Episode 06/16: Bad Medicine, Good Cause; (Run 66)

WELCOME BACK, CHUMMER!

ON THE RUN1: Columbo, Mr.Jack, Shark Finn und Snowcat.

TIMESTAMP2:  04/07/75, 10:26:15 - UNKNOWN ERROR 24 TRANSMISSION INTERRUPTED  

SPOILER ALERT: Bad medicine, good cause enthält diverse Spoiler auf Humanitarian Aid aus Sprawl Wilds3.

RUN NO: 66

TODAYS HEAD UP: Die Reputation eines Teams entscheidet, zu welchen Jobs es eingeladen wird, ihre Moral darüber, welche Runs sie annehmen und die Fähigkeiten des Face entscheiden, wie viel das Team dafür bekommt. - Host

POSTED BY SNOWCAT:

Das Böse zu definieren, ist eine subjektive Angelegenheit. Jeder hat seine eigene Toleranzschwelle. 

Ich zum Beispiel denke, dass kein Metamensch grundsätzlich oder unrettbar böse ist. Jeder Metamensch kann einen moralisch bedenklichen Weg verlassen und im Anschluss Gutes tun. 

‹Nur, dass bei einigen die Chancen, dass sie zurück zu guten Seite kommen, schlecht stehen, Drachenkätzchen.›

‹Ja, Katze, das mag sein, aber die Chance besteht und solange die Chance besteht, gibt es keinen Grund, einen Metamenschen zu töten, nur weil ihn irgendwer für Böse hält.›

‹Bei der Aussage stimme ich dir zu, Drachenkätzchen. Wenn IRGENDWER jemanden für böse hält, ist DAS kein Grund, ihn zu töten.›

‹Schön, dass wir da einer Meinung sind. Du gehörst doch auch selber zu denen, die nicht einfach töten, Katze.›

‹Aber nur, weil ‚einfach‘ immer so schnell vorbei ist, Drachenkätzchen. Wo bleibt denn da der Spaß? Unsere Überlegenheit wollen wir doch lieber auf andere Weise demonstrieren, als durch einfaches töten!›

‹Das war wohl keine Frage Katze?›

‹Nein, das war keine Frage, Drachenkätzchen.›

Da das mit dem Gut uns Böse immer auch eine Frage des moralischen Standpunktes ist, halte ich mich lieber an Fragen. Wie hoch ist der Grad der Bedrohung für mich, mein nahes Umfeld oder diese Welt und wie direkt betrifft es mich? Die Antworten auf diese Fragen entscheiden darüber, ob ich jemanden oder etwas töten, beziehungsweise vernichten will. 

Manchmal ist der Level an Bedrohung und direkter Betroffenheit so hoch, dass ich nicht einmal zögere und den-, die- oder dasjenige eliminieren will.

‹Besonders schön ist es, wenn wir in diesen Fällen einer Meinung sind Drachenkätzchen.›

‹Ja, mit deinem Segen ist alles leichter, Katze.›

‹Selbstverständlich ist es das Drachenkätzchen.›

Der Run, von dem ich heute erzählen möchte, ließ zunächst nicht darauf schließen, dass es überhaupt zu diesen Fragen kommen würde. Aber so ist das nun mal beim Beruf des Shadowrunner. 

Alles begann mit der Einladung zu einem Job, der wegen seiner Dringlichkeit kaum Spielraum für die Planung ließ. 

❅❅❅

[Song 1: Florence And The Machine - Seven Devils4] Am Vormittag des 07.04.2075 trudelte über eine der Team-Comm-IDs eine Anfrage für ein Treffen herein, die sich rot blinkend in mein AR-Sichtfeld schob. 

Das bedeutete zwei Dinge. 

Erstens hatte jemand den passenden Code gekannt, um durchgeroutet zu werden, was bedeutete, dass der Auftrag aus einer einigermaßen vertrauenswürdigen Quelle kam oder aber,  auf der anderen Seite saß ein verdammt guter Decker. Beides würde einen Blick auf den Absender wert sein. 

Zweitens war die Nachricht als dringend deklariert worden. 

Also legte ich meinen Pinsel beiseite und öffnete die Datei.

•  Bitte an Universal Consultants, kurz UC:

• Wenn es Ihnen irgend möglich ist, kommen Sie bitte innerhalb der nächsten 3 Stunden zum obersten Deck des Parkhauses an den Kingston Edmond Ferry Docks.

• Bei erfolgreichem Abschluss der Verhandlung soll es dann auch gleich im Anschluss losgehen. 

• Es ist für eine gute Sache.

Innerhalb von drei Stunden sollten wir dort sein? Das war wirklich nicht viel Zeit.

Die gute Sache lag im Auge des Betrachters.

Ich verteilte die Nachricht via Teamnetzwerk und lud per Notiz jeden dazu ein, bei dem Run mitzumachen, der innerhalb von 90 Minuten Jobbereit im Bootshaus eintreffen konnte. 

Als ich im mein Schlafzimmer kam, saß Katze bereits auf ihrem Lieblingsplatz, um skeptisch zu beäugen, was ich in meinem Koffer packen würde.

Mein elektronisches Equipment wartete stets fertig verpackt in einer Tasche im Bootshaus auf mich. Zu Hause hatte ich mein Daypack mit weiterer Ausrüstung gefüllt und einen Tasche mit Kleidung zum Wechseln zusammengestellt. 

Das Parkhaus lag in einer mittelmäßigen Gegend. Schwere Waffen und all zu offensichtliche Panzerung waren demnach unangemessen und wir wussten ja auch nicht genau, wo es hingehen würde. Um auf so viele Situationen wie möglich eingestellt zu sein, hatte ich meine Camouflage-Panzerung, die die Wandlung in einen Drake mitmachen würde, nebst Combatboots ebenso eingesteckt, wie ein Cocktailkleid, Highheels und Dr.Martins in Grau-Metalic.

Jetzt trug ich einen Spitzenshirt in Grau [BILD], einen grauen Wollrock mit Tartanmuster, der sein Muster wechseln konnte [BILD] und Ankle Boots mit einem 8 cm Absatz [BILD]. Ein hellgrauer Wollpullover [BILD], falls es kühler werden sollte, ein Hut [BILD], eine College-Tasche [BILD], Sonnenbrille und Tuch [BILD] rundeten das Ensemble ab. Mein Make-Up war passend dazu dezent gehalten [BILD & BILD]. Dank Moxi waren sogar meine Nägel frisch manikürt. 

