke, den Nuklear Geist für immer zu vernichten.

So etwas ist eine länger dauernde und sicher auch gefährliche Angelegenheit.

Wenn ich mich dazu entschließe sollte, erzähle ich euch davon … vielleicht.

Wer weiß, vielleicht empfinde ich sogar Gefallen an solchen weltverbessernden Geistvernichtungsdingen -und diese Geschichte entpuppt sich am Ende als ein Meilenstein in meinem Leben. Sollte ich dann noch auf den Flo hören, den mein Mentor mir, vielleicht nicht ganz ernst gemeint, ins Ohr gesetzt hat, könnte es ein ruhmreicher Meilenstein werden.

Doch vorher mache ich erstmal Urlaub und verbringe ein paar Wochen mit meinem Liebsten.

Ganz zum Schluss noch ein Tipp von mir, solltet ihr die Gelegenheit bekommen, etwas Gutes zu tun, dann macht das ruhig. Es fühlt sich auch im Nachhinein unglaublich toll an.

Das Hochgefühl etwas wirklich Gutes geschafft zu haben, reiht sich irgendwo zwischen dem Kick mit 240 kmh Auto zu fahren, dem Gefühl beim Fliegen und fantastischem Sex ein. 

Wo es genau steht, ist wahrscheinlich vom Gefahrenlevel abhängig. 

Ob es noch andere Faktoren gibt, weiß ich nicht. Aber ich bin sicher, ich finde es eines Tages heraus.

‹Ja Drachenkätzchen, ermutige sie nur. Andere dürfen sich bei den Guten Taten auch gerne opfern, wenn es zu mehr nicht reicht.›

❅❅❅

Deine Kommentare zu ‚Blood is thicker than water‘ passen unter „The Tale Goes On, Part Three“ [LINK].

Fussnoten:

0. Bei den Episoden handelt es sich um in Geschichten umgewandeltes Pen & Paper RPG. Durch die Umstellung von SR4A auf SR5 und zusätzlichen Regelerweiterungen, kann es in den Geschichten zu Unbeständigkeit oder Widersprüchen zu früheren Episoden kommen. So beherrscht zum Beispiel ein Charakter eine Fähigkeit nicht mehr, die er vorher konnte oder das Wirken einer Kraft hat andere Auswirkungen als zuvor. Für den Charakter ist es aber so, als wäre es immer schon so wie nach den neuen Regeln gewesen.  

1. Die Episode wurde am 24.06., 08.07., 22.07., 05.08. + 19.08 erspielt. Die Spieler von Trixhot und Columbo waren am ersten Abend nicht anwesend. Die Spieler von Mr.Jack und Trixhot waren am 3. + 4. Spielabend nicht anwesend. Der Spieler von TriXhot fehlte auch am 5. Abend. Wegen den Widrigkeiten und Schönheiten des RL, können nur selten alle Spieler am Spielabend teilnehmen. Deshalb können Charaktere ohne weitere Erklärung auftauchen oder verschwinden. Darüber welche Charaktere mit auf einen Run gehen, entscheidet in der Regel der erste Spielabend eines Runs: Welche Spieler sind anwesend und wen wollen sie gerade spielen. Das muss nicht immer die logistische Entscheidung sein. Manchmal ist ihr Charakter mit auf einem Run, obwohl sein Spieler abwesend ist. In diesen Fällen wird der Charakter zwar mitgeführt, sein Handeln gerät, wenn möglich, aber in den Hintergrund. Der Spotlight soll auf Charakteren stehen, deren Spieler anwesend sind. Gegebenenfalls hinterlassen Spieler beim GM Regieanweisungen. Eine Beschreibung aller Charaktere findest du hier [LINK].

2. Der Zeitstempel wird an unsere Zeitlinie angepasst und ist maximal an die offizielle Timeline angelehnt.

3. Counting Coup ist ein Shadowrun® Fifth Edition Abenteuer von Catalyst Game Labs. Der Run wurde an unsere Spielergruppe angepasst und kann stark verändert sein. An dieser Stelle danken die Spieler unserer Runde den Autoren von Shadowrun® für ihre Arbeit. Ohne sie wäre unser Spiel nicht möglich.

4. Die verlinkten Songs sollen lediglich zu Stimmung beitragen und enthalten keine versteckten Hinweise. Jedenfalls meistens nicht :) . Übrigens kaufen wir jeden in den Episoden verwendeten Song, sollte er sich nicht schon vorher in unserem Besitzt befunden haben. Nicht nur, damit wir die Songs jeder Zeit auf all unseren Geräten abspielen können, sondern auch, weil wir damit den jeweiligen Künstler unterstützen möchten. Eine komplette Episoden Playlist findest du hier [LINK].

5. Mit Coup (Streich) oder Counting Coup (zählender Streich) bezeichnen die Native Americans der Great Plains eine Mutprobe, bei der nachweislich ein Feind mit einem Stab, einer Waffe oder mit der Hand berührt wurde. Dabei war es nicht zwingend notwendig, dass der Gegner verletzt oder getötet wurde. Die Indianer bewerteten Coups nach Rängen. Wobei zum Beispiel einen lebenden Gegner zu skalpieren einen höheren Rang hat, als einem toten Gegner den Skalp zu nehmen. Ferner geht das Ansehen des Gegners in die Wertung mit ein. (Quelle: Wikipedia)

6. Im offiziellen Shadowrun-Universum lautet sein Name Charles Iron-Hawk.

7. Ein Blitzkrieg Motorrad hat unser GM witziger Weise schon zu SR4 Zeiten ‚entworfen‘ und nach SR5 transferiert. Es ist also nicht unbedingt identisch mit dem Blitzkrieg Modell aus dem Rigger 5.0, jedenfalls nicht in allen Punkten.

8. Die Information über Butte stammen aus dem 'Shadow in Focus: Shadow by City: Butte' Sourcebook von Catalyst Game Labs. Das Buch hat uns sehr gefallen und wir können es nur empfehlen.

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*