Unter dem Outfit hatte ich eine Second Skin Panzerung gezogen. Das sollte erstmal als Schutz genügen. Zumal der Captain America Pin nun noch ein Deflection-Spruch aufrecht hielt, den ich vor meiner Abfahrt hinein gezaubert hatte.

Neben mir und Shark Finn - der Fomori heute übrigens in dunkelgrüner Jeans, grün geflecktem T-Shirt und schwarzer Panzerweste - hatten es nur Columbo und Mr.Jack rechtzeitig ins Bootshaus geschafft.

Mr.Jack war wie stets in einen eleganten Anzug gekleidet, der der Tages- und Jahreszeit angemessen war. Einen Bowler hatte er ebenso dabei, wie Regenschirm, Mantel und eine kleine gefüllte Reisetasche. Selbstverständlich war er glatt rasiert und wirkte gepflegt, wie es sich für einen Gentleman geziemte.

Columbo hatte eine schwarze Jeans, Springerstiefel und ein rot-schwarz kariertes Flanellhemd angezogen. Auf dem Kopf trug er ein schwarzes Basecap mit einem roten Ares-Logo. Das Basecap warf interessante Schatten auf sein Gesicht, die es noch maskuliner wirken ließen. Der Dreitagebart trug sicherlich auch zu diesem Eindruck bei.

„Und meine Herren? Bereit für alles, soweit man denn vorbereitet sein kann?“ fragte ich in die kleine Runde.

Mr. Jack nickte zwinkernd, „Ja, mein wichtigstes Arbeitsmaterial ist ja an mir fest gewachsen.“

Columbo meinte, „Fast. Bevor wir losfahren, möchte ich nur noch einen Geist beschwören.“

Ich erwiderte im hoch charmanten Ton, „Eine ausgezeichnete Idee, ich wollte auch noch einen Geist rufen.“ Ich legte den Kopf leicht schief, „Was meinst du, wollen wir unsere magische Macht verbünden und es gemeinsam versuchen?“

Columbo hob eine Augenbraue, „Du meinst rituelle Hexerei?“ Columbo fixierte mich kurz „Eigentlich gern, doch die Zeit dafür dürfte zu knapp sein.“

Ich schüttelte leicht den Kopf, „Nein, kein Ritual, einfach nur ein bisschen im Geiste verbundenes Teamwork.“

Nun hob Columbo beide Augenbrauen, „Wenn das geht, dann lass es uns versuchen.“

Ich lächelte, „Ja, das geht. Solange wir beide dazu in der Lage sind, diese Art von Geist in unseren Dienst zu bitten.“ Ich zeigte Richtung Hintertür, setzte mich aber noch nicht in Bewegung, „Gehen wir dazu am Besten in den Garten.“

Columbo machte ein paar schnelle Schritte vor und öffnete mir die Tür.

‹Bravo Drachenkätzchen. Das nenne ich mal eine sanfte Art von Erziehung!›, lobte Katze mich.

Mr.Jack und Shark Finn begleiteten uns nach draußen.

Auf dem Weg zum Pavillon, der für das spontane Rufen von Geistern einfach hervorragend geeignet war und neben dem ein von mir permanent eingerichteter Kreis lag, trat Mr.Jack näher an mich heran und raunte mir zu, „Das sieht man euch gar nicht an, dass ihr im Geiste verbunden seid.“

Ich blickte Mr,Jack direkt an und lachte leise, „Ich glaube, so richtig verbunden sind wir nicht, aber der Versuch irgendeine Art Verbindung aufzubauen, ist es wert. Das übt ungemein.“

Dann erklärte ich Columbo, was zu tun war und im Anschluss beschworen wir gemeinsam zunächst einen Geist der Luft unter meiner Kontrolle - ich bat Keeya um ihre Unterstützung-  und dann einen Feuergeist, der den Anweisungen von Columbo folgen würde.

Es gelang.

Ja, ich hatte während meine Zeit in Prag viel dazu gelernt.

Die drei Stunden seit der Einladung waren noch nicht ganz vergangen, als ich mit dem Team-SUV in die Einfahrt des Parkhauses fuhr, meine SIN zückte und den Obolus für die Parkgebühr entrichtete. Sonderlich viel los war hier nicht, aber das war wohl auch der Sinn dieses Treffpunktes.

Nach kurzer Absprache mit meinen drei Kollegen fuhr ich hoch bis zur Etage unter dem Dach und parkte. 

„Wartet bitte noch kurz mit dem Aussteigen.“, bat Columbo, „Ich gehe mal eben astral gucken.“

Eine Idee, die ich nur begrüßen konnte. 

Er sprach’s und sein Körper erschlaffte.

Nach wenigen Sekunden kehrte er zurück und berichtete, „Oben steht ein einzelner Mann. Ein Ork. Er ist schwer verdrahtet und nicht magisch.“ Nach eine kurzen Pause fügte er hinzu. „Mehr weiß man erst, wenn wir ihn aufmachen.“ 

Shark Finn wandte sich nach hinten. „Was meinst du den mit aufmachen?“ 

Columbo erwiderte trocken, „Na eine Autopsie. Obwohl, unser Herr Arzt würde das nicht gut finden.“ 

Ich drehte mich nun ebenfalls nach hinten um, „ Sicher würde er das nicht. Er ist allerdings nicht hier. Doch warum sollten wir unseren Auftraggeber ausschalten? Noch dazu bevor wir wissen, worum es geht?“

Columbo griente und zuckte mit den Schultern.

„Lasst uns hoch gehen.“, wies ich an.

Wir stiegen aus und gingen Richtung Auffahrt nach oben. 

Über das Treppenhaus zu kommen, hätte viel weniger Stil gehabt. 

‹Außerdem stank es in dieser Richtung nach Müll und Exkrementen.›, betonte Katze.

[Song 2: Macklemore & Ryan Lewis - Can't Hold Us4] Wir liefen in Formation die Auffahrt hoch. Shark Finn ging hinter, Columbo links und Mr.Jack rechts neben mir. Der Wind auf dem Dach ließ meinen Schal leicht flattern. Jetzt noch ein paar Sonnenstrahlen, die durch die Wolken brachen und der Auftritt wäre trideo-reif gewesen. 

Dass die Sonne fehlte, war halb so wild. Mein Hüftschwung war perfekt und die Aufmerksamkeit von Johnson besaßen wir ohnehin.

Der Ork trug einen gut sitzenden, zweiteiligen grauen Anzug oberer Mittelklasse und dazu ein weißes Hemd. Die Krawatte hatte er weg gelassen. Sein Schuhwerk war ebenfalls Grau, aus Leder und dank der Sohle auch für den Aufenthalt draußen geeignet. Er verfügte über eine gesunde braune Hautfarbe, gepflegte Hauer und dunkle Haare. Er lächelte breit, als er uns sah. 

Sein erster Eindruck war durchaus freundlich und angenehm. 

„Hallo.“ grüßte Johnson locker. Er nahm uns alle nacheinander in Augenschein, nicht abschätzend, sondern so, als wenn er an jedem von uns Interesse hätte.

„Hallo“, erwiderte ich den Gruß, warf ein deutliches Lächeln hinterher und fügte hinzu, „Ich bin Snowcat.“

Für den Bruchteil einer Sekunde geschah nichts.

Dann fragte ich, „Und sie sind? Oder sollen wir der Einfachheit halber Mr.Johnson sagen?“

Der Ork lachte, „Ach so, Entschuldigung. Mein Fehler.“

Offenbar hatte er erwartet, dass ich erst die anderen vorstellte.

„Mein Name ist John!“, verkündet der Ork nun.

Ich schmunzelte in mich hinein. John statt Mr. Johnson, hier schwang eine

amüsant vorgetragene Botschaft mit. 

„Ich freu mich ganz herzlich euch kennen zu lernen.“ John streckte mir die Hand hin.

Da ich zur Kleidung passende, graue Lederhandschuhe trug, gab ich ihm meine Hand. Die Anspannung von Shark Finn hinter mir konnte ich in jenem Moment förmlich spüren.

Nun stellte ich die Männer an meiner Seite vor. John hielt jedem die Hand hin. Columbo und Mr.Jack schlugen ein. Bei Shark Finn prallte er ab, denn dieser machte keine Anstalten, seine Hand zu geben.

Weiter zu stören schien das John aber nicht.

„Ich freue mich wirklich, dass ihr es einrichten konntet.“, begann er in einem Plauderton, der klang, als wollten wir gemeinsam zu einer Sightseeing-Tour aufbrechen. „Wenn ihr die kleine, aber nicht unbedeutende Aufgabe übernehmen würdet, dann wäre das einfach großartig. Ihr wurdet mir wärmstens empfohlen.“ John grinste. „Gerade haben wir noch via Matrix kommuniziert und schon stehen wir gemeinsam hier. Das ist ja fast schon Magie?“ Er zwinkerte erfreut und sah dann zu mir, „Schöne Grüße von Agent darf ich dir hiermit ausrichten.“ , meinte John. 

Ah Agent, von ihm hatte John also unsere Kontaktdaten erhalten. In dessen Auftrag waren wir für Horizon in Bogota gewesen und das war gefühlte Ewigkeiten her.

John hatte mich einen Moment lang angesehen, nun schüttelte er den Kopf, um sich von meinem schönen Anblick loszureißen. Für den Augenblick hatte er gewirkt, als könne er nicht glauben, dass ich wirklich so schön war.

‹Geschmack hat er zumindest, Drachenkätzchen und wie die Welt läuft, ist ihm offenbar nicht völlig fremd.›, bemerkte Katze beiläufig und schlenderte zum Rand des Daches, um vom Sims auf die Stadt hinab zu blicken.

John erzählte unterdes, „Ich bin von Horizon America …“

Sie mal einer an. Es kam nicht sonderlich oft vor, dass ein Johnsons seinen Konzern so einfach preis gab. Horizon schien mit dieser Information freizügiger zu sein, als andere Konzerne.

„ … aus der Abteilung ‚Street Market Opposition Reserch Cadre', kurz auch SMORG genannt. Ich bin also der Ork von Smorg.“ John lachte herzlich. 

Obwohl es nicht sonderlich cool ist, über seine eigenen Witze zu lachen, fand ich das bei John jetzt irgendwie charmant. Ich grinste, lachte aber nicht, da mir die Andeutung nichts sagte.

John warf seinen Blick durch die Runde und fragte, „Schon mal gehört? Nein? Eine alte Serie, die Men from U.N.C.L.E.“ , erklärte er und wirkte einen Moment in Gedanken versunken, „Ganz tolle Show aus dem letzen Jahrhundert…“

Eine interessante Information. Wahrscheinlich ein Hobby von ihm und noch ein ungewöhnliches dazu, besonders für einem Ork. 

„ … Doch zurück zum Wesentlichen. Ich möchte euch anheuern bei der Wiederschaffung von 3000 Ampullen eines Antivirus zu helfen, die in einer Quarantäne-Zone, nicht all zu weit von hier, im Salish-Shidhe Counsil entwendet wurden. Ich bin bereit, jedem von euch 4 nu¥ pro wieder beschaffter Ampulle zu bezahlen.“ Einem gut geübten Verkäufer gleich, machte John eine kurze Pause, um sich unser alle Aufmerksamkeit zu vergewissern, dann hob er de Zeigefinger, „U’ND als Bonus biete ich jedem von euch für 1 Jahr lang ein Upgrade auf den ‚Horizon internal P2 Account‘.“

Ein Bonus, der mich für meinen Teil stark reizte. Auf meine drei Kollegen traf das nicht zu. 

Mr.Jack stand ruhig und gelassen da. Ein Gentleman stand über solchen Angeboten. 

Columbo war offenbar viel mehr an der Tatsache interessiert, dass es in eine Quarantäne-Zone ging. Abgeschreckt zu seine Reaktion zu sagen, wäre jedoch übertrieben gewesen.

Ich musste nicht mal zu Shark Finn blicken, um zu wissen, dass er weder von Johns Art, noch von der Tatsache begeistert war, dass er von Horizon kam. 

Mein Interesse ließ ich mir nicht anmerken und fragte stattdessen, „Wie würden also ein Stück reisen müssen. Wenn wir den Job annehmen, wie würde es dann mit dem Transport laufen?“

John strahlte, „Dafür ist gesorgt. Unten ist gleich ein Truck der bringt uns zur Anlegestelle, mit einer Fähre setzten wir über und da wartet wieder ein Truck und der bringt uns an den Zielort.“

„John, du sagst immer uns.“, meinte ich in einem Ton, der an den freundlichen Plauderton des Orks angepasst war. „Heißt das, du bleibst die ganze Zeit dabei?“

John freute sich, „Ja!“ 

Katze kam von ihrem Ausflug zurück getrottet, ‹Das Männchen weiß die einmalige Gelegenheit zu nutzen, Drachenkätzchen. Das schreibe ich ihm als Pluspunkt gut.›

„Ist das üblich?“, fragte ich bei John nach. 

„Nein.“, lautete die simple Antwort des Horizon-Mannes.

John begann die Vorzüge des P2 Account näher zu erläutern. Er wollte uns den Job wirklich schmackhaft machen. 

Eine schriftliche Anfrage von Columbo traf via Teamnetzwerk bei mir ein, <Ist dir irgendetwas über diese Quarantänezone bekannt? Aus den Nachrichten zum Beispiel? Nicht, dass das nachher eine Riesensache ist und wir ein kleines Kommando brauchen, um da wieder raus zu kommen.>

<Negativ.>, tippte ich beiläufig, <Das kann nur etwas Lokales sein.>

„Das Besondere an dieser Variante ist, mit einem kleinen Ping könnt ihr nachweisen, dass ihr zu Hause seid, obwohl ihr euch gerade ganz woanders aufhaltet.“, erklärte John abschließend.

Das war wirklich ein Vorteil. Obwohl da selbstverständlich die Frage blieb, ob Horizon dann nicht einen ebenso leisen Ping erhielt, der ihnen mitteilte, dass man gerade nur so tat, als wäre man zu Hause. Doch wie dem auch war, für mich war der Bonus ein Anreiz, für die anderen nicht, um darum begann ich zu handeln. 

Zu meiner eigenen Überraschung waren wir am Ende bei 7nu¥  pro Ampulle gelandet und dies, obwohl ich vorsichtig vorgegangen war und darauf geachtet hatte, den Wohlfühlbereich von John nicht zu verlassen, also nicht weiter zu gehen, als ihm leicht möglich war. 

„Ich bin euch wirklich dankbar meine Freunde.“, verkündete John, nachdem wir uns einig geworden waren.

Dann erzählte er genauer, worum es ging. 

In Neah Bay, einer kleinen Stadt im Salish, also dem Land der NAN ganz hier in der Nähe, war eine Form des Hanta-Virus ausgebrochen. Nachdem die Sterberate über das normale Maß hinaus angestiegen war, hatte die Regierung des Salish die Gegend abgeriegelt und eine Quarantäne-Zone eingerichtet. Horizon sponsert eine kleine Klinik in Neah Bay und hatte somit einige Konzernangestellte in der Stadt. So hatte Horizon großzügiger Weise das Gegenmittel hergestellt. Großzügiger Weise war übrigens meine Wortwahl. John war unerwartet bescheiden über diesen Punkt hinweg gegangen. Gestern Abend hatten sie das Gegenmittel ausgeliefert. Doch gleich darauf in der Nacht, war es gestohlen worden und zwar noch bevor es hatte verteilt werden können. 5000 Metamenschen leben in Neah Bay, gut die Häfte von ihnen war erkrankt - und es war zu erwarten, dass in den nächsten Tagen weitere Metamenschen an dem Virus starben, wenn man ihnen nicht das Gegenmittel zukommen ließ. Neues Gegenmittel herzustellen. würde wieder einige Wochen dauern und da konnte es für einige bereits zu spät sein. Darum sollten wir das Gegenmittel nun wiederbeschaffen. 

Die Zeit drängte.

„Wie schützen wir uns vor dem Virus?“, wollte ich wissen.

„Das Hanta-Virus ist eine Lungenkrankheit. Wir werden Atemmasken tragen. Ich habe welche dabei und Handschuhe selbstverständlich auch.“

Sein Blick auf Shark Finn verriet, dass er wohl keine Handschuhe in Troll-Größe dabei hatte. Halb so wild, da die Arme des Fomori Cyberarme waren. Finn brauchte keine Handschuhe, um sich vor Viren zu schützen. John ging jedenfalls davon aus, dass der Atemschutz ausreichend war und nachdem, was ich über das Virus wusste, stimmte ich ihm da zu. 

Details konnten wir auch unterwegs noch klären. 

Es galt Metamenschenleben zu retten.

„Entschuldige uns trotzdem mal einen Moment!“, sagte Shark Finn an John gewandt und bat uns ein Stück beiseite.

Während wir uns ein paar Schritte entfernten, tippte ich eine Nachricht an Doc ins Commlink. Ich teilte ihm in wenigen Worten mit, worum der neue Auftrag ging und bat ihn, er solle dafür sorgen, dass uns einer unserer Rigger mit dem Jet abholen konnte, falls irgendetwas schief ging und wir abhauen mussten. Zudem nannte ich Doc eine Adresse, zu der ich unseren Teamwagen via Autopilot schicken würde. Ich hatte ja keine Ahnung wie lange der Auftrag dauern würde. Da musste der Wagen ja nicht ungenutzt und unbewacht an den Kingston Edmond Ferry Docks stehen bleiben.

„Und wir fahren da jetzt einfach mit?“, fragte Shark Finn hauptsächlich in meine Richtung.

Ich nickte, „Ja, wir haben den Job angenommen. John begleitet uns und weder von seiner Körpersprache, noch von seiner Aura her, spielt er ein falsches Spiel.“

Columbo verzog das Gesicht, „Ich weiß nicht, mir ist auch unwohl dabei, jetzt einfach da zuzusteigen. So ohne eigenen Transport.“

„Macht dir darum keine Sorgen.“, beruhigte ich. „Ich habe eben schon Doc bescheid gegeben. Ich habe eine Satellitenantenne dabei und wenn irgendwas ist, denn melden wir uns und dann holen sie uns dank Rigger und Jet raus. Bis wir zurück sind, bleiben sie auf Standby.“

Columbo war nicht hundertprozentig überzeugt.

Shark Finn genügte meine Aussage jedoch und als der Fomori meinte, „Passt schon. Wenn Snowcat sich um eine Notfallausreise gekümmert hat, geht das klar.“, war dann auch Columbo zufrieden.

Bereist auf der Fähre wechselte Mr.Jack den Anzug gegen Jeans, Wanderstiefel und T-Shirt. 

Auf der anderen Seite des Pudget wartete dann tatsächlich ein unmarkierter Truck samt Fahrer.

John brachte uns mit seiner SIN durch alle Kontrollen an der Grenze. Wir mussten nicht einmal anstehen und konnten durch den Schalter für ‚Konzernangestellte aller Art‘ fahren.

Unterwegs erläuterten wir Details zum Hanta Virus. 

Je nach Typ löste das Virus unterschiedliche Erkrankungen wie Lungenentzündung oder akutes Nierenversagen aus. Die Viren werden über den Kot infizierter Nagetiere wie Ratten und Mäuse übertragen, der meist als Staub eingeatmet wird. Die Tiere selbst zeigen keine Symptome der Krankheit. Das heimtückische an dem Virus ist, dass die Inkubationszeit mehr als 14 Tage beträgt und man in der Regel nicht gleich merkt, dass es sich nicht um eine Erkältung oder ähnliches handelt. Die Sterberate des Virus liegt je nach Art bei 20-50%. 

In Neah Bay lag die Rate bei den länger Erkrankten inzwischen bei über 50 %. Eine große Nagetierplage hatte die kleine Stadt in letzter Zeit aber nicht verzeichnen können, eher im Gegenteil. Normalerweise genügt es bei einem Ausbruch des Virus, den ungefähren Herd auszumachen und dann auf Hygiene und Atemschutz zu achten, um ihn einzudämmen. Doch auch diese Maßnahmen hatten keine Wirkung gezeigt.

Neah Bay gehörte eigentlich zu jenen Kleinstätten in den NAN, denen es schon seit einigen Jahren gut ergangen war. 

Der Ort galt als eine der ersten nordamerikanischen Siedlungen überhaupt. Bevor die Weißen Amerika für sich entdeckt hatten, waren dort bereits Natives vom Stamm der Makah angesiedelt gewesen. Die Bucht trug schon vor dem Ort den Namen Neah, der wiederum angeblich vom Namen eines Makah-Häuptlings - Dee-ah-  abgeleitet worden war. 1790 nahm man die Bucht für Spanien in Besitz. Dann ging sie irgendwann in amerikanische Hoheits-Hände über. Von den Weißen eingeschleppte Epidemien reduzierten die Bevölkerung. Irgendwann war Neah Bay nur noch ein Ort für eine Hand voll Robbenfänger, die mit ihren Schiffen dort ankerten. Doch der Ort überlebte und bereits seit Beginn dieses Jahrtausends lebten in Neah Bay wieder zu einem großen Teil Nordamerikanische Ureinwohner. Jüngste archäologische Funde bestätigten offenbar die Vermutung, dass Neah Bay auf eine sehr lange Siedlungs-Geschichte zurückblicken konnte.

Nach all den Informationen, keimte in uns die Vermutung auf, dass die Wasserversorgung oder Soy- beziehungsweise Krill-Produktion in Neah Bay durch das Virus kontaminiert sein konnte. Also hielten wir beim nächsten großen Einkaufszentrum an der Strecke und deckten uns mit Trinkwasser und Nahrung ein. 

Ausreichend für fünf Personen und drei Tage. 

John zahlte.

[Song 3: The Who- Baba O’Riley4] Nach drei Stunden Fahrt erreichten wir unseren Zielort. 

Neah Bay lag tiefer, als die Straße dorthin und als der Ort das erste Mal in Sicht kam, bat ich unseren Fahrer anzuhalten. 

Die erste Strassensperre der Quarantänezone hatten wir zu diesem Zeitpunkt bereits passiert.

Ich setzte die Atemmaske auf und stieg aus. Finn begleitete mich.

Ich nahm astral wahr. 

Dunkle Nebelschwaden zogen über Neah Bay hinweg. Im Astralraum hatte sich die Krankheit bereits manifestiert. Magisch waren die Schwaden nicht. Da waren nur Angst, Verzweiflung und Tod.

Ich hatte genug gesehen und stieg wieder ein.

„In Neah Bay herrscht magische Hintergrundstrahlung.“, sagte ich an, als sich der Wagen wieder in Bewegung setzte. 

Innerlich seufzte ich leise. Das würde es für drei von uns schwerer machen. 

Als Duales Wesen war ich besonders betroffen.

Auch durch die Quarantäneabriegelung der Stadt brachte John uns problemlos.

Man hatte noch keinen Anhaltspunkt, wer für den Diebstahl verantwortlich sein konnte. Vor dem Zurückholen der Ampullen, stand also Detektivarbeit an. 

Wir begannen an dem Punkt, an dem das Gegenmittel gestohlen worden war. 

Im Krankenhaus.

Die Klinik wirkte neu. Zwei ebenso neue Ambulanzen standen davor. Einige Metamenschen waren zu sehen, die in die Klinik wollten. 

Doch zunächst waren da die Salish Soldaten mit Atemmasken, an denen sie vorbei mussten. Die Klinik war abgeriegelt und bewacht. 

Vor dem Diebstahl in der Naht hatte die Bewachung jedoch nicht geschützt. 

Das Horizon Personal konnte sich zumindest innerhalb der kompletten Zonen frei bewegen. Auch wir bekamen an der Aufnahme Horizon-TAGs ausgehändigt. 

„Seid nett zu den Quarantäne-Soldaten.“, bat John, „Für die ist es auch nicht leicht.“

Wir hatten nichts anderes vorgehabt.

Die Ampullen war in einem Medikamentenraum im hinteren Teil des Krankenhauses gelagert worden. Ein Sicherheitsgitter verschloss die Tür. John hielt seine Karte an den Scanner und alle Schutzvorkehrungen fuhren hoch.

Hinter der Tür erwartete uns ein Bild des Chaos.

Die Glastür, die die beiden Vorratsräume voneinander trennte, war zerbrochen. 

Die Tür nach hinten war aus den Angeln gehoben. Durch jene Tür kam man zu einer kleinen Strasse, die eigentlich nur für Anlieferungen genutzt wurde.

Ich sah mich um.

Alle Schränke, die den Anti-Hanta-Virus TAG trugen, waren leer.  Den Rest hatte man einfach nur kaputt gemacht. 

Um den Verkauf von Drogen war es also nicht gegangen. Denn in einigen anderen Schränken lagerten Medikamente, die man leichter zu Geld hätte machen können. 

Aufzeichnungen von Sicherheitskameras gab es keine, einfach, weil es in diesen Räumen keine Kameras gab. 

Die MAG-Schlösser sollten gegen Einbruch schützen. Auf pure Gewalt war man nicht vorberietet gewesen.

Ich teile meinen Kollegen mit, was ich beobachtet hatte.

Columbo holte einen kleinen Kasten aus seiner Tasche. „Ich guck mal, ob ich ein paar Fingerabdrücke nehmen kann.“

Fingerabdrücke? Natürlich. Normalerweise nütze uns das nicht viel, aber John würde vielleicht etwas damit anfangen kommen. 

Ich sah mich unterdes genauer um. Ein astraler Blick ergab keine neuen Erkenntnisse. Abdrücke eines Zaubers oder Ähnlichem hätten mich nach gut 18 Stunden auch eher erschreckt. 

Die Hintertür hatte offenbar ein gewaltsames Ende gehabt, vielleicht hatte das ja Eindruck bei ihr hinterlassen. 

Ich gab Finn Bescheid. ließ meine geistigen Schutzschilde fallen und machte ein weiteres mal von der Kunst der Psychometrie gebrauch. 

Drei Täter. Menschen. Männer. Sie wirken zielorientiert und gleichzeitig unmotiviert. Sie bearbeiten die Tür mit Händen. Reißen sie mit Muskelkraft raus.

Normale Metamenschen waren nicht so stark.

Ich versuchte, mich auf eines der Gesichter zu konzentrieren. 

Waren die Augen geweitet? Waren da Drogen im Spiel gewesen? 

Doch bevor ich das wirklich feststellen konnte, spuckte mich die Magie zurück in die Realität.

„Ich würde sagen, es waren drei Männer.“, erklärte ich meinen Runner-Kollegen, „übermäßig kräftig und seltsam unmotiviert. Genaueres kann ich nicht sagen. Aber ich würde sie wieder erkennen.“

„Drei passt zu dem, was ich gefunden habe. Drei unterschiedliche Sets von Abdrücken habe ich auch.“, bestätigte Columbo.

Wir übergaben die professionell genommenen Fingerabdrücke an John. „Kannst du die irgendwie checken?“; fragte ich. 

John zögerte kurz, nicht aus Argwohn, sondern weil es ihn überraschte, dass wir Fingerabdrücke genommen hatten. Das wunderte mich nicht, mich hatte es auch überrascht, „Ja mach ich. Zumindest durch das Horizon Netzwerk kann ich sie jagen.“

Da das ein Moment dauern würde, sahen wir uns draußen um.

Die Männer waren zu Fuss gekommen. 

Hier gab es Asphalt und Stein, Abdrücke gab es keine und auch keine Zigarettenkippen oder ausgespuckte Kaugummis, nicht mal ein Kaugummipapier.

Und wenn wir vier da nichts entdeckt hatten, dann war da auch nichts.

Eine kurze und sehr freundliche Befragungsrunde beim Personal und den Soldaten ergab ebenfalls nichts. Niemand hatte etwas gesehen, was uns weiter half.

Also kehrten wir unverrichteter Dinge zu John zurück.

Der kam uns zur Tür entgehen. „Ich glaub es kaum“, erklärte der Ork ein wenig aufgeregt, „aber die Abdrücke waren tatsächlich im System. Die drei Männer sind als Arbeiter von Horizon gelistet, die hier an einer Ausgrabungsstelle zu tun haben. Auf einer Insel vor der Bucht wurde doch vor einiger Zeit ein großes, verziertes Stück Quarts gefunden, das auf ein Alter von 10.000 Jahren datiert worden war und für die Ausgrabungsstelle ist ein Team aus vier Männern und zwei Frauen eingetragen. Zu dreien davon gehören die Fingerabdrücke. Die wohnen hier ganz in der Nähe in einem Motel.“

Selbstverständlich führte unser nächster Weg zum Motel. Andere Anhaltspunkte hatten wir ja nicht.

Es war nicht sonderlich weit bis dorthin. Wir gaben unseren Fahrer bescheid und liefen das kurze Stück zu Fuss.

Der Ausbruch einer Epidemie, eine alte Siedlung amerikanischer Ureinwohner, ein 10.000 Jahre alter Quarts, gestohlene Gegenmittel, Männer, die Türen mit ihren bloßen Händen bearbeiten - meine Nackenhaare stellten sich auf - und das lag nicht an der kühlen Brise, die die Strasse entlang wehte.

‹Was meinst du dazu Katze?›, fragte ich.

‹Dass du vor jeder Nahrungsaufnahme unbedingt einen Healthy Glow auf dich wirken solltest, Drachenkätzchen. Bleib auf der Hut!›

Ich nahm astral wahr. 

Die dunklen Nebelschwaden waren auch hier zu sehen. 

Wenigstens waren sie nicht dichter geworden.

Der Mann an der Rezeption hob den Kopf, lächelte aber nicht, als wir eintraten. Auch er trug eine Atemmaske. 

Unsere Ausstrahlung war nicht bedrohlich genug, um ihn nervös zu machen. Doch wir waren dem Native zu weiß, um ihn freundlich zu stimmen. Die Weißen hatten den amerikanischen Ureinwohner oft genug Krankheiten gebracht. Laut unseren TAG’s waren wir auch noch von einem Konzern. Das machte es nicht gerade besser.

Dennoch erwiderte Sam ‚Crimson’ Parker mein Lächeln zumindest kurz.

Ich erkundigte mich mit einer simplen Coverstory im Gepäck nach dem Ausgrabungsteam.

„Nee, die sind nicht da.“, meinte er gelangweilt.

„Wann waren sie denn das letzte Mal hier?“, fragte ich nach.

Er zuckte mit den Schultern, „Gestern irgendwann.“

„War irgendetwas besonderes bei denen los?“, wollte ich nun wissen und klang dabei völlig locker.

Parker schüttelte den Kopf. 

Diese Reaktion war zu erwarten gewesen. 

Da in seinen Augen nichts aufgeblitzt war, würde ihm wahrscheinlich wirklich nichts aufgefallen sein. Schon gar nichts, was er beängstigend fand. Metamenschen neigten dazu, sich an Merkwürdigkeiten besonders gut zu erinnern, wenn sie ihnen umheimlich waren.

Ich sagte wahrscheinlich, weil ich mich wegen der Hintergrundstrahlung5 im Astralraum nicht ganz so auf meine Sinne und Fähigkeiten verlassen konnte, wie sonst.

„Haben sie irgendeine Ahnung, wo die Gruppe hin ist?“, fragte ich nun.

Parker zog die Mundwinkel nach unten, „Nee. Wieso auch? Solltet ihr das nicht wissen. Ihr seid doch von Horizon.“ Er reckte den Kopf und sah aus dem Vorderfenster auf die Strasse. „Die Wagen sind jedenfalls noch da.“

Ich folgte seinem Blick. Stimmt, da standen zwei SUV’s mit dezentem Horizon-Logo.

Wo immer sie jetzt waren, sie hatten die drei großen Transportkisten also irgendwohin getragen. Wer Türen mit den Händen bearbeiten konnte, konnte wohl auch das. 

„Können wir bitte Keycards für die Zimmer haben?“, erkundigte ich mich.

„Klar:“, erwiderte Parker ohne zu zögern, drehte sich um, zog drei Rohlinge aus einer Kiste, tippte etwas in ein AR-Panel und zog die Karten durch einen Programmierer. Dann gab er mir die fertigen Keycards und meinte, „Linke Seite.“

Ich dankte ihm mit einem bezaubernden Lächeln. 

Das war leicht gegangen. 

Ich wandte mich grinsend an meine Kollegen und John, „Laut TAG’s haben wir hier drei identische Viererzimmer. Mit welchem fangen wir an?“ 

„Na mit Zimmer Nummer 1.“, suchte Mr.Jack aus.

Mit einem sanften Click öffnete sich Zimmer Eins. 

Wir sahen uns um, John kam ebenfalls mit hinein, trat aber gleich neben der Tür an die Wand, um uns nicht im Weg zu stehen.

Hier lebten offenbar drei Männer. Die Koffer waren praktisch gepackt geblieben und lagen auf den kleinen Ablagen vor den Betten. Einige wenige persönliche Dinge standen herum. Drei der vier Betten waren benutzt worden, das vierte diente als Ablagefläche für Kleidung, die aber auch nicht viel her gab. Im Bad fanden sich neben typischen Rasier- und Waschartikeln für Männer, zwei Packungen Zahnseide. 

Auffällig war nur das völlige Fehlen von Essenresten oder Verpackungen dafür. Nicht mal eine leere Getränkedose fand sich.

Der Astralraum kam hingegen wieder völlig unauffällig daher. Nichts hatte hier seinen astralen Abdruck hinterlassen.

A pro pos Abdruck. Das Zimmer wurde von Jay, Castro und CC bewohnt - und das waren die, deren Fingerabdrücke Columbo im Krankenhaus gefunden hatte.

Im Zimmer Zwei gab es mehr zu sehen. 

Es gehörte offenbar dem Gruppenleiter Dan. Nur ein Bett wurde als Schlafstätte genutzt. Auf den anderen Betten lagen Ausrüstungsgegenstände bereit. Karten der Umgebung waren ebenso an den Wänden angebracht worden, wie ein Brett für Notizen, das man sowohl real mit Stiften und Magneten, als auch virtuell beschreiben und bestücken konnte. In diesem Zimmer gab es übrigens jede Menge Verpackungs- und Essensreste. 

Ich betrachtete die Notizwand. Das Hauptinteresse der Ausgräber war auf Waadah Island gerichtet. Dort war auch die Quartsscheibe gefunden worden. Ich sah mir die Bilder von der Scheibe näher an. Sie war laut Anmerkungen wohl mehr als 10 Kilo schwer und über und über mit Hieroglyphen bedeckt, die man bisher weder zuordnen, noch ansatzweise entschlüsseln hatte können. Mir sagten die Zeichen auch nichts. Ich filmte das Board mit der Kamera meines Commlinks ab und speicherte es für den späteren Gebrauch. 

Das Ausgrabungsteam hatte die Einheimischen befragt und nicht sonderlich viel aus ihnen heraus bekommen. Es gab jedoch diverse Gruselgeschichten von Figuren und Erscheinungen im Nebel, die in letzter Zeit wieder gehäuft erzählt worden waren.

Meine Nackenhaare stellten sich erneut auf.

Zimmer Drei ähnelte Zimmer Eins so stark, dass einem kaum ein Unterschied auffiel. Hier wohnten die zwei Frauen, Squirell und Mary. Es roch also etwas blumiger und im Bad fanden sich statt Rasierer für Männer, eben welche für Frauen und außerdem die zu erwartenden Hygieneartikel. Auch hier fanden sich keine Verpackungen oder Reste von Essen.

Alle Zimmer waren in den letzten Stunden nicht benutzt worden. Eine genauere Zeitangabe konnten wir dazu nicht machen

Hinweise darauf, wohin die Gruppe gegangen war, gab es jedenfalls ebenso nicht, wie welche auf dunkle, magische Rituale.

Wir gaben die Keycards bei Parker ab und gingen nach draußen.

„Was ist mit den Wagen?“, fragte ich. 

Shark Finn trat an einer der Türen, „Die sind zu. Die Scheiben sind standartmäßig verdunkelt.“

Ich sah zu John, „Sind die Autos aus dem Fuhrpark? Gibt es da irgendwelche Codes oder Zweitschlüssel für den Notfall?“

John schüttelte den Kopf, „Nein und nein.“

Ich überlegte, ob es sich lohnen würde, die Wagen aufzubrechen, sagte dann aber, „Ohne Decker können wir sowieso nichts aus dem Navi ziehen. Abgesehen davon, wo auch immer sie sind, sie sind nicht dahin gefahren.“

Mr.Jack sah zu mir, „Die Wagen sind zu, sagst du?“ 

Ich nickte. 

Jetzt wandte sich Mr.Jack an John, „Kannst du im Horizon-Netzwerk nicht sehen, wo Einzelne aus der Gruppe zuletzt angemeldet waren?“

John griff nach seinem Commlink, „Klar, wenn sie ihre Comms nicht ausgeschaltet haben.“

Columbo hatte durch die getönten Scheiben der beiden Fahrzeuge geblickt und fragte nun, „Wollen wir die nicht noch nach Hinweisen durchsuchen?“

Ich grinste breit, „Nein, denn die Wagen sind zu und wir haben keine Schlüssel.“

John verzog das Gesicht, „Also ich hab die letzte Standpunkt-Meldung von Dan, der war vor 26 Stunden auf Vaada Island.“

Womit wir unser nächstes Ziel kannten.

[Song 4: James Horner/Aliens Score- Dark Discovery/Newts Horror4] Waadah Island war voller Natur, das und die Tatsache, dass es bereits dämmerte und somit die Dienstzeit unsere Geister endete und weil sich das ungute Gefühl immer mehr in mir festsetzte, sorgte dafür, dass ich mich umzog, bevor wir uns Richtung Insel aufmachten.

In Chameleon-Suit und Combat-Boots fühlte ich mich gleich sicherer - und Shark Finn beruhigte es auch.

Auch John wechselte Jackett gegen gepanzerte Jacke. 

Der Wagen konnte uns nicht ganz bis zur Ausgrabungsstelle bringen. Die Insel war zwar über einen Damm mit dem Festland verbunden, der für Fussgänger gedacht, aber gerade noch befahrbar war, doch gleich dahinter verdichtete sich der Wald.

Abgesehen davon, wollten wir niemanden durch Scheinwerfer aufschrecken. 

Hier war die Hintergrundstrahlung noch einmal höher, als in der restlichen Stadt. 

Sie legte sich bleiern auf meine Schultern.

Wir warteten einen Moment, bis sich unsere Sinne an die neue Situation angepasst hatten und nutzen die Zeit, um ein lokales Teamnetzwerk aufzubauen über das wir leiser kommunizieren konnten.

Dann blendete wir via AR eine Karte ein, damit uns Pfeile den Weg zu den Koordinaten zeigten. 

Schon bald waren wir tiefer im Wald. 

Ein Großteil des Lichts am inzwischen nächtlichen Himmel wurde von den Baumwipfeln verschluckt. Doch es war nicht völlig dunkel, und wir hatten Restlichttaschenlampen dabei. 

Wir bewegten uns so leise wie möglich.

Dennoch knackten die Äste laut unter unseren Schritten, Laub raschelte. Bis auf Mr.Jack bewegte sich niemand von uns wirklich richtig leise.

‹Keine Sorge, Drachenkätzchen.›, beruhigte Katze mich, ‹So übermäßig laut seid ihr gar nicht. ‹Und nun bleib stehen und horch.›

Ich flüsterte «Halt!», ins Subvocal-Mikrophon des Commlinks, blieb stehen und horchte.

Aus irgendeinem Grund schlug mein Herz bis zum Hals. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich beruhigte meinen Puls und hörte genauer hin. 

Seltsame Geräusche kamen genau aus der Richtung, in die wir wollten. Ein auf- und absteigendes Knattern und Rattern von einer Maschine und dazu noch eine Art Gebläse waren zu hören. 

Mr. Jack hatte das auch wahrgenommen, doch auch er konnte die Geräusche nicht zuordnen.

Ein kalter Schauder huschte meinen Rücken hinunter.

«Ab jetzt schleichen wir.», sagte ich leise an, «Bis zu den Koordinaten der Ausgrabung ist es nicht mehr weit, seit also auf der Hut.»

Vorsichtig schlichen wir weiter.

Die Geräusche wurden lauter.

Ein Laubbläser und ein Asthäcksler? Schoss es mir durch den Kopf. 

Arbeiteten die da die ganze Nacht an der Ausgrabung?

Aber wozu dann das Häckseln?

Der Wald lichtete sich. 

Genau darum heißt eine Lichtung, ja Lichtung.

Durch einzelne Baumstämme hindurch waren sich bewegende Metamenschen zu sehen. 

Wir schlichen na genug heran, um sehen zu können, was auf der Lichtung geschah.

11 Metamenschen liefen dort umher, warfen tote Ratten, andere Nagetiere, deren Exkremente und Müll in einen Häcksler, fingen das eklige Mehl auf, trugen es rüber zu einem Gebläse und verteilten es damit hoch in die Luft Richtung Neah Bay.

Bei allen Drachen der 6. Welt! 

Ich hielt unweigerlich für einen Moment den Atem an.

6 der 11 Personen waren die von uns gesuchten Ausgräber.

Ein Stück von den Maschinen entfernt, fast schon beiläufig abgestellt, lagerten die drei Transportbehälter mit Ampullen.

Ich nahm astral wahr …

Die Metamenschen auf der Lichtung waren alle bereits tot und Geister hatten von ihnen Besitz ergriffen.

S H E D I M! 


Fortsetzung folgt …


Kommentare zu ‚Bad Medicine, Good Cause‘ passen unter The Tale Goes On, Part Two [LINK].


Fussnoten

0. Bei den Episoden handelt es sich um in Geschichten umgewandeltes Pen & Paper RPG. Durch die Umstellung von SR4A auf SR5 und zusätzlichen Regelerweiterungen kann es in den Geschichten zu Unbeständigkeit oder Widersprüchen zu früheren Episoden kommen. So kann zum Beispiel ein Charakter eine Sache nicht mehr, die er vorher konnte oder das Wirken einer Kraft hat andere Ergebnisse, als zuvor. Für den Charakter ist es aber so, als wäre es immer schon so wie nach den neuen Regeln gewesen.  

1. Die Episode wurde am 15.04.2016 erspielt. Wegen den Widrigkeiten und Schönheiten des RL, können nur selten alle Spieler am Spielabend teilnehmen. Deshalb können Charaktere ohne weitere Erklärung auftauchen oder verschwinden. Manchmal ist ihr Charakter dennoch mit auf einem Run. In diesen Fällen wird der Charakter zwar mitgeführt, sein Handeln gerät, wenn möglich, aber in den Hintergrund. Der Spotlight soll auf Charakteren stehen, deren Spieler anwesend sind. Gegebenenfalls hinterlassen Spieler beim GM Regieanweisungen. Eine Beschreibung aller Charaktere findest du hier [LINK].

2. Der Zeitstempel wird an unsere Zeitlinie angepasst und ist maximal an die offizielle Timeline angelehnt.

3.Sprawl Wilds ist eine Shadowrun® Fifth Edition Abenteuersammlung von Catalyst Game Labs. Der Run wurde an unsere Spielergruppe angepasst und kann stark verändert sein. An dieser Stelle danken die Spieler unserer Runde den Autoren von Shadowrun® für ihre Arbeit. Ohne sie wäre unser Spiel nicht möglich.

4. Die verlinkten Songs sollen lediglich zu Stimmung beitragen und enthalten keine versteckten Hinweise. Jedenfalls meistens nicht. Eine komplette Episoden Playlist findest du hier [LINK].

5. Die magische Hintergrundstrahlung (Backroundcount) hat in den SR5-Geschichten leicht andere Auswirkungen, als zu SR4-Zeiten. Geister behalten ihre Kraftstufe. Duale Wesen, zu denen Snowcat als Drake ebenso gehört wie Geister, fallen nun auch mundäne Handlungen schwerer. Während für Metamenschen „nur“ Handlungen erschwert werden, die irgendwie mit Magie in Zusammenhang stehen. (Regeltechnisch wird im Fall von Dualen Wesen jeglicher Würfelpool um die Höhe der Hintergrundstrahlung reduziert, sonst gilt es nur für jeden Wurf, der mit Magie zu tun hat.)

*reckundstrekgenüsslich* Hoffe Ihr habt Spass; *knutschi*